Betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK-Zertifikat)

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Transkript:

Leseprobe Betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK-Zertifikat) Studienheft BGM-Grundlagen Unternehmenspolitik, Gesetze und Standards Autorin Ursula Wetzig Ursula Wetzig ist Diplom-Betriebswirtin, QM-Fachkraft, Diplom Master European Business Trainerin Gesundheitsmanagement. Neben Ihrer selbstständigen Tätigkeit der TG LifeConcept, unter deren Dach Sie namhafte Unternehmen, Fach- und Führungskräfte im betrieblichen Gesundheitsmanagement und bei der gesunden Führung berät und begleitet, ist sie für das IST-Studieninstitut als Autorin und Dozentin tätig. Sascha Martini ist Diplom-Sportwissenschaftler und Master of Health Management. Neben seiner Tätigkeit als Berater für BGM bei der B.A.D. Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH, ist er für das IST-Studieninstitut als Autor und Dozent tätig sowie Modulbeauftragter für die IST-Hochschule für Management.

2 Lernorientierung Nach Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in der Lage, X die wachsende Bedeutung des betrieblichen Gesundheitsmanagements zu erkennen; X die Herausforderungen für das betriebliche Gesundheitsmanagement zu überblicken, welche anhand ausgewählter Daten zur demografischen Entwicklung, zum strukturellen Wandel der Wirtschaft und zu Veränderungen in der Bildungslandschaft, dargelegt werden; X die Bedeutung eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagements für die Bewältigung von Veränderungen in der Arbeitswelt (Arbeitsorganisation, Beschäftigungsmodelle, Arbeitsbelastungen, Arbeitsumfeld, zeitliche Arbeitsbedingungen) zu verstehen; X überbetriebliche Netzwerke zu überblicken und deren Einflüsse nachzuvollziehen, die auf die Planung und Anwendung von betrieblichen Gesundheitsmanagementsystemen wirken; X die besondere Bedeutung des Krankenstandes und der Krankheitsarten für ein betriebliches Gesundheitsmanagement nachzuvollziehen. Bestimmte rechtliche, gesellschaftliche und persönliche Rahmenbedingungen erfordern eine staatliche Gesundheitspolitik im Allgemeinen und eine betriebliche Gesundheitspolitik im Besonderen. In der Übersicht sind hier folgende Felder von besonderer Bedeutung: QV Rechtliche Vorgaben (einem kurzen historischen Abriss der rechtlichen Grundlagen und ihrem heutigen Stand widmen wir uns im Kapitel 3 Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen ) Gesellschaftliche Veränderungen, z. B. in der Demografie, in den Wirtschaftssektoren oder in der Bildung Veränderungen in der Arbeitswelt, z. B. in den Beschäftigungsformen oder der Art der körperlichen Belastung Veränderungen in der Zusammenarbeit der gesellschaftlich relevanten Gruppen, z. B. durch die Gründung von Gesundheitsnetzwerken Veränderungen beim Krankenstand und bei den Krankheitsarten, z. B. unter dem Aspekt der starken Zunahme von psychischen Krankheiten 10

3 1.1 Veränderungen in der Gesellschaft 1.1.1 Demografische Entwicklung Die Demografie (griechisch: demos = Volk, grafein = schreiben) untersucht die Größe und Struktur (Alter, Geschlecht, Nationalität) der Bevölkerung und ihre Veränderung. Im Rahmen dieses Studienheftes konzentrieren wir uns auf demografische Daten zu Deutschland. Die Determinanten der Bevölkerungsdynamik sind: Fertilität = die Anzahl von Kindern, die eine Frau in ihrem Leben bekommt Deutschland gehört seit mehreren Jahrzehnten zu den Ländern mit dem niedrigsten Geburtenniveau weltweit. Es liegt seit etwa 40 Jahren um ein Drittel unter dem Niveau zur Erhaltung der Bevölkerungszahl. Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung steigt, weil die Kindergeneration jeweils kleiner als die Elterngeneration ist. Quantitative Veränderungen der Bevölkerung Mortalität = die Anzahl der Todesfälle, bezogen auf die Gesamtzahl der Individuen oder, bei der spezifischen Sterberate, bezogen auf die Anzahl der betreffenden Population (z. B. Kindersterblichkeit) Die Sterblichkeit ist rückläufig und spiegelt sich im Anstieg der Lebenserwartung wider. Lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt 1871/1881 für Jungen noch bei 35,6 und für Mädchen bis 38,5 Jahren, so können neugeborene Jungen in der Gegenwart im Durchschnitt 77,3 und Mädchen 82,5 Lebensjahre erwarten. Das Anwachsen älterer Bevölkerungsgruppen geht einher mit dem Altern der geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1964 (Babyboomer), die nach 2020 in das Rentenalter eintreten werden. Wanderungen = dauerhafter Wohnsitzwechsel innerhalb Deutschlands (Binnenwanderung) bzw. durch Emigration oder Immigration (Außenwanderung ) Nachdem 1992 mit der Zuwanderung von mehr als 1,2 Mio. Zuzügen ausländischer und knapp 300.000 deutscher Staatsangehöriger ein Höhepunkt der Zuwanderung war, nahm in den folgenden Jahren die Zahl der Zuzüge wieder ab. So wanderten 2006 rund 559.000 Ausländer nach Deutschland ein, ca. 484.000 Ausländer zogen fort. Etwa die Hälfte der Neuzuwanderer (zwischen 2000 und 2003 zugewandert) verfügt über eine Fachhochschul oder Hochschulreife. Das trifft aber nur sehr stark auf die zugewanderten Westeuropäer und Zuwanderer aus dem außereuropäischen Ausland zu. (www.bib demografie.de) 11

