Vorlesung Gesellschaftsrecht Übung Einheit 5: Offene Handelsgesellschaft (ohg) Haftung bei Wechsel im Bestand der ohg
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft Kurzübersicht zur ohg 105 ff. HGB 2
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft DEFINITION DER ohg: = Personengesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinsamer Firma gerichtet ist = Sonderform einer GbR mit Handelsgewerbe, so dass teilweise die GbR-Regeln gelten, vgl. 105 III HGB o Handelsgewerbe= Gewerbebetrieb, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb bedarf ( 1 II HGB) oder der infolge der Eintragung im Handelsregister als Handelsgewerbe gilt ( 2 HGB) o Firma = der Name der Gesellschaft ( 17 HGB) 3
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft GRUNDLAGEN ZUR ohg: Regelungsort: 105 ff. HGB und subsidiär 705 ff. BGB (i. V.m. 105 III HGB) Rechts-/Parteifähigkeit: ergibt sich aus 124 I HGB; aber: ohg ist keine Juristische Person! Kaufmannseigenschaft: ohg ist Kaufmann ( 6 I HGB) Registerpublizität: ohg ist in das Handelsregister (HR) einzutragen; aber: Registereintragung ist nicht wie etwa bei Juristischen Personen - Entstehungsvoraussetzung (vgl. 123 HGB), weiteres siehe nachfolgend 4
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft Entstehungszeitpunkte: - betreibt die Gesellschaft ein Handelsgewerbe, so entsteht sie mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages + Geschäftsbeginn als ohg (vgl. 123 II HGB) - betreibt die Gesellschaft kein Handelsgewerbe, so entsteht sie zunächst als GbR; erst mit Eintragung im HR wird sie zur ohg (vgl. 123 I HGB) 5
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft VERGLEICH ZUR GbR: Grundsatz: Innen- und Außenverhältnis der ohg entsprechen denen der GbR 6
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft Einige wichtige Unterschiede gegenüber GbR (Innenverhältnis): 1) grds. besteht Einzelgeschäftsführungsbefugnis ( 114 HGB), aber: - ungewöhnliche (=wesentliche) Geschäfte bedürfen eines Beschlusses aller Gesellschafter ( Gesellschafterbeschluss, vgl. 116 II HGB). - andere geschäftsführende Gesellschafter haben Widerspruchsrecht ( 115 I HGB, Folge: Geschäft muss unterbleiben). 2) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis nur durch Urteil ( 117 HGB) 7
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft Einige wichtige Besonderheiten gegenüber GbR (Außenverhältnis): 1) grds. besteht Einzelvertretungsmacht jedes Gesellschafters ( 125 I HGB) achte: Vertretungsmacht ist wegen Gläubigerschutz zwingend unbegrenzt ( 126 HGB), Ausnahme: im Verhältnis der Gesellschafter untereinander (Grund: intern besteht kein Schutzbedürfnis) 2) Entzug der Vertretungsmacht nur durch Urteil ( 127 HGB). 3) von Gesetz abweichende Vertretungsbefugnisse bedürfen Handelsregister-Eintragung ( 107 HGB) 8
Übersicht: Offene Handelsgesellschaft Einige wichtige Besonderheiten gegenüber GbR (bei Gesellschafterwechsel): 1) 5jährige Enthaftungsfrist des ausscheidenden Gesellschafters beginnt erst mit Eintragung des Ausscheidens im HR ( 160 I 2 HGB) 2) Veränderungen im Gesellschafterkreis (Eintritt, Austritt, Anteilsübertragung, Tod) bedürfen der Eintragung im HR ( 143, 107 HGB) 3) Bleibt ein ausgeschiedener Gesellschafter im HR eingetragen, so haftet er gutgläubigen Dritten auch für nach seinem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten ( 15 I HGB = Rechtsscheinhaftung) 4) Gesellschafter-Ausschluss grds. nur durch Urteil ( 140 HGB); aber per Gesellschaftsvertrag abdingbar 5) Tod eines Gesellschafters führt nur zu dessen Ausscheiden ( 131 III Nr. 1 HGB); die ohg wird nicht aufgelöst; kein Eintritt der Erben in die Gesellschaft 9
Fall 13 (Sachverhalt) FALL: A und B sind Gesellschafter der A&B Automation ohg, die mit wachsendem Erfolg Industrieanlagen produziert und vertreibt. Um die Ausweitung des Geschäftsbetriebes finanzieren zu können, nehmen A und B einen weiteren Gesellschafter, den finanzstarken C, durch eine von A, B und C unterschriebene Vereinbarung zum 01.04.2007 in die ohg auf. 10
Fall 13 (Fallfrage 1) Frage 1): Haftet C für bereits zuvor begründete Verbindlichkeiten gegenüber K, L und M, sofern diese noch nicht erfüllt sind? 11
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 1) FALLLÖSUNG (FRAGE 1): Ansprüche gegen C: Eine Haftung des C als Gesellschafter setzt zunächst voraus, dass die GbR selbst wirksam verpflichtet worden und C Gesellschafter der ohg ist. Frage: Eigene Verbindlichkeit der ohg? Antwort: (+), da ohg von A und B wirksam nach 164 ff. BGB vertreten wurde. Es gelten dieselben Regeln wie bei der GbR. 12
