Positionspapier des Marburger Bund-Bundesverbandes. zur ambulanten Weiterbildung



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Transkript:

Positionspapier des Marburger Bund-Bundesverbandes zur ambulanten Weiterbildung Reinhardtstraße 36 10117 Berlin Telefon 030 746846 0 Telefax 030 746846-16 bundesverband@marburger-bund.de www.marburger-bund.de Berlin, 10.07.2015

Positionen des Marburger Bundes zur ambulanten Weiterbildung Die Weiterbildung junger Ärztinnen und Ärzte muss angesichts der demographischen Entwicklung ein wesentliches Anliegen des Gesundheitswesens bleiben. Für die Phase der Weiterbildung müssen entscheidende Impulse gesetzt werden, um eine zukunftsweisende Weiterbildung in allen Bereichen ärztlicher Tätigkeit, auch im ambulanten Bereich, zu gewährleisten. Als Berufsverband setzt sich der Marburger Bund für gute Arbeitsbedingungen und gute Qualität in der Fort- und Weiterbildung ein. Dies gilt sowohl für die stationäre als auch für die ambulante Weiterbildung. Wir sehen in einer freien Wahl der Weiterbildungsstätte sowohl eine Chance für die Weitergabe der medizinischen Inhalte der ambulanten Versorgung als auch für das Kennenlernen der verschiedenen Versorgungsebenen. Die ärztliche Weiterbildung im landesrechtlich festgeschriebenen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Landesärztekammern hat sich bewährt und muss auch zukünftig bei den Landesärztekammern liegen. Unser Anspruch ist es, dass Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Weiterbildung nicht schlechter gestellt sein dürfen als in der stationären Weiterbildung. Von Ärzten während der Weiterbildung gegenüber Patienten erbrachte Arbeitsleistungen sind entsprechend den hierfür festgelegten vertraglichen oder tariflichen Bedingungen zu vergüten. Das gilt sowohl im Bereich der stationären wie auch der ambulanten Versorgung. Der zusätzliche Aufwand der Weiterbildungsstätten ist weder im Krankenhaus noch im ambulanten Bereich gegenfinanziert, weil dieser weder über das DRG-System einerseits noch über den kassenärztlichen Gesamttopf andererseits getragen wird. Es bedarf zusätzlicher Mittel, um alle Weiterbildungsabschnitte angemessen zu finanzieren. Nur für die Finanzierung dieses zusätzlichen Aufwandes sind Fördergelder ein geeignetes Instrument. Die mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz verabschiedeten Regelungen zur Förderung der Weiterbildung machen zwar erste Schritte in diese Richtung, bergen aber Gefahren in der konkreten Umsetzung. Weiterbildung ist ärztliche Berufsausübung Weiterbildung ist ärztliche Berufsausübung und entsprechend als Arbeitsleistung zu vergüten. Dieser Grundsatz darf nicht durch falsche Etikettierungen in Frage gestellt werden. Wir fordern deshalb auch und gerade ärztliche Organisationen auf, die Berufsbezeichnung Arzt auch im Rahmen der Weiterbildung nicht weiter durch Begrifflichkeiten wie Weiterbildungsassistent oder Assistent zu relativieren. Approbierte Ärztinnen und Ärzte sind keine Auszubildenden oder Stipendiaten, sondern gleichberechtigte Kolleginnen und Kollegen. 2

