Compliance Manual. 2. Auflage 2nd Edition



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Transkript:

Compliance Manual 2. Auflage 2nd Edition

Der Grundsatz einer ethischen Geschäftsführung sowie die Einhaltung sämtlicher Gesetze, einschließlich der Antikorruptionsgesetze und des Kartellrechts, ist für die Geschäftsführungen der Prym-Gruppe unumstößliches Prinzip. Im Vertrauen auf das Engagement unserer Mitarbeiter und auf die Güte unserer Produkte bekennen wir uns zu den Grundsätzen der freien Märkte und des fairen Wettbewerbs und zu unserer Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern. Verstöße gegen diese Grundsätze werden nicht toleriert und mit aller Konsequenz sanktioniert. Andreas Engelhardt Jörg Fischer Klaus Hilgert Siegfried Kübler Dr. Andreas Pleßke Impressum Imprint William Prym Holding GmbH Zweifaller Straße 130 D-52224 Stolberg Tel. +49 24 02 / 14-01 Fax +49 24 02 / 14-29 19 info@prym.com www.prym.com Seite 3 50 Page 51 100 Prym Group Compliance Programme 3

Ethische Geschäftsführung Prym ist ein weltweit operierendes, dynamisches Unternehmen, dessen Erfolg im Wettbewerb auf der Qualität, Leistungsfähigkeit und Vermarktung seiner Produkte und insbesondere dem Einsatz seiner Mitarbeiter beruht. Wir bekennen uns daher ohne jeden Vorbehalt zu den Grundsätzen einer ethischen Geschäftsführung. Die Einhaltung aller gesetzlichen Regelungen, einschließlich der Antikorruptionsgesetze sowie des Kartellrechts, in allen Ländern, in denen Prym-Produkte hergestellt oder vertrieben werden, ist daher wesentlicher Bestandteil der Unternehmenspolitik von Prym. Rechtsverstöße können die Reputation eines Unternehmens in der Öffentlichkeit dauerhaft beschädigen und dramatische finanzielle Konsequenzen für das Unternehmen haben. Prym erwartet deshalb von allen Mitarbeitern, dass sie sich, wo immer sie tätig sind, an alle anwendbaren rechtlichen Regeln halten. Diese Mitarbeiter sind in ihrem Aufgabenbereich für die Einhaltung dieser Regeln persönlich verantwortlich. Sie müssen sich deshalb mit den wichtigsten Regelungen vertraut machen. Hierzu gehören unter anderem neben den wettbewerbsrechtlichen Regelungen auch die Gesetze zur Bekämpfung von Korruption. Zu beiden Rechtsgebieten finden Sie in diesem Compliance Manual Informationen, mit deren Hilfe Sie Rechtsverstöße vermeiden und Zweifelsfälle erkennen können, in denen Sie Beratung beim Group Compliance Officer suchen müssen. Sowohl Kartellverstöße als auch Verstöße gegen Antikorruptionsregelungen sind nicht nur für das Unternehmen schädlich, sie lohnen sich auch für den einzelnen Mitarbeiter nicht. Jede Beteiligung daran kann, unabhängig von der Position im Unternehmen, zu persönlichen Sanktionen führen, von der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz bis hin zur eigenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Form von Bußgeldern oder Freiheitsstrafen. Prym wird unter keinen Umständen dulden, dass sich Mitarbeiter an Kartellverstößen oder Verstößen gegen andere Gesetze beteiligen. Jeder Mitarbeiter, der gesetzliche Regeln nicht einhält, muss daher mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung rechnen. Der vorliegende Leitfaden wendet sich an die Geschäftsführungen und die folgenden Mitarbeiter aller Prym-Gesellschaften weltweit: Geschäftsführung und Leitende Angestellte Mitarbeiter auf allen Stufen des Einkaufs des Vertriebs und des Exports Mitarbeiter des Marketings Mitarbeiter aus dem Bereich Forschung und Entwicklung Mitarbeiter aus dem Bereich Finanzen und Controlling Er soll dabei helfen, Rechtsverstöße zu vermeiden und rechtliche Probleme zu erkennen, um rechtzeitig Rat einzuholen. Er fasst die wesentlichen Grundsätze des Antikorruptionsrechts sowie des Kartellrechts zusammen, und enthält die für alle Mitarbeiter weltweit verbindlichen Verhaltensregeln. Die operativen Geschäftseinheiten sind aufgefordert, diesen Leitfaden in ihrem Verantwortungsbereich bekannt zu machen und im Rahmen der Führungsverantwortung sicher zu stellen, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Bitte nehmen Sie sich die Zeit, diesen Leitfaden sorgfältig durchzuarbeiten. Für Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Stolberg, im Januar 2011 Tim Fischer, Group Compliance Officer Fon: +49 (0) 2402 14 2459, Fax: +49 (0) 2402 14 2911 E-Mail: tim.fischer@prym.com 4 Prym Group Compliance Programme 5

Inhalt Antikorruption 8 A Einführung 8 B Handlungsanweisungen 10 Kartellrecht 14 A Wichtige Grundregeln des Kartellrechts 14 B Folgen von Kartellrechtsverstößen 16 1. Geldbußen gegen das Unternehmen 16 2. Image- und Wertverlust 18 3. Folgen für Mitarbeiter 18 4. Schadensersatzansprüche 19 5. Unwirksamkeit von Vereinbarungen 19 6. Durchsuchungen / Zwangsmaßnahmen 20 7. Kosten 20 C Kronzeugenregelungen 22 D Umgang mit Wettbewerbern ( Horizontale Absprachen ) 24 I. Vereinbarungen und Verhaltensabstimmungen 24 II. Stets verbotene Vereinbarungen 26 1. Preisabsprachen 26 2. Vereinbarungen über vertragliche Konditionen 27 3. Marktaufteilungen 27 4. Boykottmaßnahmen 27 5. Kapazitätsvereinbarungen 27 6. Absprachen in Ausschreibungsverfahren ( Submissionsabsprachen ) 28 III. Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern 28 IV. Eingeschränkt erlaubte Formen der Zusammenarbeit mit Wettbewerbern 29 E Umgang mit Abnehmern und Lieferanten ( Vertikale Vereinbarungen ) 32 I. Vertikale Preis- und Konditionenbindungen 32 II. Beschränkungen des Weiterverkaufs 34 III. Ausschließlichkeitsbindungen 35 1. Alleinbezugsvereinbarungen 36 2. Alleinvertriebsvereinbarungen 37 3. Alleinbelieferungsvereinbarungen 37 4. Selektive Vertriebssysteme 38 IV. Geistiges Eigentum 38 F Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 39 I. Marktbeherrschende Stellung 39 II. Missbräuchliche Verhaltensweisen 40 1. Preise 41 2. Preisdiskriminierung 41 3. Treuerabatte 42 4. Liefersperre, Sortimentsabhängigkeit 43 5. Ausschließlichkeitsbindungen 43 6. Kopplung 44 G Verhalten in Verbänden und sonstigen Unternehmensvereinigungen 45 H Interner und externer Schriftwechsel 47 I Hinweise zum Verhalten bei Durchsuchungen durch die Europäische Kommission oder das Bundeskartellamt 49 6 Prym Group Compliance Programme 7