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 1) Haftung des C nach 128 HGB? 13
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 1) Problem: C ist erst durch Beitrittsvereinbarung Gesellschafter der ohg geworden. Die Verbindlichkeiten sind aber bereits zuvor begründet worden. Eine Haftung nach 128 HGB setzt aber voraus, dass C bereits zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit Gesellschafter war. Das war hier nicht der Fall Folge: C haftet nicht nach 128 HGB. 14
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 1) Haftung des C nach 130 HGB? 15
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 1) (+). Haftung des C nach 130 HGB (Haftung des in die ohg eintretenden Gesellschafters auch für zur Zeit ihres Eintritts bereits bestehende Verbindlichkeiten). Voraussetzung ist nur ein wirksamer Beitritt des C zur Gesellschaft. Das ist gegeben. Folge: Haftung des C nach 130 HGB. 16
Fall 13 (Fallfrage 2) Frage 2): Würde sich hieran etwas ändern, wenn C wenig später genervt von seinem unfähigen Mitgesellschafter A die Kündigung des Gesellschaftsvertrages erklärt hat? 17
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 2) FALLLÖSUNG (FRAGE 2): Ansprüche nach Kündigung des C: Problem: Da C den Gesellschaftsvertrag gekündigt hat, stellt sich zunächst die Frage, ob die ohg überhaupt noch besteht. Dies könnte sich evtl. auch auf die Haftung des C auswirken 18
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 2) Antwort: Im Gegensatz zur stark personalistisch strukturierten GbR, bei der alle Veränderungen im Bestand der Gesellschafter (z.b. Kündigung oder Tod des Gesellschafters) soweit nichts anderes vereinbart wurde zur Auflösung der Gesellschaft führen, wurde die ohg dem gesetzlichen Leitbild nach stabiler (kapitalistischer) konstruiert. Folge: Im Falle einer Kündigung scheidet der kündigende Gesellschafter aus (aber freilich ohne Auswirkung auf eine evtl. (Nach-)Haftung), die Gesellschaft wird hingegen fortgesetzt. 19
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 2) Haftung des C nach 160 HGB? 20
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 2) (+), Haftung nach Ausscheiden: 160 HGB. Haftungsvoraussetzung ist, dass die Verbindlichkeit bis zum Ausscheiden des C bereits begründet wurde. Das liegt hier vor. C haftet nach 160 HGB auch trotz seiner Kündigung, allerdings beschränkt auf 5 Jahre. Beachte: Wie bei der GbR sind die verbliebenen Gesellschafter im Innenverhältnis verpflichtet, den ausscheidenden Gesellschafter im Außenverhältnis freizustellen und ihm das Auseinandersetzungsguthaben auszuzahlen ( 738 I BGB i.v.m. 105 III HGB). 21
Fall 13 (Fallfrage 3) Frage 3): Unter welchen Voraussetzungen wäre der C in diesem Fall gegenüber N haftbar, mit dem die Gesellschaft nach der Kündigung einen Kaufvertrag geschlossen hat? 22
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 3) FALLLÖSUNG (FRAGE 3): Ansprüche des N: Ausgangspunkt: Das Ausscheiden des C ist ein Vorgang, der gemäß 107,143 II HGB ins Handelsregister anzumelden und einzutragen ist. Unterbleibt dies, können künftige Gläubiger der Gesellschaft ggf. in Unkenntnis hiervon sein. Die Gläubiger müssen sich aber auf die Richtigkeit der Angaben im Handelsregister verlassen können (Rechtsscheinshaftung wegen Gläubigerschutz; es gilt die Publizität des Handelsregisters ). 23
Fall 13 (Falllösung zu Fallfrage 3) Daher ist in 15 I HGB geregelt, dass der betreffende Gesellschafter die ihn betreffende und einzutragende Tatsache einem Dritten grds. nicht entgegenhalten kann, wenn eine Eintragung (noch) nicht erfolgt ist Ausnahme: der Gläubiger hat trotz fehlender Eintragung Kenntnis von der einzutragenden Tatsache (dann besteht kein Schutzbedürfnis). Folge: C kann auch für Verbindlichkeiten haften, die nach seinem Ausscheiden begründet werden ( 128 i.v.m. 15 I HGB). 24
Wiederholung: Übersicht zur Haftung als Gesellschafter Haftung der Gesellschafter? Zu unterscheiden sind verschiedene Konstellationen: a) Grundsatz (Verbindlichkeitsbegründung bei bestehender Gesellschafterstellung): - bei GbR: 128 HGB analog - bei OHG: 128 HGB b) Haftung bei späterem Eintritt als Gesellschafter: - bei GbR: 130 HGB analog - bei OHG: 130 HGB c) Haftung bei Austritt als Gesellschafter: - bei GbR: 160 HGB analog - bei OHG: 160 HGB achte: Eventuelle Haftung des ohg-gesellschafters auch für nach Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten nach 128 i.v.m. 15 I HGB, sofern das Ausscheiden (noch) nicht im Handelsregister eingetragen ist. 25
Vorlesung Gesellschaftsrecht Übung Einheit 5: Offene Handelsgesellschaft (ohg) Haftung bei Wechsel im Bestand der ohg