Finanzierung und Vergütung der ambulanten Weiterbildung Auch im ambulanten Bereich erfolgt die Weiterbildung im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung, die finanziert und von den Kostenträgern bezahlt werden muss. Aus dieser Vergütung der ärztlichen Leistungen der weiterzubildenden Ärztinnen und Ärzte muss diesen ein tarifliches Arztgehalt sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich bezahlt werden können. Der Marburger Bund begrüßt die Klarstellung im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV- VSG), dass in ambulanter Weiterbildung befindliche Ärztinnen und Ärzte zukünftig eine dem Tarifgehalt in Krankenhäusern entsprechende Vergütung erhalten sollen. Nach dem GKV-VSG sollen ambulante Weiterbildungsstellen verpflichtet werden, den von der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Förderbetrag auf die im Krankenhaus gezahlte Vergütung anzuheben und an die weiterzubildenden Ärztinnen und Ärzte auszuzahlen. Ziel muss es sein, dass ärztliche Leistungen, die im ambulanten Bereich von weiterzubildenden Ärzten unter Anleitung eines Facharztes erbracht werden, in Zukunft ebenso abgerechnet werden können wie im Krankenhaus. Bereits heute findet in Deutschland fachärztliche Weiterbildung im ambulanten Sektor insbesondere dann statt, wenn die Tätigkeit eines Weiterzubildenden für den Praxisinhaber Spielräume für eine zusätzliche Tätigkeit mit extrabudgetären Einnahmen (z.b. durch ambulante Operationen oder Tätigkeit in Betriebsmedizin) eröffnet. Daher findet ambulante fachärztliche Weiterbildung vor allem in Augenheilkunde und Dermatologie statt, nicht aber in Kinder- und Jugendmedizin oder Psychiatrie dort fehlen die Möglichkeiten extrabudgetärer Zusatzeinnahmen. Anders als im Krankenhaus werden Leistungen, die der weiterzubildende Arzt unter Anleitung des Vertragsarztes erbringt, dem Vertragsarzt als persönliche Leistungserbringung zugerechnet und sind von diesem abrechenbar. Allerdings nur in einem bestimmten Umfang. Dreh- und Angelpunkt ist hier die Regelung des 32 der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV), wonach die Leistungen des Weiterbildungsassistenten nicht zur Vergrößerung der Praxis oder zur Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs führen dürfen. Die Existenz dieser Regelung allein macht bereits deutlich, dass ärztliche Tätigkeit auch in der Weiterbildung zur Patientenversorgung beiträgt, einer Budgeteinhaltung jedoch Vorrang vor dem Ziel der Finanzierung von Weiterbildung eingeräumt wird. Es ist daher sinnvoll, dass mit der Änderung der Zulassungsverordnung ( 32 Ärzte-ZV) durch das GKV-VSG künftig eine Vergrößerung der Kassenpraxis zulässig sein soll. Nur, wenn diese Regelung ausreichend ausgestaltet wird, wird sie die Möglichkeiten zur Beschäftigung von Ärzten zu Zwecken der Facharztweiterbildung attraktiver machen. Die Verantwortung dafür tragen künftig die Kassenärztlichen Vereinigungen. Ärzte werden nur in die ambulante Weitebildung finden, wenn auch ihre Versorgungsleistungen wie im Krankenhaus durch entsprechende tarifvertragliche Konditionen abgesichert werden. 3

Daneben können Weiterbildungsverträge, die neben dem arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden sollten, den Ablauf der Weiterbildung möglichst klar strukturieren. Die Weiterbildungsverträge können durch die Landesärztekammern überprüft werden. Durch die Landesärztekammern zertifizierte Weiterbildungsstellen sollen finanziell unterstützt werden. Bei klar geregeltem Arbeitsverhältnis und durch Vertrag garantiertem Weiterbildungsgang wird das Interesse an der ambulanten Weiterbildung deutlich steigen. Kompetenz der Landesärztekammern für die Ärztliche Weiterbildung Mit der Neuregung des 75a SGB V werden die Vertragspartner KBV, DKG und GKV zum Abschluss von Fördervereinbarungen verpflichtet, in denen insbesondere Umfang und Durchführung der finanziellen Förderung festzulegen sind. In diesen Verträgen kann auch vereinbart werden, bis zu 5 Prozent der vorgesehenen Fördermittel überregional für die Errichtung und Organisation von Einrichtungen bereitzustellen, die die Qualität und Effizienz der Weiterbildung verbessern können ( 75a Abs. 7 SGB V NEU). Als Bespiel werden in der Begründung des GKV-VSG universitär angebundene Kompetenzzentren genannt. Der Marburger Bund begrüßt, dass diese Neuregelung keine Verpflichtung enthält, Mittel aus der Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in die Errichtung neuer Strukturen umzuschichten. Denn die angedachte Förderung von Kompetenzzentren sollte kritisch hinterfragt werden. Allein angesichts der ohnehin knappen Fördermittel ist die Schaffung solcher kostenträchtigen Strukturen nicht sinnvoll. Sie bedeutet vor allem einen Entzug von Mitteln für dringend benötigte ambulante Weiterbildungsstellen. Von 7500 Stellen bedeuten 5 Prozent in Summe 375 geförderte Stellen weniger. Rein rechtlich würde in den landesrechtlich festgeschriebenen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Landesärztekammern für die ärztliche Weiterbildung eingegriffen, ohne dass hierzu eine Notwendigkeit besteht: Die Zahlen des Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland vom 19.03.2015 zeigen auf, dass in den Jahren 2010 bis 2013 die Relation zwischen Hausärzten und geförderten Weiterzubildenden in Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein am größten ist. Je 100 Hausärzte gab es dort über den genannten Zeitraum die meisten Weiterzubildenden in der Allgemeinmedizin. Dagegen konnte nicht belegt werden, dass sich in Bundesländern wie Baden-Württemberg und Hessen, in denen universitär angebundene Kompetenzzentren bestehen, die Nachwuchssituation signifikant besser darstellt. Nachweislich erhöhen regionale Weiterbildungsverbünde, die eine nahtlose Rotation durch Kliniken und Praxen erlauben, die Nachwuchszahlen in der Allgemeinmedizin. Um dies zu stärken, ist nicht die Einführung neuer Kompetenzzentren nötig, sondern eine Anstellung aus einer Hand im Sinne einer Verbundweiterbildung. Die Landesärztekammern haben bereits mehrfach bewiesen, dass sie die Grundlagen dazu schaffen können. Dies gilt es zu stärken und auszubauen. Weitergehende Regulierungen sind im Hinblick auf die Rechtsnatur der ärztlichen Weiterbildung nicht angezeigt. 4