Antikorruption Hinweis: Dieser Leitfaden stellt keine vollständige oder abschließende Darstellung der behandelten Rechtsgebiete dar. In Zweifelsfällen ist stets der Group Compliance Officer zu kontaktieren. A Einführung Korruption ist ein weit verbreitetes und in allen Branchen auftretendes Problem. Unter dem Begriff lassen sich alle Verhaltensweisen zusammenfassen, die zum Ziel haben, in bestimmter Weise Einfluss auf Entscheidungen oder Handlungen im Geschäftsverkehr zu nehmen. Dabei besteht der Einfluss in der Gewährung von Vorteilen an eine einzelne Person oder eine Gruppe von Personen, auf die diese Personen keinen Anspruch haben und die sie in einen Interessenkonflikt bringen. Ein Vorteil kann dabei jede Art von Zuwendung mit einem wirtschaftlichen Wert sein, wie z.b. Geldzahlungen, Sachleistungen, Dienstleistungen, aber auch solche Zuwendungen, die nur einen Prestigegewinn mit sich bringen, wie z.b. die Nennung in einer Publikation, oder Auszeichnungen. Klassisches Beispiel ist die Bestechung bzw. Bestechlichkeit, z.b.: Die Geldzahlung an einen Beamten, um eine bestimmte Entscheidung zu erreichen, die Annahme von Geschenken, um einen bestimmten Lieferanten auch in Zukunft zu beauftragen oder der Besuch teurer Restaurants oder die Einladung auf exklusive Veranstaltungen oder Reisen, um eine bestimmte Kaufentscheidung zu begünstigen. Kennzeichnend ist dabei immer, dass die bestochene Person bei der bezweckten Handlung nicht das ihr obliegende pflichtgemäße Ermessen ausüben soll, sondern gerade durch sachfremde Erwägungen, nämlich durch die Zuwendung, in ihrer Entscheidung beeinflusst werden soll. So hat z.b. der Einkäufer eines Unternehmens gegenüber seinem Arbeitgeber die Verpflichtung, sich bei seinen Entscheidungen ausschließlich von objektiven, im Interesse des Arbeitgebers liegenden Kriterien zu orientieren (z.b. Preis, Qualität, Lieferzeiten usw.). Seine eigenen Interessen dürfen keine Rolle spielen. Diese unabhängige Entscheidung wird aber gerade bei der Bestechung korrumpiert. Hier liegt im Übrigen auch der Unterschied zwischen der Bestechung und anderen, zulässigen Maßnahmen, die auf eine positive Entscheidung hinwirken sollen, wie z.b. die Gewährung von Rabatten, Jahresendvergütungen oder Zugaben: Diese Vorteile kommen dem Arbeitgeber des Einkäufers zu Gute und liegen somit in seinem objektiven Interesse. Korruption ist in nahezu allen nationalen Rechtsordnungen unter Strafe gestellt. Die Bandbreite der Sanktionen reicht dabei von der Geldstrafe bis zu z.t. langjährigen Haftstrafen. In jedem Fall sind aber immer die beteiligten Personen direkt strafrechtlich verantwortlich, nicht das Unternehmen. Dem Unternehmen drohen jedoch ebenfalls z.t. empfindliche Bußgelder sowie Schadensersatzforderungen der betroffenen Geschäftspartner. So hat sich z.b. die Siemens AG im Zusammenhang mit der beispiellosen Aufdeckung von Korruptionsfällen mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC sowie der deutschen Staatsanwaltschaft auf Strafzahlungen von insgesamt ca. 1 Milliarde EUR geeinigt. Ihr drohen weitere Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe an die betroffenen Geschäftspartner. 8 Prym Group Compliance Programme 9

Antikorruption B Handlungsanweisungen Zur Vermeidung von Verstößen gegen Antikorruptionsgesetze gelten daher für alle Mitarbeiter der Prym Gruppe die folgenden Regeln: 1. Geld- oder Sachzuwendungen an einzelne Personen oder Gruppen von Personen sind außer halb von schriftlich niedergelegten und legalen Vertragsbeziehungen grundsätzlich verboten. Soweit Zahlungen im Rahmen von zulässigen Vertragsbeziehungen erfolgen, haben sie grundsätzlich unbar sowie unter Nennung eines eindeutigen Verwendungszwecks zu erfolgen. In jedem Fall ist die Zahlung ordnungsgemäß zu dokumentieren und zu verbuchen. 2. Andere Zuwendungen an einzelne Personen oder Gruppen von Personen sind grundsätzlich nur insoweit zulässig, als sie den üblichen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr entsprechen, eine angemessene Wertgrenze nicht übersteigen und unter keinen Umständen dazu geeignet sind, geschäftliche Entscheidungen zu beeinflussen. Vorsicht: Die Staatsanwaltschaften haben zunehmend engere Vorstellungen davon, was den Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr entspricht und was eine angemessene Wertgrenze ist. Im Einzelnen gilt: a) Geburtstagsgeschenke sind zu unterlassen. Allenfalls zu runden Geburtstagen oder zu langjährigen Dienstjubiläen können kleine Aufmerksamkeiten in einem Wert von nicht mehr als 20 EUR erfolgen. b) Geschenke zu Weihnachten oder zu vergleichbaren Anlässen sind zu unterlassen. Die Aufmerksamkeit ist auf eine Karte, eine Email oder einen Anruf zu beschränken. c) Die Kosten für Geschäftsessen dürfen nur in angemessenem Rahmen übernommen werden. Die übernommenen Kosten sollten hierbei im Regelfall einen Wert von 30 EUR pro Person nicht übersteigen. d) Die Kosten für Freizeitaktivitäten dürfen nicht übernommen werden. e) Reisekosten sind nur dann zu übernehmen, wenn die Reise aus geschäftlichen Gründen objektiv gerechtfertigt ist. Hotelkosten sollten je nach örtlichen Gegebenheiten einen Betrag von 100 EUR nicht überschreiten. Reisekosten sind nur in Höhe der Economy Class bzw. 2. Klasse zu übernehmen. Kosten für mitreisende Angehörige dürfen nicht übernommen werden. f) Werbegeschenke dürfen gemacht werden, wenn sie i. einen Wert von 20 EUR nicht überschreiten, ii. im beruflichen Kontext des Empfängers verwendet werden können, und iii. deutlich als Werbegeschenk gekennzeichnet sind (z.b durch Markenaufdruck). Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich auch für Prym von allerhöchster Bedeutung, dass die Mitarbeiter ihre Entscheidungen und ihre Tätigkeit ausschließlich auf Grundlage einer Abwägung der Interessen Pryms vornehmen und sich dabei nicht von sachfremden Aspekten leiten lassen. Es gelten daher in Bezug auf die Annahme von Zuwendungen für alle Prym Mitarbeiter die folgenden Regeln: 1. Persönliche Zuwendungen von Geschäftspartnern, wie z.b. Geschenke zu Geburtstagen, Jubiläen, Weihnachten oder ähnlichen Anlässen, die einen geschätzten Wert von 20 EUR übersteigen, sind höflich und ggf. unter Verweis auf diese Regeln abzulehnen. In Ausnahmefällen, in denen eine Ablehnung nicht möglich ist, weil z.b. eine Übersendung der Zuwendung bereits erfolgt ist, ist die Zuwendung der Geschäftsführung zu melden, die über die weitere Verwendung entscheidet. In jedem Fall ist der entsprechende Geschäftspartner auf die bei Prym geltenden Regeln hinzuweisen und zu bitten, von Zuwendungen künftig abzusehen. 10 Prym Group Compliance Programme 11

