A. Rechtlicher Rahmen



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GÜNTHER A. Rechtlicher Rahmen I. Anlegerschutz durch MiFID und AnsFuG Die Aufklärungs- und Beratungspflichten werden nicht nur von der Rechtsprechung geprägt, sondern auch von der EU-Gesetzgebung beeinflusst. Die am 21.04.04 verabschiedete Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID = Markets in Financial Instruments Directive 1 ) war zunächst nur der vorläufige Abschluss einer europaweiten Vereinheitlichung der Kapitalmärkte und löste die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ISD) von 1993 ab. Die MiFID enthält neben der Stärkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt durch die Ausweitung des Europapass-Konzepts für die Wertpapierfirmen zahlreiche Pflichten an den gesamten Finanzdienstleistungsbereich, um den Anlegerschutz zu verbessern. Die Pflichten zum Wohlverhalten sind beginnend mit der Bewerbung von Kapitalanlagen bis hin zur Abrechnung eines Wertpapiergeschäfts umfassend reglementiert. Auf europäischer Ebene wurde die MiFID durch die Richtlinie zur Durchführung der Richtlinie (MiFID-DRL) und die Verordnung zur Durchführung der Richtlinie v. 10.08.06 ergänzt 2. Auf nationaler Ebene wurden die Anforderungen in das WpHG eingearbeitet und durch eine»verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen«(WpDVerOV) konkretisiert. Im Hinblick auf Defizite in der Anlageberatung, die vor allem seit Beginn der Finanzmarktkrise deutlich wurden, sind durch das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzung von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung v. 31.7.2009 3 die Verhaltensregeln verschärft ( 34 Abs. 2a und 2b WpHG) und die zivilrechtlichen Verjährungsfristen ( 37a a. F. WpHG) durch das Verjährungsrecht des BGB ersetzt worden. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nunmehr verpflichtet, jede Anlageberatung gegenüber Privatkunden zu protokollieren und das Protokoll dem Kunden vor Geschäftsabschluss zur Verfügung zu stellen 4. Bei telefonisch 1 2 1 RiLi 2004/39/EG v. 21.4.2004, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 2 VO(EG) Nr. 1287/2006 der Kommission, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1. 3 BGBl. I 2009, S. 2512. 4 Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Rn. 1-2. 3

RECHTLICHER RAHMEN 3 4 getätigten Orders mit Beratung ist das Protokoll dem Kunden zuzusenden. Ihm steht dann ein einwöchiges Rücktrittsrecht bei fehlerhaftem Protokoll zu 5 ; die Beweislast für die Richtigkeit trägt der Wertpapierdienstleister, vgl. 34 Abs. 2a S. 6 WpHG. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (AnsFuG) wurde die Verpflichtung eingeführt, Kleinanlegern vor Abschluss eines Geschäfts über Finanzinstrumente ein leicht verständliches Produktinformationsblatt (PIB) für das zu erwerbende Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen 6. Am 3.7.2012 hat die Europäische Kommission im Zuge der so genannten»prips- Initiative«(packaged retail investment products PRIPs) im Rahmen eines Pakets von Rechtsvorschriften zur Verbesserung des Verbraucherschutzes einen weiteren Vorschlag für eine Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte veröffentlicht(prips-verordnungsvorschlag) 7. Der nunmehr»dreistufige«anlegerschutz lässt sich daher insoweit zusammenfassen, als die Basis der ordnungsgemäßen Anlageberatung der sogenannte»wphg-bogen«(wertpapierhandelsgesetz-bogen,»kundenangaben für Geschäfte in Finanzinstrumenten«8,»Basisdokumentation«oder»WpHG- Explorationsbogen«9,»KapitalAnlagecheck«10.) darstellt, der bereits vor dem Jahr 2010 im Rahmen von Wertpapieranlagegesprächen anzufertigen war. Dieses Formular dient dem Kreditinstitut dazu, sich einen Überblick über die finanziellen Verhältnisse des Anlegers zu verschaffen. Nur so kann es seiner Verpflichtung, seinen Kunden gegebenenfalls auf überhöhte Anlagerisiken hinzuweisen, nachkommen. Im WpHG-Bogen werden unter anderem auch bereits vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers im Wertpapierbereich festgehalten. Alle Angaben des WpHG-Bogens finden sich letztlich auch im Beratungsprotokoll wieder. 5 Vgl. 34 Abs. 2a S. 4 WpHG. 6 Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vom 5.4.2011, BGBl. I S. 538. 7 Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte vom 3.7.2012, COM(2012) 352 final. Am 27.11.2012 veröffentlicht die Ratspräsidentschaft einen Kompromissvorschlag zum PRIPs-Verordnungsvorschlag, 2012/0168 (COD). 8 Formular 160071.000 D1 des Deutschen Sparkassenverlages. 9 So der Vordruck der Postbank. 10 So der Vordruck der Deutschen Bank. 4

