1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN



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1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN 1.1 Einleitung Das BAG hat in der Entscheidung vom 07.09.1988 DB 1989, 284 darauf verwiesen, dass Personalakten spiegelbildlich ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über den Werdegang der Arbeitnehmer geben sollen. Mit dieser prägnanten Wortwahl sind Sinn und Zweck der Personalakten eindeutig beschrieben und sollen die Leitlinie für die nachfolgenden Ausführungen darstellen. Denn trotz ihrer Bedeutung sucht man nach einer gesetzlichen Definition des Begriffs der Personalakte zumindest derzeit vergeblich. Allerdings wird in 106 BBG, also dem Bundesbeamtengesetz, eine sehr klare Definition der Personalakte gegeben. Diese lautet: Zur Personalakte gehören alle Unterlagen, die die Beamtin oder den Beamten betreffen, soweit sie mit ihrem oder seinem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (Personalaktendaten). Zwar enthält z.b. das Inhaltsverzeichnis der 70. Auflage der Arbeitsgesetze für Personalakten eine Fundstelle: 83 BetrVG. 83 BetrVG regelt aber lediglich die Einsicht in die Personalakten (dazu mehr unter 5. Einsicht in Personalakten und Auskunft) und setzt den Begriff hierfür voraus, ohne ihn zu definieren. Daher ist auf Entscheidungen und Kommentierungen zurückzugreifen. Unterschieden wird zwischen Personalakten im formellen und im materiellen Sinn. Personalakten im formellen Sinn sind die, die als solche bezeichnet werden. 1 Wenn dieser formelle Personalaktenbegriff ausschlaggebend wäre, könnte z.b. ein kleiner Ordner zur Personalakte erklärt und alle tatsächlich wesentlichen Unterlagen u. Ä. könnten woanders untergebracht werden, mit der Konsequenz, dass diese dann nicht Inhalt einer Personalakte sind. Welche Folgen diese Ansicht hat, wird schnell klar, wenn es um das bereits genannte Einsichtsrecht des Arbeitnehmers geht. Die Befürworter des formellen Personalaktenbegriffs würden dann nur den kleinen Ordner zur Einsicht vorlegen und alles andere weiter unter Verschluss halten. Dass dies nicht der richtige Weg sein kann, wird aus der oben angeführten Entscheidung des BAG vom 07.09.1988 deutlich, die u.a. ein möglichst vollständiges Bild verlangt. Maßgeblich ist somit allein der Begriff der Personalakte im materiellen Sinn, der sich auf alle Dokumente bezieht, die mit dem Arbeitsverhältnis in innerem Zusammenhang stehen. 2 Mehr zum Inhalt von Personalakten unter 1.4. 1. Wiese/Frenzen in: GK-BetrVG, 8. Auflage 2005; 83 Rdnr. 4 m.w.n 2. BAG 07.05.1980, AuR 1981, 124 bei: ErfK/Kania, 10. Aufl. 2010, 83 BetrVG, Rdnr. 2, Wiese/Frenzen aao, 17

1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Weiter wird differenziert zwischen einfachen und qualifizierten Personalakten. Zu den einfachen Personalakten gehört alles, zu dessen Aufbewahrung der Arbeitgeber verpflichtet ist, z.b. auf gesetzlicher oder tarifvertraglicher Grundlage. In einer qualifizierten Personalakte sind alle darüber hinaus gehenden Unterlagen enthalten. 1.2 Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers Zunächst ist auf die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers hinzuweisen. Denn es steht ihm frei, ob er überhaupt Personalakten führt. Ebenso frei kann er darüber entscheiden, ob ein Vermerk gemacht wird oder Unterlagen angelegt und verwahrt werden sollen. 3 Allerdings reicht bereits ein Blick in 2 NachwG zur Nachweispflicht aus, um festzustellen, dass zu jedem Arbeitsverhältnis schriftliche Unterlagen gehören. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass ein Arbeitgeber zumindest in diesem Umfang zur Führung von Personalakten verpflichtet ist. Zudem existieren z.b. steuerrechtliche, sozialrechtliche und handelsrechtliche Vorschriften für Arbeitgeber, die im Ergebnis das Führen von Personalakten voraussetzen. Damit sind Arbeitgeber wenigstens zum Führen der o. g. einfachen Personalakten verpflichtet. Linck 4 verweist darauf, dass es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei stehe, welche Unterlagen in die Personalakten aufgenommen würden. Sie müssten nur mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. 