ISSN 0344-919X G 4120

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ISSN 0344-919X G 4120 Ausgabe 14 3. 4. 2014 40. Jahrgang iw-dienst Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln www.iwkoeln.de Hü und hott Mindestlohn. England und Frankreich werden immer wieder als Beleg dafür angeführt, dass ein Mindestlohn keine Beschäftigung kostet. Frankreich traut dieser Argumentation aber offenkundig selbst nicht dort übernimmt der Staat die Sozialbeiträge der Arbeitgeber für Mindestlohnbezieher, um die steigenden Arbeitskosten in Schach zu halten. Die Große Koalition hat allen Warnungen zum Trotz ein Mindestlohngesetz vorgelegt. Demnach hat ab dem Jahr 2015 nahezu jeder Arbeitnehmer in Deutschland einen Anspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro. Eine Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschland ist nicht vorgesehen, obwohl der Mindestlohn in den neuen Ländern einen wahren Lohnkostenschub auslöst (Grafik): Im Jahr 2012 verdienten im Osten 26,5 Prozent der Arbeitnehmer weniger als 8,50 Euro je Stunde, im Westen lediglich 14,6 Prozent in Ostdeutschland müssen also fast doppelt so viele der Löhne erhöht werden. Unterstellt man, dass die Löhne bis zum Starttermin des Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2015 jährlich um 2,5 Prozent steigen, verringert sich die Zahl der Betroffenen im Westen um 700.000 auf 3,2 Millionen Beschäftigte und im Osten um rund 300.000 auf 1,3 Millionen. Zwei Übergangsregelungen im Mindestlohngesetz lindern immerhin den Leidensdruck jener Unternehmen, die demnächst höhere Arbeitskosten schultern müssen: Zum einen können die Tarifvertragsparteien bis Ende 2016 geringere allgemeinverbindliche tarifliche Mindestlöhne vereinbaren. Das hilft Branchen wie beispielsweise Mindestlohn: Wie viele Arbeitnehmer betroffen wären So viele Arbeitnehmer verdienen... in Prozent in 1.000 Westdeutschland unter 6,00 Euro unter 7,50 Euro unter 8,50 Euro brutto 4,4 1.191 9,6 2.615 14,6 3.961 In Deutschland plant die Große Koalition die Einführung eines Mindestlohns von zunächst 8,50 Euro pro Stunde. Ostdeutschland 8,6 527 18,7 1.145 26,5 Insgesamt 5,2 1.718 11,3 3.760 16,8 5.589 Stand: 2012; Ursprungsdaten: Sozio-oekonomisches Panel 1.628 Inhalt Energiepolitik. Der Industrie drohen Milliarden-Belastungen, wenn die EEG-Umlage reformiert und Befreiungen eingeschränkt werden. Seite 3 Armut. In keinem anderen EU-Land konnten die ärmsten 10 Prozent der Bevölkerung ihr Einkommen stärker erhöhen als in Deutschland. Seite 4-5 Trennbankensystem. Die EU will Banken ab einer bestimmten Größe aufspalten in welche für riskanten Handel und für das Kundengeschäft. Seite 6 Mittelstand. Die Basel- III-Regeln sollen das Finanzsystem stabilisieren. Sie könnten jedoch dazu führen, dass Kredite knapper werden. Seite 7 Cabrios. Frauen lieben sie noch mehr als Männer offene Flitzer. Ausländische Fabrikate haben es aber auf deutschen Straßen schwer. Seite 8 Präsident: Arndt Günter Kirchhoff Direktor: Professor Dr. Michael Hüther Mitglieder: Verbände und Unternehmen in Deutschland

iw-dienst Nr. 14 3. April 2014 Seite 2 dem Friseurhandwerk, die Löhne schrittweise anzupassen. Zum anderen ist die Schwelle von 8,50 Euro bis Ende 2017 festgeschrieben. Dadurch vergrößert sich weil die normalen Löhne weiter steigen der Abstand des Mindestlohns zum mittleren Lohn (Grafik). Eine Faustregel nach dem sogenannten Kaitz-Index besagt, je größer dieser Abstand ist, desto geringer ist das Risiko von Jobverlusten. Nach IW-Berechnungen betrug der Kaitz-Index im Jahr 2012 je nach Methode 50 bzw. 61 Prozent. Bis 2017 dürfte er auf 44 bzw. 54 Prozent abschmelzen. Großbritannien allerdings hatte 1999 bei der