Balanced Scorecard und Personalmanagement



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Transkript:

Balanced Scorecard und Personalmanagement Mit der Balanced Scorecard Unternehmen und Mitarbeiter strategiegeleitet machen 1. Das Konzept der Balanced Scorecard Im engeren Sinne wird unter einer Balanced Scorecard [BSC] ein ausgewogener Berichtsbogen verstanden, in dem die strategischen Ziele eines Unternehmens klar formuliert und mit quantifizierbaren Messgrößen zu einem ausgewogenen Zielsystem verbunden werden. Ausgehend von dieser ursprünglichen Konzeption erfolgte eine Weiterentwicklung zu einem Instrument, mit dessen Hilfe die Die Vision und Mission sowie vor allem die Strategie eines Unternehmens in konkrete operative Handlungen übersetzt werden kann. In diesem Sinn wird die BSC heute als Management-System zur Strategieumsetzung im Unternehmen benutzt, um die Lücke zwischen Strategiebildung und Strategieimplementierung zu schließen. Es können sieben Zielsetzungen definiert werden, die mit einer BSC verfolgt werden: 1. Berücksichtigung nicht-finanzieller Größen bei der Erfolgsmessung 2. Klärung und Konkretisierung der Strategie 3. Kommunikation der Strategie im Unternehmen 4. Ausrichtung der operativen Planung an der Strategie 5. Verhaltenssteuerung der Handlungsträger durch Anreizsysteme 6. Überprüfung und Anpassung der Strategie in einem laufenden Lernprozess 7. Externe Kommunikation der Strategie an Investoren und Kapitalgeber Gerade aus Sicht des Personalmanagements gibt es dabei eine Reihe offener Fragen: Wie kann der Einsatz der Balanced Scorecard durch das Personalmanagement unterstützt werden? Welche HR-Aspekte sind beim Aufbau einer Scorecard zu berücksichtigen? Wie lässt sich die Balanced Scorecard als Instrument eines aktiven Personalmanagements einsetzen? 2. Human-Resources-Aspekte der Balanced Scorecard Bei einer Befragung der Dax-100-Unternehmen in jüngster Vergangenheit wurde deutlich, dass viele Unternehmen die BSC lediglich als ein um nicht-finanzielle Größen ergänztes Kennzahlensystem verstehen, und dementsprechend die innovativen Potenziale dieses Konzeptes häufig gar nicht nutzen. Welche Defizite hier bestehen, und worauf beim Einsatz der Balanced Scorecard besonders zu achten ist, wird im Folgenden aus der Sicht des Personalmanagements dargestellt. Dabei werden nacheinander die drei zentralen HR-Aspekte des BSC-Konzeptes betrachtet: Strategieverständnis der Mitarbeiter, Ableitung von Mitarbeiterzielen und Verknüpfung mit dem Anreizsystem. Das Strategieverständnis der Mitarbeiter Mit Hilfe einer Strategie versucht ein Unternehmen, seine Stärken und die sich ihm bietenden Chancen bestmöglich zu nutzen sowie Schwächen und Gefahren zu vermeiden. Damit kann eine Strategie letztlich als ein Bündel von Annahmen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Unternehmen angesehen werden. Diese Modelle zur Zielerreichung sind oft nur in den Köpfen der Führungskräfte vorhanden wobei durchaus auch unterschiedliche Vorstellungen existieren können. THEUER & PARTNER MANAGEMENT CONSULTANTS 1

Bei der Strategieumsetzung geht es deshalb zunächst darum, diese Annahmen über die Zusammenhänge im Unternehmen explizit zu machen, indem die vielfältigen strategischen Zielsetzungen über Ursache-Wirkunsg-Ketten in einer so genannten 'Strategy Map' miteinander verknüpft werden. Dem Strategieverständnis dient auch die Hinterlegung der strategischen Ziele mit quantifizierten Messgrößen, Zielvorgaben und konkreten Maßnahmen. Dies führt einerseits zu einer Konkretisierung der Strategie, andererseits ermöglicht es die Überprüfung der zugrundeliegenden Annahmen in einem kontinuierlichen Prozess des Kontrollierens und Lernens. Vor allem ist die BSC sehr gut geeignet, um den einzelnen Mitarbeitern die Strategie zu vermitteln. Diese erkennen dabei: auf welche Ziele es ankommt, in welchem Zusammenhang diese Ziele stehen, und welchen eigenen Beitrag sie zum Erreichen der Ziele leisten können. Diese zentrale Bedeutung der Strategy