2. Der öffentliche Sektor



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2.1. Elemente des Staates 2. Der öffentliche Sektor Gebietskörperschaften: Bund, Länder, Gemeinden; supranationale Organisationen (EU, UNO) Parafisci: Sozialversicherungen (Gesetzliche Kranken-, Renten-, Pflegeund Unfallversicherung, Bundesagentur für Arbeit); Sonderfonds (z.b. Fonds Deutsche Einheit, ERP-Sondervermögen) Öffentliche Unternehmen (a) öffentlich rechtliche Form: Bundesbank, Treuhandanstalt, kommunale Versorgungsunternehmen, (b) privatrechtliche Form: Deutsche Bahn, Flughafen Frankfurt/Main Normengerüst: Verfassung, Gesetze, Verordnungen, Regeln der kollektiven Entscheidung Staatsbürger: Wähler, Abgeordnete, Beamte, Interessengruppen, Steuerzahler, Transferempfänger, Nutzer öffentlicher Dienstleistungen, Rechtssubjekte

2.2. Aufgaben des Staates Äußere Sicherheit (Verteidigung und Außenpolitik) Innere Sicherheit (Rechtsstaat, Rechtssicherheit: Sicherheit vor körperlicher Gewalt, Vertragssicherheit; Institutionen: Justiz, Verwaltungs- und Polizeiwesen, gesetzgebende Organe) => liberale Minimalstaat (Wahrung der Eigentumsrechte, Vertragsfreiheit, Schutz der körperlichen Unversehrtheit) Anbieter öffentlicher Güter und Dienstleistungen (z.b. Infrastruktur) Anbieter privater Güter und Dienstleistungen (z.b. öffentliche Schwimmbäder, Gesundheitsdienstleistungen, Natürliche Monopole) Regulierung von Gütern des privaten Angebots (Qualitätsregulierung: z. B. Wassergüte, Preisregulierung: z.b. Strompreise) Steuererhebung zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben (aber auch öffentliche Kreditaufnahme möglich) Soziale Sicherung: Einkommens- und Sachtransfers; Sozialversicherungen Subventionierung für als wichtig erachtete Unternehmenszweige

2.3. Charakteristika des Staates Gewaltmonopol demokratischer Staat ist durch Wahlen legitimiert 2.4. Die Ausgaben des Staates Haushaltsplan: Buchhaltung für staatliche Einahmen und Ausgaben in einem Jahr Vorsicht: der Haushaltsplan spiegelt nicht alle Aktivitäten des Staates in einer Ökonomie. Eingriffe sind ebenso durch Gesetze und Verordnungen, etwa Regulierungsvorschriften, möglich, die nicht mit unmittelbaren Ausgaben des Staates verbunden sind. Einnahmen: Steuern, Zölle, Beiträge, Gebühren, Erwerbseinkommen, Vermögensveräußerungen und Kreditaufnahme Gesetzliche Regelung der Erstellung, Ausführung und Kontrolle des Haushalts u.a. im Grundgesetz, Art. 110-115, und in Bundeshaushaltsordnung.

Die Ausgaben des Staates nach Aufgabenbereichen 2006 (in Mrd. Euro) Politische Führung und zentrale Verwaltung 25,7 Soziale Sicherung 570,5 Auswärtige Angelegenheiten 19,6 Darunter: Sozialversicherungen 462,3 Sozialhilfe und Jugendhilfe 41,5 Verteidigung 24,0 Gesundheit, Umwelt, Sport, Erholung 16,4 Öffentliche Sicherheit und Ordnung 22,0 Wohnungswesen, Städtebau, Raumordnung und kommunale Gemeinschaftsdienste 21,8 Rechtsschutz 11,3 Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 12,4 Finanzverwaltung 11,0 Energie und Wasserwirtschaft; regionale Fördermaßnahmen 14,1 Allgemein bildende und berufliche Schulen 52,4 Verkehrs- und Nachrichtenwesen 23,0 Hochschulen 20,6 Wirtschaftsunternehmen 7,1 Förderung von Studenten, Schülern 4,4 Allgemeine Finanzwirtschaft 117,5 Sonstiges Bildungswesen 2,3 Dar.: Schulden 65,3 Versorgung 40,7 Wissenschaft und Forschung außerh. d. Hochschulen 9,7 Kultur,kirchliche Angelegenheiten 8,2 Insgesamt 1004,9

