Rechtsfallen für Erben Rechtsanwälte Vaihinger & Kollegen Villingen-Schwenningen 28.04.2016 Folie 1 Inhalt 1. Tod am Kap Formentor auf Mallorca oder die EU- ErbVO lässt grüßen Vergleich Erbvertrag/gemeinschaftliches Testament Prüfungsgang bei der Auslegung Anfechtung 3. Relevanz von Eheverträgen 4. Verlust der Erbenstellung 5. Exkurs: Was Sie schon immer bei der Erbfolge bezüglich einer in Spanien gelegenen Immobilie wissen wollten. Folie 2 1
1. Tod am Kap Formentor auf Mallorca oder die EU-ErbVO lässt grüßen Sachverhalt Erblasser E ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt bislang ausschließlich in Deutschland. Seit Eintritt in den Ruhestand überwintert er regelmäßig auf Mallorca. Er stirbt während seines Aufenthalts in Spanien im Jahr 2014 (Variante 1) bzw. im Jahr 2016 (Variante 2) am Kap Formentor, als er versehentlich abstürzt ohne Hinterlassung eines Testaments. Nach welchem Recht richtet sich die Erbfolge? Folie 3 1. Tod am Kap Formentor auf Mallorca oder die EU-ErbVO lässt grüßen Bisherige Rechtslage (bis 16.08.2015) Das spanische IPR knüpft gleichfalls an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Spanische Gerichte kämen hier somit gleichfalls zur Anwendung deutschen Erbrechts. Jetzige Rechtslage (ab 17.08.2015) Künftig richtet sich das Erbstatut einheitlich nach der EU- ErbVO. Findet auf Nachfolge von allen Personen Anwendung, die am 17.08.2015 oder danach versterben. Folie 4 2
1. Tod am Kap Formentor auf Mallorca oder die EU-ErbVO lässt grüßen In den Fällen der Mallorca-Rentner wird der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers oftmals nicht eindeutig bestimmt werden können. Je nach Einzelfall kann der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland oder Spanien liegen. Falls der gewöhnliche Aufenthalt in Spanien sein sollte, könnten gleichwohl offensichtlich engere Verbindungen zu Deutschland gegeben sein. Bei Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen könnte auch eine konkludente Wahl deutschen Rechts getroffen worden sein. In der Praxis wird das Ergebnis möglicherweise auch davon abhängen, ob deutsche oder spanische Gerichte über diese Frage zu entscheiden haben. Folie 5 1. Tod am Kap Formentor auf Mallorca oder die EU-ErbVO lässt grüßen Praktische Konsequenzen Die Rechtsunsicherheit lässt sich durch eine ausdrückliche Rechtswahl in einer Verfügung von Todes wegen beseitigen. Regelmäßig gewünscht ist in diesen Fällen die Wahl deutschen Erbrechts. Die Rechtswahl muss stets in einer Verfügung von Todes wegen (unter Beachtung der dafür geltenden Formvorschriften) getroffen werden. Verfügung von Todes wegen kann sich auf die Rechtswahl beschränken. in Fällen vorübergehenden Aufenthalts in Spanien empfiehlt sich eine Rechtswahl (deutschen Rechts) Folie 6 3
1. Tod am Kap Formentor auf Mallorca oder die EU-ErbVO lässt grüßen Rechtswahl ist auch bei deutschen Staatsangehörigen mit Aufenthalt in Deutschland (und ohne aktuellen Auslandsbezug) überlegenswert Gewöhnliche Aufenthalt kann sich aus beruflichen Gründen oder im Ruhestand ins Ausland verlagern Entsprechende Formulierung z. B.: Für meine gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen wähle ich hiermit die ausschließliche Geltung deutschen Erbrechts. Folie 7 Vergleich Erbvertrag/Gemeinschaftliches Testament Erbvertrag: Inhalt Vertragsmäßige Verfügungen: nur Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage ( 2278 Abs. 2 BGB) Im Übrigen wie Testament allg. Wirksamkeitsvoraussetzungen Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erforderlich Folie 8 4
Vergleich Erbvertrag/Gemeinschaftliches Testament Form Zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile ( 2276 BGB) Widerruf/ Bindung Bindung nur bei vertragsmäßigen Verfügungen ab Abschluss des Erbvertrags ( 2289 Abs. 1 S.2 BGB) Entfallen der Bindung bei: Änderungsvorbehalt Einvernehmlicher Aufhebung ( 2290 ff. BGB) Gegenstandslosigkeit Rücktritt ( 2293 ff. BGB) Anfechtung ( 2281 ff. BGB) Folie 9 Vergleich Erbvertrag/Gemeinschaftliches Testament Widerruf/ Bindung Freie Widerruflichkeit von einseitigen Verfügungen ( 2299 BGB) Verfügung unter Lebenden Grundsätzlich: freie Verfügungsbefugnis ( 2268 BGB) Schutz: Schenkungen mit Beeinträchtigungsabsicht i. S. d. 2287 BGB Folie 10 5