GÜNTHER Während der WpHG-Bogen lediglich allgemeine Kundeninformationen festhält, soll der Beratungsbogen bzw. das Beratungsprotokoll den Inhalt des jeweiligen konkreten Beratungsgespräches dokumentieren. Anhand des Protokolls soll für Außenstehende klar erkennbar sein, was der Inhalt des Anlagegesprächs war. Zur»Abrundung«des Verbraucherschutzes bei der Anlageberatung ist gem. 31 Abs. 3a WpHG dem Kunden seit 1. Juli 2011 vor Geschäftsabschluss ein kurzes und leicht verständliches Informationsblatt ohne unrichtige oder irreführende Angaben über jedes einer Kaufempfehlung zugrunde liegende Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen (sog. Produktinformationsblatt = PIB), so dass der Anleger die für ihn in Betracht kommenden Produkte leichter vergleichen kann. Wird der Erwerb von Investmentfondsanteilen empfohlen, treten an die Stelle des PIB die»wesentlichen Anlegerinformationen«(=WAI oder auch KID genannt) gem. InvG. Ein sog. Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) soll die neuen Dokumentationsanforderungen im Bereich geschlossener Fonds sicherstellen. 5 6 II. Aufzeichnungspflichten zum Nachweis der gesetzlichen Verpflichtungen Nach der im August 2009 neu eingeführten Regelung in 34 Abs. 2a WpHG müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen 11 ein schriftliches (vgl. 126 BGB) Protokoll über jede Anlageberatung ( 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9) erstellen, unabhängig davon, ob ein Geschäftsabschluss zustande kommt oder nicht. Ein WpDU ist nach 34 Abs. 1 WpHG verpflichtet, Aufzeichnungen über die von ihm erbrachten Wertpapierdienstleistungen ( 2 Abs. 3 WpHG) und Wertpapiernebendienstleistungen ( 2 Abs. 3a WpHG) sowie die von ihm getätigten Geschäfte zu erstellen, welche es der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ermöglichen, die Einhaltung der Anforderungen des sechsten Abschnitts des WpHG ( 31 ff. WpHG) zu überprüfen. Das WpHG wird durch die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) konkretisiert. Nach 14 Abs. 4 7 11 Kraft gesetzlicher Definition ausgenommen sind anlageberatende Kapitalanlagegesellschaften (da keine Finanzdienstleistungsinstitute, vgl. 2 Abs. 6 Nr. 5a KWG und damit auch keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen, vgl. 2 Abs. 4), Investmentfondsvermittler, wenn sie den Bedingungen des 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. d entsprechen und Anlageberater, die lediglich zu Anlagen nach 8f VerkProspG beraten (da es sich bei diesen um keine Finanzinstrumente nach 2 Abs. 2b handelt), krit. zu letzterem Leuering/Zetzsche, NJW 2009, 2856, 2858; Podwils, DStR 2009, 1914, 1919. 5

