Einzelhandelskonzept für die Innenstadt Pforzheims. Fortschreibung des Märkte- und Zentrenkonzepts mit Schwerpunkt auf der Entwicklung des Handels



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Transkript:

Einzelhandelskonzept für die Innenstadt Pforzheims Fortschreibung des Märkte- und Zentrenkonzepts mit Schwerpunkt auf der Entwicklung des Handels Herausgeber: VEND consulting GmbH

Projektleitung: Christian Oswald Projektmitarbeiter: Stefan Praller Wissenschaftlicher Partner: Prof. Dr. Alexander Brem VEND consulting GmbH Burgschmietstraße 2-4 90419 Nürnberg Tel.: 0911 373 000 13 Fax: 0911 373 000 29 E-Mail: info@vend-consulting.de 2014 VEND consulting GmbH Der Auftraggeber kann die vorliegende Unterlage für Druck und Verbreitung innerhalb seiner Organisation verwenden; jegliche vor allem gewerbliche Nutzung darüber hinaus ist nicht gestattet. Zur Verfügung gestellte Informationen anderer Planungsbüros sind im Quellenverzeichnis ausgewiesen und an entsprechenden Stellen zitiert. Zum Umgang mit diesen Informationen gelten die Rechte und Bestimmungen der beteiligten Büros. Die VEND consulting GmbH übernimmt hier keine Haftung. Diese Entwurfsvorlagen und Ausarbeitungen usw. fallen unter 2, Abs. 2 sowie 31, Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz der Urheberrechte. Sie sind dem Auftraggeber nur zum eigenen Gebrauch für die vorliegende Aufgabe anvertraut. Nürnberg/Pforzheim Q3 2013/ Q1 2014 Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 2 von 124

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis TABELLENVERZEICHNIS... 4 ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 5 1. AUFTRAG UND ZIELSTELLUNG... 6 2. LEITFUNKTIONEN DER INNENSTADT... 8 2.1 Einzelhandel... 8 2.2 Wohnen... 10 2.3 Arbeiten... 11 2.4 Freizeit, Kultur und Gastronomie... 12 2.5 Dienstleistungen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen... 14 3. AUSGANGSLAGE... 16 3.1 Marktgebiet und Kaufkraftpotential... 16 3.2 Einzelhandel in Pforzheim... 26 3.3 Einzelhandel in der Einkaufsinnenstadt... 31 3.4 Gastronomie in der Einkaufsinnenstadt... 43 4. ALLGEMEINE RAHMENBEDINGUNGEN DES EINZELHANDELS UND DER GASTRONOMIE... 46 4.1 Strukturveränderungen im Einzelhandel... 46 4.2 Entwicklungen und Trends im Einzelhandel... 47 4.3 Entwicklungen und Trends in der Gastronomie... 53 5. INTEGRATIV ENTWICKELTES HANDELSKONZEPT... 57 5.1 Präambel... 57 5.2 Methodisches Vorgehen... 57 5.3 Zukunfts-Workshop mit Händler und Gastronomen... 59 5.4 Status-Quo-Workshop mit Händler und Gastronomen... 69 5.5 Integration Planung... 76 5.6 Maßnahmen und Empfehlungen... 81 6. FLÄCHENENTWICKLUNG... 90 6.1 Flächenpotential... 90 6.2 Innenstadtentwicklung-Ost... 112 GLOSSAR... 119 LITERATUR / QUELLEN... 121 Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 3 von 124

Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Bevölkerungs- und Strukturdaten... 17 Tabelle 2: Zugeordnete Nahbereiche zum Mittelbereich Pforzheim... 19 Tabelle 3: Angrenzende Mittelbereiche... 20 Tabelle 4: Marktgebiet des Pforzheimer Einzelhandels... 20 Tabelle 5: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft im Städtevergleich... 21 Tabelle 6: Kaufkraftpotential im Marktgebiet... 22 Tabelle 7: Kaufkraftpotential im Marktgebiet nach Sortimenten... 23 Tabelle 8: Betriebe, Fläche und Umsatz nach Bedarfsbereichen... 26 Tabelle 9: Einzelhandelsumsätze im überregionalen Vergleich... 27 Tabelle 10: Betriebe, Fläche und Umsatz nach Standortlagen... 29 Tabelle 11: Betriebe, Flächen und Umsätze in der Einkaufsinnenstadt... 34 Tabelle 12: Filialisierungsgrad bzgl. der Ladengeschäfte... 41 Tabelle 13: Filialisierungsgrad bzgl. der Verkaufsfläche... 42 Tabelle 14: Verteilung und Lage der gastronomischen Einrichtungen Pforzheims... 44 Tabelle 15: Kaufkraftabschöpfung und Umsatzentwicklung 2015... 100 Tabelle 16: Flächenproduktivitäten und Verkaufsflächenpotential 2015... 101 Tabelle 17: Kaufkraftabschöpfung und Umsatzentwicklung 2020... 103 Tabelle 18: Flächenproduktivitäten und Verkaufsflächenpotential 2020... 104 Tabelle 19: Kaufkraftabschöpfung und Umsatzentwicklung 2025... 106 Tabelle 20: Flächenproduktivitäten und Verkaufsflächenpotential 2025... 107 Tabelle 21: Ergebnisse der Flächenpotentialberechnung im Überblick... 108 Tabelle 22: Pforzheimer Sortimentsliste... 110 Tabelle 23: Pforzheimer Zentrenhierarchie... 111 Tabelle 24: Szenario 1 mit einer Einzelhandelsfläche von 3.000 qm... 114 Tabelle 25: Szenario 2 mit einer Einzelhandelsfläche von 6.500 qm... 115 Tabelle 26: Szenario 3 mit einer Einzelhandelsfläche von 10.000 qm... 116 Tabelle 27: Szenario 4 mit einer Einzelhandelsfläche von 15.000 qm... 117 Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 4 von 124

Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau des Gutachtens... 7 Abbildung 2: Kundensegmente Type und Schätzung für Pforzheim... 18 Abbildung 3: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft pro Einwohner in Euro... 22 Abbildung 4: Übersicht strukturprägender Standortlagen... 28 Abbildung 5: Zentralitätskennziffern im überregionalen Vergleich... 30 Abbildung 6: Abgrenzung der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt... 31 Abbildung 7: Handelslagen in der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt... 32 Abbildung 8: Markenportfolio Einkaufsinnenstadt (Bekleidung, Schuhe, Sport)... 37 Abbildung 9: Markenportfolio Einkaufsinnenstadt (sonst. zentrenbildende Sortimente)... 39 Abbildung 10: Vorgehen Erarbeitung erstes Handelskonzept... 58 Abbildung 11: Handlungsfelder zukünftige Ideen... 60 Abbildung 12: Ideenfelder... 62 Abbildung 13: Ideenbewertung... 63 Abbildung 14: Ideenportfolio... 64 Abbildung 15: Problemfelder der Pforzheimer Innenstadt... 70 Abbildung 16: Aufwand-Zielbeitrag-Matrix zum Handlungsfeld Infrastruktur... 72 Abbildung 17: Aufwand-Zielbeitrag-Matrix zum Handlungsfeld Unfreundliche Innenstadt... 73 Abbildung 18: Aufwand-Zielbeitrag-Matrix zum Handlungsfeld "verteilte" Innenstadt... 74 Abbildung 19: Die 17 Ideen als Ergebnis des Ideen-Jam-Prozesses... 76 Abbildung 20: Themenfelder des Leitbild-Ansatzes... 78 Abbildung 21: Logische Vernetzung der Innenstadt Pforzheim... 80 Abbildung 22: Zentrale Innenstadträume... 82 Abbildung 23: Ermittlungsmethodik des absatzwirtschaftlichen Entwicklungsrahmens... 92 Abbildung 24: Modellparameter I... 95 Abbildung 25: Modellparameter II... 96 Abbildung 26: Abgrenzung der Innenstadtentwicklung-Ost... 113 Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 5 von 124

Auftrag und Zielstellung 1. Auftrag und Zielstellung Auftrag ist die Erarbeitung eines Einzelhandelskonzepts für die Innenstadt Pforzheim als Fortschreibung des Märkte- und Zentrenkonzeptes mit Schwerpunkt auf der Entwicklung des Handels. Ziel ist dabei die Entwicklung eines perspektivischen Konzepts sowie die Erarbeitung von Empfehlungen und Maßnahmen für den Handel in der Pforzheimer Innenstadt. Zudem werden für den Bereich Innenstadtentwicklung-Ost Empfehlungen für Art und Maß des Handels formuliert. Selbstverständlich kann Handel und Gastronomie in Innenstädten nicht an einem Reißbrett geplant und mit Leben gefüllt werden, daher kann dieses Konzept nur in einem integrativen Prozess im Austausch mit Bürgern und Planern entstehen. Im Ergebnis soll für den Handel und die Gastronomie der Innenstadt Pforzheims ein strategischer Masterplan mit einem Zeithorizont bis 2025 erstellt werden, welcher langfristig auf abstraktem Niveau eine Richtung vorgibt und bei konkreten operativen Fragestellungen aber auch die Entscheidungsfindung unterstützt. In der Erarbeitung des Konzeptes sind folgende Ansprüche berücksichtigt: Hohes Maß an Integration der Bürgermeinung im Rahmen der Konzeption zur Entwicklung der Innenstadt als zukunftsfähiger Einzelhandelsstandort Umgang mit einer Vielzahl an Informationen zum Status-Quo des Handels plus die Erhebung der Perspektiven der Stakeholder Primat des Handels als prägendes Element der Innenstadt bei gleichzeitiger Betrachtung der Gastronomie Abgleich mit einer Vielzahl von parallel laufenden Planungsprojekten Des Weiteren sind folgende Sachverhalte bearbeitet worden, die nun als Grundlage für die spätere Projektierung in der Innenstadt dienen: Status-Quo-Betrachtung des Handels in Pforzheim Zukunft des Handels in Innenstädten allgemein Ansprüche und Erwartungen an den Handel Konkretisierte, realistische Ideen für Handel und Gastronomie in der Pforzheimer Innenstadt Szenarien für Varianten von Handelskonzepten und deren Bewertung Empfehlung für ein Handelskonzept und Implikation für den Städtebau Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 6 von 124

