Die Konstruktion von Diversity aus Sicht verschiedener Forschungsperspektiven Anja Lindau



Ähnliche Dokumente
Studierendenbefragung: Diversity Management in der Lehre

Diversity Umfrage. Dokumentation / Januar 2015

Vielfalt in Organisationen Stufenmodelle zur Inklusion. Johanna Hofbauer

Antidiskriminierung und Chancengleicheit

Diversity in der Verwaltung

Neue Arbeitswelten Bürokultur der Zukunft

Zusammenarbeit mit Unternehmen Akzeptiere die Unterschiede - Entdecke die Gemeinsamkeiten Betrachtungen zu Diversity Management

12. DGSF Tagung in Freiburg i.br.

Vortrag beim SSB Duisburg am Prof. Dr. Christa Kleindienst-Cachay Universität Bielefeld Abt. Sportwissenschaft

Diversity. Wurzeln in der US-amerikanischen Civil-Rights -Bewegung.

Dr. in Claudia Neusüß 2. Zukunftskonferenz Steirische Frauen- und Gleichstellungsstrategie Impulsreferat am 2.Oktober 2013 in Graz

Frauke Gützkow, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands der GEW 08. Juli 2015, Stuttgart 1. // Vorstandsbereich Frauenpolitik //

Gender Diversity. Werkstück einer Kulturanalyse in einem internationalen Unternehmen. Hamburg 2012

IMS - Learning Design

1. Deutscher Human Resources Summit 2010

Ina Middeldorf. Personalbindung. im demografischen Wandel. Die entscheidende Rolle der Mitarbeiterbindung für den Unternehmenserfolg.

Umstellung der Master-Wahlpflichtmodule am Lehrstuhl für BWL, insb. Organisation und Personal

Human Resource Management MA International Management Studies Sommersemester 2014

Kategorien der Hauptpreise (Bitte ankreuzen!)

Indikatoren-Erläuterung

Diversity-Scorecard systematische Verankerung von Vielfalt

«Eine Person ist funktional gesund, wenn sie möglichst kompetent mit einem möglichst gesunden Körper an möglichst normalisierten Lebensbereichen

Der psychologische Vertrag im transformationalen Wandel

Diversity und Diversity Management in Berliner Unternehmen Im Fokus: Personen mit Migrationshintergrund

STATEMENT: EFFEKTIVE PERFORMANCE SOZIALWIRTSCHAFT AUS SICHT DER OÖ. Katharina Friedl, B.A. Fachhochschule OÖ Campus Linz

Management Summary. Was macht Führung zukunftsfähig? Stuttgart, den 21. April 2016

Alter und Diversity in Unternehmen und Verwaltungen

Konflikte in Beratungssituationen

Diversity als Chance-

Gut vernetzt mit pflege.net der Homepage des Netzwerks

Mobilität und Demographie Herausforderung für den ÖV VCS-Tagung Öffentlicher Verkehr

Risikomanagement-Studie für Österreich. Status und Trends in Enterprise-Risikomanagement mit Konnex zu IT-Risiken

DIE OE TUTORIAL SYSTEM Interaktive Englisch Lernen für Studium und Beruflichen Erfolg Irland Vereinigte Staaten

Inhouse-Training Strategischer Dialog

Internationales Forschungsprojekt des Instituts für Personal & Organisation

Auswirkung von Geschäftsprozessmodellierung auf den Erfolg von ERP-Migrationsprojekten

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Die Bedeutung der UN-BRK für die Reha-Praxis am Beispiel des Aktionsplans

Das Recht eine Orientierung im Diskriminierungsschutz

Diversity Management: Einführung und Unterstützung bei der Analyse und Bewertung

Der Bundesliga-Reiseführer BARRIEREFREI INS STADION.

Die Einführung der Kosten-Nutzenbewertung in Deutschland

Fox definiert Lehrsupervision als eine besondere Form innerhalb der Ausbildung zur Supervisorin.

Vielfalt in Hamburg. Fachtag. Kulturelle Vielfalt des Engagements in Hamburg im Bürgerhaus Wilhelmsburg

Diversity in regionalen Unternehmen

Interkulturelles Management

Handbuch ECDL 2003 Modul 2: Computermanagement und Dateiverwaltung Der Task-Manager

The AuditFactory. Copyright by The AuditFactory

Wissensmanagement im Geschäftsalltag: Wie unterstützt es mich in der beruflichen Praxis?