Einführung des Mindestlohns bewusst einen niedrigeren Einstieg gewählt, um negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Der Kaitz-Index betrug damals 40 bzw. 46 Prozent. Der Personenkreis, der dort einen Mindestlohn erhält, war zudem immer deutlich kleiner als in Deutschland. Er betrug nie mehr als 5,5 Prozent. Hinzu kommt, dass auf der Insel ermäßigte Sätze für Arbeitnehmer bis zum 21. Lebensjahr gelten. Damit hat der Mindestlohn dort längst nicht eine solche Durchschlagskraft, wie er sie hierzulande haben wird. Frankreich, das schon seit 1950 einen gesetzlichen Mindestlohn kennt, garantiert Arbeitnehmern seit Jahresbeginn 9,53 Euro die Stunde. Das entspricht für Vollzeitbeschäftigte 62 Prozent des mittleren Verdiensts. Betroffen waren zuletzt rund 11 Prozent der Beschäftigten. Nur Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss sind vom Mindestlohn ausgenommen. Die Franzosen haben jedoch eingesehen, dass sie den Bogen überspannt haben und Jobs gefährden. Mindestlohn: Recht nah am mittleren Lohn Eine Faustregel besagt: Je höher der Mindestlohn im Vergleich zum mittleren Verdienst ist (Kaitz-Index), desto größer ist das beschäftigungspolitische Risiko des Mindestlohns. Medianlohn brutto/stunde in Euro 19,35 19 18 17 16 15 Vollzeitbeschäftigte 17,10 Kaitz-Index in Prozent 17,53 17,97 18,41 18,88 50 48 47 46 45 44 2012 13 14 15 16 2017 2012 13 14 15 16 2017 Medianlohn: Die eine Hälfte der Arbeitnehmer verdient mehr, die andere weniger; 2013 bis 2017: angenommene jährliche Lohnsteigerung 2,5 Prozent, Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro bis dahin unverändert Ursprungsdaten: Sozio-oekonomisches Panel, Statistisches Bundesamt Deshalb subventionieren sie seit 1993 die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber, wenn diese einen Mindestlohnbezieher einstellen. Das belastet den ohnehin defizitären Staatshaushalt mit rund 22 Milliarden Euro pro Jahr. Inwieweit die Lohnbeihilfen die negativen Arbeitsmarkteffekte des Mindestlohns abfedern, lässt sich schwer beurteilen. So lag nach Angaben der OECD die harmonisierte Arbeitslosenquote 2012 in Frankreich bei 10,3 Prozent in Großbritannien aber nur bei 7,9 Prozent und in Deutschland bei 5,5 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit betrug in Frankreich 25,4 Prozent im Vereinigten Königreich 20,7 Prozent und in Deutschland 7,9 Prozent. Einzig bei den 25- bis 64-jährigen Beschäftigten ohne Berufsabschluss schneidet Frankreich besser ab. Deren Arbeitslosenquote lag 2012 bei 12,9 Prozent Deutschland kam auf 13,9 und das Vereinigte Königreich auf 16,2 Prozent. 16 15 14 13 12 Voll- und Teilzeitbeschäftigte Medianlohn brutto/stunde in Euro 13,86 Kaitz-Index in Prozent 14,20 14,56 14,92 15,30 61 60 58 57 56 15,68 Damit die Bundesregierung nicht einen ähnlichen Weg einschlagen muss erst per Mindestlohn die Arbeitskosten verteuern und sie dann per Lohnsubvention wieder mindern, täte sie gut daran, zumindest für potenzielle Problemgruppen Ausnahmen vorzusehen. Die Altersgrenze von 18 Jahren sollte auf mindestens 21 Jahre angehoben werden. Zudem müssen nicht nur Langzeitarbeitslose mit Eingliederungszuschuss vom Mindestlohn ausgenommen werden, sondern alle Langzeitarbeitslosen und Berufseinsteiger für wenigstens zwölf Monate. Außerdem sollten nicht nur Praktikanten vom Mindestlohn befreit werden, die ein Praktikum im Rahmen einer Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung leisten, sondern auch freiwillige Schüler- und Studentenpraktika mit einer Dauer von bis zu sechs Monaten. Vgl. IW policy papers 4/2014, iwkoeln.de/mindestlohn 54

