Dr. Hansjochen Dürr Präsident des VG Karlsruhe Verwaltungsgerichtliche Praxis Fall Nr. 3 (Baustopp für die Biokompost-Anlage) Der Landkreis K. beabsichtigt die Errichtung einer Biomüll-Kompostanlage auf einem im Außenbereich der Schwarzwaldgemeinde G. gelegenen kreiseigenen Grundstück. Der Bauantrag des K. geht am 01.10.2001 bei der Gemeinde G. ein, die ihn sofort an das Landratsamt weiterleitet. Am 15.11.2001 beschließt der Gemeinderat von G., das Einvernehmen zu dem Bauvorhaben zu verweigern. Die Biokompostanlage werde die besondere Schönheit der Schwarzwaldlandschaft beeinträchtigen und damit den Fremdenverkehr in der Gemeinde G. stören. Der Flächennutzungsplan stelle diesen Bereich als Fläche für Landwirtschaft dar, es sei aber beabsichtigt, dort evtl. einen Golfplatz anzulegen. Das Landratsamt erteilt dem K. gleichwohl am 15.01.2001 die beantragte Baugenehmigung mit der Begründung, die Biokompostanlage könne wegen der von ihr ausgehenden Geruchsimmissionen nur im Außenbereich errichtet werden, so dass K. einen Genehmigungsanspruch habe. Da die Verweigerung des Einvernehmens der Gemeinde G. somit rechtswidrig gewesen sei, müsse das Einvernehmen gem. 35 Abs.2 S. 3 BauGB ersetzt werden. Der Gemeinde G. wird die Baugenehmigung am 18.01.2002 zugestellt. Hiergegen legt sie am 01.02.2002 Widerspruch ein. Da der K. gleichwohl mit dem Bau der Anlage beginnt, stellt die Gemeinde G. am 01.03.2002 einen Antrag beim Verwaltungsgericht auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Ferner beantragt der Inhaber des an der Zufahrtsstraße zur Biokompostanlage gelegenen Schwarzwaldhotels, der Hotelier H., am 15.03.2002 beim Verwaltungsgericht, dem K. die Beendigung der Bauarbeiten aufzugeben. Er sei weder im Baugenehmigungsverfahren gehört worden, noch sei ihm die Baugenehmigung bekannt gegeben worden; er habe hiervon erst am 10.03.2002 durch die Presse erfahren. Die Gäste seines bisher in ausgesprochen ruhiger Lage gelegenen Hotels würden durch den Verkehr von bis zu 50 Müllfahrzeugen täglich erheblich gestört werden, so dass er mit schweren Umsatzeinbußen rechnen müsse. Außerdem werde man die hässliche Biokompostanlage von der Terrasse seines Hotels aus voll im Blick haben. Wie wird das Verwaltungsgericht über die Anträge entscheiden? Hinweis: Das Bundesimmissionsschutzgesetz ist nicht heranzuziehen.
- 2 - Lösungsskizze A) Antrag der Gemeinde G I Zulässigkeit 1.) Rechtsweg Für den Antrag der Gemeinde G. ist nach 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben, weil es sich um eine Streitigkeit aus dem öffentlichen Baurecht handelt. 2.) Antragsart Die Gemeinde G. begehrt vorläufigen Rechtsschutz. In Betracht kommt ein Antrag nach 80, 80a VwGO oder nach 123 VwGO. Letztere Möglichkeit kommt nach 123 Abs.5 VwGO nicht in Betracht, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach 80, 80a VwGO gewährt werden kann. Dies ist hier der Fall. Der Gemeinde G. geht es darum, dass K. von der ihm erteilten Baugenehmigung keinen Gebrauch machen kann. Da der Widerspruch eines Dritten gegen eine Baugenehmigung nach 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung hat, muss die Gemeinde einen Antrag nach 80, 80a Abs.3 VwGO stellen. Dritter i.s. des 212a BauGB ist auch die Gemeinde, wenn sie sich gegen eine vom Landratsamt erteilte Baugenehmigung zur Wehr setzen will (VGH Bad.-Württ., NVwZ 1999, 442). 3.) Antragsbefugnis Die Gemeinde G. ist antragsbefugt, denn sie kann durch die Erteilung der Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt sein; sie kann sich insoweit auf ihre durch 36 BauGB geschützte Planungshoheit berufen. 4.) Behördliches Vorverfahren Nach 80aAbs.3 S. 2 VwGO gilt 80 Abs.5 bis 8 VwGO entsprechend. 80 Abs.6 VwGO schreibt vor, dass ein Antrag nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung muss man zum Ergebnis kommen, dass vor der Anrufung des Verwaltungsgerichts zunächst ein Antrag beim Landratsamt auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung gem. 80 Abs.4 VwGO zu stellen ist (so OVG Koblenz, NVwZ 1994, 1015; OVG Lüneburg, NVwZ 1994, 698; VGH München, BayVBl. 