Auftrag und Zielstellung Sachverhalte, die durch die kontinuierliche Endkundenbefragung von der Stadt Pforzheim in Eigenregie evaluiert werden: Einkaufsverhalten und Bewertung von Pforzheimer Einkaufsgebieten Ergebnisse der Arbeitskreise und ggf. geplante oder denkbare Maßnahmen Als Überblick zum Aufbau des Gutachtens dient nachfolgende Abbildung 1. Abbildung 1: Aufbau des Gutachtens Quelle: Eigene Darstellung Der Aufbau des Gutachtens zeigt eine integrative Entwicklung eines zukunftsfähigen Handelskonzeptes. Zum einen gilt es, nach intensiver Recherche zu den Leitfunktionen einer Innenstadt (Kap. 2), der dokumentierten Ausgangslage (Kap. 3) und den Rahmenbedingungen und Trends (Kap. 4) in zwei Workshops (Kap. 5.3 + Kap. 5.4) die betroffenen Händler und Gastronomen in den Planungsprozess zu involvieren. Die Integration der beteiligten Planungsbüros und relevante Planungsprämissen sind in Kap. 5.5 dokumentiert. Der Austausch erfolgte aber auch während der gesamten Projektlaufzeit. Alle Recherchen und dokumentierten Ideen münden in Kap. 5.6, dem Handelskonzept. Den Abschluss bilden die in Kap. 6 präsentierten Flächenpotentiale, welche für die Innenstadtentwicklung- Ost in vier konkrete Planungsszenarien überführt werden. Die in Abbildung 1 dargestellte kontinuierliche Endkundenbefragung führt die Stadt Pforzheim im Rahmen einer regelmäßigen jährlichen Befragung zum Thema Einkaufen in Pforzheim durch und greift dabei auch die Ergebnisse der Arbeitskreise auf. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 7 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt 2. Leitfunktionen der Innenstadt 2.1 Einzelhandel Die Innenstadt ist nach wie vor der bedeutendste Standort für den Einzelhandel. Sie ist insbesondere durch eine hohe Branchenvielfalt und kurze Wege gekennzeichnet. Die Vielzahl an Geschäften trägt zu einem hohen Maß an Lebendigkeit in der Innenstadt bei. Die Dynamik des Handels ist dabei nicht selten maßgeblich für viele strukturelle Änderungen in der Innenstadt. Der Einzelhandel übernimmt damit eine wichtige Leitfunktion der Innenstadt. Durch einen zunehmenden Wettbewerbsdruck, strukturelle Änderungen auf der Anbieterseite und ein verändertes Einkaufsverhalten der Kunden, entstand bereits vor mehr als 20 Jahren die Diskussion um den Standort Innenstadt. Dieser trat hierbei in Konkurrenz zur Errichtung von geballten Einkaufsmöglichkeiten (Einkaufszentren) auf, der sogenannten grünen Wiese. 1 Aufgrund der stetig wachsenden Ladeneinheiten und des erhöhten Motorisierungsgrades, setzte in den 1970er Jahren ein Trend des Einzelhandels zum Einkauf auf der grünen Wiese ein. Große Märkte wurden in Stadtrandlagen ohne räumliche Nähe zur Innenstadt angesiedelt. Meist geschah dies in Gewerbegebieten oder in der Nähe von zentralen Verkehrswegen. Die Bodenpreise in diesen peripheren Lagen waren in der Regel deutlich niedriger als in der Innenstadt und es konnten großflächige Handelseinrichtungen realisiert werden, die den Kunden aufgrund der guten Erreichbarkeit und der Verfügbarkeit von Parkplätzen bis heute sehr gute Einkaufsbedingungen ermöglichen. So entwickelte sich bei den Kunden die Mentalität, mit dem PKW bis vor das Geschäft zu fahren, alle Einkäufe zu erledigen und anschließend alles schnell im Kofferraum zu verstauen. 2 Dieses große Flächenangebot in Randlagen stellt noch heute eine große Konkurrenz für die Innenstädte dar und führt zu einer Umverteilung der Kaufkraft zulasten des innerstädtischen Handels. 3 Seit Mitte der 1990er Jahre ist allerdings wieder eine gegenläufige Entwicklung zu verzeichnen. Gerade durch den Bedeutungsgewinn des erlebnisorientierten Einkaufs und der Zunahme des Shoppingtourismus (v. a. in Großstädten), rückt die Innenstadt wieder verstärkt in den Fokus. 4 Das Flächenangebot in der Innenstadt nimmt seitdem wieder kontinuierlich zu. Dies liegt vor allem an der Neuansiedlung von innerstädtischen Einkaufszentren. 5 Zwischen 2006 und 2010 wurde die Hälfte der neuen Einkaufszentren in Innenstadtlagen gebaut. Diese Ausweitung erhöht vor allem den Druck auf die B-Lagen und die 1 Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.v. (2012) 2 Wüstenrot Stiftung (2008) 3 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 4 Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.v. (2012) 5 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 8 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt schwächeren Einkaufsstraßen. In die 1A-Lagen der Innenstädte drängen in erster Linie Filialisten, die bereit und auch im Stande sind, hohe Mieten (oft ein Vier- bis Fünffaches der 1B-Lagen) zu bezahlen. 6 Der Filialisierungsgrad in deutschen Städten in den 1A-Lagen liegt im Durchschnitt bei etwa 50% (Tendenz steigend). Zukünftig wird es zu einer weiteren Polarisierung von Einkaufslagen kommen, was zu einer noch größeren Distanzierung der 1A- und 1B-Lagen führt. 7 Der Druck auf die 1B-Lagen wird durch die langfristige Konzentration auf die 1A-Lagen daher zunehmen. 8 Dies hat zur Folge, dass der Marktanteil mittelständischer (inhabergeführter) Fachgeschäfte immer weiter zurückgeht. Aber gerade diese sind in der Innenstadt ein Garant für Vielfalt und Unverwechselbarkeit. Doch der Preiskampf und der damit verbundene Wettbewerbsdruck machen es diesen Anbietern, bei sinkenden Umsätzen und Rückgang der Besucherfrequenz, schwer zu bestehen. 9 Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit steigender Verkaufsflächen ist zudem nicht förderlich, um neue Betriebstypen in die gewachsenen Strukturen der Stadtzentren zu integrieren. 10 Meist folgen auf die Fachgeschäfte große Einzelhandelsketten, die mit ihren standardisierten Sortimenten und überregionaler Bekanntheit auf eine große Beliebtheit, insbesondere bei jüngeren Menschen, stoßen. Die Innenstädte laufen dadurch allerdings Gefahr, durch die immer gleiche Anordnung bekannter Filialisten eine gewisse Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit zu erhalten. 11 Vor Problemen stehen auch die Warenhäuser, die häufig noch ein zentraler Anlaufpunkt in der Innenstadt sind. Durch den Erfolg von Discountern und die Häufung innerstädtischer Einkaufszentren entsteht hier eine starke Konkurrenz. Wird bei einer Warenhausschließung keine adäquate Nachnutzung gefunden, so wird die Vielfalt in den betroffenen Innenstädten häufig sehr stark eingeschränkt. Insgesamt ist es für eine Innenstadt wichtig, einen guten Mix aus Handel, Gastronomie und Freizeitangeboten zu finden. Reine Einkaufsinnenstädte haben das Problem, dass sie in den Abendstunden kaum frequentiert werden und so veröden. Häufig stehen einer guten Mischung allerdings die hohen Mieten in den Haupteinkaufslagen entgegen. 12 6 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013); Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 7 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 8 Wüstenrot Stiftung (2008) 9 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 10 Acocella (2012) 11 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 9 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt 2.2 Wohnen Aus der Historie hat das Wohnen in der Innenstadt für den Nutzungsmix eine hohe Bedeutung. Das Wohnen belebt die Innenstadt auch nach den Ladenöffnungszeiten, sorgt für ein individuelles Erscheinungsbild und führt dazu, dass sich ein Teil der Bevölkerung auch mit der Innenstadt identifiziert und sich für diese verantwortlich fühlt. Untersuchungen haben ergeben, dass sich ein hoher Wohnanteil in der Innenstadt positiv auf die Sauberkeit und das Sicherheitsempfinden der Bürger auswirkt. Allerdings richtete sich der Funktionsschwerpunkt immer weiter auf den Einzelhandel aus. Gerade durch die höheren Renditeerwartungen bei einer gewerblichen Nutzung der Immobilien, wurde das Wohnen mehr und mehr aus der Innenstadt ausgelagert. 13 Diese Entwicklung wird jedoch auch durch eine erhöhte Nachfrage nach Wohnraum pro Kopf, dem stark aufkommenden Wunsch nach einem Haus im Grünen, den teilweise schlechten physischen und sozialen Umweltqualitäten die einer Innenstadt zugeschrieben werden und dem Mangel an geeigneten Potentialflächen gefördert. 14 Innerhalb der letzten Jahre lässt sich allerdings ein gegenläufiger Trend erkennen. Immer mehr Menschen schätzen die Vorteile des städtischen Wohnens. Gründe hierfür sind vor allem die kurzen Wege, die gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, die schnelle Erreichbarkeit von Arztpraxen und Bildungseinrichtungen, aber auch das innerstädtische Flair. Besonders jüngere Menschen zwischen 18 und 30 Jahren forcieren diesen Trend. Sie bevorzugen lebendige Innenstädte mit einem guten Freizeitangebot und unterschiedlichsten Nachbarschaften. Oftmals sind in der Innenstadt vermehrt Einpersonenhaushalte zu finden, welche für eine innenstadttypische Nachfrage nach Dienstleistungen und kulturellem Angebot sorgen. Aber auch ältere Menschen zieht es mehr und mehr in die Innenstädte, vor allem aufgrund kurzer Wege und guter Infrastruktur. Für Familien dagegen bietet die Innenstadt meist weniger geeignete Wohnbedingungen. 15 Die von Familien oft nachgefragte Wohnform mit Einfamilienhaus und Garten lässt sich in der Innenstadt nicht umsetzen und muss durch andere attraktive Wohnformen, wie z. B. durch den Anbau von Balkonen und die Schaffung von Spielmöglichkeiten, ersetzt werden. Durch mehr Grünund Freiflächen gewinnt eine Stadt zudem an Aufenthaltsqualität. Weiterhin lässt sich in den meisten Innenstädten eine sozialräumliche Differenzierung feststellen. In den vergangenen Jahren sind in erster Linie die Bewohner in den Innenstädten verblieben, die auf günstigen Wohnraum angewiesen waren. Aktuell lassen sich aber zwei gegenläufige Entwicklungen beobachten. In den nicht modernisierten Altbaubeständen 13 Wüstenrot Stiftung (2008) 14 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 15 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 10 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt haben sich häufig Quartiere mit unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen herausgebildet oder entstehen dort allmählich. Dies hat zur Folge, dass einkommensstarke Bewohner diese Gegenden meiden, wodurch eine soziale Entmischung entsteht. Dem gegenüber wird eine Verdrängung finanziell schwacher Bevölkerungsgruppen aus der Innenstadt prognostiziert. Dies wird vor allem durch den Wohnungsmarkt bedingt. So steigen die Preise für renovierten Altbaubestand, aber auch für neuen Wohnraum in Innenstadtlage deutlich an. Es ist davon auszugehen, dass die Polarisierung städtischer Wohngebiete in eher ärmere und reichere Viertel weiter voranschreitet. 16 2.3 Arbeiten Die Bedeutung der Innenstadt als Arbeitsort ist in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen. Waren früher noch eine Vielzahl von Gewerbebetrieben in der Innenstadt untergebracht, so ist diese Anzahl aufgrund von Betriebsaufgaben oder Umsiedlung in Gewerbegebiete oder verkehrlich gut erschlossene Stadtrandlagen stark gesunken. Die dadurch freigewordenen Flächen wurden häufig durch gemischte Nutzungen aus Einzelhandel, Wohnen und Dienstleistungen besetzt. 17 Allerdings haben auch viele Städte mit Leerständen im Bürosektor zu kämpfen. 18 Neben dem Rückgang der gewerblichen Beschäftigung lässt sich ein Anstieg der dienstleistungsorientierten Arbeitsplätze in der Innenstadt feststellen. Banken, Versicherungen und gesundheitliche Einrichtungen lassen sich vermehrt in den Stadtzentren finden. Hierbei können sie auf der einen Seite durch die zentrale Lage von der guten Erreichbarkeit profitieren, auf der anderen Seite fördert eine Präsenz in der Innenstadt das eigene Image. 19 Von Seiten der Stadt ist darauf zu achten, große Monostrukturen zu vermeiden und eine kleinteilige Mischung und Umnutzung von Bestandsgebäuden zu fördern. So können historische Gebäude gesichert und attraktive Adressen für die Unternehmen geschaffen werden. 20 Der Trend zu neuen Formen von Bürogemeinschaften (z. B. Co-Working- Space), der aufgrund der Flexibilität und dem aktiven Austausch gerne von Start-up-Unternehmern angenommen wird, bringt Abwechslung und Lebendigkeit in die Innenstädte. Einen wichtigen Beitrag zum Arbeiten in der Innenstadt leisten auch die sogenannten Migrantenökonomien. In Deutschland sind in etwa 280.000 Bürger mit Migrationshintergrund 16 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 17 Wüstenrot Stiftung (2008) 18 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 19 Wüstenrot Stiftung (2008) 20 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 11 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt als Unternehmer tätig. Diese Betriebe bieten eine wichtige Beschäftigungsbasis für Zuwanderer, ein breites Warenangebot und meist eine hohe Dienstleistungsorientierung. Zudem tragen sie zur gesellschaftlichen Integration bei. 21 Das Arbeiten stellt ebenso wie das Wohnen einen stabilisierenden Faktor in der Innenstadt dar. Gastronomie und Einzelhandel profitieren von der höheren Frequenz. Gerade in der Mittagspause und nach Feierabend wird die Innenstadt so zusätzlich belebt. Umgekehrt spielt die Attraktivität der Innenstadt auch für die Unternehmen eine entscheidende Rolle, vor allem wenn es um Belange der Repräsentation geht. Wird die Innenstadt als nicht attraktiv genug eingeschätzt, werden die Unternehmen von einem Firmensitz dort Abstand nehmen. Dies könnte eine Negativspirale mit großen nachteiligen Konsequenzen für die Innenstadt nach sich ziehen. 22 2.4 Freizeit, Kultur und Gastronomie Neben dem Einkaufen oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen hat die Innenstadt bei den Bürgern verstärkt Funktionen der Freizeitgestaltung und somit einen Erlebnischarakter erlangt. Die Freizeitangebote bestehen z. B. aus Museen, Theatern, Ausstellungen, Kinos, Bibliotheken, Sportclubs und vielfältigen gastronomischen Angeboten. Zusätzlich werden regelmäßige, traditionelle Veranstaltungen (Weihnachtsmärkte, Straßenfeste etc.) durchgeführt. Um vermehrt Leute in die Innenstadt zu lenken wurden diese Angebote in den letzten Jahren um spezielle, zeitlich befristete Highlights zu Großveranstaltungen wie z. B. Fußballweltmeisterschaften, gesellschaftliche Trends wie z. B. Extremsportarten vgl. dazu Red Bull Veranstaltungen oder durch spezielle Zielgruppeninteressen an Themen die typischerweise eine Innenstadt nicht bieten kann wie z. B. künstliche Sandstränden, Eisflächen oder Stadtgärten erweitert. 23 Eine erlebnisorientierte, aktive, abwechslungsreiche und auch auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnittene Freizeitgestaltung ist den Bürgern in der heutigen Zeit sehr wichtig. Dies verdeutlicht auch ein Blick auf die Ausgaben für Freizeit, Unterhaltung und Kultur. Diese sind in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Allerdings schlägt sich die vermehrte Freizeit und das Bedürfnis diese zu gestalten nicht automatisch in mehr Aktivitäten in der Innenstadt nieder, da dies sehr stark abhängig von den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Bürger ist. Damit stehen Innenstädte in puncto Kultur und Freizeit auch immer vor der Aufgabe einen richtigen Mix von kostenfreien und kostenpflichtigen 21 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 22 Wüstenrot Stiftung (2008) 23 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 12 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt Angeboten zu finden. Kulturelle Angebote haben eine hohe Bedeutung, da sie Besucher in die Innenstadt ziehen. Sie machen die Innenstadt auch als Wohnstandort attraktiver und erhöhen die Identifikation der Bewohner mit der Stadt. 24 Der Erhalt und die Aufwertung kultureller und freizeitrelevanter Angebote sind wichtige Bausteine der Innenstadtentwicklung. Allerdings haben die Städte hier mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Zentral gelegene Kultureinrichtungen in öffentlicher Hand geraten aufgrund der teilweise engen Haushalte verstärkt in finanzielle Not. Zudem ist eine Abwanderung neuer Formen der Freizeitindustrie an die städtische Peripherie zu beobachten. So zieht es beispielsweise Spaßbäder, Multiplexkinos, Großdiscotheken etc. häufig an den Stadtrand. Darüber hinaus treten diese häufig in Verknüpfung mit dem Einzelhandel auf und generieren damit ein Angebot, welches traditionell in der Innenstadt vorzufinden ist. 25 Generell geht der Trend zu immer größeren Einheiten (z. B. Multiplex-Kinos), was vor allem bei Mittelstädten dazu führte, dass einige etablierte Angebote schließen mussten, da eine marktgerechte Erweiterung nicht möglich war. Es findet in diesem Bereich eine Konzentration auf große Mittelstädte und Großstädte statt, die eine hohe Nachfrage aufgrund ihrer Größe und ihres Einzugsgebiets gewährleisten können. 26 Zur Belebung der Innenstadt in den Abendstunden tragen gastronomische Angebote entscheidend bei. Sie sind eine gute Ergänzung zum Einzelhandel, dessen Öffnungszeiten in der Regel auf die Tagzeit begrenzt sind. Die Gastronomie bietet den Innenstadtbesuchern neben dem Einkaufen auch eine Möglichkeit zur Entspannung, zur Kommunikation und Verpflegung und hält die Konsumenten so über einen längeren Zeitraum in der Innenstadt. Neben den kostenpflichtigen Angeboten ist auch die attraktive Gestaltung und die Organisation des öffentlichen Raumes eine originäre kommunale Aufgabe. Dieser ist für alle Bürger frei zugänglich und schafft eine hohe Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. 27 Die Aufenthaltsqualität wird in erster Linie durch die Gestaltung der öffentlichen Plätze, der Spielmöglichkeiten für Kinder, der Sauberkeit und dem subjektiven Sicherheitsempfinden determiniert. 28 24 Wüstenrot Stiftung (2008) 25 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 26 Wüstenrot Stiftung (2008) 27 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 28 Wüstenrot Stiftung (2008) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 13 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt 2.5 Dienstleistungen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen Besonders öffentliche Einrichtungen, die mit Publikumsverkehr verbunden sind, haben eine hohe Bedeutung für die Innenstädte. Das Rathaus hat traditionell seinen Platz in der Innenstadt. Aber auch Meldebehörden, Beratungsstellen und Arbeitsagenturen ziehen Menschen ins Zentrum, von denen wiederum andere Angebote profitieren. 29 Für die Konsumenten entstehen somit kurze Wege, die zu Fuß zu bewältigen sind. Dies entlastet den Verkehr und sorgt für eine höhere Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Durch die Inanspruchnahme dieser öffentlichen Dienstleistungen, nicht immer freiwillig, werden auch Bürger in die Innenstadt gelenkt, welche normalerweise ihre Einkäufe an anderer Stelle erledigen. Aus dieser Klientel können Mitnahmeeffekte für den Handel entstehen. 30 Allerdings zeigt sich in vielen Städten, dass Einrichtungen wie Universitäten, Poststellen, Arbeitsämter und kommunale Dienststellen aus dem Zentrum nach außen gewandert sind und sich die oben genannten Vorteile nur noch im geringen Maße realisieren lassen. 31 Neben diesen Angeboten spielen auch gesundheitsbezogene Dienstleistungen für die Belebung der Innenstadt eine wichtige Rolle. Diese Dienstleistungen werden in der Regel von allen Bevölkerungsgruppen aufgesucht, so dass diese ein breites Spektrum an Menschen in die Stadt ziehen. Im Bereich der Bildungseinrichtungen sorgen Schulen an zentralen Orten für Belebung und häufig richten sich auch Handelsangebote und Dienstleistungen nach dieser jungen Zielgruppe aus. Ähnliches gilt für weiterführende Bildungsangebote (Berufsschulen, Hochschulen, Weiterbildungsakademien), welche zudem für ein offenes Klima und teilweise für Internationalität sorgen. Bibliotheken und Volkshochschulen eignen sich zudem, neben ihrer Bildungsfunktion auch als Ort für kulturelle Veranstaltungen, die wiederum Leben in die Stadt bringen. 32 Ein guter Mix, der die Ansprüche unterschiedlicher Zielgruppen berücksichtigt, ist entscheidend. Insgesamt ist es für eine Innenstadt wichtig, eine gute Mischung aus Handel, Gastronomie und Freizeitangeboten zu finden. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass auch der Handel über ein ausgewogenes Portfolio an Marken und einen passenden, abwechslungsreichen Größen-Mix verfügt. Vor diesem Hintergrund kommt dem inhabergeführten Einzelhandel und der Gastronomie (trotz schwieriger Marktstellung) eine bedeutend Rolle zu, die mit Marketing Initiativen wie z.b. dem Nürnberger Meisterhändler (http://www.nuernberger-meisterhaendler.de/) oder Kundenkartenprogramm zur gegenseitigen Empfehlung gestärkt werden sollten. 29 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 30 Wüstenrot Stiftung (2008) 31 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 32 Wüstenrot Stiftung (2008) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 14 von 124

Leitfunktionen der Innenstadt In der Entwicklung sollte sich die Stadt nicht nur auf die 1A-Lagen konzentrieren. Die 1A-Lagen müssen Garant für die Besuchsrelevanz der Innenstadt sein, die B-Lagen müssen wiederrum begeistern und die Einwohner und Besucher langfristig binden. Reine Einkaufsinnenstädte haben das Problem, dass sie insbesondere in den Abendstunden kaum frequentiert werden und so veröden. Aus diesem Grund sind Mischstrukturen Wohnen/ Arbeiten/ Handel/ Gastronomie/ Dienstleistungen/ Bildung/ Kultur/ Freizeit etc. zielführend. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 15 von 124

Ausgangslage 3. Ausgangslage 3.1 Marktgebiet und Kaufkraftpotential 3.1.1 Daten zur Sozial- und Wirtschaftsstruktur Die nachfolgende Tabelle gibt einen ersten Überblick über ausgewählte demografische und sozioökonomische Kennzahlen der Stadt Pforzheim und deren Veränderung im Zeitverlauf. Demnach sind folgende Strukturen und Entwicklungen zu erkennen: Die Stadt Pforzheim weist eine positive Bevölkerungsentwicklung auf. 33 Die Wohnbevölkerung hat sich seit 2002 deutlich gesteigert. 34 Ein generelles Bevölkerungswachstum ist dabei auch im Bundesland Baden-Württemberg zu beobachten, während die Gesamtbevölkerung im gesamten Bundesgebiet zurückgeht. 35 Für die Zukunft wird in Pforzheim mit konstanten, minimal rückläufigen Einwohnerzahlen gerechnet. So wird für die natürliche Bevölkerungsentwicklung langfristig ein Minus prognostiziert, das auch nicht durch Gewinne aus der Zuwanderung ausgeglichen werden kann. 36 Die Altersstruktur der Bevölkerung deckt sich in etwa mit der aus Baden-Württemberg und der des gesamten Bundesgebietes. Die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt in Pforzheim mit 1,95 deutlich unter dem Niveau des Bundeslandes Baden-Württemberg (2,12) und auch unter dem Bundesdurchschnitt (2,01). Der Ausländeranteil von 18,4% übertrifft den deutschen Gesamtwert (8,2%) um mehr als 10%. Baden-Württemberg liegt mit einem Wert von 12,1% ebenfalls höher als der Bundesdurchschnitt, aber immer noch deutlich unter dem Pforzheimer Wert. 50% der ausländischen Mitbürger Pforzheims stammen aus der Türkei (26%), Italien (17%), Irak (7%), Serbien/Montenegro (6%) und Kroatien. In Pforzheim haben 46,6% der Bürger einen Migrationshintergrund. Der Bundesdurchschnitt liegt hier bei 18,9%. 33 Hierbei wird auf die Zahlen der stadteigenen Fortschreibung zurückgegriffen. 34 Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (2013) 35 Der große Sprung von 2007 auf 2012 auf Bundesebene resultiert aus den Zensus-Zahlen von 2011. 36 Stadt Pforzheim (2009) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 16 von 124

Ausgangslage Die Beschäftigtenzentralität 37 von 125 deutet auf eine hohe Bedeutung der Stadt Pforzheim als Arbeitsplatzstandort in der Region hin. Allerdings ist die lokale Arbeitsmarktsituation anhand der Arbeitslosenquote von 7,3% im Vergleich mit dem Bundesland Baden-Württemberg (3,9%) eher als negativ einzuschätzen. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft liegt mit 98,5 unter dem Bundesdurchschnitt und unterschreitet das Niveau von Baden-Württemberg (103,8) deutlich. Zudem zeigt sich diese im Zeitvergleich rückläufig (im Jahr 2011: 99,4). Tabelle 1: Bevölkerungs- und Strukturdaten Quelle: Statistisches Bundesamt; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; Stadt Pforzheim 37 Stellenwert der Gebietseinheit auf dem Erwerbssektor; Beschäftigte je Einwohner am Arbeitsort, dividiert durch die Beschäftigten je Einwohner im Bundesgebiet, multipliziert mit 100. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 17 von 124

Ausgangslage 3.1.2 Typologie der Zielgruppe Neben harten soziodemografischen Daten lassen sich Käufer auch aufgrund psychografischer Merkmale unterscheiden. In einer anerkannten Studie von Roland Berger 38 werden Käufer im Sinne eines Multi-Channel-Käufers bundesweit nach sieben Kundentypen, die in Abbildung 2 im Folgenden kurz beschrieben sind, unterschieden. Anhand von soziodemografischen Daten (Alter, Einkommen) wurde eine näherungsweise Verteilung für die Stadt Pforzheim und die zugeordneten Nahbereiche berechnet (siehe letzte Spalte). Es wird deutlich, dass die Mainstream Offline Shopper und die Traditional Senior Shopper etwa die Hälfte aller Umsätze generieren und dies auch vornehmlich im stationären Handel. In Pforzheim sind diese beiden Gruppe mit ca. 52% stark vertreten. Well-Off Shopping Enthusiasts und Joy-Seeking Multichannel Natives sind ebenso mit insgesamt ca. 28% gut vertreten. Hierbei ist vor allem bei der erstgenannten Gruppe von einer geringen und bei der zweitgenannten Gruppe von einer hohen Preissensibilität auszugehen, sodass diese von den Einzelhändlern auf unterschiedliche Weise angesprochen werden müssen. Abbildung 2: Kundensegmente Type und Schätzung für Pforzheim Quelle: Eigene Darstellung 38 Roland Berger/ ECE 2013 Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 18 von 124

Ausgangslage 3.1.3 Einzugsgebiet Die Stadt Pforzheim ist das wirtschaftliche Oberzentrum der Region Nordschwarzwald und liegt zwischen den Städten Stuttgart und Karlsruhe. Zur Bestimmung des für den Einzelhandel relevanten Einzugsgebiets wird weitestgehend auf die Einteilung der CIMA aus der Fortschreibung des Märkte- und Zentrenkonzeptes 39 zurückgegriffen und diese hinsichtlich der Daten aktualisiert. Tabelle 2: Zugeordnete Nahbereiche zum Mittelbereich Pforzheim Nahbereiche Zugehörige Gemeinden Einwohnerzahl Wiernsheim Wiernsheim 6.544 Wurmberg 2.965 Heimsheim 4.975 Heimsheim Friolzheim 3.781 Mönsheim 2.663 Wimsheim 2.585 Tiefenbronn Tiefenbronn 5.080 Neuhausen 5.203 Neulingen 6.595 Neulingen Ölbronn-Dürrn 3.392 Kieselbronn 2.965 Remchingen Remchingen 11.689 Königsbach-Stein 9.724 Königsbach-Stein Kämpfelbach 6.287 Eisingen 4.550 Keltern Keltern 9.082 Straubenhardt Straubenhardt 10.782 Neuenbürg Neuenbürg 7.389 Engelsbrand 4.256 Birkenfeld 10.163 Pforzheim Ispringen 6.017 Niefern-Öschelbronn 11.725 Zugeodnete Nahbereiche Pforzheim insgesamt Stadt Pforzheim Mittelbereich Pforzheim insgesamt 138.412 118.002 256.414 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 39 Vergleiche hierzu Einteilung nach CIMA (2013). Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 19 von 124