5 Im Einzelfall habe, so Linck, a.a.o., m.w.n. weiter, eine Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der Personalaktenführung und dem Interesse des Arbeitnehmers an der Unverletzlichkeit seiner Persönlichkeit stattzufinden. 1.3 Personalaktenrecht für Beamte Veranlasst durch die Förderalismusreform 1 wurde aufgrund des für die Landesgesetzgeber maßgebenden Beamtenstatusgesetzes sowie weiterer rechtlicher Regelungen für Beamte das Personalaktenrecht für Beamte im Bundesbeamtengesetz (BBG) überarbeitet. Die maßgebenden 106 bis 115 wurden neu gefasst und haben mit großer Wahrscheinlichkeit auch Auswirkungen auf den Umgang mit Personalakten in der Privatwirtschaft. Die einzelnen Bestimmungen sind in Abschnitt 15 dargestellt. 1.4 Inhalte der Personalakte Hierzu gehört jede Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die sich auf die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers beziehen und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Sie soll spiegelbildlich ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über seinen Werdegang geben. 6 3. Dörner/Luczak/Wildschütz: Handbuch Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2008, Teil C.4., Rdnr. 2361 4. in Schaub: Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl. 2009, 148, Rdnr. 2 5. BAG 09.02.1977, AP Nr. 83 zu 611 BGB Fürsorgepflicht bezüglich der Aufnahme eines Strafurteils 6. BAG 07.09.1988, DB 1989, 284 18

1.4 Inhalte der Personalakte Zur Personalakte gehören auch die in elektronischen Datenbanken gespeicherten Personaldaten, auf die der Arbeitgeber zum Zweck der Personalinformation oder -maßnahme zurückgreifen kann, also auch unter der Personalnummer des Arbeitnehmers gespeicherte Leistungsprofile, die abgefragt werden können. 7 Auch Sonder- und Nebenakten sind, gleichgültig, wo sie geführt werden, Bestandteil der Personalakte und unterliegen damit dem Einsichtsrecht, ebenso wie Unterlagen des Werkschutzes über die Person des Arbeitnehmers. Das Führen von Geheimakten ist unzulässig. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass in seiner Personalakte Hinweise auf Sonderakten oder an anderer Stelle abgelegte Vorgänge angebracht werden. 8 In der Personalakte werden in der Regel die für den Arbeitgeber wissenswerten Angaben zur Person des Arbeitnehmers einschließlich Personenstand, Berufsbildung, beruflicher Entwicklung (beruflicher Werdegang), Fähigkeiten, Leistungen, Anerkennungen, Beurteilungen, Arbeitsunfälle, Krankheitszeiten, Urlaubsvertretungen, Unterlagen über Weiterbildungsmaßnahmen, Abmahnungen oder Betriebsbußen zusammengefasst. Zu den Personalakten des einzelnen Arbeitnehmers gehören auch Bewerbungsunterlagen einschließlich Lebenslauf und Zeugnissen, Personalfragebogen ( 94 BetrVG), ärztlichen Beurteilungen, Eignungstests, soweit sie aufbewahrt werden dürfen, der Arbeitsvertrag einschließlich späterer Änderungen, Beurteilungen und Zeugnisse jeder Art, Lohn- und Gehaltsveränderungen (einschließlich Darlehen, Pfändungen und Abtretungen) sowie der gesamte Schriftwechsel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Dritten, das Arbeitsverhältnis betreffend, z.b. Sozialversicherung, früherem Arbeitgeber. 