OTC-Derivate. Grundlagen und aktuelle Entwicklungen. 25. Mai 2010. Themen international Aktuelle Themen 485

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Themen international Aktuelle Themen 485 25. Mai 2010 OTC-Derivate Grundlagen und aktuelle Entwicklungen Die weltweiten Derivatemärkte sind in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Besonders Zinsprodukte (Optionen und Futures) verzeichneten in den letzten acht Jahren einen steilen Anstieg der Volumina. Als das Handelsvolumen im Jahr 2007 seinen Höchststand erreichte, betrug der Nominalwert ausstehender außerbörslich gehandelter Derivatekontrakte insgesamt USD 605 Billionen. Die Finanzkrise legte eine Vielzahl struktureller Defizite in Bezug auf die Marktinfrastruktur von Over-the-counter-(OTC-)Derivaten offen. Die diesen Finanzinstrumenten innewohnenden Risiken, deren ungenügende Besicherung, die Intransparenz bezüglich im Markt gehaltener Risikopositionen sowie die Gefahr der Ansteckung, sind die Themen, die in ihrer Gesamtheit die systemische Relevanz dieser Märkte ins kollektive Bewusstsein rückten. Traditionell wird insbesondere das Kontrahentenrisiko zwischen zwei Vertragspartnern mittels bilateraler Besicherungsübereinkommen abgedeckt. Dies ist prinzipiell eine effektive Versicherung gegen den Ausfall einer Gegenpartei; jedoch hatten in der Vergangenheit vorherrschende Geschäftspraktiken (wie beispielsweise asynchrone Nachschusszyklen oder in unzureichender Höhe hinterlegte Sicherheiten) eine Unterbesicherung bestehender Risiken zur Folge. Die Verrechnung über zentrale Kontrahenten, das sog. Central Counterparty (CCP) Clearing, ist ein wirksames Instrument zur Beseitigung dieser Mängel. Zentrale Clearingstellen können zu einer Reduktion systemischer Risiken beitragen, insofern als sie die Gefahr der Ansteckung senken. Daher fordern Aufsichtsbehörden und Regierungen sowohl in Europa als auch in den USA die vermehrte Abwicklung außerbörslich gehandelter Kontrakte über zentrale Kontrahenten. Autor Michael Chlistalla +49 69 910-31732 michael.chlistalla@db.com Editor Bernhard Speyer Publikationsassistenz Angelika Greiner Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland Internet: www.dbresearch.de E-Mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 DB Research Management Thomas Mayer Die Reform der Marktinfrastruktur wird Auswirkungen auf die Wettbewerbsstrukturen der Industrie haben. Die Regeln zur Qualifikation bestimmter Kontraktetypen zum zentralen Clearing, die Frage der Interoperabilität von CCPs sowie der Eigentümerstruktur von Clearinghäusern werden auch wenn derzeit noch nicht endgültig geklärt erkennbaren Einfluss auf die Infrastruktur der Derivatemärkte haben. Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber sollten sich bei ihren Bemühungen an dem Ziel orientieren, dass der neue Ordnungsrahmen die tatsächlichen Risiken des Marktes adressiert. Letztlich werden wohl weniger die Bemühungen der Branche selbst, als vielmehr das Ergebnis der regulatorischen Diskussionen die Zukunft der Branche bestimmen. Mithin ist es unabdingbar, dass der zukünftige Ordnungsrahmen eine angemessene Balance hält zwischen der Sicherung der Marktstabilität und der Bewahrung des Nutzens dynamischer Derivatemärkte. Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung der in englischer Sprache unter dem Titel OTC derivative: A new market infrastructure is taking shape erschienenen Studie von DB Research. Sie ist verfügbar unter http://www.dbresearch.com (Current Issues vom 28. April 2010).