1991, 723). Die Gegenansicht geht davon aus, dass es sich bei dieser Bezugnahme auf 80 Abs.6 VwGO um ein Redaktionsversehen handelt, weil die nur für Abgabenstreitigkeiten vorgesehene vorherige Anrufung der Behörde bei allen sonstigen Verwaltungsakten im Rahmen des 80 Abs.5 VwGO nicht erforderlich ist (so VGH Bad.-Württ., NVwZ 1995, 292; OVG Bremen, NVwZ 1993, 592; VGH Kassel, DVBl. 1992, 45). Eine Mittelmeinung hält in entsprechender Anwendung des 80 Abs.6 S. 2 Nr. 2 VwGO einen vorherigen Antrag bei der Behörde jedenfalls dann für entbehrlich, wenn der Baubeginn droht oder sogar schon mit dem Bau begonnen wurde (OVG Koblenz, NVwZ 1993, 591; OVG Lüneburg, NvWZ 1993, 592). Dieser Ansicht ist der Vorzug zu geben, weil sie einerseits sich am Gesetz orientiert, andererseits zu praktisch vernünftigen Ergebnissen kommt. Danach braucht die
- 3 - Gemeinde G. nicht zuerst einen Antrag beim Landratsamt zu stellen, weil K. bereits mit dem Bau der Biokompost-Anlage begonnen hat. II. Begründetheit 1.) Interessenabwägung Bei der Entscheidung über einen Antrag nach 80a Abs.3 VwGO ist abzuwägen zwischen dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung und dem entgegenstehenden Interesse des Nachbarn, dass bis zur Entscheidung über sein Rechtsmittel keine vollendeten Fakten geschaffen werden, die sich nachträglich nur schwer rückgängig machen lassen. Ein maßgebliches Kriterium für diese Interessenabwägung ist dabei die Frage, ob der Nachbar durch die Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt wird (BVerwG, NJW 1974, 1295; VGH Bad.-Württ., BauR 1995, 829). 2.) Unzulässige In-sich-Genehmigung Die Baugenehmigung könnte schon deswegen rechtswidrig sein, weil das Landratsamt die Baugenehmigung quasi sich selbst erteilt hat, denn das Landratsamt ist nach 1 Abs.3 Landkreisordnung zugleich Behörde des Landkreises und untere Verwaltungsbehörde. Es gibt jedoch keinen Grundsatz, dass eine Behörde nicht berechtigt ist, sich selbst eine Genehmigung zu erteilen, auch wenn es rechtsstaatlich sicher vorzuziehen wäre, dass die Genehmigungsbehörde nicht identisch ist mit dem Vorhabenträger (so BVerwG, NVwZ 1991, 781 für die eisenbahnrechtliche Planfeststellung). Für die Baugenehmigung ist in 48 Abs.2 LBO geregelt, dass anstelle einer Gemeinde die nächst höhere Baurechtsbehörde Genehmigungsbehörde ist, wenn es sich um ein Vorhaben der Gemeinde handelt und hiergegen Einwendungen erhoben worden sind sowie bei Vorhaben, gegen die die Gemeinde selbst Einwendungen erhoben hat. Da eine vergleichbare Regelung für das Landratsamt nicht getroffen worden ist, ist es nicht rechtswidrig gewesen, dass das Landratsamt ein Bauvorhaben des Landkreises genehmigt (vgl. VGH Bad.-Württ., VBlBW 1999, 140). 3.) 36 BauGB Die dem K. erteilte Baugenehmigung könnte rechtswidrig sein, weil die Gemeinde G. die Erteilung des Einvernehmens nach 36 BauGB verweigert hat. Allerdings hat das Landratsamt das Einvernehmen gem. 36 Abs.2 S. 3 BauGB ersetzt. Es ist jedoch fraglich, ob es hierzu berechtigt war. 36 Abs.3 S. 2 BauGB sieht vor, dass das Einvernehmen der Gemeinde durch die nach Landesrecht zuständige Behörde ersetzt werden kann. Es ist fraglich, welche Behörde die zuständige Behörde i.s. dieser Vorschrift ist. Eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung gibt es in Baden-Württemberg nicht. Die BauGB-DVO (Dürig Nr. 87a) enthält zwar eine Vielzahl von Zuständigkeitsregelungen, 36 Abs.2 S. 3 BauGB wird darin jedoch nicht erwähnt. Die an sich naheliegende Lösung, dass die Baurechtsbehörde die zuständige Behörde i.s. des 36 Abs.2 S. 3 BauGB ist, scheidet aus, denn 36 unterscheidet zwischen der Baugenehmigungsbehörde und der nach Landesrecht zuständigen Behörde. Teilweise wird angenommen, die Kommunalaufsichtsbehörde sei die zuständige Behörde i.s. des 36 Abs.2 S. 3 BauGB (so Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 36 Rd.Nr. 807; Groß, Baurecht 1999, 560).