9 In der Kommentierung von Wiese in: GK-BetrVG, a.a.o., 83 Rdnr. 18 wird erkennbar hinsichtlich ärztlicher Beurteilungen differenziert. Nicht zu den Personalakten gehörten danach die auch dem Arbeitgeber nicht zugänglichen Unterlagen der Betriebsärzte, so dass ein Einsichtsrecht nach 83 BetrVG ausscheide. Dagegen seien ärztliche Atteste und Gutachten, die sich in der Hand des Arbeitgebers befänden, als Bestandteil der Personalakten anzusehen, so dass der Arbeitnehmer Einsicht nehmen dürfe. Unerheblich ist, wann die Unterlagen entstanden und in die Hand des Arbeitgebers gelangt sind. Daher gehören zu den Personalakten nicht nur die während, sondern auch die vor Beginn des Arbeitsverhältnisses gesammelten Schriftstücke, graphologischen Gutachten, Unterlagen über Eignungstests, Auskünfte Dritter usw. 10 Gleiches gelte für etwa noch vorhandene Unterlagen aus einem früheren Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber. 7. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, im Folgenden = Fitting: Kommentar zum BetrVG, 24. Aufl. 2008, 83 Rdnr. 3 m.w.n. 8. Fitting, a.a.o., 83 Rdnr. 5 m.w.n. 9. Fitting, a.a.o., 83 Rdnr. 4 10. Wiese/Frenzen in: GK-BetrVG, a.a.o., 83 Rdnr. 11 m.w.n. 19

1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Im Rahmen dieser Kommentierung wird auch die Gegenansicht dargestellt 11 und diese mit dem Argument kritisiert, dass sie übersehe, dass zwar das Einsichtsrecht nach 83 BetrVG durch das Arbeitsverhältnis zeitlich begrenzt sei, weil es erst mit Beginn des Arbeitsverhältnisses entstehe und mit dessen Auflösung ende, das bestehende Einsichtsrecht jedoch seinem Inhalt nach unbeschränkt sei. Dieser Verpflichtung könne sich der Arbeitgeber nicht dadurch entziehen, dass er Unterlagen aus der Zeit vor Beginn des Arbeitsverhältnisses generell gesondert aufbewahre. Solange solche Unterlagen dem Arbeitgeber zur Verfügung stünden, müsse der Arbeitnehmer nach dem Sinn des 83 BetrVG auch von ihnen Kenntnis nehmen können. Für graphologische Gutachten ergebe sich sein Einsichtsrecht aus persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen. 12 Dies gelte allerdings nur für den später eingestellten Arbeitnehmer (auch unter Hinweis auf Wiese, ZfA a.a.o.), da 83 BetrVG das Recht zur Einsichtnahme erst mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses entstehen lasse. Fitting 13 gibt dem nicht eingestellten Bewerber ein Einsichtsrecht in Akten über ergebnislose Vorverhandlungen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. Dies kann z.b. dann von Bedeutung sein, wenn streitig ist, ob eine Benachteiligung nach den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stattgefunden hat. 1.5 Art der Personalaktenführung Hinzuweisen ist auf das Urteil des BAG vom 15.07.1987. 14 Dessen Leitsätze haben folgenden Wortlaut: 1. Aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsschutzes ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Personalakten des Arbeitnehmers sorgfältig zu verwahren, bestimmte Informationen vertraulich zu behandeln und für die vertrauliche Behandlung durch die Sachbearbeiter Sorge zu tragen (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Senats). Auch muss der Arbeitgeber den Kreis der mit Personalakten befassten Mitarbeiter möglichst eng halten (im Anschluss an BVerwG-Urteil vom 28.08.1986 2 C 51. 84 -). 2. Ansprüche aus Persönlichkeitsverletzungen fallen als absolute Rechte nicht unter Ausschlussklauseln, die ihren Wirkungsbereich auf Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis erstrecken. Diesem Urteil lag der Streit der Parteien darüber zugrunde, ob die Beklagte verpflichtet ist, einen Vermerk aus der Personalakte der Klägerin teilweise zu entfernen sowie die Klägerin betreffende ärztliche Gutachten unter Verschluss zu nehmen und in einer bestimmten Weise aufzuheben. 11. u.a. Hess/Schlochauer/Glaubitz/Rose; 83 Rdnr. 12 12. so Wiese/Frenzen in: GK-BetrVG weiter unter Hinweis auf Wiese, ZfA 1971, 273, 295 13. a.a.o., 83 Rdnr. 8 14. 5 AZR 215/86, DB 1987, S. 2571 20