Arbeitgeberattraktivität. Ergebnisse der Towers Watson Global Workforce Study 2012/2013

Inhaltsverzeichnis. Teil A Einführung 17

InnoLab. Vorgehensweise des Raum-Methoden-Konzepts. DB Mobility Logistics AG DB Training, GE Beratung Jane Schmidt management meetings,

Einladung. 4. Herbstsymposium Öffentliche Hand in Mecklenburg-Vorpommern. Rostock, 24. Oktober 2013 EINLADUNG

Perspektiven systemischer Wissenschaften zur Ökologischen Landwirtschaft

meritus lesbisch schwul ausgezeichnet

Erfolgsstrategien zur Rekrutierung und Bindung weiblicher High-Tech-Potenziale an der Schnittstelle Studium Beruf"

ECO-Manager - Funktionsbeschreibung

Kennzahlensysteme in der Leitstelle. Kennzahlen und Leitstelle ist das kompatibel? Praktischer Nutzen von Kennzahlen. Florian Dax

Talentmanagement in Unternehmen gestalten. Suche und Bindung von technischen Fachkräften

Coaching - Modelle zur Diffusion einer sozialen Innovation in der Personalentwicklung

Kulturelle Vielfalt als Bereicherung für Unternehmen. Mag. Elisa Aichinger, Managerin, Deloitte Consulting 22. Juni 2016

1. In welchen Prozess soll LPA eingeführt werden und warum? (Auslöser und Prozess)

Handbuch ECDL 2003 Professional Modul 3: Kommunikation Kalender freigeben und andere Kalender aufrufen

Personalwirtschaft Buch. Diversity. Das Potenzial Prinzip. Ressourcen aktivieren Zusammenarbeit gestalten

NEET - Jugendliche: Problemausmaß, Charakteristika und Handlungsstrategien

AUF DEM WEG ZUR INKLUSION IN DER SCHULE

Diversity als Chance- Die Charta der Vielfalt der Unternehmen in Deutschland

offene Netzwerke. In diesem Sinn wird auch interkulturelle Kompetenz eher als Prozess denn als Lernziel verstanden.

Migration in der Bundesrepublik

Ideation-Day Fit für Innovation

Interkulturelles Projektmanagement in internationalen Projekten am Beispiel von afghanischen Mitarbeitern. Bachelorarbeit

Holen Sie das Beste aus Ihrer Kampagne heraus mit unserer Landingpage!

Inhaltsverzeichnis. TeilA Einführung 17

Mobile Applikationen für Geschäftsreisen Was brauchen die Unternehmen wirklich?

Gender- und Diversity-Management

IT Recht. Urheberrecht JA oder NEIN?

elearning Integration an deutschen Hochschulen Lessons learned Dr. Sabine Rathmayer

Chancen und Gefahren einer zielorientierten Steuerung von Hochschulen. Dr. Markus Reihlen

Markus Gottwald M.A., Dr. Christine Wimbauer und Katja Müller

Zwischenbericht der UAG NEGS- Fortschreibung

Werte und Grundsätze des Berufskodexes für interkulturell Dolmetschende. Ethische Überlegungen: Was ist richtig? Wie soll ich mich verhalten?

Anja Sachadä. Hochschule Mittweida-Roßwein. University of Applied Sciences. Fakultät Soziale Arbeit. Bachelorarbeit

Schülerleistungen und soziale Herkunft NRW-Befunde aus PISA 2006

Strategisches Marketing als Herausforderung für Kulturbetriebe

2 Aufbau der Arbeit und wissenschaftliche Problemstellung

Arbeit zu ungewöhnlichen Zeiten Arbeit mit erhöhtem Risiko für Sicherheit und Gesundheit?

Dual studieren die Extraportion Praxis

Business Analytics Die Finanzfunktion auf dem Weg zur Strategieberatung? IBM Finance Forum, 20. März 2013 Prof. Dr.

2. Psychologische Fragen. Nicht genannt.

Diversity Management in der betrieblichen Praxis

Mehr Interaktion! Aber einfach und schnell!

