Dr. Michael Kilchling Kriminologie II 6 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 1
Exkurs: Gewinnabschöpfung Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 2
73 74 Systematik der 73 ff. StGB *) Organisierte Kriminalität u. Terrorismus: auch Gegenstände aus anderen als den angeklagten Straftaten (e r w e i t e r t e r V e r f a l l) 73d 76a S e l b s t ä n d i g e 73 II 1 73 II 2 73a 74c Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 3 A n o r d n u n g
Exkurs: Gewinnabschöpfung *) 73 Abs. 3 StGB: "Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, richtet sich der Verfall gegen diesen." Konkretes Beispiel: Siemens erster Korruptionsprozess (LG Darmstadt 2007, BGH 2008 2 StR 587/07) Anklagestrategie als Indikator für den hohen Stellenwert der Gewinnabschöpfung bei Polizei und Staatsanwaltschaft Bestechungssumme: ca. 5 Mio. Primäres Ziel der Anklage: Bestrafung der direkt verantwortlichen Siemens-Mitarbeiter Sekundäres Ziel: Gewinnabschöpfung direkt bei Siemens*:» 1. Antrag: Verfall der gesamten Auftragssumme in Höhe von 338.100.000,00 (Bruttoprinzip), bzw.» 2. Antrag: 97.000.000,00 (Nettogewinn)» Urteil 1. Instanz: Verfall von 38.000.000,00 Erfolgreiche Revision von Siemens: kein Verfall mangels Bestechungstat (BGH vom 29.8.2008, NJW 2009, S. 89) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 4
Exkurs: Gewinnabschöpfung *) 73 StGB: " hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr Problem: Bruttoprinzip* der etwas Gewinnabschöpfung erlangt, ordnet das im Gericht Fall von bei Bestechung dessen Verfall an." Uneinheitliche Rechtsprechung BVerfGE 105, S. 135 ff.: Bruttoprinzip ist zulässig BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 1 StR 166/07 (unlautere Gewinnspiele): maßgebend ist nicht der Nettogewinn, sondern der Bruttoerlös Aber: BGHSt 50, S. 299 ff. (5 StR 119/05): Für die Bestimmung des 'Erlangten' ist das Bruttoprinzip unerheblich Unmittelbar aus einer Bestechung erlangt der Unternehmer lediglich den Vertragsabschluss, nicht jedoch den Werklohn Maßgeblich ist mithin nicht der (vereinbarte) Preis, sondern der Gewinn (zuzügl. evtl. weiterer Vorteile, u. abzügl. Steuern, BGHSt 47, S. 260 ff.) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 5
Weitere Kontrollstrategien Ordnungswidrigkeiten Aufsichtsrechtliche Sanktionen (US-Börsenaufsicht SEC) Zivilrechtliche Sanktionen ('punitive damages') Selbstkontrollmechanismen Compliance Aufsicht Wirtschaftsprüfung, Innere Revision und Überwachung Geldwäschebeauftragte Good Practices ('KYC', Jobrotation, Funktionstrennung) Interne Verhaltenscodices Wirtschaftsethik Whistleblowing Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 6
'Fernwirkungen' Europäisierung Internationalisierung / 'Amerikanisierung' US-Gerichtsbarkeit» z.b. 'Foreign Corrupt Practices Act': bis zu 4-fache Geldstrafe 'Privatermittlungen' durch internationale Kanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Einfallstor für US-Rechtsstandards, Bedeutungsverlust der Garantiefunktion nationaler Regelungen (StPO, aber auch Arbeitsrecht) Hoher Kostenfaktor» Beispiel: Siemens Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 7
Strafrechtliche Kontrolle der Wirtschaftskriminalität Aktuelle Literatur zu Siemens: http://w1.siemens.com/press/pool/de/events/jahrespk2007/legalproceedings-q4-2007-d.pdf http://w1.siemens.com/press/pool/de/events/2008-q4/2008-q4- legal-proceedings-d.pdf http://w1.siemens.com/press/pool/de/events/2009-q4/2009-q4- legal-proceedings-d.pdf http://www.siemens.com/press/pool/de/events/corporate/2010- q4/2010-q4-legal-proceedings-d.pdf http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2011/corporate/2011 -q2/2011-q2-legal-proceedings-d.pdf Ned Sebelius: Foreign Corrupt Procedures Act, American Criminal Law Review 45 (2008), S. 579-606 Matthias Jahn: Ermittlungen in Sachen Siemens/SEC, StrafVert. 2009, S. 41-46 Peter Graeff, u.a. (Hrsg.): Der Korruptionsfall Siemens. Analysen und praxisnahe Folgen des wissenschaftlichen Arbeitskreises von Transparency International Deutschland, Baden-Baden 2009 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 8