4 Die Änderungen in den Altersstrukturen im letzten Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts zeigt die folgende Grafik. Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland (www.bmi.bund.de) Der Altersaufbau der Bevölkerung hatte zu Beginn des 20. Jahrhundert die Form einer Pyramide. Das breite Fundament wurde von vielen Kindern und Jugendlichen gebildet. Mit zunehmendem Alter nahm die Zahl der Menschen eines Jahrgangs relativ gleichmäßig ab. Seit Anfang der 1970er Jahre sind Veränderungen des Altersaufbaus festzustellen. Das Fundament wurde durch drastisch sinkende Geburtsraten verkleinert. Die Spitze wurde durch die steigende Lebenserwartung immer breiter. 12

5 Laut Demografiebericht der Bundesregierung 2011 (BMI) wird sich die Bevölkerungszahl in Deutschland von etwa 83 Mio. in 2010 auf etwa 65 70 Mio. Personen in 2060 reduzieren (vgl. BMI 2011, S. 31). Die Personenzahl der 20 Jährigen bis unter 65 Jährigen (Erwerbsalter) wird sich von etwa 50 Mio. im Jahre 2010 auf etwa 32 36 Mio. reduzieren (vgl. BMI 2011, S. 36). Damit lassen sich zusammenfassend für Deutschland drei wichtige Entwicklungen festhalten: Die Bevölkerungszahl wird insgesamt abnehmen Die Zahl der Personen im Erwerbsalter wird abnehmen Bei den Personen im Erwerbsalter erhöht sich der Anteil der über 50 Jährigen Diese Bevölkerungsdynamik hat neben den Auswirkungen auf die Sozialsysteme natürlich auch Einfluss in Unternehmen. Aufgrund immer älter werdender Belegschaften und des Mangels an Nachwuchskräften müssen Unternehmen heute deutlich weiter in die Zukunft denken und planen. Auswirkungen der Bevölkerungsdynamik in Unternehmen Im Hinblick auf das betriebliche Gesundheitsmanagement bedeutet das eine laufende Anpassung des Personalmanagements an veränderte Altersstrukturen. In den nächsten Jahrzehnten wird der Anteil älterer Personen in Betrieben deutlich steigen. Gleichzeitig sinkt spürbar die Beschäftigungsrate jüngerer Arbeitskräfte. Mitarbeiter über 45 Jahre werden in relativ naher Zukunft die Mehrheit in den Belegschaften stellen. Durch die Internationalisierung mit zunehmender Konkurrenz werden deutsche Unternehmen in Zukunft mehr denn je auf motivierte, qualifizierte und gesunde Mitarbeiter angewiesen sein. Ein Gesundheitsmanagement wird immer wichtiger, um die Mitarbeiter leistungsfähig zu erhalten und die Ressourcen möglichst lange nutzen zu können. Ältere Mitarbeiter müssen unter gesundheitlichen Gesichtspunkten besonders und anders betreut werden. Fest steht, dass mit dem Alter die körperlichen Kapazitäten und z. B. die Hör und Sehfähigkeit abnehmen, aber auf der anderen Seite z. B. die geistig sozialen Fähigkeiten zunehmen. Für ältere Mitarbeiter muss ein Gesundheitsmanagement diesen Erkenntnissen Rechnung tragen. Solche Zusammenhänge und mögliche Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Gesundheitspolitik wollen wir mithilfe eines Beispiels aus der Praxis veranschaulichen. 13

