Organisation und Einführung der Gruppenarbeit bei der Herstel lung von Gaszählern



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Transkript:

Organisation und Einführung der Gruppenarbeit bei der Herstel lung von Gaszählern Dr. Peter Feil Veröffentlicht in: IfaA, Lean Production II,Erfahrungen und Erfolge in der Metallindustrie, S.143-159, 1994, ISBN3-89172-269-9. Die Umstrukturierung im Bereich "Gasversorgung" der Kromschröder AG hat sich in einem Konzept mit vier Schwerpunkten niedergeschlagen: - Fertigungssegmentierung, - Integrierte Informationsverarbeitung und produktionssynchrone Beschaffung, - Vereinfachung der Ablauf- und Aufbauorganisation und - Mitarbeiterentwicklung und -integration. Unter dem Stichwort der Fertigungssementierung wurden verschiedene Produktionsgruppen eingerichtet. Ein EDV-gestütztes Informationssystem und einfache Regelkreise bilden die veränderte Produktionssteuerung. Durch die Einrichtung einer Funktionsgruppe, in der Mitarbeiter aus den Bereichen: Arbeitsvorbereitung, Disposition, Fertigungssteuerung, Qualitätssicherung, Vertrieb sowie der Betriebsingenieur und die Schichtleiter integriert sind, konnte eine flache Organisationsstruktur geschaffen werden. Die Mitarbeiter werden durch gezielte Projektarbeit in das operative Tagesgeschäft integriert. Einzel-, Gruppen- und Informationsgespräche sind wesentliche Bausteine zur Umsetzung der kooperativen Führung. 0 Die G. Kromschröder AG Die Kromschröder AG ist in diesem 128. Geschäftsjahr ein national und international tätiges Unternehmen auf dem Gebiet der Gas-, Meß- und Regeltechnik. Das Programm umfaßt zum einen den Produktbereich für die Gasversorgung (Gaszähler für Haushalt und Gewerbe) und zum anderen für die Gasverwendung (Sicherheitsarma-turen und Systeme zur Regelung, Sicherung und Steuerung von Gasen für die Erzeugung von Heiz- und Prozesswärme). Das Unternehmen ist Teil einer international führenden Industriegruppe, in der ca. 3500 Mitarbeiter beschäftigt sind. 1 Die Ausgangssituation Die folgenden Punkte charakterisieren die Situation, in der sich die Kromschröder AG in den 80er Jahren befand: Steigender Kosten- und Termindruck, variantenreiches Produktprogramm,

- 2 - hohe Auslastung der Produktion, Einsatz der EDV als Kontroll- und Steuermechanismus, der Mitarbeiter in der Produktion wurde als Störfaktor gesehen. Traditionell sind im Produktionsbereich überwiegend Mitarbeiter ohne fachspezifische Ausbildung beschäftigt. Die Arbeitsteiligkeit wurde immer stärker und damit der Anteil der Einzel- und Stückakkorde. Aufgrund unvorhergesehener Probleme in der Produktion existierten neben den Einzelakkorden eine Vielzahl von Ausgleichslohnscheinen. Vor diesem Hintergrund ergab sich die Forderung, die Arbeitsplätze höher zu automatisieren. Das hätte aber bedeutet, daß die Arbeitsinhalte noch kleiner geworden wären. Die vielen Einzelarbeitsplätze bedurften eines hohen Steuerungsaufwandes durch die Vorgesetzten bzw. Mitarbeiter der Fertigungssteuerung, um den einzelnen Mitarbeitern ihre Arbeit vorzugeben. Ein anderes Problemfeld waren eskalierende Konflikte zwischen den verschiedenen Fachabteilungen. Aufgrund der Unternehmenssituation stellte sich die Frage: Wohin wollen wir? Mitte der 80er Jahre gab es im Produktionsbereich vier Strömungen: - höhere Automatisierung, - CIM, - Just-in-Time und - Kanban. Zum damaligen Zeitpunkt waren wir schon überzeugt, daß unsere Mitarbeiter eines der wichtigsten Potentiale sind, die wir im Unternehmen haben. Von daher lehnten wir eine höhere Automatisierung im Sinne von CIM -die menschenleere Fabrik- kategorisch ab. Um sich zu informieren, reiste der Vorstandsvorsitzende mit einigen seiner Mitarbeiter nach Japan und Amerika. Danach wurden folgende Leitgedanken entwicklet: - Wir wollten unbedingt die Einbindung des Mitarbeiters ins Betriebsgeschehen, - Wir wollten weniger Hierarchiestufen, und was sehr wesentlich ist, - Wir wollten einen Mannschaftsgedanken einbringen und weg von den Einzelkämpfern im Unternehmen. 2 Die Umstrukturierung Im Produktbereich der Gasversorgung werden 4 Typen von Gaszählern hergestellt, davon sind 2 Typen im Bereich der Haushaltszähler und 2 Typen im Bereich der Gewerbezähler angesiedelt. Sie unterscheiden sich durch die Größe und somit durch die Durchflußrate in Kubikmeter pro Stunde. Insgesamt gibt es für die vier Gaszählertypen ca. 250 Varianten. Die