Antikorruption B Handlungsanweisungen 2. Bei Geschäftsessen, Freizeitaktivitäten mit Geschäftspartnern und bei Reisekosten ist im Zweifel darauf zu achten, dass der Prym-Mitarbeiter die auf ihn entfallenden Kosten selbst übernimmt. Soweit diese Kosten dienstlich veranlasst sind, werden sie entsprechend den jeweils geltenden Auslagenregelungen von Prym ersetzt. In allen Fällen, in denen ein Abweichen von den in diesem Abschnitt aufgeführten Regeln erfolgen soll, ist die vorherige Zustimmung der jeweiligen Geschäftsführung erforderlich. In Zweifelsfällen wenden sie sich bitte an den Compliance Officer. Sollten es bei der Anwendung dieser Regeln zu vermeintlich unangenehmen Situationen kommen, z.b. weil der Geschäftspartner gewisse Zuwendungen zu erwarten scheint, so gilt die generelle Empfehlung das Thema offen anzusprechen. In aller Regel kennen die Geschäftspartner diese oder ähnliche Regelungen und werden Verständnis für die Zurückhaltung haben. 12 Prym Group Compliance Programme 13

Kartellrecht A Wichtige Grundregeln des Kartellrechts Die kartellrechtliche Beurteilung einzelner Handlungen oder Verhaltensweisen hängt häufig von den Umständen des Einzelfalls ab und kann deshalb schwierig sein. Dennoch gibt es typische Verhaltensweisen, die in aller Regel einen Verstoß darstellen. Verbotene, riskante und erlaubte Verhaltensweisen sind in diesem Abschnitt wie folgt gekennzeichnet: Rote Ampel: Verbotenes Verhalten Abstand nehmen Gelbe Ampel: Riskantes Verhalten, das unter Umständen verboten sein kann; stets vorab den Group Compliance Officer konsultieren. Grüne Ampel: Kartellrechtlich erlaubtes Verhalten. Die Abstimmung zwischen Wettbewerbern ist verboten. Verboten sind alle Arten von Abstimmungen mit Wettbewerbern, die eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs bewirken oder bezwecken. Hierzu zählen zum Beispiel Vereinbarungen über Preise, Angebote, Verkaufsbedingungen, Produktions- oder Absatzquoten oder über die Aufteilung von Abnehmern, Gebieten oder Produktionsprogrammen. Verboten sind nicht nur schriftliche Vereinbarungen, sondern auch sogenannte abgestimmte Verhaltensweisen, informelle Gespräche oder formlose Gentlemen s Agreements, die eine solche Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken können. Jedes Unternehmen muss sein Verhalten am Markt autonom bestimmen (siehe näher hierzu unter D). Die übermäßige Beschränkung von Abnehmern und Lieferanten ist verboten. Der Umgang eines Unternehmens mit seinen Abnehmern und Lieferanten unterliegt ebenfalls kartellrechtlichen Vorschriften. Hierzu zählt insbesondere das Verbot, Abnehmern Beschränkungen bei der Gestaltung der Preise oder der Lieferbeziehungen zu deren Geschäftspartnern aufzuerlegen (geografische, personelle oder sachliche Beschränkungen). Ausschließlichkeitsbindungen zu Lasten von Abnehmern oder Lieferanten dürfen nur innerhalb bestimmter Grenzen vereinbart werden (siehe näher hierzu unter E). Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten. Das Kartellrecht verbietet den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Auf einem Markt, auf dem ein Unternehmen marktbeherrschend ist, gelten für dieses Unternehmen besondere Regeln. Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kann zum Beispiel vorliegen bei unterschiedlicher Behandlung von Abnehmern ohne sachliche Rechtfertigung, bei Rabatten, die eine Treuebindung an das beherrschende Unternehmen bewirken, bei Lieferverweigerungen, Durchsetzen unangemessener Einkaufs- oder Verkaufskonditionen oder bei sogenannten Koppelungsgeschäften (siehe näher hierzu unter F). 14 Prym Group Compliance Programme 15

Kartellrecht B Folgen von Kartellrechtsverstößen Ein Kartellrechtsverstoß kann schwerwiegende Folgen sowohl für das Unternehmen als auch für die beteiligten Mitarbeiter haben. 1. Geldbußen gegen das Unternehmen Kartellbehörden können ganz erhebliche Geldbußen gegen die an einem Kartell beteiligten Unternehmen verhängen. Verstöße gegen das europäische Kartellrecht können mit Geldbußen von bis zu 10 % des Umsatzes geahndet werden. Maßgebend ist hierbei nicht der Umsatz, der in dem von dem Kartellverstoß betroffenen Markt erzielt wurde, sondern vielmehr der Gesamtumsatz des Konzerns. In den letzten Jahren haben die Kartellbehörden weltweit die von ihnen verhängten Geldbußen drastisch erhöht. Geldbußen gegen einzelne Unternehmen in der Höhe von mehreren hundert Mio. EUR/US-Dollar, jüngst sogar bis über eine Milliarde EUR, sind heute keine Seltenheit mehr Tendenz steigend. So wurden in der Vergangenheit beispielsweise die folgenden Bußgelder verhängt: 2001 Vitaminkartell 790 Mio. EUR 2006 Synthetikkautschukkartell 519 Mio. EUR 2007 Aufzugkartell 992 Mio. EUR 2007 Gasisolierte-Schalter 750 Mio. EUR 2008 Autoglas 1.380 Mio. EUR 2008 Paraffinwachs 676 Mio. EUR Zudem haben die Kartellbehörden die Durchsetzung des Kartellrechts insgesamt intensiviert, so dass im Zusammenspiel mit den immer höheren Bußgeldern im Einzelfall durch das Anwachsen der Anzahl der untersuchten Verstöße die Summe der insgesamt verhängten Bußgelder dramatisch angestiegen ist. Bußgelder pro Jahr in Verfahren der Europäischen Kommission: 2004 390 Mio. EUR 2005 683 Mio. EUR 2006 1.846 Mio. EUR 2007 2.017 Mio. EUR 2008 2.271 Mio. EUR Soweit es sich um internationale Kartelle handelt oder soweit sich kartellrechtswidrige Absprachen in mehreren Staaten auswirken, können die Kartellbehörden aller betroffenen Staaten ohne Rücksicht auf eventuell schon woanders erlassene Strafen eigene Geldbußen verhängen. Eine einheitliche Kartellabrede kann daher in mehreren Staaten bestraft werden. Hierfür ist unerheblich, wo die Absprachen stattgefunden haben, entscheidend ist alleine, in welchen Ländern sie sich auswirken (sog. Auswirkungsprinzip ). Wird z. B. eine Abrede in der EU getroffen, die auch Auswirkungen auf den US-amerikanischen Markt hat, können auch die US-amerikanischen Kartellbehörden ein Bußgeld verhängen; umgekehrt berücksichtigen die europäische Behörden nicht, dass ein Kartellverstoß bereits in den USA mit einem Bußgeld belegt wurde. Fazit: Es gibt keinen sicheren Ort für Kartellabsprachen! 16 Prym Group Compliance Programme 17