Ausgaben nach Gebietskörperschaften, 2006 Bund Länder Gemeinden 157,4 6,8 Gebietskörperschaften 1) 700,2 30,2 Sozialversicherungen Staatsausgaben insgesamt 2) 1) einschl. EU-Anteile, Fonds Deutsche Einheit 2) Gebietskörperschaften und Sozialversicherung; Abgr. der VGR Mrd. Euro 282,8 260,0 304,7 1004,9 in % des BIP 12,2 11,2 13,1 43,3 Gesamtausgaben in 2006: 1004,9 Mrd. Euro Etwa 70% der Gesamtausgaben entfallen auf Gebietskörperschaften, 30% auf Sozialversicherung Staatsaugaben in % des BIP: Bund/Länder/Gemeinden 30,; Sozialversicherungen 13,1%; Gesamt 43,3% Zur Größenordnung: In 2006 lebten 82,372 Mill. Menschen in etwa 38 Mill. Haushalten. Jährliche öffentliche Ausgaben pro Kopf: 12.200 Euro und pro Haushalt: 26.446 Euro.

2006 2008 1200 1000 800 600 400 200 0 Entwicklung der Staatsausgaben in Mrd. Euro 1975 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 1960 Mrd. Euro

25% 20% 15% 10% 5% 0% -5% Wachstumsrate der Staatsausgaben in Deutschland 23,3% 14,7% 8,7% 3,5% 3,8% 3,9% 4,3% 3,1% 4,6% 5,0% 4,5% 3,6% 1,3% 1, 2,0% 1,0% 1,5% 1,8% 1,1% 0,9% 0,3% 1,1% -0,1% -1,0% 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Staatsausgabenquote in Deutschland In Prozent des nominalen BIP 60 55 50 45 40 35 Germany

80 70 60 50 40 30 20 10 0 Staatsausgabenquote international 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 United States Japan Germany France United Kingdom Sweden 1970 Prozent

80 Staatsausgaben in Prozent des BIP United States 70 Japan Germany France 60 Italy United Kingdom 50 Canada Austria Belgium 40 30 20 10 0 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 Denmark Finland Greece Ireland Netherlands Norway Portugal Spain Sweden Australia

Ausgabenstruktur in Deutschland 2005; in Prozent der Gesamtausgaben 8% 4% 3% 44% 4% 9% 18% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung Unternehmen und Subventionen Sonstiges

44% Minimalstaat: 11% der Gesamtausgaben 4% 3% 4% 8% 18% 9% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung Unternehmen und Subventionen Sonstiges

Minimalstaat + öffentliche Güter: 15% der Gesamtausgaben 4% 44% 4% 8% 3% 18% 9% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung Unternehmen und Subventionen Sonstiges

Öffentlich bereitgestellte private Güter: 29% der Gesamtausgaben 8% 4% 3% 44% 4% 18% 9% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung Unternehmen und Subventionen Sonstiges

Umverteilung: 44% der Gesamtausgaben 8% 4% 3% 4% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz 9% Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung 44% 18% Unternehmen und Subventionen Sonstiges

Ausgabenstruktur in Deutschland 1995 8% 3% 3% 3% 38% 6% 3% 3% 19% 10% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung Unternehmen und Subventionen Sonstiges

Ausgabenstruktur 1995 und 2005 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% Politische Führung und Verwaltung Auswärtige Angelegenheiten Öffentliche Sicherheit und Rechtsschutz Verteidigung Verkehrs- und Nachrichtenwesen Wohnungswesen und kommunale Dienste Bildung Gesundheit Kultur, Erholung Soziale Sicherung Unternehmen und Subventionen Sonstiges 10% 0% 2005 1995