Vergleich Erbvertrag/Gemeinschaftliches Testament Gemeinschaftliches Testament: Inhalt Wechselbezügliche Verfügungen: nur Erbeneinsetzung, Vermächtnis, Auflage ( 2270 Abs. 3 BGB) Im Übrigen wie Testament allg. Wirksamkeitsvoraussetzungen Wirksame Ehe bzw. wirksame Lebenspartnerschaft Folie 11 Vergleich Erbvertrag/Gemeinschaftliches Testament Form 2267 BGB: eigenhändige Mitunterzeichnung genügt Im Übrigen wie Testament Widerruf/ Bindung Bindung nur bei wechselbezüglichen Verfügungen i. S. d. 2270 BGB ab Tod des Erstversterbenden ( 2271 Abs. 2 S. 1 BGB) Wegfall der Bindung bei Widerrufsvorbehalt oder Abänderungsbefugnis Gesetzlichem Grund (insbes. 2271 Abs. 2 BGB) Anfechtung ( 2281 ff. BGB analog) Folie 12 6
Vergleich Erbvertrag/Gemeinschaftliches Testament Widerruf/ Bindung Freie Widerruflichkeit von nicht wechselbezüglichen Verfügungen Verfügung unter Lebenden Grundsätzlich: freie Verfügungsbefugnis Schutz: Schenkungen mit Beeinträchtigungsabsicht i. S. d. 2287 BGB analog Folie 13 Prüfungsgang bei der Auslegung Ermittlung des wahren Erblasserwillens Da Vertrauensschutz grundsätzlich nicht eingreift, kommt es nicht auf den Empfängerhorizont, sondern auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung an ( 133 BGB) Beachte 157 BGB Auslegung geht der Anfechtung vor Bei der Ermittlung sind auch außerhalb des Testaments liegende Umstände zu berücksichtigen (jedoch Einschränkung durch Formerfordernis) Folie 14 7
Prüfungsgang bei der Auslegung Auslegungsmethoden Erläuternde Auslegung knüpft an den Wortlaut der Erklärung an und ermittelt, was der Erblasser in Wahrheit damit zum Ausdruck bringen wollte Ergänzende Auslegung greift ein, wenn die Verfügung eine Lücke aufweist, die der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung nicht als solche erkannt hat hypothetischer Wille muss andeutungsweise erkennbar sein Fehlt eine Regelung und ist ein hypothetischer Wille nicht erkennbar, so greifen die gesetzlichen Auslegungsregelungen Folie 15 Anfechtung der Verfügung - Voraussetzungen Anfechtungsgrund Inhalts- und Erklärungsirrtum ( 2078 Abs. 1 BGB) Motivirrtum/widerrechtliche Drohung ( 2078 Abs. 2 BGB) Übergehung Pflichtteilsberechtigter (Sonderfall: Motivirrtum) 2079 BGB Folie 16 8
Kausalität Anfechtung der Verfügung - Voraussetzungen Irrtum/Drohung muss für die Verfügung ursächlich sein Bei 2079 BGB wird Kausalität vom Gesetz vermutet Subjektive Einstellung entscheidet, kein Abstellen auf vernünftige Erblasser Folie 17 Anfechtung der Verfügung - Voraussetzungen Anfechtungsberechtigung Grundsätzlich: derjenige, dem Aufhebung der Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde ( 2080 BGB) Ausnahme: 2080 Abs. 2 und 3 BGB Erblasser bedarf wegen Widerrufsmöglichkeit keiner Anfechtung Anders: Selbstanfechtung bei Bindungswirkung in Erbvertrag/gemeinschaftliches Testament gemäß 2281 ff. BGB Folie 18 9
Anfechtung der Verfügung - Voraussetzungen Anfechtungserklärung Empfangsbedürftige Willenserklärung ( 143 BGB) Anfechtungsgegner: bei Erbeinsetzung, Enterbung, Ernennung Testamentvollstrecker etc. ggü. Nachlassgericht, sonst der durch Testament Begünstigte Frist: 1 Jahr ab Kenntnis Anfechtungsgrund ( 2082 BGB) Form: grundsätzlich formlos, Ausnahme: 2282 Abs. 3 BGB (Erbvertrag) Kein Ausschluss Vertraglicher Verzicht Bestätigung durch Anfechtungsberechtigten Folie 19 Anfechtung der Verfügung Rechtsfolgen Nichtigkeit der angefochtenen Verfügungen ( 142 BGB) Kein Vertrauensschaden gemäß 122 BGB Anfechtung kassiert lediglich, reformiert nicht Anfechtung einer Verfügung lässt andere Verfügungen grundsätzlich unberührt ( 2085 BGB) Einrede der Anfechtbarkeit in 2083 BGB Folie 20 10
3. Relevanz von Eheverträgen Seit 2004 hat das Bundesverfassungsgericht eine besondere Inhaltskontrolle für deutsche Eheverträge eingeführt (erinnern in Teilbereichen an angloamerikanische Rechtsverhältnisse) Bisher war in Deutschland die notarielle Beurkundung alleiniger Garant für die Richtigkeitsgewähr dieses Vertrages. Vertrag darf inhaltlich nicht Ausdruck einseitiger Lastenverteilung sein daher Beratung jedes Ehepartners Folie 21 3. Relevanz von Eheverträgen Beispiel hierfür: Steven Spielberg Folie 22 11