Aktuelle Themen 485 Einführung Nicht erst seit der Insolvenz von Lehman Brothers werden zwischen Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern sowohl in den USA wie auch in Europa intensive Diskussionen über die Gestaltung eines neuen Ordnungsrahmens für die internationalen Finanzmärkte geführt. Dabei ist schon heute erkennbar, dass die Bemühungen, die Stabilität und Ausfallsicherheit des internationalen Finanzsystems zu stärken, mehrere Aspekte umfassen werden: zum einen die Steigerung der Effektivität bankinterner Risikomanagementprozesse; die Errichtung einer makroprudenziellen Finanzmarktaufsicht, die systemische Risiken überwacht; die Reform der Kapitalstandards mit dem Ziel, die Eigenkapitalbasis des Finanzsystems zu stärken; ein verbessertes Management von Liquiditätsrisiken mit strikteren Vorgaben für die Refinanzierungsstruktur; sowie zu guter Letzt eine bessere Marktinfrastruktur mit dem Ziel, die Verflechtung der Marktteilnehmer untereinander zu reduzieren. Die Verbesserung der Marktinfrastruktur für den globalen Derivatehandel steht dabei in der regulatorischen Debatte derzeit weit oben auf der Tagesordnung. Obgleich außerbörslich gehandelte Derivate, sog. OTC-Derivate, weder direkter Auslöser noch unmittelbare Ursache der Finanzkrise waren, brachte die Finanzkrise wesentliche Defizite in der Marktinfrastruktur des Derivatehandels zum Vorschein. Die Komplexität und Intransparenz dieser Märkte erhöhten die Gefahr der Ansteckung und verschärften somit die Finanzmarktkrise. Hinzu kam das Unvermögen der Aufsichtsbehörden und der Marktteilnehmer, im Markt gehaltene Risikopositionen zu erkennen, was es einigen Marktteilnehmern ermöglichte, exzessive Risikopositionen aufzubauen. Derivate fungieren seit langem als Finanzinstrumente zum Zwecke der Risikoabsicherung ( Hedging ) und Risikoaufnahme (Spekulation). Damit dienen sie Finanzinstituten wie auch Unternehmen als Instrumente zum Risiko- und Liquiditätsmanagement. Die enormen Wachstumsraten der Vergangenheit zeigen den erstarkten Bedarf sowohl der Real- als auch der Finanzwirtschaft an derartigen Produkten. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Organisation des über 600 Milliarden USD schweren OTC-Derivatemarktes sowie seine typischen Charakteristika aufzuzeigen und angesichts der aktuellen regulatorischen Diskussionen die Vorteile einer zentralen Clearinglösung gegenüber bilateralen Besicherungsverfahren darzustellen. 2 25. Mai 2010

OTC-Derivate 1. Derivate und die ihnen zugrunde liegenden Basiswerte Gesamtmarkt für Derivate USD Mrd., Bruttovolumen, jährliche Daten 01 03 05 07 09 Außerbörslich (OTC) 01 03 05 07 09 Equity Index Options Currency Options Interest Rate Options Equity Index Futures Währungs-Futures Interest Rate Futures 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 Börslich Quelle: BIZ 1 Börsengehandelte Derivate Mrd. USD, Bruttovolumen, jährliche Daten 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 Quelle: BIZ 2 Derivatemärkte unterscheiden sich von Aktienmärkten hinsichtlich ihrer Marktorganisation, der gehandelten Volumina sowie der Komplexität des Handels und der Abwicklung. Derivate können entweder über spezialisierte Derivatebörsen oder in Form bilateral vereinbarter Kontrakte gehandelt werden. Der weitaus größte Anteil des Handels (über 90% der weltweiten Volumina gemessen am Nominalwert ausstehender Kontrakte) geschieht dabei außerbörslich. Ausgehend von knapp über USD 100 Billionen im Jahr 2001 verzeichneten die weltweiten Derivatemärkte in den vergangenen Jahren ein kontinuierliches Wachstum (siehe Grafik 1), das im Dezember 2009 in der Spitze USD 700 Billionen überschritt 1 (Bank für Internationalen Zahlungsverkehr BIZ, 2010). Derivate sind Finanzinstrumente, deren Preis oder Wert sich von den Kursen bzw. Preisen anderer Handelsgüter ableitet. Dies sind typischerweise marktbezogene Referenzgrößen (Zinsen, Wechselkurse, Indizes), Vermögensgegenstände (Aktien oder Anleihen), Handelsgüter (Rohstoffe oder landwirtschaftliche Produkte) oder Risiken (Kreditausfallrisiken, wetterbezogene Risiken o.