- 4 - Richtig ist, dass die Kommunalaufsichtsbehörde die Baugenehmigung ersetzen kann, aber nur in dem dafür nach 118 ff. GemO vorgesehenen Verfahren (VGH Bad.-Württ., NVwZ 1999, 442; Dippel, NVwZ 1999, 924). Nach 121 GemO hätte das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde zunächst den Beschluss des Gemeinderats beanstanden und verlangen müssen, dass der Beschluss aufgehoben wird. Dies ist jedoch nicht geschehen. Da somit eine zuständige Behörde i.s. des 96 Abs.2 S. 2 BauGB nicht bestimmt worden ist, kommt allenfalls die subsidiäre Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums gem. 5 Abs.2 LVwG in Betracht. Das Wirtschaftsministerium ist jedoch nicht tätig geworden. Auch wenn das Landratsamt für das Ersetzen des Einvernehmens nicht zuständig war, ist diese Maßnahme gleichwohl wirksam. Sie stellt einen Verwaltungsakt dar, denn sie greift in die Planungshoheit der Gemeinde ein (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB 36 Rd.Nr. 43, Jäde, ZfBR 1998, 136; Lasotta, Das Einvernehmen der Gemeinde nach 36 BauGB, S. 210). Auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind grundsätzlich wirksam, sofern die Voraussetzungen des 44 VwVfG für eine Nichtigkeit nicht vorliegen. Ein Nichtigkeitsgrund nach 44 Abs. 2 VwVfG liegt nicht vor. Man kann wohl auch nicht sagen, dass das Ersetzen des Einvernehmens nach 44 Abs.1 VwVfG nichtig ist. Von einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler kann man wohl nicht sprechen. In der Literatur wird nämlich von namhaften Autoren angenommen, dass 36 Abs.2 S. 3 BauGB eine Ermächtigung für die Kommunalaufsichtsbehörde darstelle und zwar unabhängig von der Möglichkeit, auf Grund der Gemeindeordnung tätig zu werden. Die Gemeinde G. hat jedoch gegen die Baugenehmigung Widerspruch eingelegt. Bei sinngemäßer Würdigung des Rechtsschutzbegehrens der Gemeinde G. muss dieser Widerspruch zugleich auch auf das Ersetzen des Einvernehmens bezogen werden, denn die Gemeinde G. beruft sich auf ihre Planungshoheit. Problematisch ist, ob 212a BauGB auch auf den Widerspruch gegen das Ersetzen des Einvernehmens Anwendung findet. Hiergegen spricht wohl, dass es sich bei dem Ersetzen des Einvernehmens nicht um eine bauaufsichtliche Genehmigung im Sinne dieser Vorschrift handelt (OVG Lüneburg, NVwZ 1999, 1005; OVG Bautzen, LKV 1997, 376; Dippel NVwZ 1999, 921; Lasotta, aao, S. 215; a.m. Ortloff, NVwZ 1998, 581; Lüers, WuV 1998, 750). Verbleibt es aber bei dem Grundsatz des 80 Abs.1 VwGO, dass Rechtsmittel aufschiebende Wirkung haben, dann kann der Gemeinde G. nicht entgegen gehalten werden, dass das Landratsamt ihr Einvernehmen ersetzt habe. (Nimmt man demgegenüber an, 212a BauG finde auch beim Ersetzen des Einvernehmens Anwendung, muss der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch auf das Ersetzen des Einvernehmens durch das Landratsamt erstreckt werden. Es müsste dann geprüft werden, ob die Gemeinde berechtigt war, ihr Einvernehmen zu verweigern). 46 VwVfG findet insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 1986, 556; eb. VGH München, GewArch 1991, 238; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 46 Rd.Nr. 34; Lasotta aao, S. 213) keine Anwendung, weil 36 BauGB als lex spezialis anzusehen ist. 4.) Rechtsfolgen des fehlenden Einvernehmens Da somit das nach 36 Abs.1 BauGB erforderliche Einvernehmen weder erteilt noch ersetzt worden ist, liegt ein Verstoß gegen 36 Abs.1 BauGB vor. Dies führt nach der Rechtsprechung des