Aufbau und Inhalte der Diversity-Multiplikator_innen-Ausbildung

Modul 7: Geschäftsprozesse, SLA, ITIL und CMDB (Fortsetzung)

Ausgewählte Themen der Betriebswirtschaftslehre

Nachhaltige Arbeits- und Bürowelten. Roundtable Wien Stefan Rief

Agenda. wer sind wir was machen wir unser Umfeld Anforderungen heute und in der Zukunft die IST-Situation das Projekt die Prozesse die Erkenntnis

Selbst-Audit. zur Anwendung des Vergütungstarifvertrages (VTV)

QM: Prüfen -1- KN

Transkript:

Die Konstruktion von Diversity aus Sicht verschiedener Forschungsperspektiven Anja Lindau Vortrag am 31. Mai 2008 Tagung Diversity und Diversity Management Schwerpunktthema: Nationalität, Ethnizität, Migrationshintergrund

Agenda Einführung ins Thema Kompass der Diversityforschung Diversity aus Sicht verschiedener Forschungsperspektiven Fazit 1

Der Diversity-Kompass eröffnet verschiedene Sichtweisen auf Diversity Poststrukturalistisch (Ideologie-)kritisch Forschungsziel: vorrangige Intention der Forschungsfragen Politisierend Diversity (Management) als diskursive Formation: Machteffekte von Management- und Forschungspraktiken Interpretativ Inklusion/Exklusion und Management von Diversity als politisches Handeln: Ideologien, Interessen, Asymmetrien Funktionalistisch Erhaltend Konstruktion und Bedeutung von Diversity (Management) im sozialen Geschehen in Organisationen (Dis)funktionale Rolle von Diversity (Management) Lokal/emergent Vorab definiert Forschungsweg: Herkunft der Konzepte und Fragen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Krell/Sieben (2007: 245) 2

Funktionalistische Perspektive: Diversity v.a. als Unterschiedlichkeit in verschiedenen Merkmalen Beispielstudien Ng/Tung (1998) Ethnokulturelle Diversity als Unterschiede in physischem und kulturellem Hintergrund aufgrund unterschiedlicher Ethnizität Watson/Kumar/Michaelsen (1993) Kulturelle Diversity als ethnische und nationale Unterschiede Leenen/Scheitza/Wiedemeyer (2006) Kulturelle Diversität in Organisationen durch MigrantInnen keine explizite Definition Diversity als Vielfalt in verschiedenen Merkmalen - oftmals unterteilt in Sichtbare Merkmale: Geschlecht, ethnischer Hintergrund, Alter Weniger sichtbare Merkmale: Bildung, sexuelle Orientierung, funktionaler Hintergrund, Unternehmenszugehörigkeit, Annahmen Unterschiede in Diversitymerkmalen führen zu Unterschieden in Einstellung, Wissen und Verhalten Oftmals Definition von Diversitymerkmalen als natürliche und offenkundige Gruppenmerkmale Variationen innerhalb von Merkmalen und Zusammenspiel mehrerer Merkmale oft vernachlässigt Heterogene Arbeitnehmerschaft als Problem oder zumindest Herausforderung, die adressiert werden muss 3

Interpretative Perspektive: Diversity als soziale Konstruktion und interaktiver Aushandlungsprozess Beispielstudien Ogbonna/Harris (2006) Analyse der Manifestation von Diversity aus Sicht von MitarbeiterInnen Religion Sprache und Kommunikation Frohnen (2005) Analyse der Praktiken von Doing und Undoing nationality Aufzeigen der interaktiven Verknüpfung von Nationalität, Geschlecht, Funktion und Status Diversity wird im Sinne eines Doing und Undoing Diversity interaktiv hergestellt und ausgehandelt Annahmen Soziale Wirklichkeit ist sozial konstruiert Diversitymerkmale existieren nicht per se, sondern werden in Interaktionsprozessen hergestellt Aushandlungsprozesse sind durch verschiedene AkteurInnen beeinflusst, die Impulse in den Prozess hineintragen 4