Maps wird von den Unternehmen bisher offensichtlich nicht erkannt: Nach der erwähnten Studie verzichtet die Hälfte der DAX-100-Unternehmen, die eine BSC besitzen, auf die Definition von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Zusätzlich verknüpfen nur 60% die strategischen Ziele mit Aktionsplänen; und weniger als ein 25% der Unternehmen nutzen die BSC zur Strategie-Kommunikation unterhalb des Mittelmanagements auf der Ebene der Mitarbeiter. Soll die BSC einen maximalen Beitrag zur Strategieumsetzung leisten, so müssen einerseits die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zwischen den strategischen Zielen sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden; andererseits muss die BSC und die zugrundeliegendse Strategie an alle Mitarbeiter auf allen Hierarchieebenen kommuniziert werden. Ableiten von Mitarbeiterzielen Ist die Strategie von allen Mitarbeitern verstanden, so gilt es im nächsten Schritt sicherzustellen, dass sich die Mitarbeiter im Sinne der Strategie verhalten und dementsprechend Entscheidungen treffen. Dazu gehört, dass die Ziele der einzelnen Mitarbeiter und die Ziele der Arbeitsgruppen und Teams auf die Strategie ausgerichtet werden. Die BSC muss also bis auf die Ebene der Mitarbeiter herunte-r gebrochen werden. Letztlich sollte jeder Mitarbeiter eine persönliche Scorecard haben buchstäblich als Karte an seinem Arbeitsplatz. Ein exzellentes Beispiel für ein derartiges Vorgehen ist die General Electric Lighting Business Group, Geschäftsbereich für Beleuchtungssysteme von General Electric. Die Lighting Business Group leitete aus den Zielvorgaben des Konzerns eine BSC ab, die sie über die Stufen der Abteilungen und Werke bis auf die Ebene der Mitarbeiter herunterbrach. Die Ziele der Mitarbeiter in der Produktion und die zugehörigen Messgrößen wurden in einer 'Frontline Employee Scorecard' zusammengefasst. So weiß jeder Mitarbeiter, worauf er sich konzentrieren soll, um die übergeordneten Ziele des jeweiligen Werkes positiv zu beeinflussen. Auch bei der Frage, auf welchen Hierarchieebenen die BSC eingesetzt wird, zeigen sich bei den befragten deutschen DAX-Unternehmen Defizite in der Umsetzung des Konzeptes. In den meisten Fällen wird die BSC nur auf der Ebene von Gesamtunternehmen/Konzern und auf der Ebene von strategisch wichtigen Geschäftseinheiten eingesetzt. Auf den darunter liegenden Management-Ebenen der Werke/Betriebe, Abteilungen und Gruppen wollen nur deutlich weniger Unternehmen mit einer Scorecard arbeiten und nur ein einziges DAX-100-Unternehmen hat eine BSC für einzelne Mitarbeiter. Die BSC wird damit in den meisten Fällen ausschließlich als Instrument des strategischen Controlling durch das Top-Management genutzt. Ihr Potenzial bei der Verbindung der individuellen Ziele der Mitarbeiter mit der Unternehmensstrategie bleibt dadurch häufig ungenutzt. THEUER & PARTNER MANAGEMENT CONSULTANTS 2

Verknüpfung der BSC mit dem Anreiz- und Vergütungssystem Werden die individuellen Ziele in der geschilderten Weise über die BSC mit der Unternehmensstrategie verbunden, so bietet es sich an, sie auch zur Erfolgs- bzw. Leistungsbeurteilung zu verwenden und eventuell mit dem Anreizsystem (variable Vergütung) zu verknüpfen. Der Einsatz der BSC als Grundlage eines Anreizsystems kann am Beispiel des 'Performance Excellence Plan (PEP)' des Whirlpool-Konzerns dargestellt werden. Whirlpool ist einer der weltweit größten Hersteller von Haushaltsgeräten und Marktführer auf dem europäischen Kontinent. Die Manager in den Konzernunternehmen erhalten eine leistungsabhängige Vergütung, wobei der Anteil des variablen Bonusses am Gesamtgehalt 10% bis 40% beträgt und von der Verantwortung des Managers und seiner Einflussmöglichkeit auf den Geschäftsverlauf abhängt. Zur Ermittlung diees Bonusses wird der Planwert mit zwei Faktoren multipliziert. Ein individueller Multiplikator, der Werte zwischen 0,85 und 1,5 annehmen kann, wird vom Vorgesetzten aufgrund der Leistung des Managers festgelegt. Ein zweiter Multiplikator