Kartellrecht B Folgen von Kartellrechtsverstößen 2. Image- und Wertverlust Schon der Verdacht eines Kartellrechtsverstoßes kann auf Grund der negativen Publizität zu einer nachhaltigen Schädigung der Reputation des Unternehmens und in Konsequenz zu Umsatzverlusten führen. Das Risiko, dass das Unternehmen eine hohe Geldbuße zahlen muss, erschwert den Zugang zu Finanzierungsquellen und kann dazu führen, dass notwendige Investitionen zurückgestellt werden müssen. Die Stellung des Unternehmens am Markt und dessen Wert können in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies gilt umso mehr für nachgewiesene Kartellrechtsverstöße. 3. Folgen für Mitarbeiter Zusätzlich zu den Sanktionen gegen das Unternehmen können die Kartellbehörden Geldbußen gegen die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich festsetzen, das deutsche Bundeskartellamt beispielsweise in Höhe von bis zu 500.000 EUR. In einigen Staaten werden Verstöße gegen das Kartellrecht auch strafrechtlich verfolgt, beispielsweise im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Deutschland (für Absprachen bei Ausschreibungen), Kanada und den USA. Dabei reicht es aus, wenn eine Absprache Auswirkungen auf diese Länder hat, d. h. der Verstoß muss nicht dort begangen werden. Amerikanische Gerichte zögern nicht, in diesen Fällen auch gegen Mitarbeiter ausländischer Unternehmen Haftstrafen zu verhängen. In 2006 wurden in den USA in 19 Fällen Freiheitsstrafen wegen der Beteiligung an Kartellverstößen verhängt. Die betroffenen Mitarbeiter müssen zusätzlich zu diesen persönlichen Sanktionen die arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung oder fristlose Kündigung) ihres Verhaltens tragen. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber ggf. Schadensersatzansprüche gegen die Mitarbeiter geltend machen. 4. Schadensersatzansprüche Abnehmer, die durch einen Kartellrechtsverstoß geschädigt wurden, können gegen die an dem Verstoß beteiligten Unternehmen Schadensersatzansprüche erheben. In den USA haben Geschädigte unter Umständen sogar die Möglichkeit, Strafschadensersatz ( treble damages, punitive damages ) einzuklagen, der ein Vielfaches des tatsächlich erlittenen Schadens betragen kann. Doch auch in Europa nimmt das Risiko von Schadensersatzklagen zu. Der deutsche Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadensersatz jüngst vereinfacht. Beispiel: Die Cartel Damage Claims, ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, einzelne Schadensersatzansprüche aus Kartellverstößen gezielt zu erwerben, zu bündeln und vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten der EU durchzusetzen, hat vor dem LG Düsseldorf sechs Zementhersteller auf Schadensersatz in Höhe von ca. 152 Mio. EUR wegen eines Kartells verklagt. Das Bundeskartellamt hatte zuvor gegen die Beklagten bereits ein Bußgeld von insgesamt mehr als 660 Mio. EUR erlassen. 5. Unwirksamkeit von Vereinbarungen Vertragliche Vereinbarungen, die dem Kartellrecht widersprechen, sind grundsätzlich unwirksam und nicht gerichtlich durchsetzbar. Sofern es einem Vertragspartner gerade auf die kartellrechtswidrige Regelung ankommen sollte, bieten solche Verträge daher keine Gewähr dafür, dass sich der Vertragspartner an diese (unwirksame) Vereinbarung hält. Hierdurch kann der wirtschaftliche Sinn der gesamten Vereinbarung für einen der Vertragspartner hinfällig werden. 18 Prym Group Compliance Programme 19

Kartellrecht B Folgen von Kartellrechtsverstößen 6. Durchsuchungen / Zwangsmaßnahmen Der Verfolgung von Kartellverstößen kommt eine immer größere Bedeutung zu. So richten die Kartellbehörden weltweit verstärkt Sonderkommissionen zur Bekämpfung von Kartellen ein. Um Kartellrechtsverstöße aufzudecken und nachzuweisen, werden die Behörden mit immer weiter reichenden Ermittlungsbefugnissen ausgestattet. Die aufgezeigten Konsequenzen machen deutlich: Ein Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen rechnet sich wirtschaftlich in keinem Fall, weder für das Unternehmen noch für den einzelnen Mitarbeiter. Verwickelte Mitarbeiter müssen sich zudem auf arbeitsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen einstellen. Wenn eine Kartellbehörde den begründeten Verdacht eines Kartellrechtsverstoßes hat, kann sie Durchsuchungen ( dawn raids ) bei den verdächtigen Unternehmen (und ggf. auch bei den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Hause) anordnen. Derartige Durchsuchungen stören nicht nur den normalen Geschäftsbetrieb, sondern ziehen auch in erheblichem Maße die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Der dadurch entstehende Schaden für den guten Ruf eines Unternehmens ist gravierend. Die Kartellbehörden können außer den schon erwähnten Durchsuchungen der betroffenen Unternehmen und/oder privater Räume/Häuser, auch Zeugen vernehmen, die Herausgabe von Dokumenten erzwingen, diese beschlagnahmen sowie ganze Computersysteme auf Daten durchsuchen. 7. Kosten Kartellrechtliche Untersuchungsverfahren ziehen sich zumeist über Jahre hin und werden mit hohem Aufwand geführt. Sie binden in großem Umfang interne Ressourcen und verursachen hohe Kosten für externe Berater. 20 Prym Group Compliance Programme 21

Kartellrecht C Kronzeugenregelungen Auch wenn eine Kartellabrede nicht durch die Ermittlungen von Kartellbehörden aufgedeckt wird, besteht immer das Risiko, dass eine der beteiligten Parteien von sich aus die Kartellbehörden informiert. In zahlreichen Rechtsordnungen einschließlich der EU, der USA und Deutschlands gibt es Kronzeugenprogramme, die sich als ein überaus wirksames Mittel zur Aufdeckung von Kartellverstößen erwiesen haben. Danach erhalten Unternehmen, die freiwillig dazu beitragen, Verstöße aufzudecken, an denen sie beteiligt waren, entweder gar kein oder nur ein erheblich reduziertes Bußgeld. Einen Bußgelderlass erhält nur das Unternehmen, welches als erstes zur Kartellbehörde geht. Es ist somit immer damit zu rechnen, dass die andere Seite einer Kartellvereinbarung die Kartellbehörden zu irgendeinem Zeitpunkt ausführlich über einen erfolgten Verstoß informiert. Ein Mitarbeiter, der an einer Kartellabsprache beteiligt ist, wird versetzt oder geht in den Ruhestand. Er wird durch einen anderen Mitarbeiter ersetzt, der nicht willens ist, die Kartellabsprache fortzuführen. Es wird entschieden, die Kartellbehörden zu informieren. In einem Unternehmen findet eine kartellrechtliche Untersuchung statt. Anschließend führt das Unternehmen eine interne Nachprüfung durch, um festzustellen, ob weitere Kartellrechtsverstöße vorliegen. Dabei stößt man auf eine weitere Kartellabrede und es wird entschieden, die Kartellbehörden hierüber zu informieren. Erfahrungssatz: Jedes Kartell wird irgendwann aufgedeckt! Die Erfahrung zeigt, dass Unternehmen und Privatpersonen in den folgenden typischen Fällen besonders oft von derartigen Kronzeugenregeln Gebrauch machen: Verhaltenshinweis: Verhalten Sie sich stets so, dass Ihr Handeln einer kritischen Prüfung durch die Öffentlichkeit standhält. Sollten Sie Kenntnis von kartellrechtswidrigen Praktiken haben oder erlangen, informieren Sie unverzüglich den Group Compliance Officer. Hierzu sind Sie auch arbeitsrechtlich verpflichtet. Ein an einem Kartell beteiligtes Unternehmen wird durch ein anderes Unternehmen erworben. Im Rahmen der due diligence wird eine Kartellabsprache entdeckt und die Kartellbehörde initiativ über das Kartell informiert, um das Risiko einer Geldbuße zu verringern bzw. als Verkäufer nicht im Rahmen der Gewährleistung in Anspruch genommen zu werden. 22 Prym Group Compliance Programme 23