Strafrechtliche Kontrolle der Wirtschaftskriminalität Helmut Satzger: "Schwarze Kassen" zwischen Untreue und Korruption. Eine Anmerkung zur Siemens Entscheidung des BGH (U. v. 29.08.2008-2 StR 587/07), NStZ 6/2009, S. 297-306 Ulrich Wastl, u.a.: SEC-Ermittlungen in Deutschland - eine Umgehung rechtsstaatlicher Mindeststandards! Erste exemplarische Überlegungen zu Hintergründen und rechtlichen Konsequenzen so genannter "Privatermittlungen" unter besonderer Berücksichtigung des Komplexes "Siemens", NStZ 2009, S. 68-74 Matthias Jahn: Ermittlungen in Sachen Siemens / SEC. Legitimer Baustein des globalisierten Wirtschaftsstrafverfahrens oder rechtswidriges Parallelverfahren zur Strafprozessordnung? Eine Problemskizze, Strafvert. 2009, S. 41-46 Zum Bruttoprinzip bei der Gewinnabschöpfung BVerfGE 105, S. 135 ff. = NJW 2004, S. 2073 ff. BGHSt 50, S. 299 ff. BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 (1 StR 166/07), NStZ 2009, S. 275 (auch online unter www.bundesgerichtshof.de) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 9
1.4. Umweltkriminalität Fragestellungen: Besonderheiten des Umweltstrafrechts Umfang und Entwicklung der Umweltkriminalität Strafverfolgungspraxis im Umweltstrafrecht Umwelt als kriminogener Sektor Schnittstellen zur Organisierten und zur Wirtschaftskriminalität Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 10
Besonderheiten des Umweltstrafrechts Verwaltungsakzessorisches Strafrecht Der Tatbestand ist häufig nicht vollständig Beispiel: 324 StGB (Gewässerverunreinigung): " wer unbefugt..." Erforderlich ist: Verwaltungsentscheidung (Befugnis/Erlaubnis etc.) Konsequenz: behördliche Genehmigung lässt Tatbestandsmäßigkeit entfallen; ansonsten relevant für Prüfung der Rechtswidrigkeit Entscheidend ist formelle, nicht materielle Richtigkeit des Verwaltungsakts Umweltstrafrecht ist i.ü. einer der ersten formal europäisierten Abschnitte im StGB (vgl. 326, 328, 329) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 11
Besonderheiten des Umweltstrafrechts Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 12
Bereiche der Umweltkriminalität Kernbereich seit 1980 als eigener 29. Abschnitt im StGB: Gewässerverunreinigung ( 324) Bodenverunreinigung ( 324a) Luftverunreinigung ( 325) Lärm, Erschütterungen etc. ( 325a) Gefährliche Abfälle ( 326) Betreiben von Anlagen ( 327) Umgang mit radioaktiven Stoffen ( 328) Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete ( 329) Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Gift ( 330a) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 13
Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Probleme bei der Bestimmung des Umfangs: Umweltkriminalität ist opferlose Kriminalität Umweltkriminalität ist Kontrollkriminalität Keine Zahlen zu Dunkelfeld verfügbar Auch die statistische Erfassung des Hellfeldes erscheint, zumindest in Teilbereichen, wenig zuverlässig Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 14
Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 15
Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Quelle: PKS 2010 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 16
Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Quelle: PKS 2010 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 17
Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Quelle: PKS 2010 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 18
Strafverfolgungspraxis im Umweltstrafrecht Quelle: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht 2006, S. 276 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 19
Strafverfolgungspraxis im Umweltstrafrecht Quelle: Michael Zweiter Kilchling Periodischer Vorlesung Sicherheitsbericht Kriminologie II SS 2012 20
Umwelt als kriminogener Sektor Hohe Kosten für legales Handeln Begrenzte Kontrolle und Kontrollierbarkeit Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU Mangelnde Kontrollkapazitäten und -möglichkeiten Beispiel Nordsee: Ca. 50.000 Fangschiffe auf einer Fläche von 1x10 6 km 2 Ca. 20.500 Kontrollen durch EU-Behörden in 1990 Kontrollwahrscheinlichkeit pro Fangschiff: 1 Inspektion in zwei Jahren Beispiel Grenzstatistik 1999 des US Drug Control Office: Ca. 76 Mio. Flugpassagiere und Crew-Mitglieder Ca. 395 Mio. Einreisen auf dem Landweg Ca. 200.000 Schiffe, 900.000 Flugzeuge, 135 Mio. Fahrzeuge u. 16 Mio. Frachtcontainer Hohe Geschäftsvolumina Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 21