ergibt sich aus der Zielerreichung in der Balanced Scorecard des Unternehmens. Dieser Multiplikator ist für alle Manager des Unternehmens gleich hoch und liegt zwischen 0,5 und 1,5. Zu seiner Ermittlung werden die einzelnen Ziele der Balanced Scorecard gewichtet und das gewichtete Mittel aus den in Noten zwischen 0,5 und 1,5 umgewandelten Zielerreichungsgraden gebildet. Dabei zählen finanzielle Ziele 50% und die Ziele der Kundenperspektive und der Mitarbeiterperspektive je 25%. Bei der Verwendung der BSC als Basis eines Anreizsystems ist allerdings zu beachten, dass dies gerade auf höheren Management-Ebenen problematisch ist. Die für die Aggregation zu einer einzigen Bemessungsgrundlage erforderliche Gewichtung der verschiedenen Perspektiven und Ziele determiniert das Entscheidungsverhalten der Führungskräfte bei der Wahl der passenden Strategie. Insbesondere wird durch eine solche Gewichtung beispielsweise eine Abwägung zwischen Qualitätszielen und Kosten- oder Umsatzzielen vorgegeben. Damit stellt sich die Frage, wer diese Gewichtung festlegen soll. Einerseits ist eine Festlegung des Anreizsystems durch das betroffene Top-Management selbst offensichtlich fragwürdig. Andererseits spricht gegen die Festlegung durch Außenstehende (z.b. den Aufsichtsrat) die Tatsache, dass es gerade eine zentrale Aufgabe des Top-Managements eines Unternehmens ist, über die Priorisierung (operativer) Teilziele zu entscheiden, weil Außenstehende hierzu häufig nicht über die notwendigen detaillierten Informationen verfügen. Leistungsanreize für das Top-Management sollten deshalb besser auf langfristig ausgerichteten finanziellen Performancegrößen basieren und nicht eine Priorisierung von Teilzielen, die letztlich der Erreichung dieser Performancegrößen dienen, vorwegnehmen. Gerade umgekehrt verhält es sich bei Mitarbeitern auf niedrigen Hierarchie-Ebenen. Für sie eignet sich eine übergeordnete finanzielle Ergebnisgröße nur schlecht als Bemessungsgrundlage eines Anreizsystems. Zum einen können sie diese Größe nur zu einem sehr kleinen Teil beeinflussen, zum anderen müssen sie dadurch einen Teil des unternehmerischen Risikos tragen, das sie nicht wie die Kapitalgeber durch Diversifikation verringern können. Der positive Anreizeffekt verringert sich also auf niedrigeren Hierarchie-Ebenen stark, während der negative Risikoeffekt zunimmt. Für Mitarbeiter in operativen Bereichen bietet sich daher eine Leistungsbeurteilung anhand ihres Beitrages zur Erreichung konkreter, einzelner BSC-Ziele (des jeweiligen Vorgesetzten) an. 3. Management der Mitarbeiter-Beziehung Die bisher angesprochenen Punkte beschäftigten sich mit der Umsetzung der Strategie durch die BSC und dem Beitrag des Personalmanagements zu diesem Prozess. Das BSC-Konzept kann aber auch für einen speziellen Einsatzzweck innerhalb des Human-Resource- Management verwendet werden, der in der jüngeren Literatur zum strategischen Management THEUER & PARTNER MANAGEMENT CONSULTANTS 3

vorgeschlagen wird: zum Management der Beziehungen zu den Mitarbeitern und der damit verbundenen immateriellen Vermögenswerte. Die moderne Unternehmung kann als Koalition verschiedenster Gruppen mit unterschiedlichen Zielsetzungen aufgefasst werden. Zu diesen so genannten Stakeholdern gehören beispielsweise Kunden, Lieferanten, Gläubiger - und insbesondere die Mitarbeiter. Während sich die eingangs genannten grundsätzlichen Zielsetzungen der BSC jeweils auf durchaus bekannte Problembereiche der Unternehmensführung beziehen, ist gerade in der instrumentellen Unterstützung eines erfolgreichen Stakeholder-Managements der eigentliche innovative Kern der BSC zu sehen. Erfolgreiches Stakeholder-Management bedeutet, Leistungen und Gegenleistungen im Verhältnis zu den Stakeholdern so auszubalancieren, dass diese in erforderlichem Umfang die im Sinne der Unternehmensstrategie erfolgskritischen immateriellen Vermögenswerte generieren. Ein solches Stakeholder-Management ist deshalb von stark zunehmender Bedeutung, weil in