1.5 Art der Personalaktenführung Das BAG hat in den Entscheidungsgründen m.w.n. ausgeführt, dass dann, wenn ein Arbeitgeber innerhalb des Arbeitsverhältnisses das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletze, darin zugleich ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten liege und der Arbeitnehmer bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht entsprechend 12, 862, 1004 BGB einen Anspruch auf Beseitigung von fortwirkenden Beeinträchtigungen und auf Unterlassung weiterer Eingriffe habe. In dem zu entscheidenden Fall konnte die Klägerin die Beseitigung einer fortwirkenden Beeinträchtigung verlangen, nämlich die Entfernung aus der Personalakte. Das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze den Arbeitnehmer nicht nur vor einer zu weit gehenden Kontrolle und Ausforschung seiner Persönlichkeit, etwa mithilfe ärztlicher oder psychologischer Gutachten; es umfasse ebenfalls den Schutz vor der Offenlegung personenbezogener Daten, und zwar auch solcher, von denen der Arbeitgeber in zulässiger Weise Kenntnis erlangt habe. Sensible Daten, zu denen insbesondere auch solche über den körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheitszustand und allgemeine Aussagen über die Persönlichkeit des Arbeitnehmers gehörten, bedürften des verstärkten Schutzes, so das BAG m.w.n. weiter. Da Personalakten oft zu verschiedenen Anlässen herangezogen würden, müsse der Arbeitnehmer nicht nur vor der Kenntnisnahme durch beliebige Dritte und unzuständige Sachbearbeiter geschützt werden, sondern auch davor, dass ein zuständiger Sachbearbeiter bei der Hinzuziehung der Personalakte zufällig oder gewollt Gesundheitsdaten auch dann zur Kenntnis nehmen könne, wenn er diese für die zu treffende Entscheidung gar nicht brauche. Wie der besondere Schutz für sensible Daten ausgestaltet sein müsse, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Es könnte dann die Führung besonderer Personalakten erforderlich sein, die Verwendung geschlossener Umschläge, die die zufällige Kenntnisnahme verhindere, die Aufbewahrung in besonders gesicherten Schränken oder die Aufstellung besonderer Pflichten, z.b. die Einsichtnahmen zu vermerken. Zu beachten sei weiter, so das BAG, dass das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers schon dadurch verletzt werde, wenn der Arbeitgeber bei der Führung der Personalakte die erforderlichen Schutzmaßnahmen unterlasse und nicht erst dann, wenn Unbefugte Kenntnis nähmen. 1.5.1 Formvorschriften zur Führung von Personalakten Für die Privatwirtschaft gibt es keine Formvorschriften. Der Arbeitgeber kann festlegen, ob Personalunterlagen in einer einzigen Akte zusammengefasst oder nach sachlichen Gesichtspunkten getrennt, in einer Vielzahl von Akten oder in einer Sammelakte, aufbewahrt werden. Sogenannte Sonder- oder Nebenakten, gleichgültig wo sie geführt werden, sind Bestandteil der Personalakte. Das betrifft daher beispielsweise auch Unterlagen des Werkschutzes über die Person eines einzelnen Arbeitnehmers, selbst dann, wenn die Aufzeichnungen ohne Wissen des Arbeitgebers gemacht worden sind. Die häufig bei den Vorgesetzten geführten Personalaufzeichnungen, z.b. über An- und Abwesenheitszeiten, sind gleichfalls Bestandteil der Personalakte. Führt z.b. der Vorgesetzte über jeden Arbeitnehmer eine gesonderte Fehlzeitenkartei, die erst nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums (monatlich/jährlich) zur Personalakte genommen wird, so ist die Kartei bereits mit ihrer Anlegung Bestandteil der Personalakte. 21

1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN 1.5.2 Formen der Personalakten 1. Der Arbeitgeber kann bestimmen, welche technische Form für die Personalaktenführung verwendet wird, d.h. ob die Informationen in konventioneller Weise als Schriftstück in Mappen abgeheftet, in Karteiform geführt, auf Mikrofilm aufgenommen oder digital gespeichert werden. Personalakte Personalakte Personalakte Personalakte - konventionell Ablage in Ordnern/ Heftern/ Mappen - Archiv Die Dokumente werden archiviert - digital Elektronisches System Such- / Terminfunktion - Pers.Info System Voll automatisierte Datenverwaltung 2. Bei der digitalen Speicherung ist es für die Zugehörigkeit zur Personalakte unerheblich, ob die Daten der Arbeitnehmer in einer Personaldatenbank oder in einzelnen Dateien gesammelt und gespeichert werden. Über die Art der Speicherung entscheidet der Arbeitgeber allein. 