RECHTLICHER RAHMEN 8 9 10 WpDVerOV sind die Angaben des Kunden, die zur Erfüllung der Pflichten des sechsten Abschnitts des WpHG erforderlich sind, sowie die Weigerung des Kunden, die erforderlichen Angaben zu machen, aufzuzeichnen. Viele Kreditinstitute erfassen diese Angaben nunmehr in einem Vordruck, z. B. einem»protokoll nach WpHG«12, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Durchaus verbreitet ist es jedoch auch, für die Erstellung des WpHG-Bogen und des Beratungsprotokolls jeweils einzelne Vordrucke 13 zu verwenden 14. Bei Nutzung nur eines Vordrucks, ist dieser daher zur Basisdokumentation für die Vornahme von Wertpapier- bzw. Termingeschäften sowie zur Protokollierung der Anlageberatung in Finanzinstrumenten nach dem WpHG gegenüber Privatkunden bestimmt. Mittels z. B. vorgesehener Ankreuzmöglichkeiten»Basisdokumentation«und»Anlageberatung«kann festgehalten werden, welche Fallkonstellation durch den Vordruck erfasst wird. Sofern sowohl eine Basisdokumentation als auch eine Dokumentation des Beratungsgesprächs vorgenommen wird, hat der Anlageberater beide Ankreuzmöglichkeiten zu wählen. Die inhaltlichen rechtlichen Vorgaben sind jedoch dieselben wie bei einer Erfassung in zwei Vordrucken. Nutzt das Kreditinstitut diese beiden Vordrucke ist EDV-technisch in der Regel festzustellen, dass einige Inhalte des Beratungsprotokolls auch bereits im»wphg-bogen«enthalten sind. Um Abweichungen vorzubeugen, werden daher»werte«aus dem»wphg-bogen«in das Beratungsprotokoll»übergeleitet«. Sollte sich im Rahmen des Beratungsgesprächs ergeben, dass Angaben im WpHG-Bogen unvollständig oder nicht mehr aktuell sind, muss der Berater die entsprechenden Daten im WpHG-Bogen zunächst ergänzen bzw. ändern, damit die aktualisierten Daten zur Erstellung des Beratungsprotokolls zur Verfügung stehen. Änderungen, die im Beratungsprotokoll vorgenommen werden, sind nur für die einmalige Anlageberatung relevant und sollten nicht zurück in den»wphg-bogen«geschrieben werden. 12 So viele Volks- und Raiffeisenbanken, vgl. nur Vordruck 260 000 des DG Verlages. Das Formular 160072.000 D1 des Deutschen Sparkassenverlages kann ebenfalls neben der Aufnahme der WpHG- Bogen relevanten Daten auch für die Dokumentation des Beratungsgesprächs verwendet werden. 13 D. h. jeweils einen Vordruck für den»wphg-bogen«und das Beratungsprotokoll. 14 Vgl. nur Vordruck 160072.000 D1 (Beratungsprotokoll) und 160071.000 D1 (»Kundenangaben für Geschäfte in Finanzinstrumenten«=WpHG-Bogen) des Deutschen Sparkasssenverlages. Während die Volks- und Raiffeisenbanken ein Formular für die Erfassung der Kundendaten für den sog.»wphg-bogen«und des Beratungsprotokolls vorhalten, dient das Formular 160071.000 D1 des Deutschen Sparkassenverlages ausschließlich der Erfassung der WpHG-Bogen-relevanten Kundendaten. Das Formular 160072.000 D1 kann auch für die Dokumentation des Beratungsgesprächs verwendet werden. 6

GÜNTHER Über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen hinaus dient dann die Basisdokumentation im WpHG-Bogen ebenso wie die Protokollierung des Beratungsgesprächs dem nicht unwesentlichen weiteren Zweck, das Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor zivilrechtlichen Haftungsfolgen in denjenigen Fällen zu schützen, in denen der Kunde dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber den Vorwurf erhebt, er sei nicht oder nur unzureichend informiert bzw. beraten worden. So stehen die Beratungsprotokolle und»wphg-bögen«im Rahmen von Anlegerprozessen in besonderem Fokus. Nunmehr wird durch weitere Vorgaben der Aufsicht auch in aufsichtsrechtlicher Hinsicht ein besonderes Schwergewicht auf die Gesprächsdokumentation bei Wertpapierdienstleistungen gelegt werden. Nach Auffassung der BaFin bestand bei vielen Verpflichteten angeblich Unklarheit über die Erstellung der Beratungsprotokolle im Detail. Zudem entsprachen nach Ansicht der Bafin nicht alle verwendeten Protokolle den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen. Insbesondere individuelle Kundenangaben sollen nach Erkenntnissen der Aufsicht nicht genügend erfasst gewesen sein Gliederungsbeispiel eines Vordrucks zur Erfassung der Angaben zum WpHG-Bogen und Beratungsprotokoll 15 : 11 12 13 0. Persönliche Angaben des Kontoinhabers (Vertreter etc.) 1. Anlass der Beratung 2. Generell Kundenangaben 2.1. Anlageziele des Kontoinhabers 2.2. Finanzielle Verhältnisse des Kontoinhabers 2.3. Risikobereitschaft des Kontoinhabers 2.4. Kenntnisse/Erfahrungen des Kontoinhabers in der Durchführung von Anlagegeschäften 2.4.1. Art, Umfang, Häufigkeit und Zeitraum zurückliegender Geschäfte 2.4.2. Ausbildung/Beruf des Kontoinhabers 2.5. Bemerkungen zu den genrellen Kundenangaben 3. Wesentliche Anliegen des Kontoinhabers und Gewichtung in Bezug auf konkrete Anlageberatung 15 Z. B. DG-Verlag, Dt. Sparkassenverlag (Formularvordruck 160072.000 D1), Deutsche Bank, Hypovereinsbank, Postbank. 7