Ausgangslage Tabelle 2 zeigt die Nahbereiche, die dem Oberzentrum Pforzheim zugeordnet sind und deren Einwohnerzahlen im Jahr 2012. Insgesamt kommt der gesamte Mittelbereich Pforzheim auf ca. 256.000 Einwohner, wovon in etwa 46% der Einwohner in der Stadt Pforzheim leben. Einkaufsverflechtungen lassen sich zudem mit den angrenzenden Mittelbereichen (siehe Tabelle 3) Bretten (Entfernung: 20 km), Mühlacker (Entfernung: 15 km), Calw (Entfernung: 29 km) und Bad Wildbad (Entfernung: 23 km) identifizieren. 40 Die genannten Mittelbereiche umfassen knapp 198.000 Einwohner. Tabelle 3: Angrenzende Mittelbereiche Mittelbereiche Einwohnerzahl MB Bretten 50.585 MB Mühlacker 53.734 MB Calw 64.053 MB Bad Wildbad 29.482 Angrenzende Mittelbereich insgesamt 197.854 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg Fasst man das gesamte Marktgebiet des Pforzheimer Einzelhandels zusammen, so ergibt sich ein gesamtes Bevölkerungspotential von über 454.000 Einwohnern. Hierbei lassen sich drei Zonen unterscheiden. Die Zone I stellt das Kerneinzugsgebiet des Einzelhandels dar und bezieht sich auf die Stadt Pforzheim. Die Zone II bildet das Naheinzugsgebiet mit den Pforzheim zugeordneten Nahbereichen. Als Zone III erstreckt sich das Ferneinzugsgebiet über die Mittelbereiche Bretten, Mühlacker, Calw und Bad Wildbad. Tabelle 4: Marktgebiet des Pforzheimer Einzelhandels Marktbereich Gebietseinheit Einwohnerzahl Zone I: Kerneinzugsgebiet Stadt Pforzheim 118.002 Zone II: Naheinzugsgebiet Restlicher Mittelbereich Pforzheim: Nahbereiche Pforzheim, Wiernsheim, Heimsheim, Tiefenbronn, Neulingen, Remchingen, Königsbach-Stein, Keltern, Straubenhardt, Neuenbürg 138.412 Zone III: Ferneinzugsgebiet Mittelbereiche Bretten, Calw, Mühlacker, Bad-Wildbad 197.854 Marktgebiet insgesamt 454.268 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; Stadt Pforzheim 40 CIMA (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 20 von 124

Ausgangslage 3.1.4 Kaufkraftpotential Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft im Jahr 2013 liegt in der Stadt Pforzheim bei 5.415 Euro pro Einwohner. Somit beträgt das gesamte Kaufkraftpotential über alle Bürger hinweg 639 Mio. Euro. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (einzelhandelsrelevanter Kaufkraft-Index: 100) liegt Pforzheim mit einem Indexwert von 98,5 etwas darunter. Tabelle 5: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft im Städtevergleich Stadt Einwohner EH-relevante Kaufkraft EH-relevante Kaufkraft pro EW EH-relevanter Kaufkraft-Index in Mio. in Index Pforzheim 118.002 639 5.415 98,5 Heilbronn 124.257 667 5.366 97,6 Heidelberg 149.633 834 5.576 101,4 Konstanz 85.524 458 5.351 97,3 Ludwigsburg 88.673 522 5.883 107,0 Reutlingen 112.735 638 5.658 102,9 Ulm 123.672 712 5.758 104,7 Deutschland 81.843.743 450.100 5.500 100,0 Quelle: IHK Heilbronn-Franken (2013) Der Städtevergleich in der folgenden Abbildung 3 der IHK Heilbronn-Franken, für Städte mit einer Größe zwischen 85.000 und knapp 125.000 Einwohnern, zeigt, dass sich der Index von Pforzheim bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft pro Einwohner etwas über den Städten Heilbronn (97,6) und Konstanz (97,3) befindet. Ludwigsburg (107,0), Ulm (104,7), Reutlingen (102,9) und Heidelberg (101,4) weisen jedoch einen höheren Indexwert auf. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 21 von 124

Ausgangslage Abbildung 3: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft pro Einwohner in Euro Ludwigsburg 5.883 Ulm 5.758 Reutlingen 5.658 Heidelberg 5.576 Deutschland 5.500 Pforzheim 5.415 Heilbronn 5.366 Konstanz 5.351 5.000 5.100 5.200 5.300 5.400 5.500 5.600 5.700 5.800 5.900 6.000 Quelle: IHK Heilbronn-Franken (2013) Ausgehend von dem im Kapitel 3.1.3 ermittelten Einwohnerpotentials im Einzugsgebiet des Pforzheimer Einzelhandels, ergibt sich im Marktgebiet, unter der Berücksichtigung der gebietsspezifischen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft, ein Nachfragevolumen von insgesamt ca. 2.580 Mio. Euro pro Jahr. Hinsichtlich der räumlichen Strukturierung dieser Potentialbasis ist festzustellen, dass über 56% auf das Kern- und Naheinzugsgebiet (Zone I + II) entfallen. Tabelle 6: Kaufkraftpotential im Marktgebiet Marktgebiet Gebietseinheit Einwohner EH-relevante Kaufkraft pro EW EH-relevante Kaufkraft absolut in % in Euro in Mio. Euro in % Zone I Stadt Pforzheim 118.002 26,0% 5.415 639 24,8% Zone II Restlicher MB Pforzheim 138.412 30,5% 5.885 815 31,6% Zone III MB Bretten, Calw, Mühlacker, Bad Wildbad 197.854 43,6% 5.692 1.126 43,6% Marktgebiet insgesamt 454.268 100% 5.679 2.580 100% Quelle: IHK Region Stuttgart (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 22 von 124

Ausgangslage Das Kaufkraftpotential von insgesamt knapp 2.580 Mio. Euro teilt sich hinsichtlich der einzelnen Bedarfsbereiche wie folgt auf: Kurzfristiger Bedarf: ca. 1.387,6 Mio. Euro Mittelfristiger Bedarf: ca. 496,3 Mio. Euro Langfristiger Bedarf: ca. 696,1 Mio. Euro Eine detaillierte Verteilung des Kaufkraftpotentials nach Sortimentsgruppen und Marktzonen zeigt die folgende Tabelle. Tabelle 7: Kaufkraftpotential im Marktgebiet nach Sortimenten Sortimente EH-relevante Kaufkraft pro EW in Euro Kaufkraftpotential in Mio. Euro Zone I Zone II Zone III Gesamt Lebensmittel 2.128 239,5 305,3 422,1 966,9 restlicher kurzfr. Bedarf 925 104,1 132,7 183,5 420,4 kurzfristiger Bedarf gesamt 3.054 343,6 438,0 605,6 1.387,3 Oberbekleidung, Wäsche, Textilien 602 67,8 86,4 119,5 273,6 Schuhe und Sport 187 21,1 26,8 37,1 85,0 Bücher, Schreib- und Spielwaren 195 22,0 28,0 38,7 88,7 restlicher mittelfr. Bedarf 108 12,1 15,4 21,4 48,9 mittelfristiger Bedarf gesamt 1.093 122,9 156,7 216,7 496,3 Einrichtung und Zubehör 711 80,0 102,0 141,0 323,0 Elektrowaren/Medien 415 46,7 59,6 82,4 188,6 Foto/Optik, Uhren/Schmuck 147 16,5 21,1 29,1 66,8 restlicher langfr. Bedarf 259 29,2 37,2 51,4 117,8 langfristiger Bedarf gesamt 1.532 172,4 219,8 303,9 696,1 Einzelhandel gesamt 5.679 639,0 814,6 1.126,2 2.579,7 Quelle: IHK Region Stuttgart (2013); CIMA (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 23 von 124

Ausgangslage Wesentliche Indikatoren für die spätere Prognose und zur Ableitung von Planungsparametern sind: Die Einwohneranzahl im Marktgebiet von insgesamt 454.268 Personen lässt sich nach räumlicher Nähe in drei Zonen gliedern. Die Zone I mit 118.002 Einwohnern bildet die Stadt Pforzheim. Die Zone II des zugeordneten Nahbereichs weist weiter 138.412 Personen auf. Komplettiert wird das Marktgebiet durch den angrenzenden Mittelbereich, die Zone III in der 197.854 Personen leben. Konstante, nur leicht rückläufige Bevölkerungsanzahl von 0,08 Prozent jährlich Anteil der Haushalte nimmt zu durchschnittliche Haushaltsgröße 1,95 Überdurchschnittlicher Ausländeranteil von 18,4 Prozent Bundesdurchschnitt 8,2 Prozent Anteil älterer Bevölkerung nimmt analog des Bundesdurchschnitts zu Arbeitslosenquote 7,3 Prozent Bundesdurchschnitt 6,7 Prozent hohe Beschäftigungszentralität 125 Indexpunkte ca. 10.000 Netto-Berufspendler geringe Einzelhandelsrelevante Kaufkraft 98,5 Indexpunkte (rückläufig) 52 Prozent der Pforzheimer Bevölkerung, die ca. 50 Prozent des Umsatzes verantworten zählen zur Zielgruppentypologie der: Traditional Senior Shopper: Zielgruppe mit einem Durchschnittsalter von 64,1 Jahren, die sich stationär informieren und nahezu ausschließlich stationär einkaufen. Beim Einkaufen ist dieser Gruppe (Rentner/Pensionäre) die Beratung und der Service besonders wichtig. Mainstream Offline Shopper: Zielgruppe mit einem Durchschnittsalter von 28,4 Jahren, die sich bevorzugt im Internet informiert, aber nahezu ausschließlich stationär einkauft. Einkaufen bedeutet für diese Gruppe Freunde treffen, Spaß haben, aber auch auf das Budget achten. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 24 von 124

Ausgangslage Zu den weiter zu bearbeitenden Zielgruppentypologien zählen: Well-Off Shopping Enthusiasts: Zielgruppe mit einem Durchschnittsalter von 45,6 Jahren, die über das höchste Haushaltseinkommen verfügen, gern und häufig sowohl online, als auch stationär einkaufen und hohe Ansprüche an Qualität und Prestige haben. Der Preis ist dieser Gruppe weniger wichtig. Joy-Seeking Multichannel Natives: Zielgruppe mit einem Durchschnittsalter von 24,5 Jahren, Schüler und Studenten die gerne viel Zeit in der Stadt verbringen, über ein geringes Budget verfügen, welches sie sowohl im online als auch im stationären Handel ausgeben. Simplic Shopping Minimalist: Zielgruppe mit einem Durchschnittsalter von 46,0 Jahren, Familien die ungern einkaufen und hohen Wert auf einen stressfreien Einkauf zu einem eher günstigen Preis legen. Zuordnung der Zielgruppe auf Handelslagen vgl. Kap. 5. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 25 von 124

Ausgangslage 3.2 Einzelhandel in Pforzheim 3.2.1 Einzelhandelsbestand und -umsatz Die Bestandsdaten des Pforzheimer Einzelhandels für die Gesamtstadt basieren auf einer Totalerhebung der CIMA aus dem Jahre 2010. 41 Im Rahmen dieses Gutachtens wurde eine Bestandserhebung allein für die Einkaufsinnenstadt durchgeführt, welche im Kapitel 3.3 behandelt wird. Die originär neuerhobenen Daten für die Innenstadt gehen auch in die Gesamtstatistik der Stadt Pforzheim ein. Aufgrund leicht veränderter Inputzahlen unterscheiden sich auch die Zahlen für die Gesamtstadt leicht von den im CIMA Gutachten 2010 beschriebenen Zahlen. Für die Gesamtstadt Pforzheim können die folgenden Daten zum Einzelhandelsbestand festgehalten werden: Anzahl der Ladengeschäfte: 912 Betriebe Gesamtverkaufsfläche: ca. 292.225 qm Umsatzleistung 2013: ca. 881 Mio. Euro 42. Hierbei liegt der Schwerpunkt hinsichtlich der Anzahl der Betriebe und des Umsatzes auf dem kurzfristigen Bereich. Bei den Verkaufsflächen dominiert dagegen der langfristige Bedarfsbereich. Dies liegt in erster Linie an Baumärkten und Möbelhäusern, die insbesondere im Bereich der Wilferdinger Höhe und dem Gewerbegebiet Brötzinger Tal angesiedelt sind. 43 Tabelle 8: Betriebe, Fläche und Umsatz nach Bedarfsbereichen Bedarfsbereich Anzahl der Betriebe Verkaufsfläche in qm Umsatz in Mio. kurzfristiger Bedarf 387 71.305 356,5 mittelfristiger Bedarf 248 82.985 229,5 langfristiger Bedarf 277 137.935 295,0 Einzelhandel gesamt 912 292.225 881,0 Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von CIMA (2013) 41 Vergleiche hierzu CIMA (2013) 42 IHK Region Stuttgart (2013) 43 CIMA (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 26 von 124

Ausgangslage Mit einer Verkaufsflächenausstattung je Einwohner von knapp 2,5 qm liegt Pforzheim deutlich über dem Bundesdurchschnitt (1,4 qm). 44 Verglichen mit anderen Oberzentren liegt die Stadt Pforzheim hinsichtlich der quantitativen Einzelhandelsausstattung im oberen Bereich. Die Umsatzleistung pro Einwohner für die Gesamtstadt liegt bei etwa 7.466 Euro. Die Konkurrenzstädte Stuttgart (6.856 Euro/EW) und Karlsruhe (6.763 Euro/EW) liegen in diesem Bereich deutlich hinter Pforzheim. Die folgende Tabelle zeigt einen Benchmark von Städten zwischen 85.000 und 125.000 Einwohner bzgl. der angesprochenen Kennzahl. Dabei zeigt sich, dass von diesen Städten Ludwigsburg mit einem Wert von 8.751 Euro/EW die Spitzenposition einnimmt, gefolgt von Heilbronn (7.830 Euro/EW) und Reutlingen (7.487 Euro/EW). Pforzheim liegt knapp hinter Reutlingen aber vor Ulm (7.380 Euro/EW). Tabelle 9: Einzelhandelsumsätze im überregionalen Vergleich Stadt Einwohner Einzelhandelsumsatz Einzelhandelsumsatz je EW in Mio. in Pforzheim 118.002 881 7.466 Heilbronn 124.257 973 7.830 Heidelberg 149.633 940 6.281 Konstanz 85.524 542 6.341 Ludwigsburg 88.673 776 8.751 Reutlingen 112.735 844 7.487 Ulm 123.672 913 7.380 Deutschland 81.843.743 412.100 5.035 Quelle: IHK Heilbronn-Franken (2013) 3.2.2 Einzelhandelsbestand nach Standortlagen In der räumlichen Untergliederung wird auf Basis des Märkte- und Zentrenkonzeptes zwischen den folgenden Standortlagen unterschieden: Einkaufsinnenstadt Gewerbe- und Sondergebietslagen sonstige integrierte Lagen (z. B. Stadtteilzentren). 44 Zum Vergleich, die Stadt Karlsruhe liegt bei einer Verkaufsflächenausstattung von 1,8 qm pro Einwohner. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 27 von 124

Ausgangslage Eine exakte und individuelle räumliche Abgrenzung der Einkaufsinnenstadt wird im folgenden Kapitel vorgenommen. Neben der Einkaufsinnenstadt werden im Märkte- und Zentrenkonzept folgende strukturprägende Standortlagen aufgeführt: Gewerblich geprägte Standortlagen: Wilferdinger Höhe, Oberes Enztal / Brötzinger Tal (inkl. Möbelzentrum Birkenfeld), Höhenäcker / Obsthof, Altgefäll Standortlage Enzauenpark Stadtteilzentrum Brötzingen Nahversorgungslagen Hohenzollernstraße, Am Hauptgüterbahnhof, Buckenberg / Haidach, Büchenbronn, Dillweißstein, Eutingen, Huchenfeld, Würm Abbildung 4: Übersicht strukturprägender Standortlagen Quelle: Katasterplan der Stadt Pforzheim; Eigene Bearbeitung Tabelle 10 zeigt, dass sich der Großteil der Einzelhandelsbetriebe in städtebaulich integrierten Lagen befindet, während in den Gewerbegebietslagen der Betriebsbesatz vergleichsweise gering ist. Dennoch befinden sich lediglich ca. 26% der gesamten Einzelhandelsflächen in der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt. So liegt dieser Anteil beispielsweise in Karlsruhe oder Wiesbaden bei 35%, in der Stadt Erlangen sogar bei ca. 50%. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 28 von 124

Ausgangslage Der Verkaufsflächenschwerpunkt in Pforzheim liegt dagegen auf den Gewerbegebietslagen. Dies wird in erster Linie vom langfristigen Bedarf getrieben, der mit über 100.000 qm in diesen Lagen sehr stark ausgeprägt ist. Der Wilferdinger Höhe kommt innerhalb dessen jedoch eine besondere Stellung zu. Im dortigen Plangebiet für Verkaufsflächen (ca. 50.600 qm) fallen 19.622 qm (etwa 40%) auf den Verkauf von Gütern des zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortiments an. 45 Somit deckt die Wilferdinger Höhe zirka ein Drittel des Bedarfs der Pforzheimer Verkaufsflächen im zentrenrelevanten Sortiment ab. Auch der Umsatz durch den Einzelhandel in den Gewerbegebietslagen ist höher als in den beiden anderen Standortlagen. Wie schon bei den Verkaufsflächen wird auch der Umsatz in dieser Lage stark durch den langfristigen Bedarfsbereich beeinflusst. In der Innenstadt ist der mittelfristige Bedarfsbereich stark ausgeprägt. Dieser Umstand wird klassischerweise durch die Sortimente Bekleidung und Schuhe geprägt, die für eine Innenstadt generell von herausragender Bedeutung sind. Der Anteil des langfristigen Bedarfsbereichs dagegen, ist aufgrund seines teilweise doch erheblichen Platzbedarfs in der Innenstadt gering. Die kurzfristigen Bedarfsbereiche außerhalb der Innenstadt werden Großteils durch den Lebensmitteleinzelhandel besetzt. Tabelle 10: Betriebe, Fläche und Umsatz nach Standortlagen Bedarfsbereich Lage Gesamtstadt Pforzheim Einkaufsinnenstadt Gewerbegebietslagen sonstige integrierte Lagen Betriebe kurzfristiger Bedarf 387 83 60 244 mittelfristiger Bedarf 248 135 40 73 langfristiger Bedarf 277 104 59 114 Einzelhandel gesamt 912 322 159 431 Verkaufsfläche in qm kurzfristiger Bedarf 71.305 12.005 28.270 31.030 mittelfristiger Bedarf 82.985 45.560 25.840 11.585 langfristiger Bedarf 137.935 19.160 100.390 18.385 Einzelhandel gesamt 292.225 76.725 154.500 61.000 Umsatz in Mio. Euro kurzfristiger Bedarf 356,5 61,5 129,2 165,8 mittelfristiger Bedarf 229,5 137,7 62,6 29,3 langfristiger Bedarf 295,0 74,0 185,7 35,3 Einzelhandel gesamt 881,0 273,2 377,5 230,3 Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von CIMA (2013) 45 Amt für Stadtplanung, Liegenschaften und Vermessung der Stadt Pforzheim, Bebauungsplan Einzelhandel Wilferdinger Höhe (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 29 von 124

Ausgangslage 3.2.3 Einzelhandelszentralität Die Einzelhandelszentralität als Relation von Einzelhandelsumsatz zu einzelhandelsrelevanter Kaufkraft stellt ein wichtiges Gütekriterium für die Leistungsstärke des Einzelhandels dar. Sie ist ein Indikator dafür, in wie weit es gelingt, zur lokal gebundenen Kaufkraft zusätzliche Kaufkraft zugunsten des Einzelhandels aus dem Umland anzuziehen. Die Einzelhandelszentralität ist damit eine Maßzahl für den Kaufkraftzufluss oder den Kaufkraftabfluss einer Region bzw. Stadt. Die Stadt Pforzheim weist eine Einzelhandelszentralität von 138% aus. Neben der in der Stadt vorhandenen und zugleich gebundenen Kaufkraft fließt dementsprechend zusätzlich Kaufkraft aus dem Umland zu. Mittels der Zentralitätskennziffer lässt sich dieser Effekt als Index mit dem Bundesdurchschnitt vergleichen (Deutschland = 100). In diesem Vergleich erreicht Pforzheim einen Zentralitätsindex von 150,6 und liegt damit also deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Das Bundesland Baden-Württemberg erreicht einen Index von 95,2, die Stadt Karlsruhe einen Index von 127,1 und die Stadt Stuttgart einen Index von 121,7. 46 Zieht man erneut einen Vergleich mit anderen Städten in einer ähnlichen Größenordnung wie Pforzheim heran, so bestätigt sich der gute Wert, da lediglich Ludwigsburg (162,5) und Heilbronn (159,4) diesen übertreffen (siehe Abbildung 5: Zentralitätskennziffern im überregionalen Vergleich). Abbildung 5: Zentralitätskennziffern im überregionalen Vergleich Ludwigsburg 163 Heilbronn 159 Pforzheim 151 Reutlingen 145 Ulm 140 Konstanz 129 Heidelberg 123 Deutschland 100 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 Quelle: IHK Heilbronn-Franken (2013) 46 IHK Region Stuttgart (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 30 von 124