1.6 Betriebsverfassungsrechtliche Vorgaben 1.6.1 Grundsatz - Rechte der Arbeitnehmer Nach 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Der Arbeitnehmer hat gemäß 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Hierzu kann er nach 83 Abs. 1 S. 2 BetrVG ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen. Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte sind dieser auf sein Verlangen beizufügen, 83 Abs. 2 BetrVG. 82 BetrVG regelt das Anhörungsrecht- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers 83 BetrVG regelt das Einsichtsrecht in die Personalakte 84 BetrVG regelt das Beschwerderecht Anforderungen an die Personalaktenführung abgeleitet aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Transparenz Vollständigkeit Richtigkeit Vertraulichkeit 22

1.7 Anforderungen nach Bundesdatenschutzgesetz 1.6.2 Mitbestimmung nach 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG Gemäß 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Die elektronische Personalakte ist eine technische Einrichtung in diesem Sinne. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der sog. Statusdaten besteht aber nicht, weil die Daten nicht zur Kontrolle von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer bestimmt sind. 15 1.6.3 Mitbestimmung bei allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen ( 94 Abs. 2 BetrVG) Nach 94 Abs. 2 BetrVG bedarf die Aufstellung von allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen der Zustimmung des Betriebrats. Eine elektronische Personalakte ist für sich genommen eine reine Datensammlung und enthält als solche keine allgemeinen Burteilungsgrundsätze. Werden aber Personaldaten im Rahmen der Personalakten elektronisch verarbeitet, um eine elektronische Personaldatenbank z.b. zu Beförderungszwecken o.ä. einzurichten, dienen die in der Datenbank gesammelten Daten der Vorbereitung von Personalentscheidungen. Sobald abstrakte Regelungen dafür festgelegt werden, welche Voraussetzungen für eine Beförderung auf einen höherwertigen Arbeitsplatz vorliegen müssen, geht es um die Aufstellung von allgemeinen und damit mitbestimmungspflichtigen Beurteilungsgrundsätzen. 16 1.7 Anforderungen nach Bundesdatenschutzgesetz Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regelt nunmehr in 32 die Datenerhebung, -verarbeitung und nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Weiter wird in Abs. 2 klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden. Gola/Wronka kommen in ihrem Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz zu dem Ergebnis, dass 32 BDSG die bisherige undeutlicher formulierte Erlaubnisnorm des 28 Abs 1 Nr. 1 Satz 1 verdrängt, ohne zu einer inhaltlichen Änderung zu führen. Dem kann nicht ganz zugestimmt werden, denn die Vorschrift des 32 regelt ausdrücklich die Zuständigkeit des BDSG für den Umgang mit personenbezogenen Daten der Beschäftigten. Damit sind verbunden die Erlaubnistatbestände der Erforderlichkeit, Zweckbestimmung, Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit. Diese Grundsätze hatten bisher in der praktischen Personalarbeit nicht die ausschlaggebende Bedeutung bei der Entscheidung, wie der Umgang mit 15. BAG, 22.10.1986 5 AZR 660/85 -, BAGE 53, 226; DB 1987, 1048; Zustimmend Diller/Schuster, der Betrieb 2008, 928 16. s. hierzu Diller/Schuster, DB 2008, 928 23