RECHTLICHER RAHMEN 4. Empfehlung/Information über Finanzinstrumente und wesentliche Gründe für die Entscheidung 5. Telefonische Beratung 6. Dauer des Beratungsgesprächs (Beraterunterschrift etc.) 14 Erfassung der Angaben zum WpHG-Bogen und Beratungsprotokoll in separaten Vordrucken. 16 WpHG-Bogen 1. Persönliche Kundendaten/Vertreter 2. Angaben zu Beruf/Bildungsstand 3.»Generelle Kundenangaben«(Kenntnisse und Erfahrungen, Risikobereitschaft etc.) Beratungsprotokoll 1. Vertragspartner (Kundendaten) 2. Handelnde Person (Vertreter) 3. Berater 4. Anlass der Beratung 5. Angaben über die persönliche Situation des Kunden 6. Wesentliche Anliegen des Kontoinhabers und Gewichtung in Bezug auf konkrete Anlageberatung 7. Empfehlungen und Gründe 8.»Weitere Informationen«(Hinweise auf die Angaben des sog. WpHG-Bogen und der ausgehändigten Informationen etc.) 9. Dauer des Beratungsgespräch 10. Telefonische Beratung 11. Weitere Angaben 12. Beraterunterschrift 16 Commerzbank, Deutscher Sparkassenverlag Formularvordruck 160071.000 D1. 8

B. WpHG-Bogen

GÜNTHER B. WpHG-Bogen Auf dem Markt sind eine Vielzahl von WpHG-Bögen (=»Kundenangaben für Geschäfte in Finanzinstrumenten«17 )und Beratungsprotokollen die meisten EDV-gestützt, teilweise in Papierform im Umlauf, häufig rechtlich unsichere und kostenlose Formulare, aber auch kostenpflichtige Muster. Wie vorstehend ausgeführt, verwenden viele Kreditinstitute nur noch einen Vordruck zur Basisdokumentation für die Vornahme von Wertpapier- bzw. Termingeschäften (»WpHG-Bogen«) sowie zur Protokollierung der Anlageberatung in Finanzinstrumenten nach dem WpHG gegenüber Privatkunden. Mittels etwaigen Ankreuzmöglichkeiten»Basisdokumentation«und»Anlageberatung«kann auf den gängigen Vordrucken 18 zunächst als erstes festgehalten werden, welche Fallkonstellation durch den Vordruck erfasst wird. Sofern sowohl eine Basisdokumentation als auch eine Dokumentation des Beratungsgesprächs vorgenommen wird, sind zwangsläufig beide Ankreuzmöglichkeiten zu wählen. Neben den persönlichen Angaben des Kunden (Name, Vorname, Adresse) ist ebenfalls zu erfassen in welcher Eigenschaft der»kunde«/gesprächspartner auftritt. Der Kunde ist also nicht notwendigerweise identisch mit dem Kontoinhaber, von daher ist auf dem Vordruck zu vermerken, wer der»gesprächspartner«ist und in welcher Eigenschaft er auftritt. Auch hier wird in der Regel in den Vordrucken eine Ankreuzauswahl vorgegeben sein (z. B. Kontoinhaber, (rechtsgeschäftlich) Bevollmächtigter oder gesetzlicher Vertreter (z. B. Eltern, Vormund oder Betreuer). Letzter Punkt ist insofern wichtig, als sofern der Kunde sich gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. 164 ff. BGB vertreten lässt, Folgendes zu beachten ist: Hinsichtlich der Kenntnisse und Erfahrungen ist auf die jeweils handelnde Person abzustellen, weshalb diese Angaben in Fällen der Stellvertretung sowohl vom Depotinhaber als auch vom Stellvertreter einzuholen sind 19. Bezogen auf die Angaben zu den finanziellen Verhältnissen und den Anlagezielen, kommt es grundsätzlich auf die Risikotragfähigkeit des wirtschaftlich Betroffenen, also des Endkunden, und nicht seines Vertreters 15 16 17 18 19 20 17 Vgl. Deutscher Sparkassenverlag Formularvordruck 160071.000 D1. 18 Vgl. nur Vordruck 260 000 des DG Verlages. 19 Schäfer/Schäfer, 31 WpHG, Rn. 36; so für das Zivilrecht: BGH, Urt. v. 8.5.2001 XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343, 353. 11

