Mögliche Auswirkungen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) auf Entwicklungs- und Schwellenländer



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Transkript:

Januar 2015 Mögliche Auswirkungen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) auf Entwicklungs- und Schwellenländer Studie des ifo Instituts gemeinsam mit dem IAW Tübingen im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Executive Summary, 21.1.2015 Prof. Gabriel Felbermayr, PhD (ifo & LMU München) Prof. Dr. Wilhelm Kohler (IAW & Universität Tübingen) Dr. Rahel Aichele (ifo München) Günther Klee, M.A. (IAW Tübingen) Dr. Erdal Yalcin (ifo München) Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Zentrum für Außenwirtschaft Dr. Rahel Aichele Poschingerstr. 5, 81679 München Dr. Markus Zimmer Inga Heiland M.Sc.

1. Hintergrund Der künftige Wohlstand Deutschlands und Europas hängt entscheidend von einem einfachen Zugang zu internationalen Märkten ab. Der Welthandel kann durch eine offene, verlässliche und gut regulierte Partnerschaft zwischen der EU und den USA wichtige Impulse erhalten und nachhaltig gestaltet werden. Die TTIP soll einerseits ein klassisches Freihandelsabkommen beinhalten, andererseits geht es dabei aber auch um einen Beitrag zur Gestaltung der Regeln des Welthandels im 21. Jahrhundert, insbesondere im Bereich der regulatorischen Zusammenarbeit. Die TTIP hätte direkte Effekte auf circa 45% der Weltwertschöpfung und 30% des Welthandels. Die aktuellsten Schätzungen sehen in der langen Frist für Deutschland einen durch die TTIP bewirkten dauerhaften Zuwachs des realen Prokopfeinkommens von 1,0%-3,5%. Aber es sind auch Effekte auf Drittstaaten zu erwarten. Von Energierohstoffen abgesehen, importieren die EU Staaten von Entwicklungsländern mehr als die USA, Kanada, Japan und China zusammengenommen. Aber auch die USA sind für die Entwicklungsländer ein wichtiger Markt. 30% aller Drittländer machen mehr als 50% des Exportumsatzes mit den TTIP-Partnern. Das Verhandlungsmandat der EU-Kommission unterstreicht mehrfach nachhaltige Entwicklung als wichtiges Ziel der Vertragsparteien und bekennt sich grundsätzlich zu einer entwicklungspolitisch freundlichen Ausgestaltung der TTIP. Die Prüfung der Nachhaltigkeit auch unter entwicklungspolitischer Perspektive soll im Rahmen eines regelmäßigen Dialogs auch mit der Zivilgesellschaft erfolgen. In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob und wie die TTIP zum Keim eines fairen und erneuerten multilateralen Welthandelssystems werden kann. Die Bedingungen dafür sollten in den Verhandlungen Berücksichtigung finden. 2. Entwicklungsökonomische Herausforderungen Drittstaaten können von der TTIP wirtschaftlich profitieren, weil die von dem Abkommen hervorgerufenen Einkommen- und Produktionszuwächse in den TTIP- Ländern zu einer verstärkten Nachfrage nach Exportgütern der Drittstaaten führen (Rohstoffe, industrielle Vorprodukte, Dienstleistungen, Tourismus). Zusätzliche Exporte führen in den betroffenen Drittstaaten zu höheren Einkommen. Bilaterale Abkommen führen aber auch zu Handelsumlenkung: Anbieter aus den TTIP-Ländern genießen auf Grund geringerer interner Handelskosten in den Partnerstaaten jeweils eine höhere preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Dies kann zu Lasten 2