- 5 - Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 22, 248; BauR 1991, 55; NVwZ 1992, 878; NVwZ 1994, 265) zu einem rechtswidrigen Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde. 5.) Rechtsverletzung der Gemeinde G. 36 BauGB dient dem Schutz der Planungshoheit der Gemeinde, so dass diese durch eine unter Verstoß gegen 36 BauGB erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt wird und zwar unabhängig davon, ob das Bauvorhaben materiell-rechtlich zulässig war oder nicht. Ergebnis: Das Verwaltungsgericht wird auf den Antrag der Gemeinde G. hin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anordnen. B. Antrag des H. I. Zulässigkeit des Antrags 1.) Antragsart Der nach den Ausführungen zur Antragsart bei dem Antrag der Gemeinde G. gebotene Antrag nach 80a Abs.3 VwGO könnte daran scheitern, dass die Baugenehmigung dem H. gar nicht zugestellt worden ist, sondern er erst aus der Zeitung davon Kenntnis erlangt hat. Grundsätzlich wird ein Verwaltungsakt erst wirksam, wenn er bekannt gegeben worden ist ( 43 Abs.1 VwVfG). Eine Bekanntgabe in diesem Sinn liegt aber nur vor, wenn die zuständige Behörde dem Adressaten Kenntnis von dem Verwaltungsakt gibt (BVerwGE 29, 321). Wenn ein Verwaltungsakt mehreren Adressaten gegenüber zu verschiedenen Zeitpunkten bekannt gegeben wird, tritt die Wirksamkeit unterschiedlich ein (BVerwG, NJW 1970, 363). Allerdings wird für die Anfechtung eines Verwaltungsaktes nicht verlangt, dass dieser gegenüber dem Rechtsmittelführer bereits durch Bekanntgabe wirksam geworden ist. Es reicht vielmehr aus, dass der Verwaltungsakt gegenüber einem anderen Adressaten bekannt gegeben worden ist und damit rechtlich existent geworden ist (BVerwGE 44, 294; OVG Münster, NVwZ 1992, 991). Anderenfalls hätte die Behörde es nämlich in der Hand, das Einlegen von Rechtsmitteln durch Drittbetroffene schon dadurch zu vereiteln, dass sie diesen gegenüber den Verwaltungsakt nicht bekannt gibt. Da die Baugenehmigung dem K. bekannt gegeben worden ist, kann H. dagegen Widerspruch einlegen. Daraus folgt, dass er vorläufigen Rechtsschutz nach 80a Abs.3 VwGO beantragen muss. Ein noch zu erhebender Widerspruch des H. wäre auch nicht verspätet, da ihm gegenüber die Rechtsmittelfrist mangels Bekanntgabe der Baugenehmigung noch nicht in Lauf gesetzt wurde (BVerwGE 44, 294). 2.) Vorläufiger Rechtsschutz ohne Widerspruch? Ein Antrag nach 80a Abs.3 VwGO könnte allerdings daran scheitern, dass H. nach dem Sachverhalt noch keinen Widerspruch eingelegt hat. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels kann eigentlich nur nach Einlegung des Rechtsmittels angeordnet werden. Gleichwohl wird überwiegend angenommen, dass eine Entscheidung nach 80 Abs.5 VwGO -und ebenso nach 80a Abs.3
- 6 - VwGO- schon vor Einlegung des Widerspruchs möglich ist (VGH Bad.-Württ., DVBl. 1995, 303; Schenke JZ 1996, 1160; Sodan/Ziekow, VwGO, 80 Rd.Nr. 29; Kopp/Schenke, VwGO, 80 Rd.Nr. 39; a.a. OVG Koblenz, NJW 1995, 1043; OVG Münster, DVBl. 1996, 115; Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, 80 Rd.Nr. 314). Für die Ansicht, dass ein Verfahren nach 80Abs.5 VwGO auch ohne ein zuvor eingelegtes Rechtsmittel zulässig ist, spricht zunächst 80 Abs.5 S. 2 VwGO, wonach der Antrag schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist. Ferner sieht 80a Abs.3 VwGO vor, dass das Gericht Maßnahmen nach 80a Abs.1 und 2 VwGO treffen kann. 80a Abs.1 Nr. 2 VwGO ermöglicht die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts; ein vorheriges Rechtsmittel wird dabei nicht verlangt. 