Seite 3 3. April 2014 Nr. 14 iw-dienst Investitionen gefährdet Energiepolitik. Am 8. April will die Bundesregierung eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschließen. Und die EU verfolgt derzeit Pläne, wonach energieintensive Branchen in Deutschland nur noch eingeschränkt von der EEG-Umlage befreit werden dürfen. Damit drohen Teilen der Industrie milliardenschwere Belastungen. Geht es nach den Vorschlägen aus Brüssel, werden die EEG-Ausnahmen in Deutschland drastisch beschnitten. Und selbst für Unternehmen aus jenen 65 Branchen, die noch begünstigt werden dürfen, sind dann 20 Prozent des normalen EEG-Umlagesatzes fällig. Unter anderem für Hersteller von Kunststoffwaren, Produzenten von Industriegasen sowie zahlreiche Nahrungsmittelfirmen fiele aber die volle Umlage an. Noch ist nichts entschieden somit ist nicht einmal auszuschließen, dass die Vergünstigungen für energieintensive Industrien sogar ganz wegfallen. Dann würden alle Stromkunden Unternehmen wie private Haushalte eine EEG-Umlage von derzeit 4,89 Cent je Kilowattstunde zahlen. Private Konsumenten würden dadurch um nicht einmal 4 Euro monatlich entlastet. Energieintensive Branchen käme die Änderung aber teuer zu stehen: Bei voller Belastung mit der EEG- Umlage müsste zum Beispiel die chemische Industrie in diesem Jahr rund 1,3 Milliarden Euro mehr zahlen als bisher, in den Metallbranchen wären es fast 1,2 Milliarden Euro. Doch selbst wenn die bisher von der Umlage befreiten Branchen künftig nur 20 Prozent des Normalsatzes zahlen müssten, würde das etwa die Chemie gut 290 Millionen Euro und die Metallindustrie rund 260 Millionen Euro kosten. Das ginge zulasten ihrer Investitionen doch die sind zuletzt aufgrund der schlechteren politischen Rahmenbedingungen ohnehin recht spärlich ausgefallen. Die wichtigsten energieintensiven Branchen Chemie, Papier/Pappe, Glas/Keramik, Metallerzeugung und -bearbeitung haben seit 2000 zusammen zwar jedes Jahr im Schnitt 11,5 Milliarden Euro in neue Maschinen und Anlagen gesteckt. Das wog aber nicht einmal die Abschreibungen auf, sodass das Nettovermögen zusammengeschmolzen ist (Grafik links): In der Glas- und Keramikindustrie sowie in der Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden etwa schrumpfte das Nettoanlagevermögen von 2000 bis 2011 um 31 Prozent. Für wirtschaftlichen Erfolg sind das schlechte Voraussetzungen. Industrie: Kapitalstock schrumpft Um so viel Prozent hat sich in diesen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes das Nettoanlagevermögen also der um Abschreibungen bereinigte Wert der Produktionsanlagen, Bauten und immateriellen Anlagen wie Computer-Software in Deutschland von 2000 bis 2011 real verändert -31-18 -12-11 Ausgewählte energieintensive Branchen Ursprungsdaten: Statistisches Bundesamt Glas, Keramik, Steine und Erden Papier, Pappe Chemie Metallerzeugung und -bearbeitung Die Folgen der deutschen Politik spiegeln sich auch im IW-Unternehmervotum vom Sommer 2013 wider. Demnach sagen 24 Prozent der befragten Firmen, dass sie aufgrund des energiepolitischen Kurses der Bundesregierung Investitionsentscheidungen zurückstellen. Zudem planen 8 Prozent aller Industriebetriebe und sogar 28 Prozent der größeren Industriefirmen sowie industrienahen Dienstleister mit einem Umsatz ab 50 Millionen Euro, Inves titionen verstärkt ins Ausland zu verlagern. Viele Betriebe haben das sogar schon getan. So stiegen die deutschen Direktinvestitionen an ausländischen Standorten der Metallindustrie von 2000 bis 2011 um 276 Prozent (Grafik rechts). Eine weitere Verteuerung des Stroms für die heimischen Industriekunden würde diese Investitionsverlagerungen wohl noch beschleunigen. Vgl. IW policy papers 3/2014, iwkoeln.de/eeg Firmenkapital hat Fernweh Zunahme des Bestands deutscher Direktinvestitionen zum Beispiel Unternehmensbeteiligungen im Ausland nach Zielbranchen von 2000 bis 2011 in Prozent Verarbeitendes Gewerbe insgesamt darunter: Metallerzeugung und -bearbeitung Glas, Keramik, Steine und Erden Chemie Ursprungsdaten: Deutsche Bundesbank 16 40 126 276