ä.). Derivatemärkte zeichnen sich dadurch aus, dass die dort gehandelten Produkte zumeist maßgeschneidert und hochgradig flexibel sind, um die oft sehr spezifischen abzusichernden Risiken adäquat abbilden zu können. Nur ein geringer Teil der Kontrakte ist ausreichend standardisiert, um auf Derivatebörsen gehandelt werden zu können. Die Verbindung von unterschiedlichen Referenzgrößen mit zahlreichen Kontraktformen (Forwards, Swaps, Futures) führt zu einer Vielzahl von Produktvarianten. Nutzung von Derivaten In der gegenwärtigen Diskussion wird oftmals der Eindruck erweckt, Derivate würden nur von Finanzinstituten gehandelt. Eine aktuelle Umfrage der ISDA zeigt jedoch, dass 94% der Fortune-500- Unternehmen Derivate zur Absicherung von Geschäfts- und makroökonomischen Risiken nutzen (ISDA, 2009a). Während Banken und Versicherungen typischerweise alle Arten von Derivaten nutzen, besichern Unternehmen im Wesentlichen Zinsrisiken, Wechselkursund Rohstoffpreisschwankungen. Grafik 4 gibt einen Überblick der Nutzung von Derivaten nach Risikokategorie. Die Nutzung zur Absicherung von Währungs- oder Zinsrisiken überwiegt eindeutig. Außerbörsliche Derivate Mrd. USD, Bruttovolumen, jährliche Daten 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 01 03 05 07 09 Andere Equity Währungen Rohstoffe CDS Zins Quelle: BIZ 3 2. Organisation von Derivatemärkten OTC-Derivatemärkte sind auch wenn dies häufig gegenteilig dargestellt wird wohlorganisierte Märkte, denen es im Vergleich zu Börsen bislang allerdings an einer strikten Aufsichts- und Überwachungsstruktur fehlt. Traditionell sind OTC-Märkte um einen sog. Market Maker organisiert, der den Markt durch das Stellen von Ankaufs- und Verkaufsangeboten aufrechterhält. Darüber hinaus beschränken sich die Rollen der am Markt aktiven Parteien auf Broker, Dealer und sog. Broker-Dealer. Broker sind Vermittler, die im Auftrag des Kunden gegen Gebühr Geschäfte ausführen. Dealer handeln auf eigene Rechnung, während Broker-Dealer (in jeweils unterschiedlichen Transaktionen) beide Rollen einnehmen können (Dodd, 2002). 1 Davon entfielen etwa USD 605 Billionen auf außerbörsliche Derivatekontrakte (siehe Grafik 3). 25. Mai 2010 3

Aktuelle Themen 485 3. Gegenparteiausfallrisiko und Grenzen der bilateralen Besicherung Nutzung von Derivaten Prozent, nach Risikokategorie Währungen Zins Rohstoffe Equity CDS 0 50 100 Quelle: ISDA 4 Regelmäßige Berechnung der zu hinterlegenden Sicherheiten nötig Derivategeschäfte binden zwei Geschäftspartner für die Dauer des abgeschlossenen Kontraktes aneinander. Die Laufzeit eines Kontraktes variiert je nach Produkt und Marktsegment und kann von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren reichen. In Abhängigkeit von der Preisentwicklung des zugrunde liegenden Basiswertes bauen die Parteien während der Laufzeit des Vertrags Forderungen gegeneinander auf. Daraus leitet sich das sog. Gegenparteiausfallrisiko (auch: Kontrahentenrisiko) ab, also das Risiko der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch eine der beiden Vertragsparteien. Bei Geschäften mit Derivaten besteht zudem das sog. Wiedereindeckungsrisiko. Dabei handelt es sich um das für den verbleibenden Geschäftspartner aus dem Verlust des Originalgeschäfts entstehende Risiko, ein etwaiges Ersatzgeschäft (die sog. Wiedereindeckung) zu für ihn ungünstigeren Konditionen vornehmen zu müssen. Die Quantifizierung dieser Risiken erweist sich als äußerst schwierig, insbesondere für Parteien außerhalb einer bestimmten Transaktion. Bestehende Praxis zur Minimierung des Kontrahentenrisikos ist die sog. bilaterale Besicherung offener Risikopositionen. Dabei werden die Kontrakte regelmäßig