2.5. Wachstum der Staatstätigkeit Über die letzten 130 Jahre hat sich die Staatsausgabenquote deutlich erhöht. Um 1870 lag durchschn. Staatsausgabenquote in Deutschland, Frankreich und Italien bei 1. Bis 1913 ist die Quote auf etwa 16% angestiegen. Bis 1937 hat sich die Quote durch ersten Weltkrieg und die Turbulenzen der Zwischenkriegszeit ungefähr verdoppelt. Nach 2. Weltkrieg und Umstellung auf Friedenswirtschaft begann Wachstum wieder mit schwächerer Dynamik. Mitte der 70er Jahre, am Ende der großen Wachstumsperiode war Staatsausgabenquote bei 45%. Wachstum der realen Staatsausgaben pro Kopf in Deutschland (in Mark) 1872 1913 1925 1935 1960 1970 1985 1990 1995 1999 57 96 131 227 458 647 982 1115 1085 961 Durchschnittliches Wachstum 1872-1999 : + 2,4% pro Jahr Quelle: Musgrave/Musgrave/Kullmer (1990), S. 147, u. BMF Finanzbericht

Entwicklung der Staatsausgabenquote (Gesamtausgaben/BIP) in ausgewählten Ländern; 1960-2005 1960 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Deutschland 32,5 38,7 49,5 48,0 47,2 45,3 48,8 45,5 48,0 Frankreich 34,6 38,9 43,4 44,7 51,6 49,7 54,0 53,2 54,0 Großbritannien 32,6 39,3 46,4 43,4 44,4 39,4 45,0 37,7 45,0 Italien 36,1 34,2 43,2 42,8 51,5 53,8 53,1 46,5 46,0 Japan 33,7 19,4 27,2 32,6 31,6 31,3 35,6 38,9 40,0 Schweden 31,1 43,7 48,9 59,5 62,7 58,6 64,6 58,4 56,0 USA 27,6 32,3 34,7 33,7 33,8 33,6 32,9 31,7 35,0 Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht, versch. Jahrgänge

80 70 60 50 40 30 20 10 0 Jährliche Entwicklung der Staatsausgabenquote 1960 1970 1975 1980 1982 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2004 2005 2006 Deutschland Frankreich Großbritannien Italien Japan Schweden USA

2.6. Ökonomische Erklärungsansätze für steigende Staatsquoten 1) WAGNERsches Gesetz der zunehmenden Staatstätigkeit Die Ursache dafür liegt nach Wagner (1883) im Entstehen bzw. der Zunahme neuer Staatsaufgaben in zwei Bereichen: Klassische Staatstätigkeit ( Rechts- und Machtzwecke ): Der Staat muss zunehmend Rechtssicherheit und Eigentumsrechte garantieren => steigende Ausgaben für Justiz, Polizei und Verteidigung Erweiterte Staatsfunktion ( Kultur- und Wohlfahrtszwecke ): Mit zunehmendem Entwicklungsstand steigen die Bedürfnisse einer Gesellschaft nach kulturellem Angebot und sozialer Sicherung bzw. Umverteilung.

2) BRECHTsches Gesetz (Urbanisierung) In Städten sind Ausgaben für staatlich bereitgestellte Güter typischerweise höher als auf dem Land. Brecht (1932) argumentiert, dass eine Zunahme der Bevölkerung und insbesondere die verstärkte Konzentration der Bevölkerung in (Groß-)Städten deshalb zu erhöhten Ausgaben führt. 3) Niveauverschiebungseffekt Peacock/Wiseman (1961) führen aus, dass nationale Notstände (z.b. Weltkriege) zu einer deutlichen Erhöhung der Staatsausgaben führen und den Steuerwiderstand brechen. Nach Ende der Notstände tritt ein Gewöhnungseffekt an die höheren Steuern ein, so dass die Staatsquoten nicht mehr auf das alte Niveau zurückkehren. 4) Superiore öffentliche Güter Staatlich bereitgestellte Güter sind superiore Güter, die mit steigendem Volkseinkommen vermehrt nachgefragt werden. Die Nachfrage steigt schneller als das Einkommen (überproportional), so dass die Ausgaben für diese Güter nicht nur absolut sondern auch als Anteil des Volkseinkommens steigen.