von Anbietern aus Drittstaaten erfolgen, die in der EU und den USA potentiell Marktanteile verlieren. Dieser Effekt kann den zuvor genannten Effekt mitunter überwiegen. Viele Entwicklungsländer exportieren Güter, die in den TTIP-Ländern mit hohen Zöllen belastet sind (z.b. Textilien, Schuhe, verarbeitete Lebensmittel). Zwar sind sie i.d.r. durch von EU und USA einseitig gewährte Handelserleichterungen (Allgemeine Präferenzsysteme, Alles außer Waffen-Initiative u.ä.) von Zöllen befreit, aber die Abschaffung der Zölle für den Handel zwischen der EU und den USA erodiert diese Zollpräferenz und kann für Entwicklungsländer zu Marktanteilverlusten in TTIP- Ländern führen (Präferenzerosion). Dieser Effekt kann das Vordringen in wertschöpfungsintensive Bereiche der industriellen Produktionsketten erschweren. Auch die regulatorische Kooperation könnte den Entwicklungsländern Vorteile bringen, weil sie sich dann nur noch auf einen verlässlichen Standard in beiden Handelsräumen einrichten müssen. Die Kosten der Marktanpassung für ihre Exportprodukte würden dadurch geringer. Die regulatorische Kooperation innerhalb der TTIP könnte für Entwicklungsländer aber auch Nachteile bringen: Standards, die für die EU und die USA optimal sind, müssen nicht auch für arme Länder passen. Daher muss im Rahmen der TTIP darauf geachtet werden, dass die transatlantische regulatorische Kooperation die Anliegen der Entwicklungsländer auf faire Weise berücksichtigt. 3. Ergebnisse der Expertengespräche Vertreter der Wirtschaftsverbände schätzen die Handelsumlenkungseffekte als quantitativ wenig bedeutend ein; Vertreter der Zivilgesellschaft äußern sich skeptischer. Die Experten betonen die Möglichkeit einer diskriminierenden Wirkung der TTIP bei internationalen Wertschöpfungsketten und unterstreichen die Notwendigkeit einer entwicklungsländerfreundlichen Ausgestaltung der Ursprungsregeln. Vertreter der Zivilgesellschaft sehen die Möglichkeit der Setzung hoher Nachhaltigkeitsstandards, die seitens mancher Entwicklungsländer schwer erreichbar sind. Die Mehrzahl der Experten sieht nicht von vornherein negative Effekte für Entwicklungsländer aus den Investitionsschutzregelungen der TTIP. Es wird betont, dass die Entwicklungsländer sich verstärkt in die WTO einbringen und von den im WTO-Regelwerk vorhandenen Mechanismen Gebrauch machen sollten, um diskriminierenden Effekten zu begegnen. Zugleich weisen manche Experten darauf hin, dass die TTIP die Bedeutung der WTO verringern könnte. 3

4. Ergebnisse quantitativer Studien Alle betrachteten Studien kommen zum Schluss, dass eine TTIP in der EU und den USA zu positiven Einkommenseffekten führen wird. Auch das reale Einkommen der Welt würde steigen; die TTIP ist also kein Nullsummenspiel. Negative Handelsumlenkungseffekte und positive Einkommenseffekte müssen in den Modellrechnungen saldiert werden. Unter der Annahme, dass es keine Spillover-Effekte (Senkung der Handelskosten auch für Drittländer) gibt, finden die für die Einschätzung der Entwicklungslandeffekte am besten geeigneten mikroökonomischen Studien geringe negative Realeinkommenseffekte für 42% bis 80% der Drittländer. Spillover-Effekte reduzieren diese Anteile auf 3% bis 40%. Diese Wohlfahrtsverluste sind nicht dramatisch. Sie machen kumulativ über 10-12 Jahre betrachtet weniger als 1% der Prokopfeinkommen aus. Relativ zu einem jährlichen Trendwachstum von ca. 4%, würde dies einem Wachstumsmalus von kaum mehr als einem Vierzigstel entsprechen. Makroökonomische Studien, die auf die Modellierung von Sektordetails und Wertschöpfungsketten verzichten, berichten über höhere negative Effekte für die Entwicklungsländer. Demnach müssten einzelne TTIP-Outsider einen langfristigen Realeinkommensverlust von bis zu circa 2% erwarten, wenn die TTIP die Struktur komparativer Vorteile verändert und keine Spillover-Effekte vorliegen. Aber selbst diese Zahl ist in Relation zu Trendwachstumsraten von jährlich 4% als gering einzuschätzen. Eine TTIP würde die relative Bedeutung von Drittländern im Außenhandel der EU und der USA etwas reduzieren. Viele Entwicklungsländer würden stattdessen verstärkt mit Ostasien (Rohstoffe) und mit anderen OECD-Staaten (Industriegüter) handeln. 5. Ergebnisse der Fallstudien Über 90% der Exporte von Bangladesch sind Textilien; zwei Drittel davon gehen in TTIP-Länder. Eine Beseitigung der Textilzölle für den Handel innerhalb der TTIP würde zu Handelsumlenkung zulasten Bangladeschs führen. Berücksichtigt man die einkommensbedingt verstärkte Nachfrage der EU und der USA nach Textilprodukten, dann wird der Umlenkungseffekt weitestgehend kompensiert, so dass das Prokopfeinkommen Bangladeschs sich kaum verändern würde. In Brasilien machen die Exporte nur circa 13% des BIP aus; ein Drittel davon geht in die TTIP-Partnerländer. Dabei handelt es sich vor allem um Rohstoffe (Erdöl, Eisen- 4