3. Relevanz von Eheverträgen Ami Irving und Spielberg errichteten Ehevertrag ohne rechtliche Beratung Vier Jahre später: Spielberg verließ Irving für Kate Capshaw Gericht erklärt die damals getroffene Vereinbarung allerdings als unwirksam, weil Ami Irving rechtlich nicht beraten und belehrt war, als sie den Ehevertrag 1985 unterschrieb Folge: ihr wurden 100 Millionen Dollar vom Gericht zugesprochen Bei der Ehe mit Kate Capshaw wurde ein Ehevertrag sorgfältig formuliert und Kate unabhängig rechtlich beraten Folie 23 4. Verlust der Erbenstellung Wegen Erbenunwürdigkeit ( 2339 ff.) Abschließende Aufzählung der Gründe in 2339 BGB Geltendmachung durch Anfechtungsklage gemäß 2342 BGB Mit Rechtskraft gilt Anfall an Erben als nicht erfolgt Ausschluss bei Verzeihung Zur Vermächtnis- bzw. Pflichtteilsunwürdigkeit Folie 24 12
4. Verlust der Erbenstellung Wegen Erbverzicht Führt dazu, dass Erbschaft beim Verzichtenden nicht anfällt Erfasst grundsätzlich auch Verzicht auf den Pflichtteil Auch beschränkter Verzicht (Bruchteil, nur Pflichtteil) möglich Aufhebung nur bis zum Tod des Erblassers möglich, nach Tod des Verzichtenden ebenfalls keine Aufhebung mehr Verzicht liegt schuldrechtliches Kausalgeschäft (insbesondere Schenkung) zugrunde Folie 25 4. Verlust der Erbenstellung Wegen Ausschlagung ( 1944 ff. BGB) Frist: 6 Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und Grund der Berufung Annahme ( 1943 BGB) schließt Ausschlagung aus, ebenso ein Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist Ausschlagung und Annahme sind anfechtbar gemäß 119 ff. BGB, Regeln für Form und Frist in 1954 ff. BGB Wirkung der Ausschlagung: Anfall der Erbschaft gilt als nicht erfolgt. Erbschaft fällt rückwirkend demjenigen zu, der berufen sein würde, wenn Ausschlagender zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte Folie 26 13
5. Erbfolge bei Immobilie in Spanien Bestimmung des anwendbaren Rechts: Bei deutschem Erblasser mit Immobilie in Spanien gilt deutsches Erbrecht Anknüpfungspunkt ist die Staatsangehörigkeit Gesetzliche Erbfolge nach spanischem Recht: Primär erben die Abkömmlinge, sekundär die Aszendenten Nichteheliche Kinder sind ehelichen Kindern gleichgestellt Bei den Vorfahren erben die Eltern zu gleichen Teilen Folie 27 5. Erbfolge bei Immobilie in Spanien Sind beide Eltern vorverstorben, erben die gradnächsten Aszendenten Sind auch diese vorverstorben, werden Seitenverwandte und überlebende Ehegatten (Mit-) Erben Sind weder Abkömmlinge, Aszendenten noch Seitenverwandte vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte allein Der überlebende Ehegatte erwirbt regelmäßig einen bloßen Nießbrauch an einer Quote des Nachlasses neben Abkömmlingen ist diese 1/3, neben Aszendenten ½ und neben Seitenverwandten 2/3 Der Erbteil des Ehegatten und die Höhe seines Nießbrauchs an diesem Erbteil richten sich, wie im deutschen Erbrecht, nach dem Verwandtschaftsverhältnis der Miterben zum Erblasser Folie 28 14
5. Erbfolge bei Immobilie in Spanien Erbschaftsannahmeerklärung: Liegt kein notarielles Testament vor oder tritt die gesetzliche Erbfolge ein, ist nach spanischem Recht zunächst in notarieller und konsularischer Form die Erbschaftsannahmeerklärung abzugeben (entspricht deutschem Erbscheinsantrag) Escritura Pública de Aceptatión de Herencia Folie 29 5. Erbfolge bei Immobilie in Spanien Nachweis des Nachlassverfahrens: Damit Erben im Grundbuchamt eingetragen werden können, muss Folgendes beim Grundbuchamt vorgelegt werden: Belege über den Erbfall und das Erbrecht der Rechtsnachfolger Beschluss über ein abgeschlossenes gerichtliches Nachlassverfahren (sog. Nachlasszeugnis) oder Beleg über den Abschluss des in Art. 979 LEC vorgesehenen notariellen Nachlassverfahrens Folie 30 15
5. Erbfolge bei Immobilie in Spanien Sonstiges: Deutsche Urkunden sind ins Spanische zu übersetzen und mit Apostille zu versehen Örtlich zuständig ist das Gericht des letzten Wohnortes der Erblassers Spanische Gerichte sind auch für in Deutschland verstorbene deutsche Erblasser zuständig, wenn sich der überwiegende Teil des Vermögens in Spanien befindet Sachlich zuständig ist das Gericht der Belegenheit des Grundeigentums Folie 31 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folie 32 16