Umwelt als kriminogener Sektor Quelle: Statistisches Jahrbuch 2011 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 22
Umwelt als kriminogener Sektor 2007 15.360 Quelle: Statistisches Jahrbuch 2011 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 23
Umwelt als kriminogener Sektor Organisierte Umweltkriminalität: Abfallkriminalität Illegales Deponieren Illegaler Transport Vermischung und vorschriftswidrige Entsorgung toxischer und anderer gefährlicher Abfälle Illegaler Handel mit radioaktiven Substanzen Illegaler Handel mit bedrohten Tierarten Illegaler Handel mit tropischen Hölzern Illegaler Handel mit ozonschädigenden Substanzen Illegale, quotenwidrige Fischerei Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 24
Umwelt als kriminogener Sektor Was macht den Umweltbereich anfällig/attraktiv für die Organisierte Kriminalität? Stark regulierter Bereich Unterschiedliche nationale Regelungsstandards Zahlreiche Genehmigungsvorbehalte Begrenze Kontrollierbarkeit und Kontrolle Knappheit legaler Ressourcen Ausreichende Verfügbarkeit kostengünstiger Transportkapazitäten Hohe Nachfrage Privatisierung/Outsourcing Hohe Gewinnspannen Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 25
Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität WK UK Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 26
Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität UK OK Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 27
Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität OK UK WK Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 28
1.5. Menschenhandel Deliktsbereiche: Frauenhandel Handel mit Arbeitskräften Kinderhandel und internationale Adoption Schleusung von Immigranten Organhandel Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 29
Menschenhandel als politisches und strafrechtliches Problem UN: Konvention zur Bekämpfung Transnationaler Organisierter Kriminalität 2000, Zusatzprotokoll über Menschenhandel EU: Rahmenbeschluss vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (2002/629/JI), ABl. L 203, S. 1-4 Europarat: Konvention gegen Menschenhandel vom 16.5.2005 Europarat, Kommissar für Menschenrechte, Berliner Erklärung vom November 2004 (zum Schutz der Opfer von Menschenhandel)» Menschenhandel ist strafwürdiges Unrecht» Opfer von Menschenhandel sind besonders schutzwürdig EU: Beschluss der Kommission vom 17. Oktober 2007 über die Einsetzung der Sachverständigengruppe für Menschenhandel (2007/675/EG), ABl. L 277, S. 29-32 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 30
Die Entstehung des Problems Historische Vorläufer: Internationales Abkommen über Verwaltungsmaßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel (Paris 1904) Internationale Konvention zur Bekämpfung des Mädchenhandels (Paris 1910) Internationale Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels (Genf 1921) Internationales Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen (Genf 1933) Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer (1949) Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 31
Einflussfaktoren Prostitutionsabolitionismus Anti-Diskriminierungsbewegung Kampf gegen organisierte und transnationale Kriminalität Immigrationskontrolle Gewalt gegen Frauen Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 32
Reform des Menschenhandelsstrafrechts in Deutschland Vormals Sexualdelikt ( 180b, 181 a.f. StGB ) Geändert im Rahmen der Prostitutionsreform 2005 Neukategorisierung als Straftat gegen die persönliche Freiheit und inhaltliche Erweiterung:» Sexuelle Ausbeutung, 232 StGB» Ausbeutung durch Arbeit allgemein, 233 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 33
Reform des Menschenhandelsstrafrechts in Deutschland 232: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder dazu bringt, sexuelle Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, an oder vor dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 34