1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN personenbezogenen Daten zu organisieren war. Deshalb haben sich auch viele Insellösungen herausgebildet, da eine zwingende Durchgängigkeit durch die Disziplinen der Personalarbeit im Sinne der Datensparsamkeit nicht gefragt war. Nach den Bestimmungen des 80 Abs. 1 hat der Betriebsrat die Aufgabe darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze durchgeführt werden. Diese Aufgabenstellung könnte die Arbeitnehmervertretung veranlassen, auf die Führung von Personaldaten, auch bezüglich der Personalakten, stärker zu achten, allein hinsichtlich der Umsetzung des Bundesdatenschutzgesetzes. Anforderungen an die Personalaktenführung abgeleitet aus der informationellen Selbstbestimmung Zweckbestimmung Verhältnismäßigkeit Zulässigkeit Vertraulichkeit 1.8 Vorgaben durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat indirekte Auswirkungen auf die Führung der Personalakten, denn es geht um die Personalunterlagen, die hier abgelegt und deren Inhalte künftig verwendet werden. Das AGG dient der Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung. Es handelt sich um folgende Richtlinien: 2000/43/EG des Rates vom 29.06.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft - (Abl. EG Nr. L 180 S. 22), 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - (Abl. EG Nr. L 303 S. 16), 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen - (Abl. EG Nr. L 269 S. 15) und 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen - (Abl. EU Nr. L 373 S. 37) 24

1.8 Vorgaben durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) 1. Ziel des Gesetzes 17 1 AGG 17 Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. 2. Benachteiligungsverbot 7 AGG (1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam. (3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten. 3. Zulässige unterschiedliche Behandlung Nach dem Motto: Keine Regel ohne Ausnahme, sind diese auch im AGG vorhanden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine unterschiedliche Behandlung zulässig sein. So regelt das AGG unter 8 die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen, unter 9 die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung, unter 10 die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters. Als Beispiel ist 8 Abs. 1 AGG anzuführen. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen (1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Wer ein Model für Brautmoden sucht, ist daher aufgrund des AGG nicht verpflichtet, eine entsprechende Anzeige geschlechtsneutral zu halten, sondern kann gezielt ausschließlich Frauen hiermit ansprechen. 17. AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 18.08.2006 25

1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Sollte sich ein Mann hierdurch benachteiligt fühlen, wird durch den Ausnahmetatbestand des 8 Abs. 1 AGG deutlich, dass nicht jede Stelle geschlechtsneutral zu besetzen ist. 4. Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers ( 12 AGG) Hinzuweisen ist insbesondere auf diese Vorschrift. Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. (2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1. (3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. 5. Stellenausschreibungen Hierbei ist 11 AGG zu beachten. Ausschreibung Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen 7 Abs. 1 ausgeschrieben werden. Das AGG erfordert, auch im Hinblick auf Stellenausschreibungen, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, weil es über die bisher zu beachtenden Grundsätze weit hinausgeht. Die hierbei dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten ergeben sich aus dem o. g. 12 AGG. Bauer hat in dem Aufsatz: Das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Alter Wein in neuen Schläuchen? 18 darauf verwiesen, dass Stellenanzeigen, in denen um Verstärkung für ein junges Team geworben werde oder die andere altersspezifische Beschränkungen enthielten, mit dem Inkrafttreten des AGG passé seien. Er gehe auch davon aus, dass Bewerbungsunterlagen künftig wohl standardmäßig ohne Lichtbild und ohne Angabe von Alter, Religion etc. erbeten würden. Thüsing führt an dieser Stelle aus, dass über kurz oder lang eine Angleichung an amerikanische Gepflogenheiten erfolgen werde. Ein Indiz der Diskriminierung könne es dann schon sein, die Ausschreibung auf Medien zu beschränken, die sich typischerweise an ein Geschlecht, ein Alter oder eine Religion richteten, d. h. die Ausschreibung in Frauenzeitschriften, Jugendzeitschriften oder der Kirchenzeitung. 18. Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2006, 774 ff 26