Der Marburger Bund fordert deshalb die Vertragsparteien dazu auf, die für die Förderung von Weiterbildungsstellen gedachten Mittel nicht in die Drittelmittelfinanzierung universitärer Institute umzulenken, auch wenn durch das Gesetz die Möglichkeit eröffnet wird, zweistellige Millionenbeträge dafür freizugeben. Freie Wahl der ärztlichen Berufsausübung gilt auch für die Weiterbildung Der Marburger Bund lehnt jede Form einer abstrakten Festlegung, dass einzelne Weiterbildungsabschnitte nur im stationären oder nur im ambulanten Bereich durchzuführen sind, ab. Weiterbildung kann nur dort erfolgen, wo die nach Maßgabe der Weiterbildungsordnung erforderlichen Kompetenzen auch vermittelt werden können. Da die tatsächlichen Versorgungsverhältnisse einem ständigen Wandel unterworfen sind, ist eine prospektive rechtliche Festlegung dahingehend, dass bestimmte Weiterbildungsinhalte nur im stationären Bereich oder nur im ambulanten Bereich zu absolvieren sind, sachwidrig und fehl am Platz. Der Marburger Bund lehnt auch eine Beschränkung, Zuteilung oder Kontingentierung von zur Weiterbildung geeigneten Arztstellen ab. Auch sich weiterbildende Ärztinnen und Ärzte sind Angehörige des freien Berufes Arzt. Kontingentierung von Weiterbildungsstellen und Zwangsweiterbildungen würden sie eher vertreiben. Anders als von Sachverständigen in der Anhörung des Gesundheitsausschusses zum GKV- VSG vorgetragen, hat sich die Kontingentierung in anderen Ländern Europas nicht bewährt. In einem freien Europa ist eine planwirtschaftliche Steuerung der ärztlichen Weiterbildung zudem ein ungeeignetes und undemokratisches Regulierungsinstrument der freien Berufsausübung. Kompetenzzentren und Stiftungsmodell nicht sinnvoll Die Organisation der Weiterbildung mit einem Stiftungsmodell sowie mit Kompetenzzentren existiert in den Niederlanden und wird gern als Vorbild für Deutschland dargestellt 1. Doch auch in den Niederlanden gibt es unterversorgte Gebiete 23, weshalb Einkommensbeihilfen bei einer Tätigkeit in strukturschwachen Regionen vorgeschlagen werden. Diese Strukturprobleme sind auch in den Niederlande weder mit einem Stiftungsmodell noch mit Kompetenzzentren gelöst worden. 1 Empfehlungen zur Reform der medizinischen Aus- und Weiterbildung, KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin 2014 2 Schäfer W, et al. The Netherlands: Health system review. Health Systems in Transition 2010;12(1):1-229 3 Sowohl England als auch die Niederlande haben Anreize eingeführt, die langfristige Zusatzeinkommen für Ärzte in unterversorgten Gebieten vorsehen. In England wird dies durch eine Gewichtung der Pro-Kopf-Pauschalen nach Besiedlungsdichte und sozioökonomischem Status der Region versucht, während die Niederlande (Zusatz-)Einkommensbeihilfen eingeführt haben. Aus: Best practice - Medizinische Aus- und Weiterbildung aus internationaler Perspektive; RAND- Corporation 2015, http://www.rand.org/pubs/research_reports/rr622z1.html 5