Reform des Menschenhandelsstrafrechts in Deutschland 233: Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft (1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 35
Rechtspolitische Diskussion Skandinavisches Modell: Bestrafung der Kunden Vorreiter: Schweden» Gesetz zum Verbot des Kaufs sexueller Dienstleistungen von 1999» Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten» Ähnlich in Norwegen und Island (seit 2009)» In Finnland nur strafbar, wenn die Prostituierte Oper von Menschenhandel ist» Praxis: ansteigende Verurteiltenzahlen, aber auf niedrigem Niveau (1999: 11; 2006: 108; 2011: 436)» www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,515779, 00.html Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 36
Menschenhandel Häufigkeit (PKS) 1200 1000 800 600 400 200 0 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 37
Schätzungen Dunkelfeldproblematik Existiert auch hier Ausfall der Anzeigeerstatter(innen) US Justizministerium: 600.000-800.000 Opfer von Menschenhandel weltweit ILO: 2,4 Millionen Opfer weltweit Europol: 200.000 500.000 Opfer in Westeuropa SZ 10. 3. 2005: 200.000 Zwangsprostituierte in Deutschland ILO: Gewinne weltweit ca. 32 Mrd. US-$ BKA: Durchschnittlicher Zuhälterverdienst ca. 9.000 mtl. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 38
Bedingungen des Menschenhandels Globalisierung der Schattenökonomie Migration» Kehrseite der Globalisierung» Armut, Bürgerkriege, Umweltprobleme» Push-Faktoren Reduzierung legaler Immigration Starke Nachfrage in Europa und Nordamerika» nach billiger Arbeit, nach sexuellen 'Dienstleistungen'» Pull-Faktor Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 39
Merkmale des Menschenhandels Lagebericht Menschenhandel 2010 (BKA) 610 Opfer gem. 232 (96 % weiblich, 14 % minderjährig, 56 % unter 21 J.) Herkunft der Opfer» 55 % Zentral- und Osteuropa» 20 % Deutschland Anwerben der Opfer» 35 % Täuschung über den Aufenthaltszweck (Prostitution)» 11 % Gewalt» Etwas mehr als ein Drittel: einverstanden oder mutmaßlich informiert 730 Tatverdächtige (davon 184 Deutsche) u. 116 Verurteilte 72 % der Tatverdächtigen Männer Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 40
Quelle: BKA, Lagebild Menschenhandel 2010 Merkmale des Menschenhandels Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 41
Abschiebeschutz? BKA verweist auf zentrale Bedeutung des Personenbeweises in Form von belastenden Aussagen durch die Opfer Opferbetreuung in Kombination mit Abschiebeschutz betroffener Opfer gelten hierfür als besonders wichtig Der ehemalige allgemeine vorläufige Abschiebeschutz (allgemeine vierwöchige 'Bedenkfrist') wurde durch das Zuwanderungsgesetz 2004 (BGBl. 2004, S. 1950) hinfällig Allerdings enthalten die neuen 25 und 60a AufenthG gegenüber der früheren Rechtslage ( 55 Abs. 3 AuslG) einen wesentlich verbesserten Aufenthaltsstatus einschließlich Abschiebeschutz speziell für Opferzeugen im Bereich Menschenhandel sofern sie sich zu einer Aussage entschließen Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 42
Abschiebeschutz? 25 AufenthG: Aufenthalt aus humanitären Gründen (4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den 232, 233 oder 233a des Strafgesetzbuches wurde, kann [ ] auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn 1. seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, 2. er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und 3. er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 43
Abschiebeschutz? 60a AufenthG: Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) (2) [ ] 2 Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. 3 Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 44
Abschiebeschutz? 72 AufenthG: Beteiligungserfordernisse (4) 1 Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. 2 Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 45
Kinderhandel Erscheinungsformen:» Kinderarbeit» Kinderprostitution» Kinderpornographie» Illegaler Adoptionsmarkt Rechtlicher Bezug:» Kindesentziehung und Kinderhandel ( 235, 236 StGB)» Illegale Adoptionsvermittlung ( 14 AdVermG) Internationaler Rahmen:» UN Kinderrechtskonvention 1989» Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption 1993 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2012 46