3.) Antragsbefugnis Die Antragsbefugnis des H. ergibt sich daraus, dass der Zufahrtsverkehr der Müllfahrzeuge seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stört und damit ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Betracht kommt. B. Begründetheit Wie bereits bei dem Antrag der Gemeinde G. dargelegt, findet im Rahmen eines Verfahrens nach 80, 80a Abs.3 VwGO eine Interessenabwägung statt, bei der maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abzustellen ist. 1.) Unterbliebene Anhörung Die Baugenehmigung könnte schon deswegen rechtsfehlerhaft sein, weil H. vor der Erteilung der Genehmigung nicht angehört worden ist. Allerdings sieht 55 LBO lediglich eine Beteiligung der Angrenzer im Baugenehmigungsverfahren vor, nicht dagegen sonstiger Betroffener. 55 LBO stellt aber keine abschließende Regelung über die Beteiligung Dritter am Baugenehmigungsverfahren dar, sondern gewährleistet nur einen Mindeststandard. Daneben findet 13 VwVfG Anwendung (OVG Münster, NVwZ 1988, 74; Schlotterbeck-von Arnim, LBO, 55 Rd.Nr. 3; Ortloff, NJW 1983, 964). Eine zwingende Beteiligung eines Dritten ist nach 13 Abs.2 S. 2 VwVfG aber nur dann vorgeschrieben, wenn der Verwaltungsakt rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten hat. Dies ist bei einer Baugenehmigung allenfalls dann der Fall, wenn eine Befreiung von nachbarschützenden Normen erteilt wird (Ortloff, aao). 2.) Verstoß gegen 36 BauGB Einen Verstoß gegen 36 BauGB kann H. nicht rügen, weil diese Vorschrift keine nachbarschützende Wirkung hat (BVerwGE 28, 268; NJW 1977, 789). 3.) Verstoß gegen 35 BauGB
- 7 - Bei 35 BauGB ist zunächst zu prüfen, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben nach 35 Abs.1 BauGB oder ein nicht privilegiertes Vorhaben nach 35 Abs.2 BauGB handelt. Privilegierte Vorhaben sind im Außenbereich grundsätzlich zulässig, nicht privilegierte sind grundsätzlich unzulässig (s. dazu BVerwGE 18, 247; 28, 148 und 264; Dürr, BauR, Rd.Nr. 122; Brügelmann/Dürr, BauGB, 35 Rd.Nr. 8 ff. -jeweils m.w.n.). a) Privilegierung nach 35 Abs.1 Nr. 3 BauGB Diese Vorschrift erfasst zwar zahlreiche öffentliche Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen, nicht aber Abfallanlagen. Es handelt sich auch nicht um einen ortsgebundenen gewerblichen Betrieb, denn eine Biokompost-Anlage ist nicht auf einen bestimmten Standort angewiesen (s. dazu BVerwGE 96, 95). b) Privilegierung nach 35 Ab s.1 Nr. 4 BauGB Diese Vorschrift privilegiert Anlagen, die wegen ihrer Funktion oder den von ihr ausgehenden Störungen nur im Außenbereich errichtet werden sollen (s. dazu BVerwGE 96, 95 sowie Brügelmann/Dürr, BauGB, 35 Rd.Nr. 54 ff. m.w.n.). Für eine Privilegierung reicht es allerdings nicht aus, dass eine Anlage wegen der von ihr ausgehenden Emissionen im Innenbereich nicht verwirklicht werden kann, es muss ferner hinzu kommen, dass es geboten ist, ein derartiges Vorhaben gerade im Außenbereich zu errichten (BVerwGE 67, 33; BauR 1992, 52). Das Wort soll lässt erkennen, dass die Errichtung einer solchen Anlage im Außenbereich städtebaulich billigenswert sein muss (BVerwGE 55, 118; 67, 41; NVwZ 1984, 169). Dies ist bei einer Biokompost-Anlage der Fall. Die Errichtung derartiger Anlagen liegt im öffentlichen Interesse. Wegen der von ihr ausgehenden Geruchtsemissionen kann sie im Innenbereich nicht errichtet werden; dies gilt auch für Gewerbe- und