Ausgangslage 3.3 Einzelhandel in der Einkaufsinnenstadt 3.3.1 Abgrenzung und Handelslagen Analog zum Märkte- und Zentrenkonzept wird die Einkaufsinnenstadt, unter Berücksichtigung des bestehenden Handels im vorliegenden Handelskonzept, räumlich entsprechend der nachfolgenden Darstellung abgegrenzt. Abbildung 6: Abgrenzung der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Quelle: Katasterplan der Stadt Pforzheim; Eigene Bearbeitung in Anlehnung an CIMA (2013) Bei der Einstufung der Einkaufslagen wird auf die Ausarbeitung aus dem Märkte- und Zentrenkonzept zurückgegriffen. Diese wurde auf Basis der folgenden Kriterien vorgenommen: Passantenfrequenz Besatz mit Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungen Attraktivität des Besatzes Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 31 von 124

Ausgangslage Branchen- und Betriebstypenmix Filialisierungsgrad Leerstände, gefährdete Standorte, Mindernutzungen Abbildung 7: Handelslagen in der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Quelle: Katasterplan der Stadt Pforzheim; Eigene Bearbeitung in Anlehnung an CIMA (2013) Die 1A-Lage als Haupteinkaufslage in der Pforzheimer Innenstadt befindet sich zwischen dem Bereich Leopoldplatz und der Westlichen Karl-Friedrich-Straße in östlicher Richtung bis zum Rathaus, inklusive der Teilbereiche angrenzender Straßen (Leopoldstraße, Teilbereiche Lammstraße, Blumenstraße, Bahnhofstraße, Baumstraße). Dieser Bereich zeichnet sich durch qualitativ hochwertigen Einzelhandelsbesatz aus und verfügt mit der Schlössle Galerie, Galeria Kaufhof und C&A über die Einkaufsmagneten der Pforzheimer Innenstadt. Die 1B-Lage westlich der Westlichen Karl-Friedrich-Straße im Bereich der Goethestraße ist geprägt durch einen weitestgehend durchgängigen Einzelhandelsbesatz, der dem in der Haupteinkaufslage qualitativ aber zurücksteht. Auch die Dillsteiner Straße ist als 1B-Lage Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 32 von 124

Ausgangslage einzustufen, ebenso wie die Seitenstraßen nördlich und südlich der 1A-Lage. Die Bereiche Zerrennerstraße, Am Waisenhausplatz, Deimlingstraße, Schlossberg, Bleichstraße, Turnstraße sowie Teile der Weiherstraße und der Jörg-Ratgeb-Straße als 1C-Lagen weisen nur sporadischen und qualitativ niedrigen Handelsbesatz auf. Die Kiehnlestraße und Luisenstraße sowie deren Zwischenstraßen werden im Märkte- und Zentrenkonzept, neben der Jahnstraße, als 2er-Lagen ausgegeben. 3.3.2 Einzelhandelsbestand und -umsatz in der Einkaufsinnenstadt Die Zahlen zum Einzelhandelsbestand in der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt basieren auf einer für dieses Gutachten durchgeführten Erhebung mittels Begehung und auf Daten der Stadt Pforzheim. Die Ladengrößen orientieren sich an Zahlen der Stadt Pforzheim (Planstand: Dezember 2012). Aufgrund fehlender Daten zu den Einzelhandelsumsätzen der Innenstadt wurden diese aus dem Gesamtumsatz der Stadt Pforzheim, entsprechend der Umsatzverteilung des Märkte- und Zentrenkonzeptes, näherungsweise den einzelnen Sortimenten zugeschlüsselt. Als Basis der Zuschlüsselung diente die Umsatzverteilung zwischen Einkaufsinnenstadt, Gewerbegebietslagen und sonstigen integrierten Lagen aus dem Märkte- und Zentrenkonzept. Für die Verteilung auf die Sortimente wurden neben den Einzelhandelsflächen auch die Flächenproduktivitäten 47 herangezogen. Die Zahlen für den gesamten Einzelhandel weichen geringfügig von denen aus dem Märkte- und Zentrenkonzept ab. Die Zuordnung der Ladengeschäfte zu den Sortimenten erfolgte hierbei nach dem Sortimentsschwerpunkt und die Zuordnung der Verkaufsflächen auf der Ebene der Teilsortimente. Für den gesamten Einzelhandel der Pforzheimer Innenstadt können aus der oben beschriebenen Grundlagen die folgenden Daten ermittelt werden: Anzahl der Ladengeschäfte: 322 Betriebe Gesamtverkaufsfläche: ca. 76.725 qm Umsatzleistung 2013: ca. 273,2 Mio. Euro Der Einzelhandel in der Einkaufsinnenstadt wird vor allem durch den mittelfristigen Bedarfsbereich geprägt. Alleine auf das Segment Oberbekleidung, Wäsche, Textilien kommen 31.195 qm, was über 56% der gesamten Verkaufsfläche der Stadt Pforzheim in diesem Bedarfsbereich entspricht. Auch das neben der Bekleidung innenstadtprägende Sortiment Schuhe und Sport ist mit ca. 6.925 qm stark ausgeprägt. Der kurzfristige 47 Umsatz je qm Verkaufsfläche pro Jahr Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 33 von 124

Ausgangslage Bedarfsbereich (12.005 qm) wird bei den Lebensmitteln stark vom City Supermarkt im Untergeschoss des SinnLeffers-Gebäudes, dem Discounter Penny (Goethestraße) und Norma (Westliche Karl-Friedrich-Straße/Ecke Durlacher Straße) geprägt. Daneben befinden sich in diesem Bereich vor allem kleinere Läden (Bäckereien, Metzgereien, Feinkost etc.). Das Flächenangebot im langfristigen Bereich liegt bei etwa 19.160 qm. Hier ist neben Einrichtung und Zubehör (u. a. durch die Wohnfabrik in der Zerrennerstraße) vor allem der Bereich Foto/Optik, Uhren/Schmuck mit 5.220 qm zu erwähnen. Im als Goldstadt bekannten Pforzheim spielt der Schmuckbereich nach wie vor eine bedeutende Rolle. Tabelle 11: Betriebe, Flächen und Umsätze in der Einkaufsinnenstadt Bedarfsbereiche / Sortimente Anzahl der Betriebe Verkaufsfläche in qm Umsatz in Mio. Flächenproduktivtät in /m² Lebensmittel 37 5.780 23,1 4.001 restlicher kurzfr. Bedarf 46 6.225 38,4 6.170 kurzfristiger Bedarf gesamt 83 12.005 61,5 5.126 Oberbekleidung, Wäsche, Textilien 97 31.195 94,4 3.027 Schuhe und Sport 18 6.925 20,2 2.915 Bücher, Schreib- und Spielwaren 11 5.840 18,9 3.230 restlicher mittelfr. Bedarf 9 1.600 4,2 2.617 mittelfristiger Bedarf gesamt 135 45.560 137,7 3.022 Einrichtung und Zubehör 18 5.615 9,5 1.691 Elektrowaren/Medien 29 4.935 27,1 5.489 Foto/Optik, Uhren/Schmuck 35 5.220 32,8 6.287 restlicher langfr. Bedarf 22 3.390 4,6 1.353 langfristiger Bedarf gesamt 104 19.160 74,0 3.861 Einzelhandel gesamt 322 76.725 273,2 3.561 Quelle: Eigene Erhebung 3.3.3 Bewertung der Sortimente Im folgenden Teilkapitel werden die einzelnen Sortimente hinsichtlich des Bestandes bewertet und Potentiale identifiziert. Als Grundlage dieser Bewertung dienen einerseits die im Rahmen dieses Gutachten durchgeführte Erhebung des Einzelhandelsbestandes in der Innenstadt und andererseits die Ausführungen aus dem Märkte- und Zentrenkonzept. Lebensmittel Wie bereits oben beschrieben sind mit dem City Supermarkt, Penny und Norma drei große Lebensmittelanbieter in der Innenstadt ansässig und bieten so in diesem Bereich ein breites Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 34 von 124

Ausgangslage Angebot. Ergänzt wird dieses durch zahlreiche Bäckereien, Metzgereien und vergleichbare Möglichkeiten für den schnellen Einkauf. Durch die geringe Zahl an Bewohnern in der Innenstadt ist die wohnnahe Versorgung gewährleistet und auch für die Besucher der Innenstadt ist das Angebot im Lebensmittelbereich als gut einzustufen. Bei einer geplanten Ausweitung des Wohnens in der Innenstadt, ist dieser Bereich je nach Anzahl der geplanten Wohneinheiten neu zu prüfen. Restlicher kurzfristiger Bedarf Der restliche kurzfristige Bedarf umfasst die Sortimente Apotheken, Drogeriewaren, Parfümeriewaren, Blumen/Pflanzen und Kioskwaren. Insgesamt liegen 16 Apotheken im Bereich der Einkaufsinnenstadt und gewährleisten so eine gute Versorgung. Im Bereich der Drogeriewaren bietet insbesondere die Drogeriekette Müller in der Schlössle Galerie und in der Dillensteiner Straße ein breites Angebot. Hinzu kommen noch namhafte Anbieter wie dm, Reformhaus und Yves Rocher. Auch bei den Parfümeriewaren sind bekannte Marken in Pforzheim vorzufinden. Hier ist in erster Linie die Firma Douglas zu nennen, deren Angebot in der Innenstadt durch Teilsortimente von Galeria Kaufhof, dm und Müller, aber auch von einigen kleineren Fachgeschäften (z. B. Just, Leipert), ergänzt wird. Der Filialisierungsgrad bei den Drogerie- und Parfümeriewaren beträgt 58%. Insgesamt ist die Innenstadt im Sortiment Drogerie- und Parfümeriewaren als Komplementärangebot zum Schmucksegment sehr gut aufgestellt und weiterer Bedarf nicht zu identifizieren. Mit insgesamt sechs Geschäften in der Innenstadt wird auch das Sortiment Blumen/Pflanzen ausreichend abgedeckt. Kioskwaren wie Zeitschriften und Tabakwaren sind mit insgesamt 12 Geschäften ebenso gut abgedeckt. Oberbekleidung, Wäsche, Textilien Mit Blick auf das innenstadtprägende Sortiment Oberbekleidung, Wäsche, Textilien zeigt sich, dass die Pforzheimer Innenstadt ein breites Angebot an bekannten und für die Innenstadt profilierungsträchtigen Marken verfügt. Dieses Angebot wird allerdings hauptsächlich durch die Schlössle Galerie geprägt, die über eine Vielzahl an Filialisten verfügt. Gerade das mittlere Preissegment ist sehr breit aufgestellt. Darüber hinaus sind aber durchaus noch Potentiale hinsichtlich Marken mit hohen Profilierungsgrad und breiter Zielgruppe für die Innenstadt (z. B. Zara, Mango) zu identifizieren. Zudem fehlt es an großen Magneten, die sich eher im oberen Preissegment bewegen (z. B. P&C, Breuninger, Hugo Boss, Tommy Hilfiger, Strenesse). Aktuell haben in der Pforzheimer Innenstadt lediglich ca. 3% der Bekleidungsläden bezüglich ihrer Zielgruppen- und Qualitätsorientierung eine exklusive Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 35 von 124

Ausgangslage Ausrichtung (sehr hohe Qualitätsorientierung für Konsumenten mit eher gehobenen Einkommensniveau). Der Großteil der Läden im Bekleidungssegment siedelt sich in der gehobenen Mitte (qualitätsorientiert) und im standardisierten (konsumorientiert) Bereich an. Gerade das Wegbrechen der großen Bekleidungshäuser Breuninger und SinnLeffers, das teilweise durch die Schlössle Galerie kompensiert wird, hat eine Lücke hinterlassen. So ist im Bekleidungsbereich durchaus noch Potential vorhanden. Durch bedeutende Marken, die als regionale bzw. auch überregionale Magnete fungieren, kann die Attraktivität der Pforzheimer Innenstadt gestärkt werden und neue Konsumenten anziehen. Auch durch die Begrenzung der zentrenrelevanten Sortimente auf der Wilferdinger Höhe könnte die Innenstadt in diesem Bereich einen zusätzlichen Impuls erfahren. 48 Einen Überblick über mögliche Marken bietet das Portfolio in Abbildung 8, welches die Bereiche Bekleidung, Schuhe und Sport als zentrenbildende Sortimente zusammenfasst. Der Sortimentsbereich Wäsche wird aktuell vor allem durch Teilsortimente von Galeria Kaufhof und Woolworth bedient. Hinzu kommen kleinflächige Läden, die das Angebot ergänzen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Heimtextilien. Ergänzungen können in diesem Bereich durch bekannte Anbieter (z. B. Palmers) erfolgen. Generell ist das Angebot aber in ausreichendem Maße vorhanden. Schuhe und Sport Im Bereich Schuhe ist in der Pforzheimer Innenstadt eine sehr gute Angebotssituation vorzufinden. Hierbei sind sowohl alle Preis- und Qualitätssegmente, als auch eine Vielzahl bekannter Marken (z. B. Foot Locker, Deichmann, Salamander etc.) zu finden. Im Punkt Markenvielfalt sind allerdings noch punktuelle Ergänzungen möglich (Geox, Görtz, Humanic). Im Sportsegment liegt der Schwerpunkt auf der Schlössle Galerie (Intersport Elsässer) und dem Teilsortiment von Galeria Kaufhof. Zudem besteht mit dem Geschäft Rainbow für Tauchzubehör ein sehr spezialisierter Anbieter in der Innenstadt. In Bezug auf die Angebotsbreite sind hier noch Ergänzungen vorstellbar, sowohl durch kleine spezialisierte Fachgeschäfte als auch durch bekannte Marken mit hoher Besucherwirkung (z. B. Adidas- Store etc.). 48 Amt für Stadtplanung, Liegenschaften und Vermessung der Stadt Pforzheim, Bebauungsplan Einzelhandel Wilferdinger Höhe (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 36 von 124

Ausgangslage Abbildung 8: Markenportfolio Einkaufsinnenstadt (Bekleidung, Schuhe, Sport) Quelle: Eigene Darstellung Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 37 von 124

Ausgangslage Bücher, Schreib- und Spielwaren Der Buchhandel ist mit den großen Anbietern Thalia und der Osiander Buchhandlung in der Schlössle Galerie sehr breit vertreten. In diesem Bereich ergibt sich daher kein unmittelbarer Bedarf das Angebot noch auszuweiten. Gleiches gilt im Bereich Schreibwaren mit dem Angebot von Galeria Kaufhof und Müller oder beispielsweise auch McPaper. Galeria Kaufhof und Müller bieten ein breites Angebot an Spielwaren. Hinzu kommt in diesem Bereich noch das Teilsortiment von Baby Walz und das Geschäft Kinderglück (Ecke Roßbrücke/Zerrennerstraße). Einrichtung und Zubehör Mit der Wohnfabrik befindet sich ein großer Möbelanbieter mit hochwertigen Produkten in der Innenstadt. Aufgrund des Platzbedarfes befinden sich Möbelhäuser generell selten in Innenstadtlage, sondern eher in Gewerbegebietslagen. In der Innenstadt finden sich aber eine Reihe von Anbietern von Haushaltswaren (inkl. Glas, Porzellan, Keramik). In diesem Segment sind vor allem die Geschäfte WMF, Schützle, Stiess und Depot zu nennen, die ein gutes Angebot bereitstellen. Elektrowaren/Medien Der Bereich Elektrowaren/Medien ist in der Innenstadt durch einige Anbieter vertreten (z. B. EURONICS, re:store Apple etc.), die von der Markenpräsenz allerdings über keine überregionale Strahlkraft verfügen. Hier erhält die Innenstadt starke Konkurrenz von der Wilferdinger Höhe mit den Anbietern Saturn und MediaMarkt, die einem breiten Publikum bekannt sind und entsprechend Konsumenten anziehen. In der Innenstadt ist ein Ausbau in diesem Segment durchaus sinnvoll. Allerdings ist die Anziehungskraft der Wilferdinger Höhe in diesem Segment sehr stark und die Wettbewerbssituation daher nicht unproblematisch. Denkbar sind in diesem Bereich beispielsweise Betriebe der Expert-Gruppe. Foto/Optik, Uhren/Schmuck Die Innenstadt in Pforzheim weist eine hohe Angebotsdichte im Bereich Foto/Optik auf. Die Erhebung ergab allein 18 Betriebe im Bereich Optik und Hörgeräteakustik sowie fünf Betriebe im Bereich Foto. Auch das Sortiment Uhren/Schmuck ist mit einer Verkaufsfläche von knapp 3.200 qm stark vertreten. Die folgende Abbildung 9 zeigt zusammenfassend einen Auszug des Markenportfolios der Pforzheimer Innenstadt und denkbare Marken in den sonstigen zentrenbildenden Sortimenten. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 38 von 124

Ausgangslage Abbildung 9: Markenportfolio Einkaufsinnenstadt (sonst. zentrenbildende Sortimente) Quelle: Eigene Darstellung Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 39 von 124

Ausgangslage 3.3.4 Leerstand Im vorliegenden Gutachten wurde für den Einzelhandel der Innenstadt Pforzheim ein Leerstand von insgesamt ca. 6.500 qm ermittelt. Dies entspricht einer Leerstandsquote von 7,8% gerechnet auf die zur Verfügung stehende Einzelhandelsfläche. Den mit Abstand größten Teil dieses Leerstandes macht die Fläche des ehemaligen SinnLeffers-Gebäudes aus. Dieses wurde mit einer Fläche von 4.500 qm veranschlagt. Der Rest des Leerstandes liegt vor allem im kleinflächigen Bereich. Prinzipiell gilt eine Leerstandsquote von bis zu 5% als Fluktuationsreserve als unproblematisch. 49 In Pforzheim wird dieser Wert lediglich durch die ehemalige SinnLeffers-Immobilie überschritten. Dennoch ist zu beachten, dass sich Leerstände auf Teilbereiche in der Innenstadt konzentrieren und dann durchaus ein strukturelles Problem darstellen können, auch wenn sich dieser Wert unter der Fluktuationsreserve bewegt. In der Pforzheimer Innenstadt sind derartige Konzentrationsprozesse des Leerstandes derzeit noch nicht festzustellen. 3.3.5 Filialisierung In der Handelszone einer Einkaufsinnenstadt teilen sich die Ladenlokale 50 zwischen Filialisten 51, Nicht-Filialisten und Gastronomen auf. Hierbei wird zur besseren Einschätzung dieses Verhältnisses, je nach Lage (1A/B/C) oder Bedarfsbereich, ein Filialisierungsgrad ermittelt. Dieser ergibt sich aus dem Anteil der Filialisten im Verhältnis zur Anzahl der gesamten Ladenlokale. 52 Von den 321 Ladengeschäften in der Pforzheimer Innenstadt sind insgesamt 28% filialisiert (Filialisierungsgrad). Wird dieser Wert mit anderen Städten gleicher Größenklasse wie bspw. Ulm (29% 53 ) verglichen, so zeigt sich ein ähnlicher Wert. Interessanter und stadtbildprägender ist jedoch die ausschließliche Betrachtung der 1A-Lagen. Ein Vergleich mit Städten mit ähnlicher Einwohnerzahl zeigt, dass der Filialisierungsgrad Pforzheims (63,1%) etwas über dem Durchschnitt (57,8%) der acht untersuchten Städte 54 liegt. Für Heilbronn ergibt sich ein relativ niedriger Filialisierungsgrad von 50,5%, für Ingolstadt ein 49 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010) 50 Als Verkaufsraum genutzter Raum oder Leerstand, der für den Verkauf geeignet ist (Schaufenster, Zugang zum Erdgeschoss). (Quelle: IHK Ulm, Einzelhandelskompendium 2013 (2013)) 51 Als Filialisten gelten Unternehmen die mehr als 5 Läden mit gleichem Auftritt in mindestens 2 Kommunen betreiben oder Betriebe die nur mit einem Lieferanten/Vertragspartner zusammenarbeiten und so wie eine Filiale wirken oder Franchisenehmer. (Quelle: IHK Ulm, Einzelhandelskompendium 2013 (2013)) 52 IHK Ulm, Einzelhandelskompendium 2013 (2013) 53 IHK Ulm, Einzelhandelskompendium 2013 (2013) 54 Pforzheim (63,1%), Ulm (54,7%), Heilbronn (50,5%), Reutlingen (61,7%), Bottrop (51,8%), Fürth (52,3%), Wolfsburg (61,4%), Ingolstadt (67,2%) (Quelle: Jones Lang LaSalle, Retail City Scout Deutschland 2011(2011)) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 40 von 124