nach dem aktuellen Marktpreis (sog. Mark-to-market-Prinzip) neu bewertet. Resultiert dieser Prozess bei einem Geschäftspartner in einer Forderung an den anderen, so ist er berechtigt, von diesem zusätzliche Sicherheiten einzufordern. Barmittel sind die bei weitem bevorzugte Sicherheitsleistung, mit deutlichem Abstand gefolgt von Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Barakkreditiven (ISDA, 2009b). Derartige Sicherheitsleistungen können ihren Zweck als Versicherung gegen Ausfallrisiken jedoch nur dann erfüllen, wenn sie regelmäßig berechnet und auch eingefordert sowie zeitnah ausgetauscht werden. In der Praxis hat sich gerade dies als nicht immer gegeben erwiesen. Hinzu kommt, dass bilaterale Besicherungsübereinkommen aktuell nur etwa 66% der ausstehenden Risiken abdecken. Ein Drittel bleibt Schätzungen zufolge unbesichert, da beispielsweise Staaten, Versicherungen mit AAA-Rating, Unternehmen sowie große Banken untereinander keine Sicherungsleistungen hinterlegen. 4. Zentrales Clearing (Central Counterparty Clearing) Zur Eindämmung des Kontrahentenrisikos gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein erster Schritt ist die sog. Trade Compression, die Reduktion der Anzahl ausstehender Kontrakte, indem redundante Positionen geschlossen werden. Hierbei wird die Anzahl der ausstehenden Verträge reduziert, ohne dabei bestehende Nettopositionen aufzugeben. Mit geringeren Bruttopositionen profitieren die Teilnehmer von sinkendem Verwaltungsaufwand und geringeren Gegenparteirisiken (Weistroffer, 2009). Während bei der Trade Compression das Netz bilateraler Verträge zwar reduziert, im Grunde jedoch beibehalten wird, geht die Abwicklung über zentrale Clearingstellen noch einen Schritt weiter: Hier wird eine neue Instanz geschaffen, über die alle Verträge abgewi- 4 25. Mai 2010

OTC-Derivate ckelt werden. Die zentrale Clearingstelle 2 tritt zwischen Käufer und Verkäufer eines Derivatekontrakts, wird somit für beide Seiten Vertragspartner und übernimmt mithin auch das Risiko, dass einer der Vertragspartner ausfällt. Es handelt sich hierbei also um einen Mechanismus zur unmittelbaren Entschärfung der oben genannten Einschränkungen der bilateralen Besicherung. Jedoch bedarf es für ein erfolgreiches zentrales Clearing bestimmter Marktcharakteristika sowie einiger Grundvoraussetzungen, die im Folgenden erläutert werden. Voraussetzungen Implikationen Effektivere Risikoverringerung Konzept des multilateralen (zentralen) Clearing Im Zuge des zentralen Clearings wird der originäre Kontrakt zwischen zwei Geschäftspartnern durch zwei neue Kontrakte ersetzt. Diese sog. Novation hat drei Vorteile: Sie erleichtert die Eindämmung des Kontrahentenrisikos, ermöglicht dem CCP die wechselseitige Verrechnung von Risikopositionen und Zahlungsströmen (das sog. multilaterale Netting) und trägt zu erhöhter Transparenz bei, indem Aufsichtsbehörden Informationen über Marktaktivitäten und Risikopositionen zur Verfügung gestellt werden können (BIZ, 2009). Zum Zwecke einer erfolgreichen Verrechnung ausstehender Derivatekontrakte muss die Clearingstelle in der Lage sein, Positionen angemessen zu bewerten, um somit Risiken adäquat absichern zu können. Ein gewisses Maß an Standardisierung der abzuwickelnden Kontrakte ist hierfür eine wichtige Voraussetzung. Weiterhin von Bedeutung sind die Transparenz des Preisbildungsprozesses im Sinne eines fairen Mark-to-markets sowie vor dem Hintergrund des Wiederbeschaffungsrisikos die Fungibilität der Kontrakte (KOM, 2009a; CFTC, 2009). Die zentrale Verrechnung birgt im Vergleich zur bilateralen Besicherung Vorteile, beispielsweise infolge einheitlicher Prozesse, die gewährleisten, dass die Sicherheiteneinforderung (das sog. Margining) synchron mit den Bewertungszyklen erfolgt. Clearingmitglieder profitieren ferner davon, dass Kontrakte unter den Mitgliedern fungibel werden und somit gegengerechnet werden können. Gleichzeitig muss nur mehr eine geringe Anzahl von Verbindungen mit Kontrahenten unterhalten werden (idealerweise nur die mit der zentralen Clearingstelle). 