- 3 - Variantenvielzahl wurde Ende der 80er Jahre durch die Einführung neuer Produkte im Bereich der Haushaltszähler erhöht. Übergangsweise wurden sowohl die alten, als auch die neuen Produkte hergestellt. Im Bereich der Gaszählerproduktion gehörten die Stanzerei, das Teile-Lager, die Montage, die Prüfstelle und die Lackierung/Verpackung der Gaszähler. In der Stanzerei wurden die Gehäuse für alle Gaszählertypen sowie alle weiteren Blechteile gefertigt. Im Teilelager wurden die Kaufteile sowie die Eigenfertigungsteile gelagert und verwaltet. Die eigentliche Produktion findet im Bereich der Montage statt, in der die Gaszähler komplett montiert wurden. Die Montage war stark nach dem Taylorismus gegliedert. Im Bereich der Haushaltszähler gab es viele Arbeitsplätze, die an einem klar struktuierten Rollenband angeordnet waren. Zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen ergab sich aufgrund des Rollenbandes ein großer Materialpuffer. Die Mitarbeiter waren darauf fixiert, an einzelnen Arbeitsplätzen zu arbeiten. Selten beherrschte ein Mitarbeiter alle Arbeitsplätze in einem Produktbereich. Abb. 1: Material- und Informationsfluß

- 4 - Abb. 1 stellt den präzise geplanten Materialfluß von Stanzerei bis zur Verpackung dar. Im Gegensatz hierzu ist der zentralistische Informationsfluß erkennbar. Im Bereich der Lackierung fällt ein weiterer Informationsfluß auf. Zu Beginn der 80er Jahre erfolgte die Steuerung durch wenige Mitarbeiter, die in den Bereichen Disposition, Vertrieb und Lackierung angesiedelt waren. Bei der damaligen Stückzahl von 300000 Zählern pro Jahr war diese Art der Steuerung erfolgreich. Mit steigenden Stückzahlen entstanden entsprechende Lagerbestände, da das Produktionsgeschehen an Komplexität zunahm. Die geschilderte Situation führte zu verschiedenen Problemen, die auf viele Unternehmen zutreffen: - lange Durchlaufzeiten, - hohe Lagerbestände, - hohe Fertigbestände, - schlechte Informationsflüsse und - ungenaue Lieferzeiten. Unter diesen Aspekten erarbeitete unser Unternehmen ein Konzept für die Umstrukturierung des Bereichs Gasversorgung. Das Konzept enthällt die folgenden, wesentlichen Bestandteile: - die Fertigungssegmentierung, - die integrierte Informationsverarbeitung, - die produktionssynchrone Beschaffung, - die Vereinfachung der Ablauf- und Aufbauorganisation und - die Mitarbeiterentwicklung und -integration. 2.1 Fertigungssegmentierung Die Idee der Fertigungssegmentierung, den Gesamtbereich einer Produktion nach vorgegebenen Kriterien zu gliedern, z.b. produktorientiert, funktionsorientiert oder objektorientiert, konnte nicht vollständig umgesetzt werden. Die Aufhebung der nach dem Verrichtungsprinzip gegliederten Bereiche der Produktion konnte in diesem ersten Schritt nicht erfolgen. Ziel war eine möglichst weitgehende produktorientierte Fertigungssegmentierung. In der Stanzerei befanden sich Pressen und Betriebsmittel, die nicht direkt einem Produkt zugeordnet werden konnten. Auf diesen Pressen werden die verschiedenen Gehäuse der unterschiedlichen Gaszählertypen gezogen. Für einen neu entwickelten Zählertyp haben wir