Ausgangslage relativ hoher Filialisierungsgrad von 67,2 %. Damit bewegt sich die Pforzheimer 1A-Innenstadtlage im oberen Mittelfeld. Neben der Unterscheidung nach der Lage, kann auch nach dem Bedarfsbereich unterschieden werden. Dies wurde für die gesamte Pforzheimer Innenstadt getan. Das Ergebnis zeigt, dass vor allem der mittelfristige Bedarfsbereich mit einem Filialisierungsgrad von 32% über dem Gesamtdurchschnitt liegt. Hierbei stechen besonders das Bekleidungssortiment (36%) und der Bereich Schuhe (38%) heraus. Der kurzfristige Bedarfsbereich weist dagegen einen Filialisierungsgrad von 29%, der langfristige Bedarfsbereich einen Filialisierungsgrad von 22% aus. Tabelle 12: Filialisierungsgrad bzgl. der Ladengeschäfte Bedarfsbereich Ladengeschäfte Anzahl filialisiert nicht-filialisiert Fil.-Grad kurzfristiger Bedarf 82 24 58 29% Mittelfristiger Bedarf 135 43 92 32% Langfristiger Bedarf 104 23 81 22% Gesamt 321 90 231 28% Quelle. Eigene Erhebung Wird nun der Filialisierungsgrad nicht an der Anzahl der jeweiligen Ladengeschäfte, sondern an der Verkaufsfläche 55 gemessen, ergibt sich nochmals ein anderes Bild. So ist insgesamt 59% der Verkaufsfläche dem filialisierten Einzelhandel zuzurechnen. Im mittelfristigen Bedarf sind es sogar 72%. Während die häufig inhabergeführten, nicht-filialisierten Fachgeschäfte in der Regel eher relativ klein sind, benötigen gerade die bekannten Marken des filialisierten Fachhandels eine gewisse Mindestgröße und somit große Zuschnitte. 55 Unter der Verkaufsfläche eines Einzelhandelsbetriebes wird die Fläche verstanden, die dem Verkauf dient, einschließlich Gänge, Treppen, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Schaufenster und Freiflächen, soweit sie dem Kunden Zugänglich sind. (Quelle: Jones Lang LaSalle-Research, Immobilienmarkt Definitionen (2012)) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 41 von 124

Ausgangslage Tabelle 13: Filialisierungsgrad bzgl. der Verkaufsfläche Bedarfsbereich Verkaufsfläche Fläche filialisiert nicht-filialisiert Fil.-Grad kurzfristiger Bedarf 11.505 6.790 4.715 59% Mittelfristiger Bedarf 45.560 32.880 12.680 72% Langfristiger Bedarf 19.160 5.190 13.970 27% Gesamt 76.225 44.860 31.365 59% Quelle: Eigene Erhebung Es sei an dieser Stelle aber darauf verwiesen, dass es keinen optimalen Filialisierungsgrad gibt, da jede Stadt den Anteil an Filialen an ihrem individuellen Charakter ausrichten sollte. Abseits der Meinung, dass Innenstädte in ihren 1A-Lagen quasi nicht mehr zu unterscheiden sind, machen Experten aber auch deutlich, dass ein Filialgeschäft insbesondere in 1A- Lagen eine Art magnetisierende Wirkung hat und folglich auch die lokal ansässigen Händler eher davon profitieren. Eine Untersuchung verschiedener deutscher Großstädte zeigt, dass für die Attraktivität eines Einkaufsstandortes nicht nur die Anzahl an Filialen zählt, sondern die Kombination aus verschiedenen Branchen und deren Anbieterqualität. So sollte durch den richtigen Mix ein monotoner Eindruck und Frust beim Kunden, aufgrund zu vieler Ramschläden (Trading Down Tendenz), vermieden werden. 56 Als ein Richtwert für den richtigen Mix von Filialisten und Eigentümer geführten Läden, kann auf die dokumentierte Erfahrung der Unternehmensgruppe ECE zurückgegriffen werden. Die ECE strebt immer eine Zusammensetzung ihrer der Einkaufszentren aus 55% nationalen Filialisten, 23% Einzelbetrieben und 22% regionalen Filialisten an. 57 3.3.6 Betriebsgrößen Der Großteil der Ladengeschäfte in der Pforzheimer Innenstadt hat eine Verkaufsfläche von 200 qm oder kleiner. Auf diese Kategorie entfallen insgesamt 80% der Geschäfte. Im kurzfristigen Bedarfsbereich fallen ca. 93% in diese Kategorie. Dies liegt in erster Linie am Lebensmittelbereich, der neben einigen wenigen großflächigen Anbietern vor allem durch kleine Läden wie beispielsweise Bäckereien geprägt ist. Im mittelfristigen Bedarfsbereich 56 LÜHRMANN Deutschland GmbH & Co.KG (Pressemitteilung vom 23.05.2011) 57 Christian Schaffner, Filialisierungsgrad der neue Feind der Individualisten (2014) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 42 von 124

Ausgangslage sind es nur 69% die 200 qm groß oder kleiner sind. In diesem Bereich dominiert der Bekleidungssektor, in welchem es einige kleinere inhabergeführte Fachgeschäfte, aber auch großflächigere Filialisten gibt. Daher sind in diesem Bedarfsbereich 14% der Geschäfte größer als 500 qm. Insgesamt gestaltet sich die Größenverteilung aller Ladengeschäfte in der Pforzheimer Einkaufsinnenstadt wie folgt: <50 qm: 7% der Ladengeschäfte 50-100 qm: 46% der Ladengeschäfte 101-200 qm: 26% der Ladengeschäfte 201-300 qm: 9% der Ladengeschäfte 301-400 qm: 2% der Ladengeschäfte 401-500 qm: 0,3% der Ladengeschäfte >500 qm: 9% der Ladengeschäfte 3.4 Gastronomie in der Einkaufsinnenstadt Ergänzend zur Einzelhandelsdarstellung wird im folgenden Kapitel die Verteilung der gastronomischen Einrichtungen dargelegt. Hierbei wurde auf der Grundlage des Stadtteilsteckbriefes der Innenstadt (Stand: 05/2011) 58 eine Unterscheidung nach Lage und Art der Einrichtung vorgenommen. 59 Die Zuordnung der Lage richtet sich nach der Kategorisierung für Einzelhandelslagen (1A, 1B, 1C, 2). Insgesamt sind 52 verschiedene gastronomische Einrichtungen im Stadtteilsteckbrief registriert. Der größte Teil hieraus (ca. 40%) kann der Kategorie Café / Bistro / Bar zugeordnet werden. Diese Klasse ist relativ gleich verteilt über die drei verschiedenen 1er Einkaufslagen hinweg. Dennoch zeichnet sich ab, dass diese Kategorie eher Örtlichkeiten etwas abseits der Haupteinkaufsmeile bevorzugt (z. B. Bahnhof, Nebenstraßen der Westliche-Karl-Friedrich-Straße). Etwas gegenläufig hierzu verhalten sich Eiscafés, welche bevorzugt an hochfrequentierten Orten versuchen ihre Kunden abzufangen. Passend hierzu sind Imbissstuben aufgestellt. Diese versuchen ebenso ihren Umsatz hauptsächlich in der Westliche-Karl-Friedrich-Straße zu tätigen. Immerhin halten sich hier ca. 64% dieses Geschäftstypus auf. Daher sind diese Fast-Food-Geschäfte, wie auch Eiscafés, selten bis nie in den niedrigstufigeren Lagen (1C; 2) anzutreffen. Gegensätzlich hierzu verhalten sich Restaurants und Gaststuben. Sie beziehen als einzige Kategorie auch 2er-Lagen und sind 58 Amt für Stadtplanung, Liegenschaften und Vermessung der Stadt Pforzheim (2011) 59 Hierbei bleibt zu beachten, dass aktuell die Verteilung der Gastronomie aufgrund von Inhaberwechseln leicht verschoben ist. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Art der Gastronomie bei Wechseln sich i. d. R. nicht ändert. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 43 von 124

Ausgangslage nicht in 1A-Lagen vorzufinden. Ca. 63% der Restaurants betreiben in den, für ihr Geschäftsmodell attraktiven, 1C-Lagen ihre Gastronomie, da dort zumeist günstigere Mieten vorherrschen und diese Lagen ein angenehmeres Speiseflair bieten. Eine Übersicht zur Verteilung nach der Art der Gastronomie und nach deren Lage wird in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Tabelle 14: Verteilung und Lage der gastronomischen Einrichtungen Pforzheims Art der Gastronomie Lage 1A 1B 1C 2er Gesamtergebnis Cafè / Bistro / Bar 5 7 9 21 Eiscafè 2 2 4 Imbiss 6 2 3 11 Restaurant 4 10 2 16 Gesamtergebnis 13 15 22 2 52 Quelle: Eigene Erhebung auf Basis vom Stadtteilsteckbrief (05/2011) der Stadt Pforzheim Zusammenfassend wird deutlich, dass vor allem in der Haupteinkaufsstraße viele Imbisse angesiedelt sind und an Schauplätzen mit weniger Publikumsverkehr und mehr Ambiente (z. B. Schlossberg, Enzufer, am Waisenhausplatz) sich eher qualitativ hochwertigere Speiseangebote wie Gaststuben und Restaurants ansiedeln. Der Filialisierungsgrad in den 1A-Lagen ist zu Vergleichsstädten leicht höher. Entscheidend ist aber, dass inhabergeführte Einzelhändler und regionale Filialisten ausreichend Abwechslung und Qualität bieten. Die Analyse der durchschnittlichen Größen der Verkaufsflächen in Pforzheim bieten grundsätzlich Chancen für einen eher kleinteiligen, abwechslungsreichen Handel. Die Trading-Down Tendenzen im Bereich der B-Lagen (Handel & Gastro) sind zu beobachten und mit entsprechenden Qualitätsoffensiven entgegen zu wirken. Kenngrößen für die Innenstadt Pforzheim im Jahr 2013: Mit 322 Betrieben (35% der Gesamtstadt) wird auf einer Gesamtverkaufsfläche von 76.725 qm (26%) ein Umsatz von 273 Mio. Euro (31%) erzielt. Potentiale in den einzelnen Bedarfsbereichen zeigen sich wie folgt: Im Bereich Lebensmittel und kurzfristiger Bedarf ist Potential vorhanden, sofern das Wohnen in der Innenstadt gefördert wird und das Arbeiten weiter zunimmt. Im Bereich des mittelfristigen Bedarfs insbesondere Oberbekleidung, gibt es Potential bei Marken mit hohem Profilierungsgrad und breiter Zielgruppe sowie für Markenmagneten im oberen Preissegment. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 44 von 124