5) BAUMOLsche Kostenkrankheit Dienstleistungen werden im Zeitablauf relativ zu Industrieprodukten teurer, weil der arbeitssparende technische Fortschritt im Dienstleistungssektor geringer ist. Bei ausreichender Nachfrage nach Dienstleistungen steigt dann der Ausgabenanteil für Dienstleistungen. Entsprechend steigen Ausgaben für staatliche Leistungen, weil diese vorwiegend aus Dienstleistungen bestehen (Baumol, 1967). 6) Intergenerationelle Lastenverschiebung Heutige Generationen leisten sich aufwendige staatliche Ausgabenprogramme, die sie mit öffentlichen Krediten finanzieren und so die finanziellen Lasten auf künftige Generationen verschieben. 7) Demographischer Wandel Die Alterung der Bevölkerung führt zu höheren Ausgaben für Renten, Gesundheitsleistungen und zur Beseitigung der Altersarmut. Staatliche Renten- und Krankenversicherungen sind in vielen Industriestaaten großzügig definiert, da mit der Gesellschaft auch die Wählerschaft altert, die für eine hohe staatliche Versorgung stimmt. Deshalb hat die Alterung eine selbstverstärkende ausgabensteigernde Wirkung auf den staatlichen Sektor.

8) Fiskalische Illusion (wahlwirksame Ausgaben, versteckte Steuern) Die finanziellen Konsequenzen hoher Staatsausgaben sind für den Bürger schwer zu durchschauen. Deshalb wählt er aufwendige staatliche Ausgabenprogramme. Es wird unterstellt, dass Regierungen das Steuersystem bewusst komplex gestalten, um die tatsächlichen finanziellen Lasten zu verschleiern. 9) Verzerrung durch Mehrheitsentscheidung Bei einer Wahlentscheidung ist Mehrheit der Nutznießer (>50%) ausreichend, um Kosten des öffentlichen Gutes auf alle Steuerzahler (=100%) umzulegen. Teile der Kosten werden dadurch externalisiert, wodurch ein Anreiz für die Mehrheit entsteht, mehr öffentliche Leistungen durchzusetzen als optimal wäre. (Buchanan/Tullock, 1962) 10) Demokratisierung Durch die Ausweitung des Wahlrechts in den vergangenen 150 Jahren auf immer breitere und auch ärmere Bevölkerungsteile sank das Durchschnittseinkommen der Wähler. Damit stieg das Wählerinteresse an umverteilenden staatlichen Maßnahmen.

11) Politische Konjunkturzyklen (Nordhaus) Wahlorientierte Ausgabenpolitik: Vor Wahlterminen werden staatliche Ausgaben erhöht, um einen konjunkturellen Aufschwung zu schaffen bzw. um großzügig staatliche Leistungen bereitzustellen. Die Ausgabenprogramme können aber nach der Wahl kaum wieder rückgängig gemacht werden (Trägheitseffekte, Glaubwürdigkeitsprobleme, Verschiebung finanzieller Lasten auf die Zukunft) 12) Eigeninteressen der Politiker (Downs) und der Bürokraten (Niskanen) Politiker beschaffen sich mit gezielter Bereitstellung öffentliche Güter eine Stimmenmehrheit, um ihre Wiederwahl zu sichern und ihre Einflusssphäre auszuweiten. Bürokraten sind ebenfalls an der Erhaltung und Ausweitung ihres Einflusses bzw. ihrer Beschäftigung interessiert. Deshalb befürworten sie einen großen Verwaltungsapparat und nutzen ihren Informationsvorsprung gegenüber dem Parlament bzw. ihre starke Vertretung (Großteil der Parlamentarier sind Beamte), um ihre Ziele durchzusetzen.