iw-dienst Nr. 14 3. April 2014 Seite 4 In Deutschland holen die Armen auf In keinem anderen EU-Staat konnten die einkommensärmsten 10 Prozent der Bevölkerung in den vergangenen Jahren ihren Einkommensanteil stärker erhöhen als in Deutschland. Der Einkommensanteil der reichsten 10 Prozent ist dagegen während der Wirtschafts- und Finanzkrise gesunken. Auch im EU-Durchschnitt hat sich die Einkommensschere im Zeitraum 2006 bis 2010 tendenziell geschlossen allerdings nicht, weil die unteren Einkommensgruppen zulegen konnten, sondern weil der Einkommensanteil der Reichen fast überall abgenommen hat. In Dänemark, Spanien und Schweden hat sich die Einkommensschere geöffnet. Veränderung der Einkommensanteile 2006 bis 2011 in Prozentpunkten Unterste 10 Prozent der Bevölkerung Oberste 10 Prozent der Bevölkerung Deutschland 0,8-1,7 Niederlande 0,2-2,0 Frankreich 0,0 0,4 Portugal 0,0-1,4 Vereinigtes Königreich 0,0 0,5 EU-15 0,0-0,2 Belgien -0,1-0,1 Italien -0,1-0,1 Österreich -0,1 0,0 Finnland -0,1-0,5 Luxemburg -0,2-0,1 Irland -0,3-1,3 Schweden -0,5 0,3 Griechenland -0,6-1,0 Dänemark -0,9 1,2 Spanien -0,9 1,2 Irland, Österreich, Vereinigtes Königreich: jeweils Veränderung 2006 bis 2010; Frankreich: Veränderung 2007 bis 2011; Ursprungsdaten: Eurostat Relative Einkommensarmut: Von relativer Einkommensarmut sind nach der Defi nition der EU all jene betroffen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Pro-Kopf-Einkommens (Median) zur Verfügung haben. Der Median ist genau jenes Einkommen, das die gesamte Bevölkerung in zwei gleich große Teile teilt die eine Hälfte verdient mehr, die andere weniger. Das Konzept der relativen Armut berücksichtigt auch Einspareffekte, die zum Beispiel dadurch entstehen, dass mehrere Personen in einer Wohnung zusammen- leben, also Küche und Waschmaschine gemeinsam nutzen. Mehrpersonenhaushalte brauchen deshalb ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen als Alleinstehende, um den gleichen Wohlstand zu haben. Für den internationalen Vergleich der relativen Einkommensarmut wurden die Werte auf Basis der Kaufkraftparitäten zu deutschen Lebenshaltungskosten berechnet. Materielle Entbehrung: Armut lässt sich auch am Lebensstandard messen. Die EU spricht von einer materiellen Entbehrung (Deprivation), wenn vier von neun Grundbedürfnissen aus finanziellen Gründen nicht befriedigt sind. Dazu gehört es unter anderem, die Wohnung angemessen beheizen zu können und mindestens jeden zweiten Tag eine warme Mahlzeit mit Fleisch oder Fisch zu haben. Foto: dinozzaver - Fotolia.com Die Armutsgrenzen 1.375 In Deutschland gilt ein Alleinlebender nach EU-Definition als relativ einkommensarm, wenn er nach Abgaben und zuzüglich Transferleistungen über weniger als 980 Euro im Monat verfügt. Eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren überschreitet die Armutsgefährdungsgrenze mit einem Nettomonatseinkommen von 2.058 Euro. Mit diesem Lebensstandard gilt man in den meisten anderen EU-Staaten nicht mehr 1.057 als armutsgefährdet. Nur in Luxemburg, Österreich und Schweden 1.016 muss man deutlich mehr Geld zur Verfügung haben als in Deutschland, um nicht als relativ einkommensarm zu gelten. 910 931 939 962 964 980 980 982 804 754 771 Durchschnitt EU-28 728 Schwellenwerte der relativen Einkommensarmut 635 für Alleinlebende 2011 in Euro 493 494 513 525 440 380 381 396 299 310 340 181 EU-28: ohne Irland; Ursprungsdaten: Eurostat Rumänien Bulgarien Lettland Litauen Kroatien Ungarn Estland Polen Portugal Slowakei Griechenland Tschechien Spanien Slowenien Malta EU-28 Italien Vereinigtes Königreich Belgien Finnland Dänemark Frankreich Deutschland Niederlande Zypern Schweden Österreich Luxemburg