Ausgangslage Im Bereich Schuhe/Sport sind trotz der sehr guten Angebotssituation punktuelle Ergänzungen von Marken mit hoher Besucherwirkung aber auch kleinere Sport- Spezialgeschäfte denkbar. Im Bereich Einrichtung und Zubehör ist kein unmittelbarer Bedarf vorhanden eine Verknüpfung mit dem Thema Schmuck wäre vor dem Hintergrund der Profilierung Design Stadt denkbar. Im Bereich Elektrowaren/Medien ist Potential für einen Anbieter der über eine ausreichende Markenpräsenz verfügt, wenngleich hier eine Konkurrenzsituation zur Wilferdinger Höhe nicht zu vermeiden wäre. Im Bereich Foto/Optik, Uhren/Schmuck ist kein unmittelbarer Bedarf erkennbar. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 45 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie 4. Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie 4.1 Strukturveränderungen im Einzelhandel Im deutschen Einzelhandel ist es in den letzten Jahren verstärkt zu Verschiebungen bei den Vertriebsformen gekommen. Als Gewinner dieser Entwicklungen zeigen sich vor allem die Discounter. Diese konnten ihre Umsatzanteile am Gesamtumsatz des Einzelhandels von 10,1% im Jahr 2000 auf 14,9% im Jahr 2011 ausweiten. 60 Aufgrund von Sättigungstendenzen ist bei den Lebensmitteldiscountern allerdings zukünftig mit geringerem Umsatzwachstum zu rechnen. 61 Auch die Fachmärkte konnten im gleichen Zeitraum stark zulegen (von 11,8% auf 15,7%), ebenso der Online-Handel (von 0,2% auf 2,2%). Dem Online-Handel gelang damit die höchste relative Steigerungsrate aller Vertriebsformen. Ebenso hat der filialisierte Fachhandel mit einer Steigerung um 1,9%-Punkte (von 12,2% auf 14,1%) zugelegt. Der nicht-filialisierte Fachhandel ist dagegen der große Verlierer dieser Verschiebungen. Wurde im Jahr 2000 noch fast ein Drittel (31,9%) des Gesamtumsatzes dort generiert, so sind es aktuell lediglich noch 21,3%. 62 Dieser Trend scheint anzuhalten. Betroffen sind vor allem traditionelle Fachgeschäfte, die als Einmannbetrieb geführt werden und deren Profil häufig unklar ist. 63 Auch die Kauf- und Warenhäuser (- 1,4%), der traditionelle Lebensmitteleinzelhandel und die Supermärkte (-1,2%) sowie die Versender (-1%) haben in diesem Zeitraum Anteile verloren. 64 Einen nachhaltigen Trend zeigt auch die Entwicklung der Verkaufsflächen. Diese sind in Deutschland seit 1980 stetig gestiegen. Zwischen 1990 und 2010 nahmen sie um insgesamt 44,5 Mio. qm zu. Aktuell beträgt die Verkaufsfläche je Einwohner etwa 1,9 qm. Pro Kopf hat Deutschland damit ca. 50% mehr Verkaufsfläche als beispielsweise England, Frankreich oder Italien. 65 Wird die Zeitspanne zwischen 2005 und 2010 betrachtet, so fällt auf, dass die Anzahl der Einzelhandelsunternehmen um 9% zurückgegangen ist. In diesem Zeitraum wurde allerdings 5,5 Mio. qm neue Handelsfläche geschaffen. 66 Die heutige Einzelhandelslandschaft mit ihren neuen Ladenkonzepten und Warengruppen erfüllt mehr und mehr die Funktion der Freizeitgestaltung für die Kunden und benötigt so mehr Präsentations- und Verkaufsfläche als der reine Versorgungshandel. Maßgeblich zum Flächenzuwachs zwischen 2005 und 2010 tragen die Einkaufszentren mit einem Anteil von 38,2% bei. In dieser Zeit entstanden 65 neue Einkaufszentren mit einer Verkaufsfläche 60 IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012); Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 61 Deutsche Hypothekenbank (2011) 62 IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012); Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 63 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 64 IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012); Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 65 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011) 66 Handelsverband Deutschland (HDE) (2012); IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 46 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie von insgesamt 2,1 Mio. qm wodurch sich 2010 mehr als ein Zehntel der Handelsfläche in Einkaufszentren befanden. 67 Durch die lediglich moderat steigenden Umsätze kam es seit 1990 zu einem deutlichen Rückgang der Flächenproduktivität. Nach dem Tiefstand 2009 mit 3.350 Euro pro qm hat sich die Flächenproduktivität wieder etwas erholt und erreicht für das Jahr 2012 knapp 3.500 Euro pro qm, was etwa dem Niveau aus 2007 entspricht. Eine wesentliche Rolle in dieser Entwicklung spielt die Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker. Durch die Schließung tausender Filialen hat sich die Verkaufsfläche in Deutschland insgesamt mit rund 1,8 Mio. qm erheblich reduziert. Anders als bei vorherigen Insolvenzen, bei denen relativ schnell eine Nachnutzung der Flächen sichergestellt werden konnte, ist dies bei den ehemaligen Schlecker-Filialen nicht zu erwarten. Die Standorte und Ladenschnitte der meisten Filialen entsprechen nicht den heutigen Anforderungen des Einzelhandels. 68 Dabei werden vor allem innerstädtische und integrierte Lagen immer beliebter. Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung befanden sich 55% der Handelsflächen in innerstädtischer oder integrierter Lage, mittlerweile ist dieser Anteil auf 63% angestiegen. 69 4.2 Entwicklungen und Trends im Einzelhandel 4.2.1 Bevölkerung und Altersstruktur Der deutsche Einzelhandel sieht sich zunehmend mit einer abnehmenden Bevölkerung und folglich mit einer sinkenden Zahl an potenziellen Kunden konfrontiert. 70 Unter Berücksichtigung der aktuellen Rahmenbedingungen hinsichtlich Abwanderungen, Geburtenrate und Lebenserwartung, ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung von aktuell etwa 81,8 Mio. auf deutlich unter 70 Mio. im Jahr 2060 zurückgehen wird. 71 Der Einzelhandel wird sich auf diese Entwicklung einstellen müssen. Der Wettbewerb wird sich infolgedessen weiter verstärken. 72 Aus demografischer Sicht kann der Einzelhandel durch die sinkende Kundenzahl somit nur wachsen, wenn er den Warenkorb der einzelnen Kunden vergrößert. 73 Allerdings sind nicht alle Regionen in Deutschland gleichermaßen von diesem Rückgang betroffen. Im Osten und in der Mitte Deutschlands wirkt diese Entwicklung stärker, wobei es Ausnahmen gibt. So werden voraussichtlich der Großraum Berlin und Rostock entgegen 67 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 68 Gfk GeoMarketing GmbH (2013) 69 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 70 Acocella (2012) 71 Statistisches Bundesamt (2013a) mit dem Hinweis, dass der Zensus für das Jahr 2011 lediglich eine Bevölkerung von 80,2 Mio. Bürger ausweist. 72 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 73 KPMG (2012) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 47 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie diesem Trend wachsen. Weite Teile Bayerns sowie Hamburg und die Regionen Freiburg und Trier gewinnen sogar zweistellig hinzu. 74 Trotz der insgesamt schrumpfenden Bevölkerung nimmt die Zahl der Älteren prozentual und auch absolut immer weiter zu. Aktuell sind etwa 21,5% der Bevölkerung über 60 Jahre alt. Prognosen zu Folge wird dieser Anteil bis 2030 auf 29% ansteigen. 75 Der Einzelhandel wird verstärkt die Bedürfnisse dieser Zielgruppe berücksichtigen müssen, da sich diese hinsichtlich Einkommen, Haushaltsstruktur, Konsumquote und Einkaufspräferenzen von den jüngeren Kunden deutlich unterscheiden. 76 4.2.2 Haushaltsstruktur Neben der Bevölkerungszahl und einer zunehmend alternden Gesellschaft ändern sich auch die Haushaltsstrukturen in Deutschland. Da viele Güter wie beispielsweise Haushaltsgeräte oder Unterhaltungselektronik in einem Haushalt gemeinschaftlich genutzt werden, ist die Anzahl und Struktur der Haushalte eine wichtige Größe für den Einzelhandel. Wie oben beschrieben ist die Bevölkerungszahl in Deutschland rückläufig. Dennoch gehen Prognosen davon aus, dass die Anzahl der Haushalte bis 2030 um 1,15 Mio. auf 41,5 Mio. wachsen wird. Steigen wird vor allem die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte, während größere Haushaltsformen zurückgehen. 77 Aktuell liegt der Anteil der Single-Haushalte bereits bei 40%, Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder machen in etwa 31% aus und Mehrpersonenhaushalte mit Kindern entsprechen lediglich 29%. Vor 50 Jahren lag der Anteil der Single-Haushalte bei nur 20%. 78 Werden die monatlichen Konsumausgaben pro Kopf betrachtet, so sind Paare ohne Kinder (377 Euro) und Alleinlebende (362 Euro) im Vergleich zu Alleinerziehenden (219 Euro) und Paaren mit Kindern (230 Euro) vermeidlich die lukrativeren Kunden für den Einzelhandel. Im Jahr 2011 war jeder dritte Alleinlebende 65 Jahre und älter. 79 4.2.3 Verfügbares Einkommen Die schrumpfende Gesamtbevölkerung hat zur Folge, dass aus den steigenden verfügbaren Einkommen kein Wachstumsimpuls für den Einzelhandel zu erwarten ist. Selbst bei wachsender Erwerbsbeteiligung der arbeitsfähigen Bevölkerung ist davon auszugehen, 74 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 75 Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2011) 76 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 77 KPMG (2012) 78 GfK Verein (2012) 79 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 48 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie dass die absolute Zahl der Erwerbstätigen bis 2025 nicht steigen wird. Wird eine gleichbleibende Wachstumsrate des Kapitalstocks und ein konstanter technischer Fortschritt unterstellt, so wächst das verfügbare Einkommen langsamer als in der Vergangenheit. Es ist zudem nicht zu erwarten, dass Steuern und Sozialabgaben zukünftig deutlich gesenkt werden, sodass hiervon ein Wachstum für den Einzelhandel abgeleitet werden kann. 80 4.2.4 Entwicklung der Konsumquote und Partizipation des Einzelhandels Wie soeben beschrieben, ist von der Entwicklung der verfügbaren Einkommen kein wesentlicher Wachstumsimpuls für den Einzelhandel abzuleiten. Allerdings bleibt anzumerken, dass sich die finanzielle Ausstattung und damit das verfügbare Einkommen der über 65-Jährigen, im Vergleich zu früheren Generationen, deutlich verbessert hat. Diese Konsumentengruppe zeigt sich allgemein sehr konsumfreudig. 81 Sie gibt im Vergleich zum Durchschnitt einen höheren Anteil ihrer verfügbaren finanziellen Mittel für Konsum aus (8% höhere Konsumquote). Allerdings investiert die ältere Generation verstärkt in das Wohnen, während Ausgaben für Lebensmittel, Bekleidung etc. zurückgehen. 82 Der Anteil der Ausgaben für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung steigt mit zunehmenden Alter sogar noch an. Insgesamt konnte der Einzelhandel in den letzten 20 Jahren nicht in vollem Umfang von einer steigenden Konsumquote profitieren. 83 So betrug der Anteil des Einzelhandels vor 20 Jahren noch knapp 40% am privaten Konsum. Mittlerweile ist dieser Anteil jedoch auf etwa 30% geschrumpft. 84 Wird der Zeitraum von 1995 bis heute betrachtet, so sind vor allem die Ausgaben für Lebensmittel (von 16,1% auf 13,9%), für Haushaltsgegenstände und Möbel (8,2% auf 5,5%) sowie für Bekleidung und Schuhe (von 6,6% auf 4,6%) stark rückläufig. Dagegen sind die Ausgaben für Wohnung, Wasser, Strom und Brennstoffe (von 22,5% auf 24,4%), die nicht zu Umsätzen im Einzelhandel führen, deutlich gestiegen. 85 Die höhere Anzahl kleinerer Haushalte könnte allerdings dazu führen, dass verstärkt Einrichtungsgegenstände oder Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik nachgefragt werden. Dieser Anstieg der Ein- und Zweipersonenhaushalte bedingt einen wachsenden Anteil der Bevölkerung, der höhere Pro-Kopf-Ausgaben im Einzelhandel tätigt als beispielsweise eine Familie mit Kindern. Bei dieser Entwicklung ist zu berücksichtigen, wie 80 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 81 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 82 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 83 Deutsche Hypothekenbank (2011); Acocella (2012) 84 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 85 Statistisches Bundesamt (2013b); IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 49 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie sich die Kosten für Wohnen und Energie in Zukunft entwickeln und wie viele finanzielle Mittel den Haushalten nach Abzug dieser Kosten noch für den Konsum im Einzelhandel zur Verfügung stehen. 86 4.2.5 Veränderung in den Konsumpräferenzen Wie bereits beschrieben haben ältere Menschen eine höhere Konsumquote als der Durchschnitt, wovon der Einzelhandel allerdings kaum profitieren kann. Setzen sich die Nachfragetrends im Konsumverhalten dieser Gruppe weiter fort, so ist innerhalb dieser Gruppe mit sinkenden Umsätzen im Einzelhandel in den Sortimenten Nahrungsmittel, Bekleidung und Innenausstattung zu rechnen. Zudem sind die Senioren mit langlebigen Konsumgütern sehr gut ausgestattet, sodass in diesem Bereich lediglich mit Nachkäufen zu kalkulieren ist. Zu hinterfragen ist allerdings, ob sich die zukünftigen Senioren ebenso verhalten wie die aktuellen. Die kommenden Rentnergenerationen leben gesünder, länger und fragen mehr Wohnraum nach, da sie häufiger alleine leben. Zudem werden sie weniger Kinder bzw. Enkelkinder haben, wodurch das Sparen und Vererben an Bedeutung verlieren könnte und mehr finanzielle Mittel in den privaten Konsum gehen. 87 Insgesamt lässt sich das Kaufverhalten der Konsumenten immer schwerer vorhersagen. In diesem Zusammenhang wird häufig vom hybriden Verbraucher gesprochen. Das individuelle Kaufverhalten lässt sich demnach nicht mehr allein anhand von Kriterien wie Einkommen, Alter und Mobilität beschreiben. Einerseits kaufen diese Kunden standardisierte Grundbedarfsgüter aus dem unteren Preissegment, andererseits werden in bestimmten Sortimenten hochwertige Waren nachgefragt. In diesen Segmenten zeigt sich eine hohe Marken- und Serviceorientierung, die mit einer hohen Preisbereitschaft einhergeht. Hierbei findet eine Polarisierung zwischen Preis- und Qualitätseinkauf statt und das mittlere Preis- und Qualitätssegment verliert an Marktanteilen. 88 Auch zwischen den Einkaufsformen stationär und online wechseln die Kunden häufig. Stammgeschäfte, die beim Kauf bestimmter Sortimente aufgesucht werden, gibt es immer weniger. Eine Änderung dieses Verbraucherverhaltens zeichnet sich in naher Zukunft nicht ab. Vielmehr werden die Kunden durch deutlich verbesserte Informationsmöglichkeiten, via mobilem Internet, aufgeklärter, bewusster und vor allem auch preissensitiver einkaufen. 89 Neben der umfassenden Information spielt der Wunsch nach Individualität bei den Konsumenten eine immer wichtigere Rolle. Der Konsum drückt die eigenen Wertvorstellungen 86 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 87 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2011) 88 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 89 Lux (2012); Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 50 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie aus. Der Verbraucher will sich von der Masse abheben. In Folge dessen werden hohe Ansprüche an die Sortenvielfalt, aber auch an die regelmäßige Erneuerung der Sortimente im Einzelhandel gestellt. Der Kauf von Einzelstücken und die Suche nach dem Besonderen als Ausdrucksform der eigenen Wertvorstellungen sind in diesem Rahmen wichtige Parameter für die Kunden. 90 Diese Entwicklung bringt mit den LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) auch eine neue, wertorientierte Kundengruppe hervor. Diese treffen ihre Kaufentscheidungen unter Berücksichtigung hoher ethischer und ökologischer Ansprüche. Hierbei stehen unter anderem die nachhaltige Herstellung und die regionale Nähe der Produkte im Fokus. Dies wirkt sich vor allem auf den Verkauf von Bio- und Gesundheitsprodukten, sowie auf fair gehandelte Waren aus. 91 Ein weiterer sich abzeichnender Trend liegt im Wunsch der Kunden nach Geselligkeit und sozialen Kontakten beim Einkaufen. Durch den Umstand, dass immer mehr Leute alleine leben, wird diese Entwicklung verstärkt. 92 Zudem werden zwar viele Einkäufe im Internet abgewickelt, doch gerade deshalb erwarten viele Kunden bei den restlichen Einkäufen im stationären Handel einen guten und vor allem persönlichen Service. Daher werden der persönliche Kontakt und eine gute Beratung zukünftig entscheiden, welche Produkte in welchem Umfang stationär gekauft werden. Schlechte Beratung führt heute viel schneller zum Kundenverlust als früher, da für den Kunden heute in der Regel reichlich Alternativen vorhanden sind. 93 Darüber hinaus legt schwerpunktmäßig die jüngere Zielgruppe immer größeren Wert auf einen sogenannten Erlebnis-Einkauf. Dieser geht über den reinen Kauf von Waren hinaus und ist vielmehr eine Form der Freizeitgestaltung, die dem eigenen Lebensgefühl entspricht. Hiervon könnten vor allem die Einkaufscenter profitieren, welche neben einem großflächigen Einzelhandelsangebot auch unterschiedlichste Unterhaltungsdienstleistungen (Bars, Kinos, Fitness etc.) bieten. 94 Neben dieser Gruppe, die über relativ viel Freizeit verfügt und sich auch beim Shopping entsprechend Zeit nimmt, existiert auch eine Gruppe an freizeitarmen Konsumenten. So ist es für berufstätige Alleinstehende, Doppelverdiener, Alleinerziehende oder aber auch für Familien mit Kindern wichtig, die Einkäufe schnell und bequem abwickeln zu können. 95 Von dieser Zielgruppe werden Läden mit kurzen Anfahrtswegen bevorzugt, die über ein breites Warensortiment verfügen, sodass möglichst der komplette Einkauf an einem Ort erledigt werden kann. Hierbei wird auf eine übersichtliche 90 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013); Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 91 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013); IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 92 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 93 Lux (2012) 94 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013); Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.v. (2005) 95 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 51 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie Warenpräsentation großen Wert gelegt, während die Wahl zwischen zahlreichen vergleichbaren Produkten als nachrangig oder sogar vielfach als störend empfunden wird. 96 4.2.6 Konkurrenz durch Online-Handel Der Marktanteil des Online-Handels am Einzelhandel nimmt immer weiter zu. Aktuell beträgt dieser am gesamten Einzelhandel zwar lediglich 2,2%, im Non-Food-Bereich sind es Schätzungen zufolge aber bereits über 10%. 97 Je jünger die Bevölkerung, desto höher ist der Anteil der Internetnutzer. Bei den unter 29-Jährigen nutzen 98% das Internet, bei den 30- bis 39-Jährigen sind es 96,2%, bei den 40- bis 49-Jährigen immerhin noch 88,9%, bei den 50- bis 59-Jährigen 77,6% und bei den über 60-Jährigen 39,5%. 98 Von den Internetnutzern kaufen 69% auch online ein. Im Jahr 2005 waren dies lediglich knapp 50%. Von diesen Online-Kunden kaufen fast 60% mindestens einmal im Monat ein. 99 Bezogen auf den Online-Umsatz einzelner Warengruppen lagen Bekleidung/Schuhe/Lederwaren mit einem Anteil von 30% an den gesamten Umsätzen im Online-Geschäft an erster Stelle, gefolgt von Unterhaltungselektronik/Hausgeräten mit einem Anteil von 29%. 100 Betrachtet man die Kaufhäufigkeit, so liegen Bücher und digitale Medien an erster Stelle. 101 Doch nicht nur für den Kauf, sondern auch zur Informationsgewinnung spielt das Internet eine wichtige Rolle. Vor dem Kauf hochwertiger Produkte (über 500 Euro) im stationären Handel vergleichen bereits über 67% der Kunden die Angebote und Preise verschiedener Händler über alternative Kanäle wie dem Internet. 102 Immer mehr stationäre Einzelhändler nutzen mittlerweile auch den Vertriebsweg über das Internet. Aktuell sind es in etwa zwei Drittel der Händler. Allerdings ist der Umsatzanteil, den diese über das Internet erzielen, in den meisten Fällen noch sehr gering. Bei 62% dieser so genannten Multi-Channel-Händler lag der Anteil des Umsatzes aus dem Online- Handel bei unter einem Prozent. Lediglich bei 3% machte der Umsatzanteil bereits mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. 103 Es wird von Seiten des Handels allerdings erwartet, dass die Bedeutung des Online-Geschäfts weiter erheblich steigen wird. Um von diesem Trend zu profitieren, stehen gerade kleinere und mittelständische Einzelhändler vor zwei Herausforderungen: Service-Raub und der Organisation gemeinsamer Internetauftritte. Unter Service-Raub versteht man die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen im 96 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 97 IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012); IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 98 AGOF - Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.v. (2014) 99 IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012) 100 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) 101 IFH RETAIL CONSULTANTS GmbH (2012) 102 E-Commerce Center Handel (2011) 103 Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 52 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie stationären Handel, wobei das Produkt anschließend online beim günstigsten Anbieter gekauft wird. Je vergleichbarer die Produkte sind, desto eher findet dies statt. Einige mittelständische Händler verfolgen daher die Strategie, durch Kooperation mit Anderen eine gewisse Größe zu erreichen, die es ermöglicht, eigene Marken einzuführen. Dadurch wird die Vergleichbarkeit reduziert und die Produktmarken können nur bei den entsprechenden Händlern gekauft werden. Auch der zweiten Herausforderung kann auf Ebene der kleinen und mittelgroßen Händler mit Hilfe von Kooperationen begegnet werden, indem ein gemeinsamer Internetauftritt konzipiert wird. Denn nur wenn ein Internetangebot eine kritische Größe bezüglich der Anzahl der Besucher erreicht, kann es auch zielführend und effizient eingesetzt werden. So können die Anfangsinvestitionen sowie die hohen Ausgaben für das Online-Marketing, welches nötig ist um überhaupt von Kunden online wahrgenommen zu werden, auf mehrere Schultern verteilt werden. 104 4.3 Entwicklungen und Trends in der Gastronomie 4.3.1 Regionale Küche Im Zeitalter der Globalisierung und häufig wechselnden Trends gewinnen Werte wie Heimat, Bodenständigkeit und Tradition wieder zunehmend an Bedeutung. Die Kunden fragen verstärkt frische, regionale und saisonale Speisen nach, die kreativ und gesundheitsbewusst zubereitet werden. So lassen sich in einzelnen Regionen bzw. Städten ganz individuelle Gerichte und Getränke entdecken. Gäste fragen zudem immer häufiger aktiv nach der Herkunft der Speisen und achten verstärkt auf die Qualität. Hierbei ist festzustellen, dass die Herkunft aus der entsprechenden Region bedeutender eingeschätzt wird als der biologische Anbau. 105 Der Verbraucher sieht zwischen regional und Bio einen Bedeutungsunterschied. Das zentrale Motiv beim Kauf von Bio wird dem gesundheitlichen Nutzen zugeschrieben, wohingegen regional für eine Bandbreite an Themen steht. Insbesondere Frische, Förderung der lokalen Wirtschaft, kurze Lieferwege und Wissen um die Herkunft der Produkte sind entscheidende Kaufkriterien. Regionalität ist also für viele Kunden, neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit, auch ein wichtiger Bestandteil der Identität. Der Verbraucher empfindet Lebensmittel insbesondere dann als regional, wenn sie im Umkreis von etwa 100 km vom Wohnort angebaut oder produziert werden. Zur Identifizierung regionaler Produkte werden vom Verbraucher amtliche Gütesiegel als wichtig erachtet (z. B. das Qualitätszeichen Baden-Württemberg). 106 104 IAT Institut für Arbeit und Technik (2013) 105 gastronomie & hotellerie (2013); DEHOGA (2013a) 106 Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 53 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie 4.3.2 Atmosphäre zum Wohlfühlen Auch bei der Atmosphäre in Gastronomiebetrieben rücken Ehrlichkeit und Ursprünglichkeit wieder stärker in den Vordergrund. Kühles Design in Gaststätten ist auf dem Rückzug. Die Kunden bevorzugen eher eine Wohlfühlatmosphäre, in der man wieder verstärkt ins Gespräch mit anderen Menschen kommt. So geht der Trend hin zu größeren Tischen, an denen gemeinsam mit fremden Menschen zusammen gesessen werden kann, um diese kennen zu lernen. In den Zeiten der eher unpersönlichen Kommunikation über Facebook, Twitter etc. rückt der Wunsch nach persönlichem Kontakt beim Weggehen wieder verstärkt in den Vordergrund. So ergeben sich zum Beispiel neue Chancen für gastronomische Betriebe mit ungezwungener Atmosphäre, wie diese beispielsweise im traditionellen Wirtshaus vorzufinden ist. Voraussetzung bleibt allerdings, dass Angebots- und Servicequalität stimmen. 107 Zudem stehen Möbel aus Naturmaterialien besonders im Fokus. Diese spenden Wärme, wirken beruhigend und sind damit ein wichtiger Baustein, um dem Gast das gewünschte Wohlfühlambiente zu bieten. 108 4.3.3 Außengastronomie Außengastronomie in Form von Biergärten, Terrassen oder Strandbars sind ein wichtiger Gastronomietrend und stehen hoch im Kurs. Die Menschen in Deutschland verbringen einen Großteil ihres Alltags und der Arbeit in Gebäuden und wollen nach Möglichkeit den Feierabend oder die Mittagspause im Freien verbringen. Mit Hilfe von Technik und Design ist Open-Air-Gastronomie fast überall möglich. So zieht es die Menschen selbst bei niedrigen Temperaturen bei Sonnenschein nach draußen. In vielen Gastronomiebetrieben liegen daher Decken und Kissen für die Gäste standardmäßig bereit. Gefördert wird die Außengastronomie zusätzlich durch das Raucherverbot in den Gaststätten. Erfolgsversprechend sind zwar weiterhin klassische Außengastronomiebetriebe wie Biergärten und Ausflugslokale, aber auch, insbesondere im (groß-)städtischen Kontext, solche Lokale, die dem Kunden Lifestyle versprechen. Längst reicht eine unbequeme Plastikbestuhlung auf dem Gehsteig nicht mehr aus, um Gäste anzuziehen. Die Gäste in Deutschland haben hohe Ansprüche an Gastronomie im Freien. Mit kreativer Bepflanzung, gemütlichen Sitzbereichen, Windschutz und angenehmer Beleuchtung kann der Außenbereich viel zum Erfolg eines Gastronomiebetriebs beitragen. Eine hochwertige Außengastronomie 107 DEHOGA (2013a) 108 gastronomie & hotellerie (2013) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 54 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie kann nahezu die gesamte Bandbreite des konventionellen Gastronomieangebots erreichen. 109 4.3.4 Take-away-Gastronomie Take-away Food ist als Trend beständig. So wird das Segment auch in Zukunft durch zunehmende Mobilität und Flexibilität der Bürger, sowie durch wechselnde Arbeitswelten, weiter wachsen. Hierbei profilieren sich vor allem Bäckereien, Metzgereien, Tankstellen und Supermärkte. Früher gingen die Leute ins Restaurant, wenn sie zuhause nicht kochen wollten. Mittlerweile wächst die Zahl derer stetig, die sich einen schnellen Snack kaufen oder sich das Essen nach Hause liefern lassen. So können z. B. Pizzalieferdienste überdurchschnittliche Wachstumsraten verzeichnen. Studien zeigen zudem, dass Supermärkte der Gastronomie Umsätze wegnehmen. 110 Dieser Effekt wird durch die niedrigeren Mehrwertsteuersätze im Lebensmitteleinzelhandel, im Vergleich zur klassischen Gastronomie, noch verstärkt. Der allgemeine Trend zeigt, dass der Online-Handel die höchste, relative Steigerungsrate aller Vertriebsformen in den letzten Jahren erreicht hat. Der nicht-filialisierte Fachhandel ist der große Verlierer dieses Zugewinns, da dessen Gesamtumsatz zwischen 2000 und 2011 um fast ein Drittel zurückging. Ebenso hat sich die Warenpräsentation verändert. Hier spielt mehr und mehr das Erlebnis Einkaufen eine Rolle in der Freizeitgestaltung der Kunden (gilt insbesondere für jüngere Kundengruppen). Um diesen Ansprüchen und den neuen Ladenkonzepten gerecht zu werden, benötigt die heutige Einzelhandelslandschaft flexible Zuschnitte und mehr Platz zur Präsentation und zum Verkauf der Waren. Weiterhin stellt die demografische Entwicklung (abnehmende Bevölkerung, hoher Anteil der älteren Bevölkerung über 60 Jahre, Zunahme von Ein- / Zweipersonenhaushalten, etc.) die Einzelhändler vor Aufgaben, auf welche diese sich in puncto Einkommen, Haushaltsstruktur, Konsumquote und Einkaufspräferenzen einstellen müssen. 109 DEHOGA (2013b) 110 DEHOGA (2013a) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 55 von 124