- 5 - eine neue Ziehpresse eingesetzt, die direkt aus dem Montagebereich gesteuert wird aber nach wie vor der Stanzerei zugeordnet ist. In den Montagebereichen der verschiedenen Zählertypen sind die Veränderungen aufgrund der Fertigungssegmentierung am deutlichsten zu erkennen. Im Rahmen der Umstellung der Montage auf Gruppenarbeit wurden die vorhandenen Betriebsmittel entsprechend aufgestellt und die typischen Rollenbänder entfielen. Generell sind die Betriebsmittel in U-Form aufgebaut, um dem Gedanken kurzer Wege innerhalb des Montageprozeßes Rechnung zu tragen. Für die inzwischen neu eingeführten Zählertypen wurden von vornherein entsprechende, an dem Gruppenarbeitsgedanken orientierte Betriebsmittel entwickelt. Die Funktion der Betriebsmittel wurde an den zugrundeliegenden Aufgaben festgelegt, wobei auf technisch überzogene Raffinessen bewußt verzichtet wurde. Die gestiegenen Stückzahlen sowie die allgemeine Kostensituation machten es inzwischen erforderlich, den Haushaltszähler BK4 zu automatisieren. Hierbei wurde Wert darauf gelegt, einen ausgewogenen Weg zwischen Vollautomatisierung mit sehr wenigen Mitarbeitern und geringer Automatisierung mit den bisherigen Mitarbeitern zu beschreiten. Die realisierte Automatisierung bietet sowohl den Vorteil höherer, kostengünstigerer Stückzahlen, als auch den Vorteil, die Gruppenarbeit weiterhin einsetzen zu können. Mit der Veränderung der Montage wurde ebenfalls eine Dezentralisierung der Lagerflächen durchgeführt. Im Bereich der Haushaltszählermontagen hat eine klare Dezentralisierung des Teilelagers stattgefunden. In Abb. 2 wird die Dezentralisierung des Teilelagers (Lager6) bei der Umsetzung des Konzeptes deutlich. Abb. 2: Dezentralisierte Lagerhaltung

- 6 - Die Prüfstelle, in der alle Gaszähler geeicht werden, hat einen Sonderstatus. Sie dient als amtlich anerkannte Prüfstelle im Hause Kromschröder. Obwohl die Prüfstelle in den Produktionsablauf integriert ist, untersteht sie nicht der Produktion, sondern dem technischen Vorstand. Die der Eichung nach gelagerte Lackierung und Verpackung der Zähler konnte nicht sinnvoll den einzelnen Produktionsgruppen zugeordnet werden, so daß die vorher existierende Struktur beibehalten wurde. 2.2 Die Produktionssteuerung Die integrierte Informationsverarbeitung und die produktionssynchrone Beschaffung werden im folgenden zusammen abgehandelt, da sie eng miteinander verbunden sind. Abb. 3 Die veränderte Fertigungssteuerung Im vorliegenden Layout (Abb. 3) ist erkennbar, daß eine Trennung zwischen den vorgelagerten Bereichen und den Montagebereichen innerhalb des Bereichs "Gasversorgung" vorliegt. Das Ziel einer kundenorientierten Produktion soll in den Montagebereichen und den nachgelagerten Bereichen durch ein Mailboxsystem auf EDV-Basis realisiert werden. Die

- 7 - vorgelagerten Bereiche sind mit Hilfe einfacher Regelkreise an die Montage angebunden. Sie ermöglichen eine flexiblere Reaktion auf eintreffende Kundenaufträge. 2.2.1 Die integrierte Informationsverarbeitung Die integrierte Informationsverarbeitung hat das Ziel, die benötigten Informationen zu erfassen, zu verwalten und bei Bedarf innerhalb der verschiedenen Bereiche der Produktion zur Verfügung zu stellen. Von vornherein sollte bei diesem neuzuschaffenden System die Bedeutung der Information in den Vordergund gestellt werden. In diesem System werden die Kundenaufträge mit sämtlichen Informationen, auch kundenspezifische, vorgehalten. In Abb. 4 ist das Informationssystem für den Bereich "Gasversorgung" dargestellt. Abb. 4: Das Informationssystem Ausgangspunkt sind die im Vertrieb eintreffenden Kundenaufträge. Sie werden edv-mäßig erfaßt und unter Berücksichtigung des Wunschtermins des Kunden terminiert. Die Terminierung erfolgt durch Kapazitätsüberprüfung im Vertriebs-/Produktionsplan. Dieser Plan ist eine zwischen Vertrieb und Produktion auf Wochenbasis abgestimmte Kapazitätsplanung. Die Kapazitätsplanung wird für jedes Produkt durchgeführt. Die Terminierung eines Kundenauftrages hängt von der Bestellmenge und dem Wunschtermin des Kunden ab. Im