Seite 5 3. April 2014 Nr. 14 iw-dienst Relative Einkommensarmut: Deutschland im Mittelfeld Die relative Einkommensarmut spiegelt in der Regel die Einkommensungleichheit eines Landes wider. Auch Länder mit geringem Einkommensniveau können hier gut abschneiden. In der EU hat Tschechien die geringste Einkommensarmut, Deutschland einen mittleren Wert und das Schlusslicht bildet Griechenland. Auch für Arbeitnehmer in Deutschland ist das Risiko, einkommensarm zu sein, im europäischen Vergleich durchschnittlich. In vielen Nachbarstaaten leben zudem Kinder in Haushalten mit erhöhtem Armutsrisiko. In Deutschland ist bei Paaren mit Kindern die relative Einkommensarmut deutlich niedriger als im EU-Schnitt. Allerdings sind fast 40 Prozent der alleinerziehenden Eltern hierzulande relativ einkommensarm. EU-28: ohne Irland; Quelle: Eurostat Tschechien Niederlande Dänemark Slowakei Finnland Slowenien Ungarn Frankreich Schweden Österreich Zypern Belgien Luxemburg Malta Deutschland Vereinigtes Königreich EU-28 Polen Estland Portugal Litauen Lettland Italien Kroatien Bulgarien Spanien Rumänien Griechenland So viel Prozent der Bevölkerung waren 2011 relativ einkommensarm 9,6 10,1 13,1 13,2 13,2 13,5 14,0 14,1 14,1 14,4 14,7 14,8 15,1 15,1 16,1 16,2 16,9 17,1 17,5 17,9 18,6 19,2 19,4 20,5 21,2 22,2 Arbeitnehmer 3,3 3,5 4,5 4,2 2,2 4,5 5,3 6,5 6,1 7,9 7,5 3,2 9,7 4,4 7,2 7,7 6,9 6,4 6,8 7,0 6,5 8,0 9,3 4,9 7,1 8,2 22,6 6,0 23,1 8,7 26,5 13,6 Kinder 13,6 unter 10,0 16 Jahren 21,5 11,2 13,7 22,2 18,8 13,9 18,3 14,3 16,9 22,3 23,0 14,9 18,1 20,4 21,1 16,2 21,0 19,5 23,9 25,9 22,3 28,5 28,9 34,0 Relative Einkommensarmut und materielle Entbehrungen fallen nicht immer zusammen. Dies kann zum Beispiel daran liegen, dass ein einkommensarmer Haushalt besonders gut wirtschaftet oder sogar über ein Vermögen verfügt, das er aufbraucht. Umgekehrt kann man auch mit ausreichendem Einkommen in finanzielle Not geraten, wenn man beispielsweise das Geld für teure Hobbys ausgibt und dann nicht mehr die Heizungskosten bezahlen kann. Materielle Entbehrungen sind in wohlhabenden Staaten eher selten, in ärmeren Volkswirtschaften dagegen besonders häufig. Daher schneiden auch bei dieser doppelten Betrachtung von Armutsindikatoren Luxemburg und die skandinavischen Länder am besten ab. In Deutschland sind gut 3 Prozent der Bevölkerung relativ einkommensarm und müssen materielle Entbehrungen hinnehmen. Das ist ein deutlich niedrigerer Anteil als im EU- Schnitt. In Griechenland ist dagegen fast jeder Achte doppelt arm. Doppelte Armut: Im Norden sehr selten So viel Prozent der Bevölkerung waren 2011 relativ einkommensarm und litten gleichzeitig unter materiellen Entbehrungen 4,8 EU-28 4,2 Portugal EU-28: ohne Irland Ursprungsdaten: Eurostat 3,5 Spanien 3,7 3,5 Belgien 2,6 Frankreich 1,0 1,5 3,2 2,2 Italien Malta 3,2 0,9 Schweden 2,8 Tschechien 3,1 Slowenien Lettland Kroatien 5,6 Polen 6,7 7,5 4,6 1,3 Finnland Ungarn 0,7 Luxemburg Vereinigtes Königreich Niederlande Dänemark Österreich Deutschland Slowakei Griechenland 5,1 Estland 10,3 7,6 Litauen 12,7 9,5 11,8 Rumänien Bulgarien 16,9 4,7 Zypern