Allgemeine Rahmenbedingungen des Einzelhandels und der Gastronomie Zusätzlich verändern sich die Konsumentenpräferenzen in folgende Richtung: Kommende Rentnergenerationen leben gesünder, länger und fragen mehr Wohnraum nach Sparen und Vererben wird weniger bedeutend, wodurch mehr Geld für privaten Konsum verbleibt Hybride Verbraucher in puncto Qualitätslage, Einkaufsform und ort werden immer unberechenbarer Kunden besitzen verbesserte Informationsmöglichkeiten (Internet), sind aufgeklärter, kaufen bewusster ein und sind dabei preissensitiver Kunden wünschen sich umfassende Informationen und Individualität LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) als neue, wertorientierte Kundengruppe nimmt zu. Sie treffen ihre Kaufentscheidungen unter Berücksichtigung hoher ethischer und ökologischer Ansprüche (nachhaltige Herstellung, regionale Nähe der Produkte, Verkauf von Bio- und Gesundheitsprodukten, fair gehandelte Waren) Guter und persönlicher Service (persönlicher Kontakt und eine gute Beratung) sind zukünftig entscheidend Freizeitarme Konsumenten (berufstätige Alleinstehende, Doppelverdiener, Alleinerziehende oder Familien mit Kindern) wollen ihre Einkäufe schnell und bequem abwickeln Auch in der Gastronomie sind einige Voraussetzungen und Trends zu beobachten, die für eine erfolgreiche Gestaltung des Angebotes bedeutend sind: Vorhandensein einer guten Servicequalität Biergärten, Terrassen oder Strandbars sind ein wichtiger Gastronomietrend Open-Air-Gastronomie stellt einen Teil des Lifestyles dar Regionale, vegetarische & vegane Küche gewinnt an Bedeutung Zunehmende Mobilität und Flexibilität der Bürger bieten weitere Chancen und Herausforderungen für Gastronomen Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 56 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept 5. Integrativ entwickeltes Handelskonzept 5.1 Präambel Die beschriebene integrative Entwicklung eines zukunftsfähigen Handelskonzeptes ist in zweierlei Richtungen zu verstehen. Zum einen gilt es, die unterschiedlichen Planungs- und Entwicklungsvorhaben, beginnend mit dem verabschiedeten Masterplan und den Folgeprojekten (wie z. B. dem Ideen-Jam-Prozess), über die Städtebauentwicklung und Verkehrsplanung bis hin zur Entwicklung eines Leitbildes und Nutzungskonzeptes für die Stadt Pforzheim zu verknüpfen. Diese Entwicklung steht immer vor dem Hintergrund eines zukunftsfähigen Handels und Gastronomie. Zum anderen gilt es, mit dem Wissen, dass ein attraktives Handelskonzept nicht an einem Reißbrett geplant, vor allem aber nicht operativ umgesetzt werden kann, die Meinungen der Stakeholder und Bürger als zweite wesentliche Säule einer integrativen Vorgehensweise, aufzunehmen. Anspruch dieses Konzeptes ist es, eine langfristige Entwicklungsrichtung für Handel und Gastronomie in der Innenstadt Pforzheim vorzugeben. Als Basis hierfür dienen sowohl die dokumentierten Planungsstände, insbesondere in den genannten Bereichen und darüber hinaus. Des Weiteren sind die im Märkte- und Zentrenkonzept dokumentierten, fortgeschriebenen und aktualisierten Daten sowie die originär eingeholten Ideen und Meinungen der aktiven Händler und Gastronomen wesentlicher Input. Zudem genügt dieses Konzept dem Anspruch umfassend, zugleich aber auch ausreichend abstrakt formuliert zu sein. Im Ergebnis soll dieses Dokument dazu dienen, die Rahmenvorgaben einer zukünftigen Planung im Bereich Handel und Gastronomie zu beschreiben, zugleich aber auch Fragen der aktuellen städtebaulichen Planung, insbesondere die Flächenentwicklung des Projektbereichs Innenstadtentwicklung-Ost, zu beantworten. 5.2 Methodisches Vorgehen Die Erarbeitung der zentralen Inhalte des Handelskonzeptes erfolgt im Wesentlichen in fünf Phasen (vgl. Abbildung 10: Vorgehen Erarbeitung erstes Handelskonzept). Wesentlichen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung der Phasen nahmen die Ergebnisse der beteiligten Büros van Dongen-Koschuch und Out of Office sowie der von Brainstore moderierte und dokumentierte Ideen-Jam-Prozess. Beginnend mit der Aufarbeitung der Fakten zu den Leitfunktionen einer Innenstadt (vgl. Kap. 2), der Ausgangslage der Stadt Pforzheim (vgl. Kap. 3) und der allgemeinen Rahmenbedingungen und Trends (vgl. Kap. 4) wurde in der Phase des Desk-Research die Basis für den Start einer integrativen, nach vorne orientierten Erarbeitung eines ersten Zukunfts- Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 57 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept konzeptes gelegt. Ziel dabei war es, passende Zukunftsimpulse für die Innenstadt Pforzheims zu geben und dabei aber nicht die Machbarkeit (vgl. dazu vor allem die Prognose der Flächenentwicklung in Kap. 6) aus dem Blick zu verlieren. Abbildung 10: Vorgehen Erarbeitung erstes Handelskonzept Quelle: Eigene Darstellung Mit dem Zukunfts-Workshop im Juli 2013 begann die Integration von Händlern und Gastronomen, welche eingeladen waren, im Rahmen von drei wesentlichen Handlungsfeldern Ideen zur zukünftigen Entwicklung der Innenstadt zu generieren. Ziel war es, neben einfachen Ideen zur Attraktivitätssteigerung, welche unmittelbar von Händlern und Gastronomen selbst umgesetzt werden können, Ideen zu größeren Themenfeldern zusammenzufassen. Bei der späteren Ideenpriorisierung wurden auch Ideen aus dem Ideen-Jam-Prozess, an welchem neben Händler und Gastronomen weitere 50 Personen beteiligt waren, berücksichtigt. Mit dem zweiten Status-Quo-Workshop im November 2013 hatten die beteiligten Händler und Gastronomen die Chance, dringende aktuelle Themen direkt anzusprechen und konkret an Lösungsvorschlägen zu arbeiten. In Phase vier erfolgten der intensive Austausch mit den beteiligten Planungsbüros sowie die Konsolidierung der Teilergebnisse zur Erarbeitung eines ersten Handelskonzeptes im Sinne eines langfristigen Entwicklungsplans. Wesentliche Prämissen und die Struktur der Konzeptentwicklung entstammen den Ergebnissen des Ideen-Jam-Prozesses und der räumlichen Verortung aus dem Leitbild bzw. der Programmierung der Pforzheimer Innenstadt. Die Phase fünf beinhaltet die Endkundenbefragung. Seit dem Jahr 2014 ist die Stadt Pforzheim Partner des Regionalmonitors Nordschwarzwald, einer regelmäßigen jährlichen Befragung, die mit einer repräsentativen Telefonstichprobe der Pforzheimer Haushalte unterschiedlichste Fragen zum Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsraum Pforzheim abbildet. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 58 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept In der ersten Welle des Monitors mit Beteiligung der Stadt Pforzheim wurden u.a. auch Fragen zum Einkaufsverhalten und zur Bewertung von Pforzheimer Einkaufsgebieten gestellt. In einem ersten Schritt sollen nun diese Ergebnisse des Regionalmonitors gezielt unter Gesichtspunkten des Themas Einkaufen aufbereitet und als erster Impuls in die Arbeitskreise des Einzelhandels eingespeist werden. Eine weitergehende Befragung, die auch die konkreten Ergebnisse der Arbeitskreise aufgreift und ggf. geplante oder denkbare Maßnahmen aus dem Handelskonzept abfragt, ist in Abhängigkeit von der Aktivität der Arbeitskreise für Ende erstes Quartal 2015 geplant. Diese Befragung wird die Stadt Pforzheim in Eigenregie durchführen. Für die inhaltliche Konzeptentwicklung und die spätere Prognose der Flächenentwicklung sind der Zukunfts-Workshop, der Status-Quo-Workshop und die Integration der Planung, insbesondere das Leitbild und die Programmierung der Innenstadt evident und im Folgenden näher zu betrachten. 5.3 Zukunfts-Workshop mit Händler und Gastronomen 5.3.1 Ziel und Ableitung von Handlungsfeldern Übergreifendes Ziel des Zukunfts-Workshops mit Händlern und Gastronomen ist, langfristig die Besuchsfrequenz und damit den Umsatz in der Innenstadt von Pforzheim zu erhöhen. Dabei tragen folgende vier Teilziele wesentlich dazu bei: Angebot verbessern (den Umfang und die Qualität des bestehenden Angebots in Handel und Gastronomie verbessern) Unterhaltungswert der Innenstadt erhöhen (die Stadt lebendig, abwechslungsreich und frisch gestalten) Einkaufskomfort in der Innenstadt erhöhen (Ruheplätze, kurze Wege schaffen und die Digitalisierung des Einkaufs zum Nutzen der Kunden) Image und Bekanntheit verbessern (neuer Anstrich, stolze Pforzheimer Bürger und Attraktivität der Stadt erhöhen) Neben der Operationalisierung von Zielen galt es, eine Auswahl (vgl. Abbildung 11) von Handlungsfeldern zur Bearbeitung im Workshop zu definieren. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 59 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 11: Handlungsfelder zukünftige Ideen Quelle: Eigene Darstellung Es bleibt festzuhalten, dass Auswahl und Definition der Handlungsfelder auf einer Synthese der im Masterplan formulierten Leitsätze 10 und 11, der in Pforzheim vermeintlich meist vertretenen Kundentypologien und den sechs definierten Themenfeldern im Rahmen der Leitbild- und Nutzungskonzeptentwicklung beruhen. Die in Kapitel 4 bereits erläuterten Rahmenbedingungen und zukünftigen Trends des Einzelhandels und der Gastronomie dienen als Einstieg in den Prozess der gemeinsamen Ideengenerierung entlang der definierten Handlungsfelder. Die beteiligten Händler und Gastronomen haben, aufgrund mehrmaliger Rückfragen im Nachgang des Workshops, eine Dokumentation der präsentierten Trends erhalten. Auch im Rahmen der Maßnahmen und Empfehlungen (vgl. Kap. 5.6) werden diese Entwicklungen in Einzelhandel und Gastronomie zur Veranschaulichung nochmals aufgegriffen. 5.3.2 Vorgehen und Ideengenerierung in den Handlungsfeldern Der Impulsvortrag, die Operationalisierung des Zielsystems und die konkreten Fragestellungen in den Handlungsfeldern wurden von einem Moderator begleitet. Es wurden Gruppen von 11-12 Personen je Handlungsfeld gebildet und innerhalb von ca. 20 Minuten bearbeitet. Die Gruppen rotierten durch die drei Themenfelder und der jeweilige Moderator fasste die Ergebnisse der Vorgängergruppe kurz zusammen, damit diese einen weiteren Impuls für kreative Lösungen erhielten. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 60 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Im Ergebnis konnten im Handlungsfeld 1: Online- und Offline-Handel verbinden 19 Ideen aus dem offenen Brainstorming und 30 Ideen aus der Reizwortanalyse, Handlungsfeld 2: Erlebnis Einkauf gestalten 36 Ideen aus dem offenen Brainstorming und 38 Ideen aus der Reizwortanalyse, Handlungsfeld 3: Vielfalt und Gemeinschaft fördern 31 Ideen aus dem offenen Brainstorming und 39 Ideen aus der Reizwortanalyse generiert werden. Diese insgesamt 193 Ideen wurden dokumentiert, im Abschlussplenum vorgestellt und diskutiert sowie später mit den Ideen des Ideen-Jam-Prozesses kombiniert. Der Schritt der verzögerten Ideenbewertung und Ideenpatenfindung war sinnvoll, da viele der beteiligten Händler und Gastronomen auch am Ideen-Jam-Prozess beteiligt waren. 5.3.3 Input aus dem Ideen-Jam-Prozess und Ideenkonsolidierung Auf Ziel, Vorgehen und Ergebnis des parallel laufenden Ideen-Jam-Prozesses soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Die Moderation und Dokumentation erfolgte durch Brainstore und wurde allen Teilnehmern zugängig gemacht. Zu berücksichtigen sind an dieser Stelle die Impulse und Ideen, welche von Personen, die keine Händler oder Gastronomen sind, eingebracht wurden. Des Weiteren war es wichtig, zu erfahren, welche weiteren Ideen es zur generellen konzeptionellen Nutzung der Pforzheimer Innenstadt aus Sicht engagierter Bürger gibt. Über 70 Teilnehmer aus Pforzheim entwickelten im Ideen-Jam-Prozess in mehreren Kreativschleifen über 1.000 Rohideen zur Fragestellung Wie wird die Innenstadt von Pforzheim unwiderstehlich?. Am Ende der Ideenkonkretisierung standen rund 300 konkrete Ideen, welche nochmals zu 63 Ideen konsolidiert und von den Teilnehmern bewertet wurden. Diese Ideen wurden durch VEND mit den 193 Ideen des Zukunfts-Workshops mit Handel und Gastronomie zu folgenden zehn Ideenfeldern vereinigt (vgl. Abbildung 12). Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Ideen ist aus der Dokumentation des Zukunfts- Workshops zu entnehmen. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 61 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 12: Ideenfelder Quelle: Eigene Darstellung Die Operationalisierung und Beschreibung der 10 Ideenfelder erfolgte sowohl grafisch als auch textlich über ein Online-Befragungs-Tool, mit welchem letztlich die anstehende Ideenbewertung durch beteiligte Händler und Gastronomen durchgeführt wurde. 5.3.4 Ideenbewertung und Ergebnisse An der Ideenbewertung haben insgesamt 15 der am Zukunfts-Workshop beteiligten Händler und Gastronomen teilgenommen. In der Befragung wurden die zehn identifizierten Ideenfelder hinsichtlich Zielbeitrag und Aufwand bewertet (vgl. Abbildung 13). Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 62 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 13: Ideenbewertung Quelle: Eigene Darstellung Zur Ermittlung des durchschnittlichen Zielbeitrags wurde ein gewichteter Mittelwert errechnet, der sich aus der Bedeutung, der in Abschnitt 5.2.1 definierten Teilziele und der jeweiligen Einschätzung des Ideenfelds ergibt. Die befragten Personen sind der Auffassung, dass, im Rahmen der langfristigen Erhöhung von Besuchsfrequenz und Umsatz der Innenstadt, es am bedeutendsten ist, das Angebot im Umfang und Qualität (33 von 100 Pkt.) zu verbessern. Es folgen die Teilziele Erhöhung des Unterhaltungswertes der Innenstadt (26 von 100 Pkt.) und Verbesserung des Einkaufskomforts (25 von 100 Pkt.). Dem Teilziel Verbesserung von Image und Bekanntheit messen die Befragten weniger Bedeutung zu (16 von 100 Pkt.). Nach Auswertung der einzelnen Teilnehmerfeedbacks ergibt sich das in Abbildung 14 dargestellte Ideenportfolio. Die Dimensionierung der einzelnen Kreise spiegelt die Bedeutung des Ideenfelds für die tatsächlichen Endkunden aus Sicht der Händler und Gastronomen wider. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 63 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 14: Ideenportfolio Quelle: Eigene Darstellung Bei vielen der in den bewerteten Ideenfeldern zusammengefassten Ideen handelt es sich um Maßnahmen, welche vom Handel und Gastronomie in Eigenregie bzw. im Verbund verwirklicht werden können. Die Koordination bzw. die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen obliegt aber der Stadt (z. B. Flächen neu zu organisieren, schnelles und kostengünstiges Internet zu ermöglichen oder die Zusammenarbeit einzelner Händler, Gastronomen und Immobilieneigentümer zu koordinieren). Um die positive Grundstimmung unter Händlern und Gastronomen beizubehalten, empfiehlt es sich, Quick-Wins zu forcieren und damit Ideenfelder zu priorisieren, die mit vermeintlich geringem Aufwand einen hohen Zielbeitrag versprechen. Parallel dazu sollte die Planung der Ideenfelder, welche nach Einschätzung der Stakeholder den höchsten Zielbeitrag liefern, beginnen. Im Folgenden werden die drei wichtigsten Quick-Wins und die drei Ideenfelder, welchen den meisten Erfolg versprechen, dargestellt. Quick-Win 1: Pforzheim ist Web 2.0 Ziel ist es, in digitaler Form Anreize zu setzen, welche dazu einladen, Pforzheim in der offline Welt zu erleben. Selbst die großen Betreiber von Einkaufszentren wie ECE in Hamburg und Essen setzen schon heute auf Apps für mobile Endgeräte. Diese informieren zum Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 64 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Beispiel den Kunden beim Eintritt in die Shopping-Mall über Neuigkeiten aus den Läden, Rabattaktionen sowie über Gewinnspiele. Was in einer Shopping-Mall funktioniert, kann durchaus auch für eine gesamte Einkaufsinnenstadt funktionieren, zumal mit dem offenen WLAN Pforzheim eine wichtige Voraussetzung für einen schnellen Internetzugang gesetzt wurde, eine ausbaufähige Pforzheim App vorhanden ist und kompetente Partner in Pforzheim sitzen. Weitere Ideen, die im Rahmen dieses Ideenfeldes erkannt wurden, sind: Pforzheimer Shopping Navigator oder Online-Preisausschreiben sollten die Innenstadt digital beleben Pforzheim App/Portal entwickeln bzw. erweitern mit Stadtführungen, Online Rallys bzw. zielgruppengerechte Touren durch Pforzheim (z. B. Online Wegweiser 111, Geocaching, Shopping-Guide etc.) Gut vermarktete Online Pforzheim-Gewinnspiele anbieten mit Preisen wie kostenloses Parken, freier Museumseintritt oder Rabatte für Handel und Gastronomie Fotowettbewerb Die schönsten Plätze Pforzheims ausschreiben und in Online Gruppe diskutieren und bewerten Weitere Facebook Gruppe(n) einrichten mit exklusiven, multimedialen und authentischen Inhalten, sodass die Inhalte kommentiert, geliked und geshared werden (z. B. aktuelle Veranstaltungen und spontane Motto-Treffen Flashmob ) Quick-Win 2: Pforzheim kann ich nur empfehlen Ziel ist es, Handel und Gastronomie der Stadt Pforzheim online zu vernetzen und dafür zu sorgen, dass gegenseitige Empfehlungen ausgesprochen werden. Gerade unter dem Eigentümer geführten Einzelhandel und Gastronomen soll es on- und offline Kampagnen der aktiven Empfehlung geben. Ein weiterer Punkt ist auch die Empfehlung der Stadt Pforzheim als solche. Denkbar ist ein Portal, in dem Besucher eingeladen werden, die Qualität der Innenstadt Pforzheim zu bewerten. Weitere Ideen sind: Onlinebewertung von Handel und Gastronomie als Belohnung für eine Bewertung gibt es Rabatte oder Gutscheine (z. B. Gratis Parkscheine) Gemeinsamer Newsletter oder Push-Mitteilungen versenden, in denen Events, tagesaktuelle Aktionen, Rabatte etc. beworben werden Pforzheim-Card für Jung und Alt z.b. in Form eines Schlüsselanhängers - Kundenkarte für Pforzheim-Shopper. Bonuspunkte können gesammelt werden und mit attraktiven Angeboten aus Gastronomie und Handel belohnt werden 111 Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung eines Online Wegweisers ist die App der Stadt Biberach (www.bc-app.de) Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 65 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Empfehlungsmarketingaktionen online und mobil für ausgewählte Zielgruppen durchführen (z. B. Schüler, Studenten, junge Familien empfehlen) Quick-Win 3: Pforzheim packt an Ziel ist es, die Pforzheimer Identität und die soziale Verantwortung zu stärken. Eine starke Gemeinschaft hilft dabei, dass alle die Ärmel hochkrempeln und neuen Schwung in die Innenstadt bringen. Eigeninitiative sollte durch Stadt und Verwaltung positiv begleitet werden. Konkrete Ideen sind: Bürger könnten sich mehr einbringen, z. B. durch gemeinsames Aufräumen in der Innenstadt, in einem Fassadenwettbewerb oder als Paten für Blumenbeete und Bäume Social Sponsoring kann die knappe Kasse der Stadt entlasten (z. B. Bänke stiften) Ein positives Gefühl zur Stadt vermitteln, z. B. das Aufstellen einer Plakatwand mit Fotos von Bürgern oder schönen und geheimen Plätzen in Pforzheim Ein organisierter Treffpunkt (z. B. in der alten Fabrik) kann als Identifikationsprojekt der Bürger dienen Identität: Eine gemeinsame Laola-Welle der Pforzheimer auf dem Innenstadtring stärkt die Gemeinschaft Erfolgstreiber 1: Pforzheim schöner gestalten Erfolgstreiber Nummer 1, der aus Sicht der Händler und Gastronomen auch für die Bürger und Besucher Pforzheims am bedeutendsten ist, steht in Verbindung mit dem nicht ganz einfachen Ziel, Pforzheim schöner zu gestalten. Das Motto lautet: Begrünen statt betonieren, Farbe statt Grau, Leben statt Lethargie. Die Innenstadt von Pforzheim sollte lebendiger, aufregender und frischer gestaltet werden. Ein neuer Anstrich für die Pforzheimer Innenstadt durch Aktionen wie z. B.: Fassaden sollten aufgewertet werden und dazu sollte es einen Wettbewerb geben, analog zu diesem Projekt sollte ein Farbkonzept für die gesamte Innenstadt überlegt werden und eine freiwillige Richtlinie zur Schaufenstergestaltung entstehen Kurzzeitgalerien von Designstudenten könnten leer stehende Läden beleben (z. B. könnte im SinnLeffers Gebäude in jeder Etage ein Jahrzehnt ausgestellt werden) (Mehr) Spielplätze in der Innenstadt sowie Spielstraßen in der Fußgängerzone würden Leben in die Stadt bringen Begrünte Flächen (auch auf Dächern) oder Urban Gardening sehen nicht nur gut aus, sondern sind auch gesund Bäume, Beete und Wiesen können gezielt farbliche Akzente setzen und den Wohlfühlfaktor verstärken Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 66 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Erfolgstreiber 2: Pforzheim bietet Events Ziel ist es, Kunden und potenziellen Kunden Unterhaltung und Einkaufserlebnisse zu bieten. Events begeistern und bringen frischen Wind in eine Innenstadt. Dabei gibt es viele Möglichkeiten: Ob bodenständig oder piekfein, modern oder klassisch, für jeden Bürger und Besucher sollte in Abhängigkeit von Saison und Zielgruppenerwartung etwas dabei sein. Der richtige Mix ist entscheidend und könnte wie folgt aussehen: Moderne Events ziehen die Leute an, z. B. ein Open-Air Kinofestival oder ein großflächiger Stadtstrand, vielleicht sogar mit einer Bikini-Modenschau Schicker sind Musik- oder Kulturevents (z. B. am Rathausplatz, ein roter Teppich vom Bahnhof zum Marktplatz könnte Aufmerksamkeit erregen) Man könnte regelmäßige und wechselnde Events zu einer Tradition der Stadt machen ein Apfelblütenfest oder eine Grillmeisterschaft sind vielleicht Anknüpfungspunkte Ein erster Schritt für mehr Leben in der Innenstadt wären längere Öffnungszeiten im Freien und mehr Raum für Studenten und Jugendliche, die sich auch selbst organisieren Erfolgstreiber 3: Pforzheim schafft Shoppingwelten Der Vorschlag, Shoppingwelten zu schaffen steht in engem Zusammenhang mit einem generellen Programm für die Innenstadt und Bedarf teilweise auch einer räumlichen Reorganisation. Generelles Ziel ist es, neue und moderne Shopping-Angebote für Kunden sowie für potentielle Kunden zu schaffen. Eine größere und modernere Angebotsvielfalt hebt das Interesse und den Nutzen für die Kundschaft in der Innenstadt und lockt neue Besucher aus dem Umland. Folgende Ideen wurden in diesem Zusammenhang geäußert: Design-Boutiquen könnten im östlichen Teil der Fußgängerzone einen guten Platz finden Erlebnisgastronomie in der Innenstadt schafft neue Reize Ein Flößermarkt auf der Enz wäre eine ganz neue Form des Einkaufens Ein internationales Einkaufszentrum mit Geschäften und Läden aus aller Welt könnte viele Besucher und Kunden in die Innenstadt locken Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 67 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Übergeordnete Ziele sind, das Angebot der Innenstadt in Umfang und Qualität zu verbessern, den Unterhaltungswert und Einkaufskomfort der Innenstadt zu erhöhen und das Image und die Bekanntheit von Pforzheim zu verbessern. Aufbauend auf der durchweg proaktiven und positiven Stimmung der beteiligten Einzelhändler, gilt es nun nach der Ideensammlung und -bewertung rasch und koordiniert mit der Ideenausarbeitung und -umsetzung zu beginnen. Ein integrativer Ansatz, der in der Ausarbeitung der Ideen Bürgermeinungen berücksichtigt, erhöht die spätere Akzeptanz. Bei vielen der in den bewerteten Ideenfeldern zusammengefassten Ideen handelt es sich um Maßnahmen, welche vom Handel und Gastronomie in Eigenregie bzw. im Verbund verwirklicht werden können. Ohne eine koordinierende Stelle wie z.b. dem WSP, welcher für Händler und Gastronomen auch Anreize setzt, wird sich höchstwahrscheinlich keine Eigendynamik unter Händler und Gastronomen entwickeln. Empfohlen wird, mit den vorgeschlagenen Ideenfeldern Pforzheim ist Web 2.0, Pforzheim kann ich nur empfehlen und Pforzheim packt an zu starten. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 68 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept 5.4 Status-Quo-Workshop mit Händler und Gastronomen 5.4.1 Ziel und Vorgehen Zur Identifikation von aktuellen Problemen und Herausforderungen waren erneut Vertreter von Handel und Gastronomie der Pforzheimer Innenstadt zu einem zweiten Workshop eingeladen. Im Rahmen dieses Workshops wurden mit ca. 23 Beteiligten zunächst akute Probleme und Herausforderungen identifiziert. Nach dieser Problemsammlung erfolgte eine Kategorisierung und Bewertung der Probleme, sodass sich nach diesem Prozess die Top 3 Handlungsfelder ableiten ließen. Hierzu wurden in einem letzten Schritt konkrete Lösungsvorschläge und Ideen/Maßnahmen zur Verbesserung der IST-Situation erarbeitet. Ziel war es, Händler und Gastronomen sozusagen im Alltag abzuholen, Problemfelder aufzudecken und gemeinsam mit den betroffenen Parteien Lösungen zu erarbeiten. Eine derartige Einbeziehung der Stakeholder im Rahmen der integrativen Konzeptentwicklung sollte auch zu mehr Identifikation und Akzeptanz für einen zu verabschiedenden Rahmenplan der Innenstadtentwicklung führen. 5.4.2 Identifikation von Handlungsfeldern und Problemausarbeitung Die Problemsammlung erfolgte durch ein Brainwriting (Aufschreiben der eigenen Punkte auf Metaplankarten ohne den aktiven Austausch in der Gruppe) der einzelnen Teilnehmer. Hierbei wurden unabhängig voneinander etwa 40 Probleme benannt. Auf Grundlage dessen, konnten zehn Kategorien gebildet werden, welche alle erwähnten Probleme umfassten. In der nachfolgenden Auflistung sind die Kategorien mit jeweils mindestens drei zugeordneten Nennungen kurz beschrieben, die jedoch nicht die Bedeutung der Probleme widerspiegeln: Mangelnde Verkehrsinfrastruktur, bspw.: - Anfahrt zur Innenstadt - Busverkehr am Leopoldplatz - Hohe Parkgebühren Unfreundliche Innenstadt - Bauliche Sanierungen im Stadtbild (Fassaden) - Fehlende Sitzgelegenheiten / Verweilzonen - Attraktive Ladengeschäfte fehlen Verteilte Innenstadt - Trennung durch die Enz und durch die Zerrennerstraße Kein Leben in der Stadt - Zu wenig Besucher aus dem Umland - Wenig belebte Abende Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 69 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Verschmutzung - Mangelnde Sauberkeit Auf die Konsolidierung der Probleme folgte deren Bewertung (Verteilen von je drei Klebepunkten) nach der eingeschätzten Wichtigkeit der Problemlösung. Abbildung 15 zeigt die Rangfolge nach Wichtigkeit. Für die drei Probleme mit der höchsten Relevanz sollen im Folgenden konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Abbildung 15: Problemfelder der Pforzheimer Innenstadt Quelle: Eigene Darstellung Nachfolgend wurden die Probleme Verkehrsinfrastruktur, unfreundliche Innenstadt und verteilte Innenstadt diskutiert. Zunächst erfolgte in den drei Gruppen nochmals gemeinsam die klare Ausarbeitung der IST-Situation und deren Ursachen. In Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur wurden vor allem planerische Aspekte kritisch dargelegt. Den wichtigsten Ansatzpunkt hierbei stellt die Verkehrsführung dar. Einerseits ist die indirekte Verkehrsführung durch mobile Navigationsgeräte und andererseits die direkte Verkehrsführung durch die Beschilderung zu nennen, welche die Innenstadt durch hohes Verkehrsaufkommen (Durchfahrten) unnötig belastet. Bezüglich der letztgenannten Situation fallen bspw. ein veraltetes Parkleitsystem und eine schlechte Ausschilderung am Bahnhof auf. Zudem fehlt es teilweise an strukturellen Voraussetzungen wie Radwegen und Stellplätzen für Wohnmobile. Insgesamt sollte jedoch die Schaffung von Parkplätzen Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 70 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept mit günstigen Gebühren unterstützt werden, um vor allem in Spitzenzeiten Besuchern die Möglichkeit zum Abstellen ihres PKWs zu bieten. Das Image der unfreundlichen Innenstadt kommt primär durch ein unschönes Erscheinungsbild zustande. Hierbei finden sich als negative Einflussfaktoren verunreinigte Fassaden, schlechte bauliche Zustände von Vordächern und Werbeflächen, wie auch ein zu hoher Grad an Verschmutzung wieder. Zudem wirken das ständige Durchfahren von Lieferverkehr und der lange Aufenthalt von Bussen am Leopoldplatz als störend. In den Abendstunden könnte eine bessere Beleuchtung der Innenstadt für ein angenehmeres Flair sorgen. Am Tag fehlt es sowohl an einer ordnenden Hand, als auch an Sitzgelegenheiten, die ein Wohlseins-Gefühl in der Stadt erzeugen. Dies geht einher mit einem wenig belebten Marktplatz. Die Beteiligten des Workshops sehen dabei Handlungsbedarf seitens der Stadt, und zwar durch eine verbesserte Koordination und das zur Verfügung stellen von finanziellen Mitteln. Die verteilte Innenstadt Pforzheims ist ein strukturelles Problem, welches sich u. a. aufgrund fehlender zentraler Steuerungen ergeben hat. Verstärkend wirken hierbei die Lage der Zerrennerstraße und der Durchlauf der Enz, welche zu einer Abtrennung der südlichen Innenstadt (z. B. des Sedanplatzes) führen. Dies bedingt mitunter, dass A-Lagen nicht erkennbar sind und darüber hinaus Nebenstraßen wenig Attraktivität bieten. 5.4.3 Bewertung von Problemlösungen Aus den zuvor beschriebenen Problemen wurden gemeinsam in den Gruppen konkrete Lösungsansätze bzw. Ideen zur Problemlösung erarbeitet (SOLL-Situation). Die Problemlösungen wurden im Plenum vorgestellt und auf Basis der Kriterien Umsetzungsaufwand und Zielbeitrag durch die Workshop-Teilnehmer bewertet (Negativ/Positiv/Neutral). Die Ergebnisse je Handlungsfeld sind nachstehend in einer entsprechenden Aufwand-Zielbeitrags-Matrix dargestellt. In Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur (vgl. Abbildung16) wurde ein neues Parkleitsystem als effektivstes Mittel zur Verbesserung der Situation gesehen, wenngleich dieses auch mit dem höchsten Aufwand eingeschätzt wird. Die Überarbeitung des Preissystems der bestehenden Parkplätze und etwaige Neuerungen wie Samstagsaktionen auf öffentlichen Parkplätzen, Staffelpreise und über Nacht parken etc. wird mit dem besten Aufwand- Zielbeitrags-Verhältnis bewertet. Weitere Aktionen wie etwa die Verschiebung des Citylaufs, die Installation eines Fahrradweges über die Jörg-Ratgeb-Straße oder das Verbessern der Haltepunkte von Bussen, stiften laut Workshop-Teilnehmer ebenso eine hohe Zielerreichung bei gleichzeitig geringem Aufwand. Weitere Maßnahmen und deren Bewertung können der nachfolgenden Abbildung 16 entnommen werden. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 71 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 16: Aufwand-Zielbeitrag-Matrix zum Handlungsfeld Infrastruktur Quelle: Eigene Darstellung Um das Image einer unfreundlichen Innenstadt (vgl. Abbildung 17) abzulegen, kann vor allem die Schaffung von Sitzmöglichkeiten mit WLAN-Angebot helfen, da diese Maßnahme das beste Aufwand-Zielbeitrags-Verhältnis erreicht und das WLAN Pforzheim bereits etabliert ist. Als ähnlich effektiv werden Regelungen für Lieferverkehr, die Erhöhung der Polizeipräsenz und die Neugestaltung der Abfalleimer angesehen, wenngleich die beiden letztgenannten Maßnahmen mit einem höheren Aufwand einhergehen. Ein relativ geringer Aufwand wird einem Gestaltungskonzept für Marktstände (Buden) und einem Fußgänger-Leitsystem eingeräumt. Weitere Maßnahmen und deren Bewertung können der nachfolgenden Abbildung 17 entnommen werden. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 72 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 17: Aufwand-Zielbeitrag-Matrix zum Handlungsfeld Unfreundliche Innenstadt Quelle: Eigene Darstellung Eine effektive Verbindung der verteilten Innenstadt (vgl. Abbildung 18) Pforzheims kann mittelfristig durch Maßnahmen der Verknüpfung und Belebung der einzelnen Quartiere erfolgen. Dies bringt jedoch den höchsten Aufwand mit sich. Eine bessere Einbindung des Enz-Ufers und eine optimierte Fußgängerführung werden als Lösungsvorschläge mit dem geringsten Aufwand bei gleichzeitig gutem Zielbeitrag eingestuft. Darüber hinaus wird eine Einbindung des Sedanplatzes mit einem ähnlich guten Aufwand-Zielbeitrags-Verhältnis bewertet. Weitere Maßnahmen und deren Bewertung können der nachfolgenden Abbildung 18 entnommen werden. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 73 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Abbildung 18: Aufwand-Zielbeitrag-Matrix zum Handlungsfeld "verteilte" Innenstadt Quelle: Eigene Darstellung Insgesamt erscheinen über die drei Handlungsfelder hinweg vor allem die folgenden Maßnahmen als diejenigen, mit dem besten Verhältnis von Aufwand und Zielbeitrag: Überarbeitung des Preissystems der bestehenden Parkplätze (Samstagsaktion auf öffentlichen Parkplätzen, Staffelpreise und über Nacht parken) Citylauf an einem Sonntag Sitzmöglichkeiten mit WLAN-Angebot Gestaltungskonzept für Buden an Märkten Bessere Fußgängerführung Bessere Einbindung des Flussufers Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 74 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept Die identifizierten Problemfelder Verkehrsinfrastruktur, Unfreundliche Innenstadt und Verteilte Innenstadt korrespondieren insbesondere mit den definierten Zielen Unterhaltungswert, Einkaufskomfort und Image der Innenstadt Pforzheims zu verbessern. Die Problemfelder Verkehrsinfrastruktur (vgl. Topp, Hartmut u.a.) als auch Verteilte Innenstadt (vgl. Planungen zur Innenstadtentwicklung Ost, Umbaumaßnahmen Zerrennerstraße etc.) werden bereits aktiv von der Stadtplanung bearbeitet. Hinzu kommen ergänzende Aspekte wie ein neues Parkleitsystem oder eine verbesserte Fußgängerführung. Im Problemfeld Unfreundliche Innenstadt versprechen attraktive Sitzmöglichkeiten mit WLAN-Angebot, neugestaltete einheitliche Abfalleimer und die Erhöhung der Polizeipräsenz die höchsten Erfolge. In puncto Fassadenwettbewerb, Richtlinien für Außenwerbung und Gestaltungskonzept für Marktbuden und Bühnen gilt es, Handel und Gastronomie aktiv zu integrieren. Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 75 von 124