erz), landwirtschaftliche Erzeugnisse (Soja, Früchte) und Flugzeuge. Bei landwirtschaftlichen Produkten (z.b. Fruchtsäfte) ist mit Handelsumlenkung zu rechnen, bei Rohstoffen hingegen nicht. Die meisten Simulationsergebnisse sagen für Brasilien geringe Realeinkommenseinbußen vorher. Die Exporte von Côte d'ivoire machen etwa 55% des BIP aus; etwa die Hälfte davon entfällt auf die TTIP-Länder, im Wesentlichen Kakaobohnen und Kakaoprodukte. Bei unverarbeiteten Produkten sind keine Handelsumlenkungseffekte zu erwarten, aber die TTIP könnte es für Côte d'ivoire schwieriger machen, ihre Marktanteile bei wertschöpfungsintensiven Kakaoprodukten auszubauen, denn hier liegen auf beiden Seiten des Atlantiks hohe MFN-Zölle vor. Bei Berücksichtigung der spezifischen Struktur der Exporte des Landes finden Studien für Côte d'ivoire gleichwohl nur geringe Realeinkommenseinbußen. Im Falle Indonesiens geht weniger als ein Viertel der Exporte in die EU oder in die USA, vor allem land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse (Kautschuk, Palmöl, Kokos) und Textilprodukte. Indonesien ist durch eine TTIP kaum betroffen. Der Handel mit den TTIP-Partnern ist zu klein und die TTIP-Länder sind bei den indonesischen Exportgütern zu wenig wettbewerbsfähig. Indonesien könnte von niedrigeren Preisen importierter Investitionsgüter aus TTIP-Ländern profitieren, wenn deren Herstellung durch regulatorische Konvergenz zwischen der EU und den USA kostengünstiger wird. Die Exporte Kenias machen etwa 28% des BIP aus; fast die Hälfte davon entfällt auf die Tourismusbranche. Dieser Bereich kann durch TTIP vermutlich profitieren, weil höhere Einkommen in der EU und den USA eine höhere Nachfrage nach Fernreisen generieren. Ein Drittel der Güterexporte entfallen auf Blumen und Gemüse; ein weiteres Zehntel auf Textilien: hier sind Handelsumlenkungseffekte denkbar. Für die wichtigen Exportgüter Tee und Kaffee gilt dies nicht. Die Simulationsstudien für Kenia berichten in der Regel kleine positive Effekte, doch auch hier macht die Berücksichtigung der spezifischen Handelsstruktur einen entscheidenden Unterschied. Marokko ist stark in die Wertschöpfungsketten europäischer Automobilhersteller eingebunden. Es sollte von der TTIP profitieren, insbesondere wenn das Abkommen (bedingt durch regulatorische Konvergenz) die Handelskosten für marokkanische Exporteure senkt. Positive Effekte sind auch für den Dienstleistungssektor zu erwarten, wohingegen die Textilbranche verlieren könnte. Per saldo ermitteln die meisten Studien für Marokko positive Wohlfahrtseffekte. Sollte die regulatorische Konvergenz innerhalb der TTIP zu diskriminierenden Effekten führen, könnte Marokko aus 5