Industriegebiete. Daher ist die Biokompost-Anlage nach 35 Abs.1 Nr. 4 BauGB privilegiert (VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 2001, 580). c) Entgegenstehende öffentliche Belange Die Privilegierung nach 35 Abs.1 BauGB bedeutet nicht, dass die Anlage genehmigt werden muss. Vielmehr können auch privilegierte Vorhaben abgelehnt werden, wenn ihnen öffentliche Belange entgegenstehen ( 35 Abs. 1 BauGB). Es hat insoweit eine Abwägung zwischen dem Interesse des Vorhabenträgers an der Verwirklichung seines privilegierten Vorhabens einerseits, den entgegenstehenden öffentlichen Belangen andererseits stattzufinden (BVerwGE 28, 148; 48, 109; 77, 300; Brügelmann/Dürr, BauGB, 35 Rd.Nr. 66 m.w.n.) Als entgegenstehender Belang kommt zunächst die Darstellung des Flächennutzungsplans in Betracht, der eine landwirtschaftliche Nutzung vorsieht. Privilegierte Vorhaben können jedoch nur dann an den Darstellungen eines Flächennutzungsplans scheitern, wenn es sich um eine hinreichend konkrete Standortzuweisung im Flächennutzungsplan handelt (BVerwGE, 67, 33; 68, 311; NVwZ 1997, 899). Die pauschale Ausweisung als Fläche für Landwirtschaft reicht dafür nach der zitierten Rechtsprechung nicht aus. Das Vorhaben könnte ferner gegen 35 Abs.3 Nr. 3 BauGB verstoßen, weil es schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Die Tatsache, dass die Biokompost-Anlage
- 8 - Geruchsemissionen verursacht, kann allerdings nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen, denn dies ist ja gerade der Grund für die Privilegierung des Vorhabens. Es muss vielmehr hinzu kommen, dass dies zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Nachbarschaft führt. Dies ist hier nach dem Sachverhalt nicht der Fall, denn der H. macht gar nicht geltend, dass die Biokompost- Anlage störende Gerüche verursache. Zu den schädlichen Umwelteinwirkungen zählt ferner der durch den Zufahrtsverkehr verursachte Verkehrslärm. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Außenbereich nicht generell gegenüber Verkehrslärm geschützt ist (vgl. 2 Abs.2 16.BImSchV). Nach dieser Vorschrift wird der Außenbereich den Mischgebieten gleichgestellt. Bei einem Zu- und Abfahrtsverkehr von 50 Müllfahrzeugen täglich kann ausgeschlossen werden, dass der Grad einer schädlichen Umwelteinwirkung erreicht wird, denn in Mischgebieten muss wesentlich mehr als 50 LKW täglich hingenommen werden. Die Biomüllkompost-Anlage könnte außerdem gegen 35 Abs.3 Nr. 5 BauGB verstoßen, wonach Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert nicht beeinträchtigt werden dürfen und das Landschaftsbild nicht verunstaltet werden darf. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird beeinträchtigt, wenn die in der Umgebung vorhandene Bodennutzung nicht dem geplanten Vorhaben entspricht (BVerwGE 26, 111; 28, 271; NJW 1970, 346; NVwZ 1986, 200). Bei einem privilegierten Vorhaben scheidet eine Versagung der Baugenehmigung wegen Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft aus, weil beinahe jedes privilegierte Vorhaben von der in der Umgebung vorhandenen Bodennutzung abweicht; eine Genehmigung eines privilegierten Vorhabens kann nicht schon bei einerf Beeinträchtigung öffentlicher Belange versagt werden, sondern erst dann, wenn diese dem Vorhaben entgegenstehen. Dies ist bei einer Biokompost-Anlage im Außenbereich nicht der Fall, da derartige Anlagen im Außenbereich untergebracht werden müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1998, 