Integrativ entwickeltes Handelskonzept 5.5 Integration Planung 5.5.1 Prämissen des Ideen-Jam-Prozesses / Verkehrskonzept Innenstadt Pforzheim 2013 Im Rahmen des Ideen-Jam-Prozesses wurden insgesamt 17 Ideen herausgearbeitet. Der Prozess beinhaltete das Sammeln von Rohideen, das Konkretisieren der Ideen, das Bewerten und schließlich die Auswahl, der als zur Umsetzung am geeignetsten erachteten Ideen. Auch hier wurde eine konstruktive Integration und Mitbestimmung der Pforzheimer Bürger erreicht, woraus sich bzgl. der späteren Umsetzungsphase eine höhere Akzeptanz der Veränderungen prognostizieren lässt. Die gesammelten, bewerteten, konkretisierten und ausgewählten Ideen sind im letzten Schritt des Ideen-Jam-Prozesses in eine zeitliche Reihenfolge überführt worden. Abbildung 19: Die 17 Ideen als Ergebnis des Ideen-Jam-Prozesses Quelle: Eigene Darstellung Insgesamt geht aus dem Ideen-Jam-Prozess hervor, dass die Schaffung einer autofreien Zone am Schlossberg als elementarer Bestandteil gesehen wird, um die weitere Innenstadtentwicklung voranzutreiben. Des Weiteren sind Ideen zur Stärkung der Lebendigkeit von Innenstädten Wohnraum schaffen am Schlossberg und Wohnen, Arbeiten, Sein An einem Ort neben dem Annähern an die Natur von besonderer Bedeutung. Weiterhin spielt die Umgestaltung der Zerrennerstraße eine zentrale Rolle. Innerhalb dessen sind die Veränderung der Verkehrssituation und die Schaffung eines Stadtboulevards im Fokus. Neben diesen übergeordneten zentralen Themen sieht das Verkehrskonzept Innenstadt Pforzheim 2013 eine weitere zentrale Maßnahme zur Verbindung der Innenstadt und zur Steigerung der Aufenthaltsqualität vor. Dies umfasst die Verschlankung des Busbetriebes Einzelhandelskonzept für die Pforzheimer Einkaufsinnenstadt Seite 76 von 124