WPHG-BOGEN 21 22 oder Vermögensverwalters an. Ist die Mittelsperson ermächtigt, diese Angaben zu erbringen, darf sich das Unternehmen damit begnügen. Bei der Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen trifft grundsätzlich das kundennähere Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Pflicht zur Einholung der Kundenangaben 20. Auch ist zu beachten, ob es sich um sog.»gemeinschaftsdepots«handelt: Bei Gemeinschaftsdepots sind Anlageziele und finanzielle Verhältnisse aller Depotinhaber zu berücksichtigen, hinsichtlich der Erfahrungen und Kenntnisse bezieht sich die Erkundigungspflicht ausschließlich auf den die Order erteilenden Kunden. Bei einem Gemeinschaftsdepot mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung»Und-Depot«kommt es auf die Erfahrungen und Kenntnisse aller Depotinhaber an, mit der Konsequenz, dass der Maßstab für den Umfang der Erläuterungs- und Beratungspflichten der Bank der Depotinhaber mit den geringsten Erfahrungen und Kenntnissen ist. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der sog. WpHG-Bogen»eingebettet«ist in nur einem Vordruck, der gleichzeitig auch für die Dokumentation des Beratungsprotokolls verwendet werden kann. Es wird jedoch hervorgehoben, wenn die Erfassung von Angaben nur für die konkrete Beratung (d. h. das Beratungsprotokoll) relevant ist und eine Abhandlung der Punkte im Rahmen der Erstellung»WpHG-Bogens«auf dem Vordruck nicht notwendig ist. 20 Schäfer/Schäfer, 31 WpHG Rn. 36; so für das Zivilrecht: BGH, Urt. v. 8.5.2001 XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343, 353. Zu den Besonderheiten bei der Zwischenschaltung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen: Fuchs/Fuchs, WpHG, 31 Rn. 212 ff. m.w.n. 12

Erfolgt die Erfassung der Daten zum WpHG-Bogen und dem Beratungsprotokoll in nur einem Vordruck, hat der Kundenberater auszuwählen/anzukreuzen, für welche dieser beiden Zwecke der Vordruck genutzt werden soll. Sind die persönlichen Angaben des Kunden (Name, Vorname, Adresse etc.) im Rahmen des WpHG-Bogen erfasst worden? Wird auch erfasst, in welcher Eigenschaft der Kunde auftritt (Kontoinhaber, Bevollmächtigter oder gesetzl. Vertreter)? GÜNTHER Hinsichtlich der Kenntnisse und Erfahrungen ist auf die jeweils handelnde Person abzustellen, weshalb diese Angaben in Fällen der Stellvertretung sowohl vom Depotinhaber als auch vom Stellvertreter einzuholen sind. Bezogen auf die Angaben zu den finanziellen Verhältnissen und den Anlagezielen, kommt es grundsätzlich auf die Risikotragfähigkeit des wirtschaftlich Betroffenen, also des Endkunden, und nicht seines Vertreters oder Vermögensverwalters an. Ist die Mittelsperson ermächtigt, diese Angaben zu erbringen, darf sich das Unternehmen damit begnügen. Wird auch beachtet, ob es sich um sog.»gemeinschaftsdepots«handelt und dies erfasst, da es für die Erfassung der späteren Angaben relevant ist, ob es sich um ein»oder«oder»und«-depot handelt? Bei Gemeinschaftsdepots sind Anlageziele und finanzielle Verhältnisse aller Depotinhaber zu berücksichtigen, hinsichtlich der Erfahrungen und Kenntnisse bezieht sich die Erkundigungspflicht ausschließlich auf den die Order erteilenden Kunden. Bei einem Gemeinschaftsdepot mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung»Und-Depot«kommt es auf die Erfahrungen und Kenntnisse aller Depotinhaber an, mit der Konsequenz, dass der Maßstab für den Umfang der Erläuterungs- und Beratungspflichten der Bank der Depotinhaber mit den geringsten Erfahrungen und Kenntnissen ist. Wird dies beachtet? WpHG-Bogen: Erfassung der persönlichen Kundendaten 13