iw-dienst Nr. 14 3. April 2014 Seite 6 Operation gelungen... Trennbankensystem. Die EU will Banken ab einer bestimmten Größenordnung aufspalten. Der eine Teil kümmert sich um den riskanten Handel auf eigene Rechnung, der andere um das solide Kundengeschäft. Das klingt nach des Rätsels Lösung ist aber juristisch fragwürdig und könnte sogar nach hinten losgehen. Universalbanken wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank verdienen ihr Geld nicht nur mit dem Kundengeschäft, sondern auch mit dem sogenannten Eigenhandel, also mit dem meist hochspekulativen und extrem umsatzstarken Handel auf eigene Rechnung, vor allem mit Finanzderivaten. Um welche Dimensionen es dabei geht, zeigen Zahlen der Bundesbank für 60 internationale Investmentbanken (Grafik): Im Jahr 2013 betrug der außerbörsliche Handel mit Finanzderivaten 504 Billionen Euro fast 93 Prozent davon entfielen auf den Eigenhandel, Banken handeln mit Billionen Beim meist sehr kurzfristigen und spekulativen Handel mit Derivaten geht es um abgeleitete Finanzprodukte. So wird zum Beispiel nicht eine Aktie selbst gekauft oder verkauft, sondern die Option auf den Kauf oder Verkauf einer Aktie. In der Realwirtschaft dienen Derivate vor allem zur Absicherung von Warentermingeschäften und Wechselkursrisiken. 114 15 99 74 86 8 10 66 76 1998 1999 166 133 107 115 21 16 15 22 145 92 100 110 2000 2001 2002 2003 2004 Stand: jeweils Jahresende; 2008 und 2013: 30. Juni Ursprungsdaten: Deutsche Bundesbank 218 27 191 2005 274 37 237 345 367 369 414 36 461 441 504 36 34 468 425 407 37 32 378 37 330 337 308 Nominaler Bestand an außerbörslich gehandelten Derivaten von weltweit 60 Investmentbanken in Billionen Euro Insgesamt davon: mit der Realwirtschaft mit Banken 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 36 2013 der kleine Rest auf Geschäfte mit Unternehmen der realen Wirtschaft. Verzockt sich aber eine Bank mit ihrem riskanten Eigenhandel, kann das aufgrund der enormen Größenordnungen im schlimmsten Fall eine ganze Volkswirtschaft bedrohen. Deshalb will die EU ab 2017 den Eigenhandel und das Kundengeschäft für bestimmte Banken trennen. Als Kriterien gelten: eine Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder ein Handelsvolumen, das drei Jahre in Folge 70 Milliarden Euro übersteigt. Damit verschärft die EU die deutsche Regelung. Denn das Trennbankengesetz, das in Deutschland ab 2015 gilt, zieht als Grenze für die Aufspaltung eine Bilanzsumme von 90 Milliarden Euro. Die Bankentrennung der EU verfolgt zwei Ziele: Der Eigenhandel soll nicht mehr über Kundeneinlagen finanziert werden, denn diese sind über den Einlagensicherungsfonds geschützt. Die Abwicklung von Banken mit umfangreichem Eigenhandel soll erleichtert werden. Dazu sollen die betroffenen Banken Eigenhandel und Kundengeschäft in rechtlich und wirtschaftlich eigenständigen Gesellschaften unter dem Dach einer Holding abwickeln. Beide Gesellschaften müssen sich getrennt voneinander refinanzieren. Problem Nummer eins: Eine solche Trennung im Nachhinein ist ein erheblicher Eingriff in die Eigentumsrechte. Problem Nummer zwei: Die vermeintlich guten Gründe für die Trennung ziehen nicht oder zumindest nicht mehr. Denn zum einen beruhte die günstige Refinanzierung des Eigenhandels über die niedrig verzinsten Kundeneinlagen darauf, dass es im Insolvenzfall keine Gläubigerbeteiligung gab; die aber ist im Dezember 2013 mit der EU-Abwicklungsrichtlinie eingeführt worden. Folglich werden die Kunden genau hinschauen, welcher Bank sie ihr Geld anvertrauen und/oder höhere Zinsen verlangen. Das Regelwerk erlaubt es der Finanzaufsicht aber auch, im Fall der Fälle die Verluste einer Bank auf eine Bad Bank eine Abwicklungsbank zu übertragen und so die Kundengelder zu sichern. Und last but not least ist allein die Aufspaltung einer Bank ohnehin keine Garantie für ein stabileres Finanzsystem. Auch Lehman Brothers war eine reine Investmentbank und hat im Gegensatz zu den meisten Universalbanken die Finanzkrise nicht überlebt.