Kartellrecht D Umgang mit Wettbewerbern ( Horizontale Absprachen ) Die wichtigste Regel des Kartellrechts ist, dass Abstimmungen des Marktverhaltens mit Wettbewerbern verboten sind. Solche Absprachen gehören zu den schwerwiegendsten Kartellrechtsverstößen überhaupt. Sie stehen im besonderen Blickfeld der Kartellbehörden und werden mit besonders hohen Geldbußen geahndet. I. Vereinbarungen und Verhaltensabstimmungen Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen, die den Wettbewerb zwischen Unternehmern beschränken, sind grundsätzlich verboten. Eine Vereinbarung ist jede schriftliche, mündliche oder sonstige Verständigung zwischen Mitarbeitern mindestens zweier Unternehmen über eine wettbewerbsbeschränkende Praxis. Schriftliche Vereinbarungen sind typischerweise in Verträgen enthalten. Aber auch mündliche Absprachen oder eine Zustimmung durch entsprechendes tatsächliches Verhalten sind ausreichend. Die Verständigung muss rechtlich nicht bindend sein, es reicht jede formelle oder informelle Absprache ( Gentlemen s Agreement ). Es ist nicht notwendig, dass die Vereinbarung tatsächlich umgesetzt wird. Bereits ihr Abschluss ist verboten. Unter das Verbot abgestimmter Verhaltensweisen fällt jede sonstige Form der Verhaltenskoordinierung zwischen Wettbewerbern. Der Unterschied zu den Vereinbarungen besteht lediglich darin, dass die Beteiligten hier von vornherein auf eine rechtliche oder faktische Verbindlichkeit ihrer Abstimmung verzichten. Dabei genügt bereits die bloße willentliche Anpassung an die Wünsche eines anderen Unternehmens. Eine typische Form abgestimmter Verhaltensweisen ist etwa die vorherige gegenseitige Information der Wettbewerber, insbesondere durch den vorherigen Austausch von Preislisten oder sonstiger wettbewerbsrelevanter Daten. Auch die Koordination in Verbänden, zum Beispiel im Rahmen von Verbandstreffen, gehört hierher, ebenso wie die fortgesetzte Praktizierung eines angeblich aufgehobenen Kartells. Beispiel: Beim Abendessen nach der Verbandssitzung sagt Wettbewerber A: Zum 1.12. müssen wir wohl die Preise um 1,5 % erhöhen. Wettbewerber B stimmt zu, dass die Preise nicht mehr auskömmlich seien und eigentlich in dieser Größenordnung angehoben werden müssten. Wettbewerber C sagt nichts. Am 1.12. erhöhen alle drei Unternehmen die Preise. Aber auch bereits kurze Gespräche auf Messen oder ähnlichen Veranstaltungen ( Wie geht es denn im Geschäft? ) können kartellrechtliche Verstöße darstellen. Dagegen ist es kartellrechtlich nicht relevant, wenn die Preisliste eines Wettbewerbers von einem seiner Kunden, z.b. im Rahmen von Preisverhandlungen, übergeben oder aus öffentlich zugänglichen Quellen erlangt wird. Das aktive Verlangen der Herausgabe einer Preisliste eines Wettbewerbers durch einen Kunden hat jedoch zu unterbleiben. Die Quelle der Information sollte unmittelbar auf dem erhaltenen Dokument vermerkt werden, so dass nicht der unzutreffende Eindruck entsteht, die Information sei direkt von dem betreffenden Wettbewerber erlangt worden. 24 Prym Group Compliance Programme 25

Kartellrecht D Umgang mit Wettbewerbern ( Horizontale Absprachen ) Verboten sind ferner Beschlüsse von Verbänden und sonstigen Unternehmensvereinigungen, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Grundsatz: Alles das, was Wettbewerber untereinander nicht abstimmen dürfen, darf auch nicht in Verbänden oder sonstigen Vereinigungen beschlossen oder besprochen werden. Verboten sind beispielsweise Beschlüsse von Verbänden, die ihren Mitgliedern ein bestimmtes Preisverhalten vorschreiben oder die zu einem Marktausschluss von Nichtmitgliedern führen. Auch hier kommt es nicht auf die rechtliche Verbindlichkeit an. Auch Empfehlungen oder Verbandsrundschreiben können wettbewerbswidrige Beschlüsse sein. Beispiel: Ein Verband der verarbeitenden Industrie empfiehlt seinen Mitgliedern, sich nur von solchen Zulieferern beliefern zu lassen, die in seinem Schwesterverband Mitglied sind. II. Stets verbotene Vereinbarungen Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen sind stets verboten, wenn sie folgende Inhalte haben: 1. Preisabsprachen Stets verboten ist jede direkte oder indirekte Abstimmung der Preise oder einzelner Preiskomponenten zwischen Wettbewerbern. Hierzu zählen alle Vereinbarungen, in denen sich Wettbewerber auf eine Erhöhung, Reduzierung oder Stabilisierung von Preisen einigen, also zum Beispiel die Festlegung eines Mindestpreises, eine Preiserhöhung, eine Preiszielvorgabe oder die Festlegung einer Preisspanne. Es reicht aus, wenn die Vereinbarung einzelne Preiselemente betrifft, z.b. bestimmte Rabatte, Margen oder Nachlässe. Auch Absprachen über Einkaufspreise sind verbotene Preisabsprachen. 2. Vereinbarungen über vertragliche Konditionen Ebenfalls verboten sind Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern über andere vertragliche Konditionen gegenüber Abnehmern oder Lieferanten, wie etwa Zahlungsbedingungen, Kreditgewährung, Lieferfristen, Transportbedingungen, Garantien und Gewährleistung, after-sales-service, etc. 3. Marktaufteilungen Gleichfalls verboten sind Vereinbarungen, nach denen Wettbewerber Märkte aufteilen, sei es nach Produkten oder deren Herstellung, nach Gebieten oder Art und Größe von Abnehmern, nach Quoten oder in sonstiger Weise. 4. Boykottmaßnahmen Vereinbarungen mit Wettbewerbern, mit bestimmten Lieferanten oder Abnehmern keine Geschäfte zu machen, sind verboten. Darüber hinaus müssen marktbeherrschende Unternehmen, die sich weigern, mit bestimmten Unternehmen in Geschäftsbeziehungen zu treten, hierfür einen sachlichen Grund angeben können. Ein sachlicher Grund ist beispielsweise eine belegbare, schlechte Zahlungsmoral eines Abnehmers. 5. Kapazitätsvereinbarungen Kapazitätsvereinbarungen, wie z.b. Vereinbarungen über Produktions- oder Verkaufsvolumina, über zukünftige Investitionen oder deren Unterlassung, sind unzulässig. 26 Prym Group Compliance Programme 27