3 In Märkten mit mehreren CCPs gestaltet sich multilaterales Netting schwieriger als dort, wo nur ein einziger zentraler Kontrahent existiert. Dies resultiert einerseits aus unterschiedlichen Risikomanagementansätzen (Abstimmung und Höhe der Einlagen, divergierende privat- und aufsichtsrechtliche Ordnungsrahmen, etc.), andererseits daraus, dass Nutzer in diesem Fall mehrere CCP-Verbindungen unterhalten müssen und somit Sicherheiten in mehreren Garantiefonds hinterlegen müssen. Vorteile für Marktteilnehmer Die Nutzer einer zentralen Clearing-Infrastruktur profitieren aufgrund des Novationsprinzips, multilateralen Nettings und robuster Margining-Prozeduren von einer im Vergleich zur bilateralen Besicherung deutlich effektiveren Risikoverringerung. Die Einführung einer zentralen Gegenpartei für außerbörslich gehandelte Derivate erlaubt Nutzern eine effizientere Nutzung ihres Kapitals, da dank 2 3 Synonyme hierfür sind zentrale Gegenpartei bzw. Central Counterparty (CCP) Einschränkend sei erwähnt, dass strikte Zulassungskriterien, die zweifelsohne einen stabilisierenden Charakter haben, potenzielle multilaterale Nettingvorteile verringern können. 25. Mai 2010 5

Aktuelle Themen 485 Nettings weniger Sicherheiten zu hinterlegen sind als im Falle einer vollständigen bilateralen Risikobesicherung. 4 Die Erhöhung der operationalen Effizienz sowie die Reduktion operationeller Risiken sind als weitere positive Aspekte zu nennen, da CCP-Clearing naturgemäß eine gewisse Standardisierung der Abläufe und damit eine geringere Fehleranfälligkeit der Prozesse mit sich bringt. Gleiche Wettbewerbsbedingungen Höhere finanzielle Ressourcen im Insolvenzfall Ein einziger CCP je Derivateklasse aus akademischer Sicht optimal... Vorteile im Sinne der Finanzmarktstabilität Die Einführung eines zentralen Kontrahenten für OTC-Derivate kann sich förderlich auf die Stabilität der Finanzmärkte auswirken. So erhalten Aufsichtsbehörden dank der zentralisierten Aggregation von Handelsdaten in den Systemen der zentralen Clearingstelle einen besseren Überblick über Marktaktivitäten, Transaktionspreise und Positionen. Darüber hinaus führt der vom CCP gewährleistete einheitliche, nicht-diskriminierende Zugang zu seinen Systemen zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für kleine wie für große Banken. Das zentralisierte Risikomanagement einer Clearingstelle erhöht die im Insolvenzfall zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen. Alle CCPs sichern sich durch prinzipiell ähnlich gestaltete Verteidigungslinien ab. Diese bestehen typischerweise aus den allgemeinen Zulassungskriterien, der Einforderung einer Anfangszahlung ( initial margin ) sowie von Ausgleichszahlungen ( variation margins ) infolge der untertägigen Bewertung der Positionen zu Marktpreisen. Hinzu kommen die Beiträge der Clearingmitglieder zu einem Garantiefonds sowie in letzter Instanz das Eigenkapital des Unternehmens selbst. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Clearingmitglieds werden zunächst dessen Positionen ausgebucht ( close out ). Reichen die Sicherheitsleistungen des insolventen Clearingmitglieds nicht zum Ausgleich der dabei entstandenen Verluste, bedient sich der zentrale Kontrahent zur Verhinderung eines Dominoeffekts der Beiträge dieses und der übrigen Clearingmitglieder zum Garantiefonds (Wendt, 2006; Bliss/Papathanassiou, 2006). Ein großer Vorteil zentraler Kontrahenten ist es, dass sie gerade auch in Krisenzeiten die Sorgen des Marktes um Kontrahentenrisiken lindern. Damit tragen sie dazu bei, dass der Handel in bestimmten Instrumenten auch dann noch fortläuft, wenn er ansonsten beispielsweise aufgrund hoher in Liquiditätspuffern gebundener Kapitalmengen