Seite 7 3. April 2014 Nr. 14 iw-dienst Kredite könnten knapper werden Mittelstand. Die seit Anfang 2014 EU-weit geltenden Basel-III-Regeln sollen für ein dauerhaft stabiles Finanzsystem sorgen. Die strikteren Eigenkapitalvorschriften könnten allerdings auch dazu führen, dass die Banken die Zinsen für Kredite an mittelständische Unternehmen erhöhen oder mehr Kreditanträge ablehnen als bisher. Nie wieder Finanzkrise! Dies dürfte das Leitmotiv für die neuen Regeln gewesen sein, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht Ende 2010 beschlossen hat (vgl. iwd 16/2013). Seit Anfang 2014 gilt das Basel-III-Paket auch in der EU. Die Banken müssen demnach ihr Vermögen zum Beispiel Wertpapiere stärker als bisher mit hartem Kernkapital unterlegen, zu dem unter anderem Stammaktien und Gewinnrücklagen zählen. Weiterhin gibt Basel III vor, dass die Banken ein Eigenkapital von mindestens 8 Prozent ihrer vergebenen Kredite vorhalten müssen, und zudem für den Krisenfall noch einen Risikopuffer. Das Eigenkapital muss auch höheren qualitativen Anforderungen genügen. Insgesamt steigt die geforderte Kapitalquote damit bis 2018 Schritt für Schritt auf 13 Prozent der Bilanzsumme. Außerdem dürfen die Banken künftig langfristige Anlagen nicht mehr kurzfristig finanzieren ein solches Missverhältnis hatte in der Finanzkrise manche Banken derart in Bedrängnis gebracht, dass sie mit Staatshilfen gerettet werden mussten. All diese Vorschriften sind zweifellos sinnvoll, um zu verhindern, dass das Finanzsystem erneut ins Wanken gerät. Doch zum Nulltarif ist die höhere Stabilität nicht zu haben Schätzungen gehen von mehr als 250 Milliarden Euro aus, die die Banken in Europa zusätzlich aufbringen müssen, um ihr Eigenkapital gemäß Basel III aufzustocken. Da liegt es nahe, dass einige Geldhäuser stattdessen eher ihre Bilanz kürzen werden, indem sie weniger Kredite an Unternehmen vergeben. Vor allem längerfristige Kredite könnten seltener bewilligt werden. Momentan kommt die Wirtschaft in Deutschland noch relativ problemlos an benötigtes Geld (Grafik): Nur rund jede fünfte Firma beurteilt die Kreditvergabe der Banken derzeit als restriktiv. Von den Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern beziehungsweise mit über 50 Millionen Euro Umsatz berichtet sogar lediglich jedes siebte über Kredithürden. Insgesamt ist die Finanzierungssituation der Unternehmen damit deutlich entspannter als in früheren Jahren. Ob das allerdings auf längere Sicht so bleibt, ist fraglich. In den Krisenländern Südeuropas sowie in Irland sieht es schon heute viel schlechter aus. Dort haben Unternehmen laut einer Befragung durch die Europäische Zentralbank große Probleme, Kredite zu bekommen. Zwar hat die EU für Kredite an Firmen mit höchstens 50 Millionen Euro Umsatz einen sogenannten Abdiskontierungsfaktor eingeführt, sodass die Banken diese Kredite mit maximal 8 Prozent Eigenkapital unterlegen müssen, und nicht mit einschließlich Risikopuffer 13 Prozent. Allerdings gab es auch unter Firmen: Derzeit kaum Kreditprobleme So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland empfanden die Kreditvergabe der Banken als restriktiv Alle Unternehmen 49 36 24 38 43 33 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Industrieunternehmen im Januar und Februar 2014 Weniger als 10 Millionen Euro Umsatz oder weniger als 50 Beschäftigte 10 bis 50 Millionen Euro Umsatz und 50 bis 250 Beschäftigte Mehr als 50 Millionen Euro Umsatz oder mehr als 250 Beschäftigte 2014: Januar und Februar; Befragung von rund 4.000 Unternehmen aus Industrie, Handel und Baugewerbe (bis Sommer 2008 halbjährlich, seither monatlich) Ursprungsdaten: ifo Institut 23 21 20 19 23 18 14 den alten Basel-II-Regeln schon Ermäßigungen für Kredite an den Mittelstand. Die Bedingungen haben sich also de facto verschlechtert. Die typischen deutschen Industriebetriebe haben zudem meist einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro die Sonderregelung gilt für sie also gar nicht. Foto: pitb_1 - Fotolia.com