Kartellrecht D Umgang mit Wettbewerbern ( Horizontale Absprachen ) 6. Absprachen in Ausschreibungsverfahren ( Submissionsabsprachen ) Die Unterbreitung abgestimmter Gebote im Rahmen von Ausschreibungen durch die öffentliche Hand oder durch private Unternehmen ist ein schwerwiegender Kartellrechtsverstoß, der in einigen Staaten (etwa in Deutschland) auch strafrechtlich verfolgt wird. Zulässig ist es hingegen, wenn Sie Informationen über Ihre Wettbewerber von Kunden oder aus öffentlich zugänglichen Quellen oder von Marktforschungsunternehmen erhalten. Auf Nachfrage sollte die Quelle stets belegbar sein. III. Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern Der Informationsaustausch marktrelevanter Daten zwischen Wettbewerbern kann verboten sein, falls er die Grundlage für ein abgestimmtes Verhalten zwischen den Wettbewerbern darstellt oder die Ungewissheit über das Marktverhalten der beteiligten Wettbewerber beseitigt. Dies gilt auch dann, wenn mit dem Informationsaustausch keine weitergehenden Absprachen einhergehen. Unzulässig ist hiernach jeder Informationsaustausch mit Wettbewerbern über wirtschaftlich sensible Tatsachen sowie solche, die das Wettbewerbsverhalten durchschaubarer machen. Dazu gehören vor allem nicht öffentlich zugängliche Informationen über Preise, Verkaufszahlen, Kosten, Unternehmensplanungen, Investitionen und Kapazitäten. Zulässig können demgegenüber Marktinformationsverfahren sein, welche in zusammengefasster und hinreichend anonymisierter Form Informationen über Marktdaten aufbereiten. Individuelle oder individualisierbare Daten der Vergangenheit dürfen nur mit einem ausreichenden zeitlichen Abstand zugänglich gemacht werden. In der Regel wird ein Jahr zwischen Erhebung und Publikation für ausreichend erachtet. Verhaltenshinweis: Seien Sie äußerst zurückhaltend bei der Weitergabe von Informationen an Wettbewerber! Wenden Sie sich in Zweifelsfällen an den Group Compliance Officer. Geben Sie niemals aktuelle Preislisten, Lieferkonditionen, Unternehmensplanungen oder Strategiepapiere an Wettbewerber weiter! Auch eine mündliche Weitergabe hat zu unterbleiben. IV. Eingeschränkt erlaubte Formen der Zusammenarbeit mit Wettbewerbern Die nachfolgend beschriebenen Handlungsweisen sind kartellrechtlich problematisch, können in einzelnen Fällen aber dennoch zulässig sein. Ohne vorherige Prüfung durch den Group Compliance Officer dürfen Sie keine Verhandlungen hierüber aufnehmen oder Vereinbarungen darüber mit Wettbewerbern treffen. Lieferungen von Produkten an Wettbewerber ( Kollegenlieferungen ) Beauftragung eines Wettbewerbers mit dem Vertrieb der eigenen Produkte Lizenzvereinbarungen mit Wettbewerbern 28 Prym Group Compliance Programme 29

Kartellrecht D Umgang mit Wettbewerbern ( Horizontale Absprachen ) Gemeinsame Produktionsvereinbarungen: Dabei stellen Wettbewerber entweder gemeinsam bestimmte Erzeugnisse her, oder der eine wird als Zulieferer für den anderen tätig. Spezialisierungsvereinbarungen: Hierbei verständigen sich die Parteien einseitig oder wechselseitig darauf, die Herstellung eines Produktes einzustellen und das Produkt bei der anderen Partei zu beziehen. Nach europäischem Recht können solche Vereinbarungen zulässig sein, wenn die gemeinsamen Marktanteile der Parteien unter 20 % liegen und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Verhaltenshinweis: Beschränken Sie den Austausch von Informationen im Rahmen zulässiger Zusammenarbeit mit Wettbewerbern auf das zu deren Durchführung unbedingt notwendige Maß. Da es sich hier um einen sehr sensiblen Bereich handelt, lassen Sie sich immer vom Group Compliance Officer beraten! Vereinbarungen über eine gemeinsame Forschung und Entwicklung: Sie sind häufig auch zwischen Wettbewerbern zulässig, soweit damit nicht bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen verbunden werden und der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen nicht bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Oberhalb eines gemeinsamen Marktanteils von 25 % sind FuE- Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern in Europa nur ausnahmsweise zulässig. Gemeinsamer Einkauf. Er kann unter Umständen zulässig sein, wenn die beteiligten Unternehmen keine bedeutenden Nachfrager sind und der gemeinsame Einkauf zu Effizienzsteigerungen führt. 30 Prym Group Compliance Programme 31