zum Stillstand gekommen wäre. Optimale Anzahl von CCPs Eine ökonomisch interessante Diskussion stellt die Frage nach der optimalen Anzahl an Clearingstellen je Markt (bzw. Marktsegment) dar. Duffie und Zhu (2009) stellen diesbezüglich zunächst fest, dass die Einführung eines CCP für eine bestimmte Anlagenklasse (z.b. Kreditderivate) verglichen mit der bilateralen Besicherung die Effizienz der Risikoreduktion erhöht. Sie konstatieren ferner, dass die Einbeziehung eines zweiten CCP für dieselbe Anlagenklasse die Nettingeffizienz senken kann, sodass aus reinen Effizienzaspekten stets nur die Einführung eines einzigen zentralen Kontrahenten sinnvoll erscheint. Aus Sicht der Marktteilnehmer ist dieser Argumentation in Bezug auf die Realisierung von Skaleneffekten und die Einforderung von Sicherheiten nicht zu widersprechen. 4 Inwieweit sich dieser Vorteil realisieren lässt, hängt an der Situation ex ante: Da im bilateralen Verfahren Risiken oft nur partiell besichert und hinterlegte Sicherheiten weiterverpfändet wurden (was bei Einsatz einer zentralen Clearingstelle nicht mehr möglich ist), kann argumentiert werden, dass zentrales Clearing mit seinen institutionalisierten Nachschusserfordernissen den Kapitalbedarf sogar erhöhen könnte. 6 25. Mai 2010

OTC-Derivate... jedoch bevorzugen Aufsichtsbehörden Wettbewerb Interoperabilität derzeit mehr ganz oben auf der Agenda Anreize zum Risikomanagement je nach Governance-Modell unterschiedlich Mit dem Ziel, die Stabilität des Finanzmarktes sicherzustellen, sind Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber zudem bemüht, Effizienz und Stabilität miteinander in Einklang zu bringen. Da im Krisenfalle eine einzige zentrale Clearingstelle aber aufgrund der dortigen Risikokonzentration einen systemischen Schwachpunkt (sog. single point of failure ) darstellen kann, wird von regulatorischer Seite eine kompetitive Marktstruktur bevorzugt. Zugleich macht der Gesetzgeber auf europäischer Ebene aber auch deutlich, dass eine Abwärtsspirale in Bezug auf Risikomanagementstandards nicht toleriert werden wird [sic!]. CCPs sollen nicht auf Basis des Preises (d.h. hinsichtlich zu hinterlegender Sicherheiten), sondern basierend auf der Qualität ihrer Dienstleistung miteinander im Wettbewerb stehen (KOM, 2009b). Verlustrisiken und Kreditgeber letzter Instanz Ein weiterer Aspekt der öffentlichen Debatte sind die Modalitäten des Kreditgebers letzter Instanz ( lender of last resort ) für eine zentrale Clearingstelle im Fall der Insolvenz eines oder mehrerer Clearingmitglieder. Konkret geht es um die Frage, ob bzw. wann zentrale Clearingstellen Zugang zu Refinanzierungsfazilitäten der Zentralbank im Sinne außerordentlicher Liquiditätshilfen erhalten sollten, um kurzfristig deren Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Dies kann erforderlich werden, sollten Clearingmitglieder temporär oder dauerhaft ihren Nachschusspflichten nicht nachkommen können. Momentan variieren die Regelungen bezüglich des Zugangs zu Zentralbankgeld je nach Jurisdiktion. Um systemische Risiken (hier insb. das Ansteckungsrisiko) einzugrenzen, ist die Ermöglichung des Zugang zu untertägiger bzw. Über-Nacht-Liquidität zu begrüßen (AMAFI, 2009). Interoperabilität von CCPs Der europäische Verhaltenskodex für Clearing und Settlement sieht drei Arten des Zugangs bzw. der Interoperabilität zwischen CCPs vor (FESE, EACH & ECSDA, 2006). Jedoch verhindern aktuell aufsichtsrechtliche Bedenken in Bezug auf potenzielle systemische Risiken bzw. Sorgen im Hinblick auf die Interoperabilität mehrerer zentraler Kontrahenten die tatsächliche Umsetzung dieser Zugangsmodi. Vereinbarungen zwischen mehreren konkurrierenden CCPs erwiesen sich bereits auf Aktienmärkten als schwer umsetzbar; die Schwierigkeiten, eine Interoperabilität von Derivate-CCPs zu erreichen, dürften nicht minder gering sein. Nachdem die Gewährleistung