den globalen Wertschöpfungsketten gedrängt werden, was langfristig zu Wohlfahrtsverlusten führen könnte. Die Exporte Mexikos gehen zu fast 80% in die USA. Durch erhöhte Konkurrenz europäischer Hersteller könnten mexikanische Unternehmen Marktanteile verlieren. Allerdings bietet die starke Einbettung Mexikos in die nordamerikanischen Wertschöpfungsketten, vor allem im Automobil- und Elektrobereich, eine Absicherung gegen diese Verluste. Ob Mexiko von einer TTIP profitieren kann, hängt entscheidend von der Existenz von Spillover-Effekten ab. Diese können die Handelskosten für mexikanische Exporteure in die EU und in die USA senken, was aufgrund der hohen Bedeutung der USA für die mexikanischen Exporte besonders ins Gewicht fällt. Ein Drittel der Exporte Südafrikas geht in die EU oder in die USA. Mehr als die Hälfte davon sind Bodenschätze, wo Handelsumlenkungseffekte auszuschließen sind. Südafrika ist im Kfz-Bereich gut in die transatlantischen Wertschöpfungsnetzwerke eingebunden; dies reduziert die Gefahr von Handelsumlenkung und erhöht die Chance, von regulatorischer Kooperation zwischen der EU und den USA profitieren zu können. Allerdings besteht die Gefahr, dass Südafrika noch stärker in wenig wertschöpfungsintensive Rohstoffindustrien gedrängt wird. Die Türkei hat eine Zollunion mit der EU, d.h., sie übernimmt die Außenzölle der EU. Die Türkei ist bei den TTIP-Verhandlungen aber nicht beteiligt, so dass sie nicht automatisch in den Genuss einer reziproken Zollsenkung zwischen der EU und den USA kommen wird. Die TTIP würde also eine Öffnung des türkischen Marktes für US-Produkte bedeuten, ohne dass türkische Exporteure von denselben Vergünstigungen auf dem US-Markt profitieren würden. Die Türkei ist allerdings gut in die europäischen Wertschöpfungsketten eingebunden, so dass Lieferungen von Zwischenprodukten nach Europa steigen werden. Auf diese Weise könnten die Exporte türkischer Wertschöpfung in die USA mittelbar zunehmen. Außerdem wird das Land von einer Senkung der Importpreise profitieren, was selbst ohne Spillovers zu Wohlfahrtsgewinnen führen kann. 6. Empfehlungen 1. Damit die TTIP tatsächlich einen Beitrag zu einem fairen und nachhaltigen Welthandelssystem leisten kann, sollte in dem Abkommen verankert werden, dass (i) auf komplexe Ursprungsregeln so weit wie möglich verzichtet und stattdessen wo möglich das Freiverkehrsprinzip verankert wird; 6

(ii) die gegenseitige Anerkennung von transatlantischen Standards möglichst weitgehend auf Drittstaaten ausgedehnt wird; (iii) den Entwicklungsländern Informationsrechte über die Arbeit der Gremien zur Festsetzung zukünftiger Standards eingeräumt wird; (iv) die Umleitung protektionistischer Tendenzen auf TTIP-Outsider und Bündelungseffekte der Koordination solcher Maßnahmen vermieden werden; (v) eine glaubwürdige Perspektive für die zukünftige Teilnahme von Dritt- und Entwicklungsländern entwickelt wird. 2. Zugleich sollten außerhalb des TTIP-Abkommens folgende Begleitmaßnahmen angestrebt werden: (i) Multilaterale Senkung der MFN-Zölle und anderer Handelsbarrieren für besonders relevante Exportgüter (z.b. Textilien, Schuhe, Baumwolle, Tabak); (ii) Politische Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bildung eigener regionaler Freihandelsabkommen, begleitet von technischer Unterstützung durch die in der EU und Deutschland vorhandene Expertise; (iii) Ausweitung und Vertiefung der bestehenden Handelsabkommen zwischen der EU und diversen Entwicklungsländern auf regulatorische Aspekte; (iv) Unterstützung der unilateralen und multilateralen Initiativen zur Förderung der Einbindung der Entwicklungsländer in die globalen Wertschöpfungsketten mit geeigneten entwicklungspolitischen Instrumenten; (v) Stärkung der WTO als Coach, so dass diese die Entwicklungsländer bei der Abwehr diskriminierender Politiken besser beratend unterstützen kann. 7