In finanzieller Hinsicht ist das deutsche Förderprogramm Allgemeinmedizin dem niederländischen Modell deutlich überlegen: Es führt bei geringeren finanziellen Aufwendungen deutlich mehr Ärzte mit einem deutlich höheren Einkommen zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Obwohl die Fördersumme in den Niederlanden deutlich höher liegt als in Deutschland (in NL: 130 Mio, in D: 105 Mio im ambulanten Bereich, 12,5 Mio im stationären Bereich), ist die Zahl der geförderten Ärzte in den Niederlanden deutlich niedriger (in NL: 1400; in D: 4299 geförderte ambulante Stellen bei 2488 Vollzeitäquivalenten). Da 40 % der Fördersumme in den Niederlanden nicht an die Weiterzubildenden, sondern an die Weiterbilder und die an der Weiterbildung beteiligten Universitäten ausgezahlt wird, resultiert für die dortigen Ärzte, die sich weiterbilden, ein im Vergleich zu deutschen Ärzten deutlich niedrigeres Gehalt. Das Beispiel Niederlande zeigt zudem in berufsrechtlicher Hinsicht, dass die Weiterbildung mit Stiftungsmodell und Kompetenzzentren in Deutschland über kurz oder lang reglementiert werden würde. Gerade wegen der ungünstigen Weiterbildungssituation in den Niederlanden - und vielen europäischen Ländern mit ähnlichen Modellen kommen Jahr für Jahr Ärzte nach Deutschland, um hier unterschiedliche Facharztweiterbildungen zu machen. Ausrichtung der Weiterbildung an der Grundversorgung Nach 75a SGB V soll das Förderprogramm Weiterbildung Allgemeinmedizin entsprechend auch auf die Weiterbildung in der ambulanten grundversorgenden fachärztlichen Versorgung angewendet werden. Zusätzlich 1000 zu fördernde Weiterbildungsstellen insbesondere für Kinder-, Frauen und konservativ tätige Augenärzte sind dafür vorzusehen. Voraussetzung ist eine vertragliche Festlegung der Fachärzte aus dem Bereich der allgemeinfachärztlichen Versorgung, die an der Grundversorgung teilnehmen (grundversorgende Fachärzte). Maßstab soll 12 der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA sein. Laut Begründung soll die Förderung der Weiterbildung dazu dienen, den spezifischen Bedarf der ambulanten Versorgung zu decken. Der Marburger Bund lehnt eine Anwendung des Förderprogramms allein auf grundversorgende Fachärzte ab. Eine nur auf Teilaspekte der Versorgung ausgerichtete Weiterbildung, würde einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Versorgung widersprechen. Die Weiterbildungsordnung kennt daher auch keine Untergliederung in grundversorgende und spezialisierte Weiterbildung. Weiterbildung hat stets das gesamte Fachgebiet zu umfassen. Die ärztliche Weiterbildung liegt zu Recht im landesrechtlich festgeschriebenen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Landesärztekammern. Die Weiterbildungsordnungen legen in sachgerechter Weise den zeitlichen Umfang und die nachzuweisenden Inhalte fest. Welche Weiterbildungsinhalte im ambulanten oder stationären Bereich (oder in beiden Bereichen) absolviert werden können, muss sich nach den tatsächlichen Versorgungsverhältnissen und nicht nach rechtlichen Vorgaben richten. 6

Ziel der Weiterbildung ist der durch die Ärztekammern geregelte Erwerb festgelegter Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten, um nach Abschluss der Berufsausbildung ärztliche Kompetenzen zu erlangen ( 1 MWBO). Allein entscheidend ist, dass der Erwerb der unter Leitung eines zur Weiterbildung befugten Arztes verlangten Inhalte und Kompetenzen nachgewiesen wird und zwar insbesondere unabhängig davon, ob die Weiterbildung im ambulanten oder stationären Bereich stattgefunden hat. Die Facharztbezeichnung ist der Nachweis für die so erworbene Kompetenz des gesamten Fachgebietes. 7