modernen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zumeist nicht mehr auf einzigartigen physischen Vermögensgegenständen basieren, sondern auf immateriellen Vermögenswerten, wie Produkt- und Prozessinnovationen, Qualifikation und Know-how, Qualität von Produkten und Leistungen oder Kundenloyalität. In allen diesen Feldern spielen die Mitarbeiter eine entscheidende Rolle und erweisen sich damit als so genannte 'Key-Stakeholder'. Obwohl die BSC damit gerade den Beitrag der Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg über Wirkungsbeziehungen als Teil der Unternehmensstrategie explizieren und dadurch steuerbar machen sollte, zeigt der Blick in die Unternehmenspraxis deutliche Defizite bei der Umsetzung dieses eigentlich innovativen Kerns der BSC. Auf die Frage, welchen Nutzen sich die befragten DAX-100 Unternehmen vom Einsatz der BSC erwarten, erhielten von 17 möglichen Antworten die Aussagen 'Förderung immaterieller Investitionen' und 'stärkere Berücksichtigung der Stakeholder' die wenigsten Nennungen. Auch verzichteten immerhin 28% der Unternehmen in ihrer BSC auf eine Lern-/Entwicklungs- bzw. Mitarbeiterperspektive. Beim Einsatz der BSC in der betrieblichen Praxis besteht damit gerade im Hinblick auf das Management der Beziehungen zu den Mitarbeitern noch großer Verbesserungsbedarf. 4. Zusammenfassung Die BSC ist ein vieldiskutiertes Managementsystem, mit dessen Hilfe Strategien in konkrete operative Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Der Großteil der DAX-100 Unternehmen stuft die BSC in eine mittlere Priorität ein oder hat sich noch keine Meinung gebildet. Gegen eine Weiterverfolgung des Konzeptes haben sich bereits ca. 15% der befragten Unternehmen entschieden. Die Branchen Banken & Finanzdienstleister und insbesondere Bau liegen bei der Verbreitung deutlich zurück, während die Branche Handel & Konsum dabei ist, zu den übrigen Branchen, die jeweils einen ähnlichen Verbreitungsgrad aufweisen, aufzuschließen. Beim Einsatz in der Praxis bestehen damit in den folgenden drei aus Sicht des Personalmanagements zentralen Aspekten des BSC-Konzeptes Defizite: Zur Steigerung des Verständnisses der Mitarbeiter für die Strategie ist die Abbildung von Ursache- Wirkung-Zusammenhängen zwischen den strategischen Zielen in Strategy Maps und die Kommunikation der BSC auf allen Mitarbeiterebenen erforderlich. Beides wird von vielen Unternehmen vernachlässigt. Zur Verbindung der individuellen Ziele der Mitarbeiter mit der Unternehmensstrategie sollte die BSC auf die Ebene der Mitarbeiter heruntergebrochen werden. In der Praxis wird sie jedoch meist nur auf der Ebene des Gesamtunternehmens und auf der Ebene von strategischen Geschäftseinheiten eingesetzt. THEUER & PARTNER MANAGEMENT CONSULTANTS 4

Als Grundlage für ein Motivations- und Anreizsystem sollte die BSC vorrangig auf mittleren und unteren Management-Ebenen eingesetzt werden, während Leistungsanreize für das Top-Management besser auf langfristig ausgerichteten finanziellen Performancemaßen basieren sollten. Von besonderer Relevanz ist die Lücke zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Realität bei dem eigentlichen innovativen Kern des Konzeptes aus HR-Sicht dem Einsatz der BSC zum aktiven Management der Beziehungen zu den Mitarbeitern und der damit verbundenen immateriellen Vermögenswerte im Sinne eines Stakeholder-Managements. Soll das Potenzial, das in der BSC steckt, voll genutzt werden, so muss diesen Punkten von Anfang an besondere Beachtung geschenkt werden. Zu warnen ist vor einer Einführung einer 'BSC light', die (zunächst) auf solche wichtige Elemente verzichtet. Es besteht dann nämlich die Gefahr, dass die hoch gesteckten Erwartungen enttäuscht werden und die BSC als vermeintliche Modeerscheinung ad acta gelegt wird. THEUER & PARTNER MANAGEMENT CONSULTANTS Bettinastraße 35-37 D-60325 Frankfurt am Main Telefon +49 (69) 9074 7650 Fax +49 (69) 9074 7655 Email: info@theuer-partner.com www.theuer-partner.com THEUER & PARTNER MANAGEMENT CONSULTANTS 5