58) reicht eine Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zur Versagung der Baugenehmigung nur aus, wenn es sich um einen unter Landschaftsschutz stehenden Bereich handelt. Davon ist im Sachverhalt nicht die Rede. Bei einem nicht unter Landschaftsschutz gestellten Bereich kann ein Vorhaben wegen 35 Abs.3 Nr. 5 BauGB nur abgelehnt werden, wenn es das Landschaftsbild verunstaltet. Eine Biokompost-Anlage ist zwar keine Bereicherung des Landschaftsbildes. Eine Verunstaltung liegt aber erst dann vor, wenn die Bebauung von dem Betrachter als optisch unangemessen empfunden wird (BVerwG, NJW 1995, 2648; NVwZ 1991, 64). Dies ist bei einer Biokompost-Anlage nicht der Fall. Neben den in 35 Abs.3 BauGB genannten öffentlichen Belangen gibt es auch nicht geschriebene öffentliche Belange, wie das Wort insbesondere zeigt (BVerwG, BauR 1974, 257). Hierzu gehören auch die Planungsvorstellungen der Gemeinde. Diese stellen allerdings nur dann einen öffentlichen Belang dar, wenn sie hinreichend konkretisiert sind (Brügelmann/Dürr, BauGB, 35 Rd.Nr. 67). Die noch nicht näher verfestigte Absicht, dort evtl. einen Golfplatz anzulegen, reicht dafür nicht aus. Als nicht geschriebener öffentlicher Belang ist ferner vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 52, 122) das Gebot der Rücksichtnahme anerkannt worden. In neueren Entscheidungen wird das Gebot der Rücksichtnahme allerdings auf 35 Abs.3 Nr. 3 BauGB gestützt (BVerwG, NVwZ 1994, 686). Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme (s. dazu Dürr, BauR, Rd.Nr. 265 ff.; Brügelmann/Dürr, BauGB, 30 Rd.Nr. 58 ff.) verlangt in seinem Kern eine Abwägung zwischen den Belangen des
- 9 - Bauherrn und seiner Nachbarn. Der Bauherr braucht allerdings nicht berechtigte Interessen aufzugeben, nur um gleichermaßen berechtigte Interessen der Nachbarschaft zu schonen. Der H. hat zwar durchaus ein berechtigtes Interesse daran, dass die ruhige Lage seines Hotels erhalten bleibt; das gleiche gilt auch für die Erhaltung einer schönen Aussicht von der Terrasse. Es handelt es sich aber in beiden Fällen um sog. Lagevorteile, auf deren dauerhafte Erhaltung der H. keinen Rechtsanspruch hat. Jeder Anlieger einer Straße muss eine Zunahme des Verkehrslärms hinnehmen, so lange der Verkehrslärm nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führt. 55 Müllfahrzeuge täglich führen zwar sicher zu einer gewissen Störung der Gäste. Die Störung ist aber nicht so, dass deswegen die Existenz des Hotels gefährdet wäre. Auch die Beeinträchtigung der Aussicht von der Terrasse stellt keine unzumutbare Beeinträchtigung des Hotelbetriebs dar (vgl. BVerwG, NVwZ 1995, 895; VGH Bad.-Württ.,, VBlBW 1997, 426; 2000, 482). Es kann dem H. im Übrigen zugemutet werden, das Gelände vor der Terrasse so zu bepflanzen, dass der Blick auf die Biokompost-Anlage versperrt wird. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn der Zufahrtsverkehr ohne größere Nachteile für den Betreiber der Anlage auch auf einer anderen Straße geführt werden könnte. Davon ist aber im Sachverhalt nicht die Rede. 4.) Rechtsverletzung des H. Da die Anlage somit zu Recht genehmigt wurde, kommt es auf die Prüfung der Frage, ob 35 Abs.3 BauGB nachbarschützend ist, eigentlich nicht mehr an. Dies könnte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 52, 122) nur insoweit der Fall sein, als eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gerügt wird. Ergebnis: Der Antrag des H. hat keinen Erfolg.