- 8 - Informationssystem wird überprüft, ob in der Kalenderwoche, in der der Wunschtermin liegt, genügend freie Kapazität (Stückzahl) vorhanden ist. Bei erfolgreicher Überprüfung wird der Kundenauftrag eingeplant. Ansonsten wird der Kundenauftrag in der nächstmöglichen Woche terminiert, in der genügend freie Kapazität (Stückzahl) vorhanden ist. Abb. 5: Kapazitätsplan Dieses Verfahren wird für alle Kundenaufträge eingesetzt, die Standardzähler beinhalten. Nicht- Standardzähler werden im Vertrieb eingegeben, aber nicht durch das Programm terminiert. Die Terminierung erfolgt durch den Disponenten nach Ermittlung der Beschaffungszeiten für die vom Standard abweichenden Bestandteile. Neben der Terminierung werden alle für die Produktion benötigten kundenspezifischen Daten eingegeben. Innerhalb der Produktion ist ein Mailboxsystem im Aufbau. Sie ermöglicht jeder Gruppe, die aktuellen, für die jeweilige Woche vorliegenden Kundenaufträge einsehen. Innerhalb dieses wöchentlichen Rahmens erfolgt eine Optimierung der Montagen. Bei Montagebeginn wird der Auftrag im System gekennzeichnet. Die Kennzeichnung führt dazu, daß der Kundenauftrag in den folgenden Bereichen (Prüfstelle, Lackierung) auf den Bildschirmen angezeigt wird. Die Bereiche können sich somit auf die kundenspezifischen Arbeiten bei den in der Montage

- 9 - befindlichen Aufträge vorbereiten. Nach Beendigung der Montage erfolgt automatisch die Materialabbuchung und die Zubuchung der fertigen Zähler in das entsprechende Lager. 2.2.2 Die produktionssynchrone Beschaffung Die produktionssynchrone Beschaffung hat die Aufgabe, sämtliche für die Montage benötigten Teile mit Hilfe einfacher Regelkreise zu beschaffen. Dies bezieht sich sowohl auf interne als auch auf externe Teile. Um einen Überblick zu geben, werden im weiteren zwei konkrete Regelkreise erläutert. Ein wesentlicher Regelkreis wurde zwischen der Stanzerei und Lager 6 aufgebaut (Abb. 6). Es handelt sich um ein einfaches KANBAN-System. Aufgrund der hohen Umrüstzeiten und der nicht möglichen Zuordnung der Pressen zu einem Zählertyp ist ein Pufferlager zwischen Stanzerei und Montage erforderlich. Für jedes Gehäuseteil wurde individuell festgelegt, wie groß dieser Puffer ist. Als Standardeinheit wurde eine Gitterbox gewählt. Über die Anzahl der Gitterboxen und die Menge je Gitterbox ist die Puffermenge definiert. An jeder Gitterbox im Pufferlager ist eine Steuerkarte (KANBAN) befestigt. Werden die Gehäuse in der Montage benötigt, wird die Steuerkarte abgenommen und als Teilauftrag in die Stanzerei zurückgegeben. Liegen entsprechend viele Teilaufträge in der Stanzerei vor, wird der entsprechende Gehäusetyp gefertigt. An die Gitterboxen werden die Steuerkarten gehängt und die Gitterboxen im Pufferlager zwischengelagert. Abb.6: Regelkreis "Stanzerei"

- 10 - In Zusammenarbeit mit einigen Lieferanten wurde für den Haushaltszählerbereich ein anderer Regelkreis aufgebaut (Abb. 7). Zwischen den Lieferanten und der Produktion werden Klappboxen als Standardbehälter eingesetzt und ausgetauscht. Die leeren zusammengeklappten Behälter werden für die Lieferanten gesammelt und bei der nächsten Lieferung zurückgeschickt. Die vom Lieferanten ankommenden vollen Klappboxen werden über den dezentralen Wareneingang direkt in das Pufferlager in der Montage gebracht. Dort befindet sich Material für 3-4 Arbeitstage, um Lieferschwankungen ausgleichen zu können. Diese Form der produktsynchronen Beschaffung hat wesentliche Vorteile gebracht. Allein an Verpackungsmaterial ergeben sich deutliche Einsparungen, ebenso beim Abfall. Abb. 7: Regelkreis zu den Lieferanten Die Disposition erfolgt in traditioneller Art. In Zukunft soll ein leerer Behälter für den Lieferanten als Auftrag dienen. Aufgrund dieses Auftrages soll bei der nächsten Lieferung ein aufgefüllter Behälter vom Lieferanten eintreffen.