der Finanzmarktstabilität oberstes aufsichtsrechtliches Ziel ist, wird die Interoperabilität von CCPs mittlerweile als mittelfristiges Ziel verstanden, das zunächst nicht forciert werden sollte. Eigentümerstruktur und Unternehmensorganisation ( Governance ) Angesichts des Potenzials zentraler Kontrahenten, als Instrument zur Gewährleistung der Finanzmarktstabilität zu fungieren, stellt sich die Frage, welches Governance-Modell größtmögliche Anreize zu konsequenter Risikoüberwachung und striktem Risikomanagement schafft. Für Marktinfrastrukturanbieter kommen hierfür theoretisch fünf Modelle infrage: das Modell der Gemeinnützigkeit, ein genossenschaftlicher Ansatz, Gewinnorientierung, die Form der öffentlichen Daseinsvorsoge sowie hybride Formen dieser Modelle. Sie schaffen unterschiedliche Anreize, was das Risikomanagement betrifft. So kann z.b. ein starker Fokus auf Gewinnorientierung im Sinne einer Shareholder-Value-Maximierung zur Extraktion abnormaler Profite zu Lasten der Kunden des CCPs führen. Hingegen dürfte ein 25. Mai 2010 7

Aktuelle Themen 485 im Wettbewerb stehendes Unternehmen sein Geschäftsmodell dynamischer und innovativer fortentwickeln als beispielsweise ein genossenschaftlich orientierter CCP (Lee, 2010). Angesichts deutlich vielschichtiger Geschäftsziele fällt es schwer, sich auf eine optimale Governance-Struktur festzulegen. Letztlich wird jedes Unternehmen diese Entscheidung unter Berücksichtigung des aufsichtsrechtlichen Ordnungsrahmens, der derzeit neu gestaltet wird, selbst treffen. Es ist allerdings zu betonen, dass die Bürgen des Risikos, das ein zentraler Kontrahent auf seine Bücher nimmt also genau die Parteien, die für das sichere und zuverlässige Management der Kontrahentenrisiken zahlen zumindest ein Mitspracherecht bei der Organisation des Unternehmens und in den jeweiligen Risikokomitees erhalten sollten. Vor diesem Hintergrund spricht unseres Erachtens auch nichts dagegen und viel dafür, dass Marktteilnehmer selbst Anteile an einem Clearinghaus halten. Mangelndes gegenseitiges Vertrauen Aufsicht von CCPs Ein wesentlicher Punkt bezüglich der Aufsicht von CCPs ist die Frage nach dem Zugang zu den dort gehaltenen Handelsdaten. Ein zentraler Kontrahent mit Sitz in der EU wäre der europäischen Gesetzgebung und Aufsicht unterworfen, die Aufsichtsbehörden hätten dementsprechend eindeutigen und uneingeschränkten Zugang zu den Informationen des CCPs. Bei zentralen Clearingstellen mit Sitz außerhalb der EU wären die Aufsichtsbehörden auf Drittlandüberwachung angewiesen; der Zugang zu Daten ist hier wesentlich schwieriger zu organisieren. Zudem ist es in diesem Fall schwer vorstellbar, dass eine Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz für ein Unternehmen außerhalb des eigenen Währungsraumes auftreten würde. Insbesondere angesichts der jüngsten Erfahrungen in der Krise fällt es Aufsichtsbehörden verständlicherweise schwer, bei der Aufsicht systemrelevanter Institutionen den Behörden eines Drittlandes zu vertrauen. Um aber eben dieses Vertrauen zu stärken, muss es Aufgabe der internationalen Aufsichtsbehörden sein, in gleichem Maße Strukturen zur grenzüberschreitenden Aufsichtskooperation zu entwickeln wie sie in den vergangenen Jahren für international tätige Finanzinstitutionen entstanden sind. Wir konzedieren, dass dieser politisch diffizile Anspruch mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein dürfte. Ist ein solches Vertrauen aber erst einmal gewachsen, sollte der Unternehmenssitz der Clearingstelle keine Rolle mehr spielen. Derzeit werden Clearinghäuser in Europa von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht. Angesichts ihrer Systemrelevanz plant die Europäische Kommission die Übertragung dieser Aufgabe auf die zu schaffende Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA). 