1.8 Vorgaben durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Dagegen empfiehlt Wisskirchen in dem Aufsatz. Der Umgang mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Ein Kochrezept für Arbeitgeber 19, Arbeitgebern, um die Zahl der Bewerber auf eine Stelle zu reduzieren, diese von vornherein nur selektiv auszuschreiben und nur Medien zu benutzen, die tatsächlich geeignet seien, die gewünschten Bewerber anzusprechen. Thüsing verweist darauf, dass ein weiteres Indiz einer Diskriminierung darin liegen könne, zu den üblichen Bewerbungsunterlagen ein Lichtbild zu verlangen. Ein weiteres Beispiel sei dann gegeben, wenn die Illustration einer Anzeige nur junge weiße Männer zeige, nicht aber auch ältere farbige Frauen. Schließlich, so Thüsing weiter, könne sich der Arbeitgeber weiterhin entscheiden, eine Stelle allein gezielt weiblichen oder männlichen, jungen oder alten Interessenten anzubieten. Bewerbe sich dennoch ein Interessent des anderen Geschlechts, dann greife das Diskriminierungsverbot. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass Stellenausschreibungen in Zukunft noch sorgfältiger zu behandeln sind. Die Verpflichtung des Arbeitgebers bleibt auch dann bestehen, wenn ein Dritter mit der Stellenausschreibung beauftragt wird. Das BAG hat nämlich bereits in dem Urteil vom 05.02.2004 20 im Leitsatz ausgeführt, dass dann, wenn sich der Arbeitgeber zur Stellenausschreibung eines Dritten, z.b. der Bundesagentur für Arbeit bedient, und dieser die Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung verletzt, dem Arbeitgeber dieses Verhalten in der Regel zuzurechnen ist und zwar unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers. 21 In der Begründung hat es ausgeführt, dass primärer Adressat der Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung nach 611 b BGB der Arbeitgeber sei. Im Fall der Fremdausschreibung treffe ihn die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsmäßigkeit der Ausschreibung zu überwachen. Dies gelte nicht nur im Fall der Einschaltung eines Personalberatungsunternehmens, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber sich zur Ausschreibung der Hilfe der Bundesagentur für Arbeit bediene. Auch wenn, wie oben dargestellt, die Vorschrift des 611 b BGB aufgehoben wurde, werden diese Grundsätze auf das AGG anzuwenden sein. Eine Änderung der Rechtsprechung des BAG durch die Einführung des AGG dürfte unwahrscheinlich sein. Konsequenz: Bei der Personalaktenführung ist darauf zu achten, dass die jeweiligen Dokumente keine diskriminierenden Inhalte enthalten oder Hinweise liefern, dass eine offensichtliche Benachteiligung, z.b. bei internen Stellenausschreibungen, vorliegt. Nach getroffener Personalentscheidung wird es notwendig sein, die korrespondierenden Unterlagen länger aufzubewahren, eben bis die Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Diskriminierungen abgelaufen sind. Weiterhin ist zu überlegen, ob jeweils ein Bewerberfragebogen und ein Personalfragebogen zu verwenden ist. 19. DB 2006, 1491 ff 20. 8 AZR 112/03 AP Nr. 23 zu 611a BGB - DB 2004, 1944 21. BAG 16.09.2008 9 AZR 791/07 DB 2009, 177 27

1 DER BEGRIFF DER PERSONALAKTE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Auf das Fragerecht des Arbeitgebers und der Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers wird in Abschnitt 6 (Datenerhebung) eingegangen. Auch wird die Fragestellung wie der Bewerber-/ Personalfragebogen aussehen sollte dort diskutiert. 28