6 Praxisbeispiel Kleine Fallstudie aus der Baustoffindustrie Eine vorausschauende betriebliche Gesundheitspolitik erfordert die Einbeziehung demografischer Daten, um z. B. Veränderungen der Altersstruktur rechtzeitig zu erkennen. Die Analyse der Altersstruktur macht eine alternde Belegschaft deutlich, d. h., die jüngeren Altersgruppen sind im Verlauf der Betrachtung nicht mehr so stark vertreten, dafür die älteren Semester um so mehr. So wird sich z. B. der Anteil der 50- bis 59-Jährigen von 180 Mitarbeitern heute auf 360 Mitarbeiter in zehn Jahren verschieben. Die Arbeitskraft dieser Mitarbeiter sollte durch unterstützende Maßnahmen seitens des Unternehmens so lange wie möglich erhalten bleiben. Außerdem ist zu überlegen, ob diese Mitarbeiter nicht über das heutige Rentenalter hinaus arbeiten sollten (bzw. müssen). Die Fallstudie zielt darauf ab, dass die Mitarbeiter künftig bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten werden. Konkrete Überlegungen zu Entscheidungen im Rahmen des Demografiemanagements des Unternehmens sollten mit einer Arbeitssituationsanalyse beginnen. Ein Instrument dazu sind z. B. Workshops, an denen die Führung des Unternehmens und die Mitarbeiter beteiligt sind. Die Ergebnisse der Workshops zeigen, dass sich in folgenden Bereichen etwas ändern müsste, damit die Mitarbeiter die Arbeit bis 67 Jahre ausüben können: Technik, Arbeitsorganisation, Arbeitszeitgestaltung, Ergonomie Personalentwicklung und Wissenstransfer Führung und Unternehmenskultur Eine Konkretisierung im Bereich Technik und Arbeitsorganisation könnte z. B. so aussehen: Beispiele zu Konkretisierungen der Belastungen und Aufnahme der Verbesserungsvorschläge: Problem/erwartete Schwierigkeit unter demografischen Gesichtspunkten Sackware Lager (Kommissionierung) Absackung kg-gewicht zu hoch (unhandlich) Profillager: Profile werden alleine bewegt Wirkung Rücken- und Gelenkbelastung Muskel-Skelett- Belastung Unfallgefahr Vorschlag Technische Lösung, z. B. Palette anheben und nach vorne ziehen Gebindegröße ändern, kleinere Verpackung Komplette Über dachung, Kollege bei Bedarf 14

7 Praxisbeispiel (Fortsetzung) Durch Begehung der Arbeitsplätze wurden folgende arbeitsmedizinische Erkenntnisse gewonnen: Nochmalige lösungsorientierte Begehung der Arbeitsplätze unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Arbeitssituationsanalyse (insbesondere zu Muskel- und Skelettbelastungen) durch Arbeitsmediziner mit besonderen Branchenkenntnissen. Einbeziehung weiterer Belastungsfaktoren Stichworte: Ergonomie (Licht- und Klimaverhältnisse), stoffbezogen (Staub) und Schichtmodelle. Einbindung des zuständigen Betriebsarztes (überbetrieblicher Dienst/ niedergelassener Kollege) zur weiteren Beratung des Betriebes in den schon genannten Feldern. Zum Bereich Personalentwicklung und Wissenstransfer können Mitarbeiter sich auch mit relativ einfachen Maßnahmen einbringen. Eine Befragung der Mitarbeiter zu diesem Punkt ergab folgende Ergebnisse: Die Mitarbeiter schlugen vor, sich weiterzubilden, sich zu verändern, Wissen und Erfahrungen zu teilen und Angebote der Gesundheitsförderung in Anspruch zu nehmen, und brachten folgende Ideen ein: Anreize schaffen für Kooperationen mit örtlichen Sportanbietern Informationen zu Ernährung und Schicht Informationen zu Schichtarbeit und Schlaf Arbeitsplatzbezogene Rückenschule (www.bgf-institut.de,präsentation Klaus Pelster) Das Beispiel zeigt praxisorientiert auf, welche Zusammenhänge zwischen demografischen Änderungen und einer gesundheitsorientierten Unternehmenspolitik bestehen. Größere Institutionen wie Großunternehmen und öffentliche Verwaltungen haben die Bedeutung der Demografie bereits erkannt und in die Unternehmenskultur integriert. Immer mehr Unternehmen professionalisieren ihre Ansätze in diesem Bereich der Unternehmenspolitik mit der Installation eines Demografiemanagements. Notwendigkeit eines Demografiemanagements Es besteht aber insgesamt noch ein Nachholbedarf bei der Durchsetzung der Idee eines Demografiemanagements. Es gibt zahlreiche Ansätze zur Sensibilisierung für dieses Thema (z. B. Unternehmensberatungen, IHK Seminare, Forschungsprojekte oder einen Personalmanagement Award für herausragende Projekte im Demografiemanagement u. a.). 15

8 Der demografische Wandel beeinflusst sehr stark die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Der Rückgang und die Alterung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bedeutet auf der Angebotsseite eine mögliche Verringerung des Wachstumspotenzials aufgrund eines rückläufigen Arbeitskräfteangebotes und auf der Nachfrageseite einen wirtschaftlichen Strukturwandel infolge von Veränderungen in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Ansatzpunkte zur Kompensation dieser Einflüsse des demografischen Wandels auf die Gesamtwirtschaft sollten nach dem Demografiebericht der Bundesregierung sein (vgl. BMI 2011, S. 95; www.fachkraeftebuero.de): günstige Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Strukturwandel eine Stabilisierung des Arbeitsvolumens durch bessere Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch Bildung und Qualifizierung eine Erhöhung des technischen Fortschritts durch Forschung und Innovation Gerade der zweite Ansatzpunkt macht die Bedeutung der betrieblichen Gesundheitsförderung deutlich. Das Arbeitskräftepotenzial lässt sich bedeutend steigern durch die Erhöhung der Qualität der Arbeitskräfte (gesündere Mitarbeiter leisten in der Regel mehr) und durch eine Streckung der vollen Arbeitsfähigkeit bis zum Eintritt in das Rentenalter. Zu einigen der Ansatzpunkte finden Sie nachstehend Daten und Anmerkungen. 16