Kartellrecht E Umgang mit Abnehmern und Lieferanten ( Vertikale Vereinbarungen ) Vereinbarungen mit Abnehmern und Lieferanten werden als vertikale Vereinbarungen bezeichnet, weil die Parteien auf den unterschiedlichen Stufen Produktion und Vertrieb tätig sind. I. Vertikale Preis- und Konditionenbindungen Vereinbarungen, in denen der Lieferant seinem Kunden vorschreibt, zu welchen Preisen er die gelieferten Waren weiterverkaufen darf, sind unzulässig. Für eine verbotene Preisbindung reicht es bereits aus, wenn der Lieferant den Kunden durch Druck (Drohungen, verzögerte oder ausgesetzte Belieferung) oder durch die Gewährung von Anreizen dazu veranlasst, die gelieferten Produkte zu den empfohlenen Preisen weiterzuverkaufen. Dies wäre zum Beispiel gegeben, wenn der Verkäufer dem Käufer Rabatte oder Erstattungen unter der Bedingung einräumt, dass ein bestimmtes Preisniveau nicht unterschritten wurde. Auch nachträglich gewährte Vergünstigungen können als verbotener Anreiz wirken, wenn der Kunde z.b. aufgrund der früheren Praxis damit rechnen konnte oder sich zukünftig darauf einstellt. Eine formale Vereinbarung über diese Vorgehensweise ist nicht erforderlich. Beispiel: Die Zahlung eines Wohlverhaltensbonus für preisliche Zurückhaltung eines Kaufhauses ist unzulässig. Der genauen Betrachtung bedarf es, wenn einem Zwischenhändler, z. B. einem Fachgroßhändler, bestimmte Bedingungen des Weiterverkaufs auferlegt werden sollen. Die Verpflichtung von Zwischenhändlern, beim Weiterverkauf Preiskontrollsysteme, z. B. Boni für die Einhaltung von empfohlenen Preisen auf der Ebene des Einzelhandels zu praktizieren, ist als mittelbare Preisbindung unzulässig. Bei moderaten Marktanteilen (unter 30 %) sind sowohl verbindliche Höchstpreise als auch Preisempfehlungen erlaubt. Gleiches gilt für Meistbegünstigungsklauseln, in denen sich der Hersteller verpflichtet, seinem Kunden die jeweils günstigsten Preise einzuräumen. Bei Preisempfehlungen ist zu beachten, dass diese ohne Druck oder sonstige Einflussnahme seitens des Verkäufers gehandhabt werden müssen. Der Umstand, dass Listen mit Preisempfehlungen oder Preisobergrenzen zur Verfügung gestellt werden, ist für sich genommen jedoch nicht unzulässig. Bei Kunden, die zum Alleinbezug verpflichtetet sind, ist folgende Vereinbarung denkbar: Der Kunde erhält die Möglichkeit, das günstigere Angebot eines konkurrierenden Lieferanten anzunehmen, wenn er seinem exklusiven Lieferanten zuvor das günstigere Angebot mitgeteilt hat und dieser nicht bereit war, zu gleich günstigen Konditionen abzuschließen (sog. Englische Klauseln ). Diese Klauseln sind in der Regel zulässig, wenn gewährleistet ist, dass die Identität des konkurrierenden Anbieters nicht offengelegt wird. Dies gilt jedoch nicht für marktbeherrschende Unternehmen (dazu unten Abschnitt F. II. 1.). 32 Prym Group Compliance Programme 33

Kartellrecht E Umgang mit Abnehmern und Lieferanten ( Vertikale Vereinbarungen ) II. Beschränkungen des Weiterverkaufs Beschränkungen des Gebietes, in dem der Abnehmer die bezogenen Produkte weiterverkaufen darf, oder des Kundenkreises des Abnehmers sind grundsätzlich verboten. Bei moderaten Marktanteilen, d.h. Marktanteilen unter 30 %, können solche Beschränkungen nach europäischem und deutschem Recht unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den sog. aktiven und passiven Verkäufen. Bei aktiven Verkäufen tritt der Verkäufer an die Kunden im Vertragsgebiet eines anderen Vertragshändlers heran und versucht durch Werbemaßnahmen und Präsenz potentielle Kunden zum Kauf anzuregen. Um passive Verkäufe handelt es sich, wenn Kunden von außerhalb des Vertragsgebiets an den Verkäufer herantreten, ohne dass dieser sich aktiv im oben beschriebenen Sinne um sie bemüht hat. Passive Verkäufe muss der Hersteller oder Lieferant in seinem Vertriebssystem uneingeschränkt zulassen. So darf er beispielsweise seinem Großhändler in Großbritannien nicht verbieten, einen Einzelhändler in Belgien zu beliefern, wenn dieser das Produkt unaufgefordert bei ihm bestellt hat. Anders ist dies bei aktiven Verkäufen. Der Hersteller oder Lieferant darf seinen Händlern untersagen, aktiv in Gebiete zu verkaufen, die er exklusiv an andere Händler vergeben oder sich selbst vorbehalten hat. So darf er beispielsweise seinem englischen Großhändler verbieten, einen Einzelhändler in Belgien gezielt anzusprechen und zu beliefern, wenn er Belgien einem anderen Großhändler zugewiesen hat. Gebiets- oder Kundenbeschränkungen lassen sich auch durch indirekte Maßnahmen erzielen, mit denen die Abnehmer daran gehindert werden sollen, die Produkte an bestimmte Kunden weiterzuverkaufen. Denkbare Maßnahmen sind z. B. die Verweigerung oder Reduzierung von Prämien, die Verweigerung oder Verringerung der Liefermenge, die Beschränkung der Liefermenge auf die Nachfrage in dem beschränkten Gebiet oder des beschränkten Kundenkreises oder die Androhung der Vertragskündigung. Diese Verfahren werden umso eher als verbotene Beschränkungen bewertet, wenn gleichzeitig ein Überwachungssystem betrieben wird, z. B. unter Verwendung unterschiedlicher Etiketten, Seriennummern oder eigener Marken, mit dem der tatsächliche Bestimmungsort oder Kundenkreis der gelieferten Waren überprüfbar gemacht werden soll. Fazit: Sollen Verkäufe an bestimmte Kundengruppen oder in bestimmte Gebiete beschränkt werden, so ist zuvor stets Rücksprache mit dem Group Compliance Officer zu nehmen! III. Ausschließlichkeitsbindungen Es kann im Interesse eines Kunden sein, einen Großteil oder sogar seinen gesamten Bedarf an bestimmten Produkten bei einem einzigen Lieferanten zu decken. Ebenfalls denkbar ist es, dass ein Lieferant daran interessiert ist, den Vertrieb seines Produktes über einen einzigen Kunden, z. B. einem zentralen Großhändler für ein Land, zu lenken. Derartige Vereinbarungen können zulässig sein, wenn die beteiligten Unternehmen nicht marktbeherrschend sind. Die Zulässigkeit hängt jedoch von zahlreichen Einzelbedingungen ab, z. B. vom Grad der Bindung, der Laufzeit der Vereinbarung oder der geschäftlichen Notwendigkeit der Vereinbarung. Es ist daher in jedem Falle vor Abschluss einer solchen Vereinbarung der Group Compliance Officer zu konsultieren. 34 Prym Group Compliance Programme 35