Poststrukturalistische Perspektive: Diversity als diskursive Konstruktion Beispielstudien Tolimson/Egan (2002) Aufzeigen der Effekte des Valuing Diversity-Diskurses: Kulturell gemischte Arbeitsgruppen wünschenswert Nutzung als moralische Begründung Zanoni/Janssens (2003) Aufzeigen von Machtbeziehungen in den diskursiven Definitionen von Diversity Unterschiedlichkeit als Mangel bzw. Abweichung von der Norm Unterschiedlichkeit als Quelle für Wertschöpfung Diversity als diskursive Konstruktion Eingebettet in und bestimmt von Machteffekten Beeinflusst von dominanten Diskurs(en) Annahmen Diskursive Praktiken und nicht individuelles Handeln produzieren und reproduzieren Machtverhältnisse Diversity ist kein selbstverständliches, natürliches Phänomen 5

(Ideologie-)kritische Perspektive: Diversity als Arena, in der Interessen verfolgt werden Annahmen Beispielstudie Zanoni/Janssens (2007) Aufzeigen der Kontrollmechanismen in Organisationen und damit verbundener Ungleichheiten Darstellung eingeschlagener Wege von Agency durch MitarbeiterInnen, die Minderheiten angehören Diversity als politische Arena, in der Interessen (nicht gleichberechtigt) verfolgt werden Soziales Handeln in Organisationen ist durch Interessen und Ideologien geleitet Nicht alle SpielerInnen in der Arena sind gleichberechtigt 6

Zusammenfassend: Ein Plädoyer für die multiperspektivische Betrachtung von Diversity Unterschiedliche Fragestellungen, Herangehensweisen und Annahmen führen zu einem unterschiedlichen Verständnis von Diversity Einheitliche Definition von Diversity ist weder möglich noch wünschenswert Ausgewogene Anwendung der Perspektiven für ein umfassendes Verständnis von Diversity notwendig 7

Literatur Burrell, G./Morgan, G. (1979): Sociological paradigms and organizational analysis. Elements of the sociology of corporate life, London, Ashgate. Deetz, S. (1996): Describing differences in approaches to organization science: Rethinking Burrell and Morgan and their legacy, in: Organization Science, 7 (2), S. 191-207. Frohnen, A. (2005): Diversity in Action - Multinationalität in globalen Unternehmen am Beispiel Ford, Bielefeld, transcript Verlag. Janssens, M./Zanoni, P. (2005): Many diversities for many services: Theorizing diversity (management) in service companies, in: Human Relations, 58 (3), S. 311-340. Krell, G./Sieben, B. (2007): Diversity Management und Personalforschung, in: Krell, G./Riedmüller, B./Sieben, B./Vinz, D. (Hg.): Diversity Studies - Grundlagen und disziplinäre Ansätze, Frankfurt am Main, Campus Verlag, S. 235-254. Leenen, R./Scheitza, A./Wiedemeyer, M. (2006): Kulturelle Diversität in Unternehmen. Zur Diversitätsorientierung von Personalverantwortlichen, in: Becker, M./Seidel, A. (Hg.): Diversity Management: Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt, Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag, S. 125-146. Litvin, D. R. (1997): The discourse of diversity: From biology to management, in: Organization, 4 (2), S. 187-209. Ng, E. S. W./Tung, R. L. (1998): Ethno-cultural diversity and organizational effectiveness: a field study, in: The International Journal of Human Resource Management, 9 (6), S. 980-995. Ogbonna, E./Harris, L. C. (2006): The dynamics of employee relationships in an ethnically diverse workforce, in: Human Relations, 59 (3), S. 379-407. Sieben, B. (2007): Management und Emotionen. Analyse einer ambivalenten Verknüpfung, Frankfurt am Main, New York, Campus Verlag. Tolimson, F./Egan, S. (2002): Organizational sensemaking in a culturally diverse setting, in: Management Learning, 33 (1), S. 79-97. Watson, W. E./Kumar, K./Michaelsen, L. K. (1993): Cultural diversity's impact on interaction process and performance: comparing homogeneous and diverse task groups, in: Academy of Management Journal, 36 (3), S. 590-602. Zanoni, P./Janssens, M. (2003): Deconstructing difference: The rhetoric of human resource managers' diversity discourses, in: Organization Studies, 25 (1), S. 55-74. Zanoni, P./Janssens, M. (2007): Minority employees engaging with (diversity) management: An analysis of control, agency, and micro-emancipation, in: Journal of Management Studies, 44 (8), S. 1371-1397. 8