5. Standardisierung von Kontrakten Gemäß Schlusserklärung des G20-Gipfels von Pittsburgh vom September 2009 sollen bis Ende 2012 weitgehend alle standardisierten Derivatekontrakte über Börsen oder gegebenenfalls über elektronische Handelsplattformen gehandelt werden; das Clearing soll ausschließlich durch zentrale Gegenparteien erfolgen. Was aber genau zu standardisieren sei, wurde nicht weiter spezifiziert. Standardisierung kann in drei Aspekte untergliedert werden: (i) Kontraktstandardisierung, (ii) Produktstandardisierung sowie (iii) Prozessstandardisierung und Automatisierung. Marktteilnehmer befürworten die Kontraktstandardisierung, also die Normierung rechtlicher und ökonomischer Aspekte (wie z.b. anwendbares Recht, Schlichtungsverfahren, 8 25. Mai 2010

OTC-Derivate Fälligkeiten und Kuponbeträge), sowie die Prozessstandardisierung. Eine Standardisierung der Produkte selbst hingegen wird mehrheitlich abgelehnt, da dies u.a. die Möglichkeiten, Risiken spezifisch abzusichern, erheblich einschränken würde. 6. Aktuelle regulatorische Initiativen in der EU und den USA EU und USA arbeiten fieberhaft an Gesetzentwürfen zur Finanzmarktreform Beiderseits des Atlantiks arbeiten Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden derzeit an Entwürfen einer künftigen Finanzmarktregulierung, die sich in wesentlichen Bestandteilen an den G20-Maßgaben orientieren. Die Europäische Kommission befindet sich derzeit im Dialog mit den Mitgliedstaaten der EU bezüglich einzelner Aspekte der künftigen Derivateregulierung. Insbesondere werden momentan Details zur Clearing-Verpflichtung, zu organisatorischen Anforderungen sowie zur Führung der Geschäfte eines CCPs vervollständigt. Zugleich erarbeitet auch das Europäische Parlament eine Entschließung zur Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte, die in ihrem aktuellen Stand in einigen Aspekten (z.b. in Bezug auf die Forderung nach zentralem Handel von Derivaten) von den Entwürfen der Kommission abweicht. In den USA zeichnen sich derweil nach Monaten des Stillstands wegen zwischenparteilicher Querelen Fortschritte bei der Regulierung des Derivatemarktes ab: Der zuständige Ausschuss des US- Senats stimmte Ende April für einen entsprechenden Gesetzentwurf, der Teil einer umfassenden Reform der Finanzmärkte werden dürfte. Der Entwurf sieht u.a. vor, dass die meisten Derivate künftig über zentrale Clearingstellen abgewickelt und im Unterschied zur aktuellen europäischen Auffassung auch an Börsen gehandelt werden müssen. Weitere Unterschiede ergeben sich momentan hinsichtlich der Ausnahmeregelungen von zentralem Clearing für Nicht-Finanzinstitute, die in den USA offenbar weitaus enger gefasst werden als in der Europäischen Union. 7. Schlussfolgerungen und Implikationen für die Politik Die vorliegende Studie erläutert die systemische Relevanz von OTC-Derivatemärkten, basierend auf den enormen Wachstumsraten der vergangenen Jahre. Während die Verwendung von Derivaten bislang vornehmlich Finanzinstituten zugeschrieben wurde, zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der ISDA, dass in nahezu allen Industriezweigen Nachfrage nach Derivaten besteht. Die Marktcharakteristika von OTC-Derivaten unterscheiden sich deutlich von denen von Aktienmärkten. Marktteilnehmer sind besonders dem sog. Kontrahentenrisiko ausgesetzt, also der Gefahr, dass einer der Handelspartner seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Im Gegensatz zu Aktienmärkten ist das Kontrahentenrisiko im Fall von Derivaten deutlich ausgeprägter und weitaus schwieriger zu kalkulieren. Dies beruht einerseits darauf, dass die Kontrakte in ihrer überwiegenden Mehrzahl maßgeschneidert und den Bedürfnissen des Käufers angepasst sind, andererseits auf der Auszahlungsstruktur der Produkte. Sie erschwert angesichts mangelnder beobachtbarer Marktpreise in Verbindung mit der häufig sehr langen Laufzeit deren Bewertung. Daher werden außerbörsli- 25. Mai 2010 9