Kartellrecht E Umgang mit Abnehmern und Lieferanten ( Vertikale Vereinbarungen ) Verhaltenshinweis: Stimmen Sie den Abschluss von Verträgen, die Ausschließlichkeitsbindungen enthalten, immer vorab mit dem Group Compliance Officer ab. Beachten Sie, dass bei Vertragsverhandlungen über Ausschließlichkeitsbindungen kein übermäßiger Druck auf Lieferanten oder Kunden ausgeübt werden darf, sich auf Ausschließlichkeitsbindungen einzulassen. Vereinbarungen, in denen ein Großhändler, z. B. in den Niederlanden, zum Alleinbezug von Produkten bei der niederländischen Tochtergesellschaft oder Niederlassung des Herstellers verpflichtet wird, können bei moderaten Marktanteilen (unter 30 %) zulässig sein. Eine solche Vereinbarung darf jedoch nicht dazu führen, dass Parallelimporte aus anderen Mitgliedstaaten verhindert werden. Eine genaue Prüfung im Einzelfall ist daher unerlässlich. 1. Alleinbezugsvereinbarungen Es sind verschiedene Arten von Ausschließlichkeitsbindungen zu unterscheiden: Bei einer Alleinbezugsvereinbarung verpflichtet sich ein Kunde, seinen Bedarf an einem bestimmten Produkt zu einem Großteil oder vollständig bei einem einzelnen Lieferanten zu beziehen. Diese Vereinbarungen können nach europäischem und deutschem Recht zulässig sein, wenn der Marktanteil des Lieferanten unterhalb des Schwellenwertes von 30 % liegt und einige zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind, die jeweils eine sorgfältige Einzelfallprüfung erfordern. Es ist darauf zu achten, dass bereits bei einer Bezugsquote von mehr als 80 % des jeweiligen Jahresbedarfs die Zulässigkeitsbedingungen für eine Alleinbezugsvereinbarung erfüllt sein müssen. Vereinbarungen, wonach der Kunde nach Ablauf des Bezugsvertrags dazu verpflichtet ist, bestimmte Produkte nicht von Wettbewerbern des Lieferanten zu beziehen, selbst herzustellen oder zu verkaufen, sind unzulässig. Beachte: Vereinbarungen, die dazu dienen oder die Wirkung haben, nationale Märkte in der Europäischen Union abzuschotten und Parallelimporte zu verhindern, sind unzulässig. 2. Alleinvertriebsvereinbarungen Bei einer Alleinvertriebsvereinbarung verpflichtet sich der Lieferant eines Produktes, dieses zum Zwecke des Weiterverkaufs in einem bestimmten Gebiet nur an einen Kunden zu verkaufen. Dabei ist darauf zu achten, dass passive Verkäufe (siehe oben in Abschnitt II.) nicht beschränkt werden dürfen. Diese Vereinbarungen können zulässig sein, wenn der Lieferant nicht mehr als 30 % Marktanteil hat. 3. Alleinbelieferungsvereinbarungen Bei einer Alleinbelieferungsvereinbarung verpflichtet sich der Lieferant, ein bestimmtes Produkt nur an einen Kunden zu liefern. Diese Vereinbarungen können nach europäischem Recht zulässig sein, wenn der Kunde nicht mehr als 30 % in diesem Produktmarkt nachfragt. Auch für diesen Fall ist eine Einzelfallprüfung unerlässlich. 36 Prym Group Compliance Programme 37

Kartellrecht E Umgang mit Abnehmern und Lieferanten ( Vertikale Vereinbarungen ) 4. Selektive Vertriebssysteme In einem selektiven Vertriebssystem werden die Vertriebshändler nach bestimmten Kriterien ausgewählt. Nur Händler, die diese Kriterien erfüllen, sind als Vertriebshändler zugelassen und werden vom Lieferanten beliefert. Selektive Vertriebssysteme können unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein, wenn ausreichende Gründe für die Notwendigkeit des selektiven Vertriebs vorliegen. In selektiven Vertriebssystemen dürfen Querlieferungen zwischen den zugelassenen Vertragshändlern nicht beschränkt werden. Beschränkungen des aktiven Verkaufs (an Endverbraucher) sind im selektiven Vertriebssystem unzulässig. IV. Geistiges Eigentum Verträge über geistiges Eigentum und gewerbliche Schutzrechte, z. B. Marken, Patente erfordern in den meisten Fällen komplexe vertragliche Gestaltungen, die auch wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme aufwerfen können. Es ist daher unerlässlich, bereits bei den Vertragsverhandlungen den Group Compliance Officer einzuschalten. F Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Eine weitere Form des wettbewerbswidrigen Verhaltens ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Unternehmen, die über eine marktbeherrschende Stellung verfügen, dürfen ihre beherrschende Stellung im Markt nicht dazu benutzen, andere Wettbewerber missbräuchlich zu behindern oder ihre Kunden auszubeuten oder in sonstiger Weise unfair zu behandeln. Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen daher strengeren Anforderungen an ihr Verhalten als andere Unternehmen. Empfehlung: In Bereichen, in denen Prym marktbeherrschend sein könnte, ist besondere Umsicht im Umgang mit Wettbewerbern und Abnehmern geboten. In Zweifelsfällen ist der Group Compliance Officer zu konsultieren. I. Wann liegt eine marktbeherrschende Stellung vor? Eine marktbeherrschende Stellung ist nicht immer leicht festzustellen und wird auch in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich definiert. Es gibt allerdings bestimmte Anzeichen für eine marktbeherrschende Stellung, auf die jeweils zu achten ist. Dazu gehören die folgenden Kriterien: ein hoher Marktanteil des Unternehmens; geringe Marktanteile von Wettbewerbern; geringe Nachfragemacht auf der Seite der Kunden; starke Position des Unternehmens im Verhältnis zu Wettbewerbern, z.b. aufgrund technologischen Vorsprungs, eines besonders leistungsfähigen Vertriebssystems, Größe, Bekanntheit; Marktzutrittsschranken, z.b. wegen hohen Investitionsbedarfs in die Herstellung oder den Vertrieb. 38 Prym Group Compliance Programme 39

Kartellrecht F Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Wie diese Auswahl der Kriterien zeigt, ist eine marktbeherrschende Stellung immer nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Faustregel: Orientierung bietet zunächst der Marktanteil. Beläuft sich dieser auf unter 25 %, so handelt es sich in aller Regel nicht um eine marktbeherrschende Stellung. Je weiter der Marktanteil 25 % übersteigt, um so eher kann von einer marktbeherrschenden Stellung ausgegangen werden. Bei Marktanteilen von einem Drittel und mehr wird z.b. in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung vermutet. II. Missbräuchliche Verhaltensweisen Der Umstand, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, ist als solcher nicht ungesetzlich. Marktbeherrschende Unternehmen müssen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern allerdings strengere Regeln bei ihrem Verhalten im Markt beachten. Sie dürfen Wettbewerber im Markt nicht behindern und Kunden oder Lieferanten nicht ausbeuten oder auf andere Weise schädigen. In Deutschland gelten bestimmte Sonderregeln auch für Unternehmen, die aufgrund ihrer Marke oder ihres Rufs eine Spitzenstellung einnehmen, ohne marktbeherrschend zu sein (sog. marktstarke Unternehmen). Sind deren Kunden als Händler darauf angewiesen, Produkte dieser Marke zu führen, kann z. B. die Belieferung einzelner Händler nicht ohne weiteres beschränkt werden (sog. sortimentsbedingte Abhängigkeit, siehe dazu unter 4.). Im Folgenden werden die wichtigsten Beispiele für missbräuchliche Verhaltensweisen skizziert: 1. Preise Die Preise eines marktbeherrschenden Unternehmens dürfen weder exzessiv hoch (Ausbeutung der Abnehmer) noch exzessiv niedrig (Verdrängung der Wettbewerber) sein. Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Produkte zu Preisen unterhalb der Grenzkosten ansetzt, um Wettbewerber vom Markt zu verdrängen oder nachstoßenden Wettbewerb fernzuhalten, so handelt es sich um eine missbräuchliche Kampfpreisstrategie. Marktbeherrschende Unternehmen dürfen auch keine übertrieben hohen Preise verlangen, z. B. durch exzessive Margen. 2. Preisdiskriminierung Marktbeherrschende Unternehmen dürfen von ihren Abnehmern keine unterschiedlichen Preise verlangen, wenn diese unterschiedliche Behandlung nicht sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachliche Rechtfertigung kann zum Beispiel darin zu sehen sein, dass ein Kunde erheblich größere Mengen im Verhältnis zu anderen Kunden bezieht oder kürzere Zahlungsziele einhält. 40 Prym Group Compliance Programme 41