iw-dienst Nr. 14 3. April 2014 Seite 8 Oben offen Cabrios. Luftige Autos stehen nicht nur bei den Männern hoch im Kurs Frauen lieben sie noch viel mehr. Ausländische Anbieter haben auf diesem deutschen Nischenmarkt einen schweren Stand. Mit den ersten sommerlichen Tagen des Jahres hat auf deutschen Straßen auch die Saison für Cabrios begonnen. Immerhin sind hierzulande 1,7 Millionen Fahrzeuge mit aufgesetztem oder aufklappbarem Verdeck zugelassen. Damit machen Cabrios etwa 4 Prozent des Pkw-Bestands in Deutschland aus. Die offenen Autos sind im Durchschnitt deutlich stärker motorisiert als andere Kraftfahrzeuge. So haben 15 Prozent aller Pkws Motoren mit über 2.000 Kubikzentimeter (ccm) Hubraum, bei Cabrios beträgt der Anteil der großen Motoren 27 Prozent. Wirklich selten sind hingegen offene Fahrzeuge mit einem Motor, der weniger als 1.400 ccm Hubraum aufweist. Nur 10 Prozent fallen in diese Kategorie, zu der ein Drittel aller zugelassenen Pkws gehört. Das Image des Cabrios als sportlicher Flitzer stimmt also durchaus. Doch in Bezug auf die Halter haben alte Klischees ausgedient. Ältere Herren, die gemächlich in der offenen Sportlimousine durch die Landschaft rollen, haben Seltenheitswert Senioren lieben es eher geschlossen. So ist nur jeder fünfte Cabriohalter älter als 60 Jahre. Der Anteil der Älteren an allen Pkw-Haltern beträgt indes 27 Prozent. Allein in der Kategorie der hochmotorisierten, meist sehr teuren Sportwagen finden sich mit einem Anteil von 25 Prozent noch viele ältere Herrschaften. Frauen sind unter den Cabriobesitzern eindeutig überrepräsentiert. Fast 40 Prozent der oben offenen Modelle sind auf sie zugelassen, aber nur 33 Prozent aller Fahrzeuge (Grafik). Dabei bevorzugen Frauen kleinere Cabrios. In der Kategorie zwischen 1.400 und 1.600 ccm beträgt die Frauenquote sogar 53 Prozent. Cabrios: Bei Frauen hoch im Kurs Zugelassene Fahrzeuge im Januar 2012 Pkws insgesamt 42.927.647 darunter: Cabrios 1.744.600 So viel Prozent der Halter waren: Frauen 33 Quelle: Kraftfahrt- Bundesamt 40 älter als 60 Jahre 27 21 Die Cabrios auf unseren Straßen stammen meist aus heimischer Produktion. Deutsche Hersteller haben gut zwei Drittel aller offenen Fahrzeuge gebaut, die in Deutschland gemeldet sind. Bei den top-motorisierten Cabrios beträgt ihr Marktanteil sogar 93 Prozent, in der zweitstärksten Kategorie immerhin 73 Prozent. Generell schwächeln die sonst so erfolgreichen asiatischen Hersteller in diesem Marktsegment. Besonders augenfällig ist dies bei den koreanischen Marken, von denen nur wenige Hundert Cabrios in Deutschland unterwegs sind. Fotos: Anton Sokolov, algre - Fotolia.com Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Chefredakteur: Axel Rhein Stellv. Chefredakteur: Klaus Schäfer (verantwortlich) Redaktion: Andreas Wodok (Textchef), Irina Berenfeld, Berit Schmiedendorf, Sara Schwedmann, Alexander Weber Redaktionsassistenz: Ines Pelzer Grafik: Michael Kaspers, Ralf Sassen Telefon: 0221 4981-523, Fax: 0221 4981-504 E-Mail: iwd@iwkoeln.de Bezugspreis: 8,84/Monat, zzgl. 3,08 Versandkosten, inkl. Mehrwertsteuer, Erscheinungsweise wöchentlich Abo-Service: Therese Hartmann, Telefon 0221 4981-443, hartmann@iwkoeln.de Verlag: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, Postfach 10 18 63, 50458 Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln Telefon: 0221 4981-0, Fax: 0221 4981-445 Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH, Meckenheim Dem iwd wird einmal monatlich (außer Juli und Dezember) Wirtschaft und Unterricht beigelegt. Rechte für den Nach druck oder die elektro - nische Verwertung über: lizenzen@iwkoeln.de Rechte für elektronische Pressespiegel unter: www.pressemonitor.de