- 11-2.3 Die Vereinfachung der Ablauf- und Aufbauorganisation Die eingangs beschriebenen Probleme hatten nicht nur mit der Produktion, der Montage, der Fertigungssteuerung oder der Arbeitsweise zu tun, sondern entstammten auch der vorhandenen Aufbauorganisation (Abb. 8). Abb. 8: Aufbauorganisation Deutlich erkennbar sind die nach dem tayloristischen Prinzip gegliederten Abteilungen sowie die vielen Hierarchieebenen. Dies hatte lange und verzweigte Informationswege zwischen dem Betrieb und den Abteilungen im Angestelltenbereich zur Folge. Hinzu kamen informelle Informationswege, die zur Aufrechterhaltung der Produktion unumgänglich waren. Das betriebliche Geschehen war nur schwer zu beeinflußen oder zu verändern. Die Optimierung des Gesamtbereichs "Gasversorgung" stand oft der Optimierung der Abteilungen oder des Betriebes im Wege. Daraus entstand die Überzeugung, mehr Augenmerk auf die Gesamtoptimierung des Bereichs "Gasversorgung" zu legen. Bei der Analyse der Tätigkeiten stellte sich schnell heraus, daß viele Mitarbeiter im Angestelltenbereich täglich primär für den Gaszähler arbeiteten. Dies war unabhängig davon, ob sie in der Abteilung Qualitätssicherung, Disposition-Fertigungssteuerung oder Arbeitsvorbereitung tätig waren. Es entstand die Idee, diese Mitarbeiter aus

- 12 - ihren bisherigen Abteilungen herauszulösen und in einer sog. Funktionsgruppe zusammenzufassen. Abb. 9 Funktionsgruppe In der Funktionsgruppe sind Mitarbeiter aus den Bereichen Arbeitsvorbereitung, Disposition/Fertigungssteuerung, Qualitätssicherung, Vertrieb, der Betriebsingenieur und die Schichtleiter zusammengefaßt. Die Funktionsgruppe ist direkt in der Produktion in einem sog. "Aquarium", einem gläsernen Büro, untergebracht. Durch diese Gruppe werden alle operativen Tätigkeiten ausgeführt, die für den Bereich "Gasversorgung" erforderlich sind. Die Gruppe untersteht dem Betriebsleiter "Gasversorgung", der heute ein deutlich erweitertes Aufgabenfeld hat. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wurde die Gruppenarbeit in vielen Bereichen eingeführt. Je nach Größe der Gruppe handelt es sich um Gruppen, die sich selbst steuern oder um Gruppen, die durch einen Gruppenleiter gesteuert werden. Durch diese veränderte Organisation war es möglich, eine Führungsebene im betrieblichen Bereich abzubauen. Die Ebene der Vorarbeiter und Meister wurde aufgelöst und durch die Ebene der Gruppenleiter ersetzt (Abb. 10). Die sich selbst steuernden Gruppen haben als Ansprechpartner den

- 13 - Schichtleiter, der gewisse Aufgaben des Gruppenleiters wahrnimmt. Darüber hinaus haben die Schichtleiter die Aufgabe, die gruppenübergreifende Abstimmung des Gesamtbereichs in personeller Hinsicht durchzuführen. Abb. 10 Veränderte Aufbauorganisation Hervorzuheben ist die Reduzierung der Hierarchieebenen um zwei Ebenen. Neben dem Wegfall einer Hierarchieebene im betrieblichen Bereich ist eine Ebene im Management entfallen. Der Betriebsleiter untersteht direkt dem Vorstandsvorsitzenden, der für den Bereich "Gasversorgung" in der gesamten Unternehmensgruppe verantwortlich ist. 2.4 Die Mitarbeiterentwicklung und -integration Ein wesentlicher Baustein zur Umsetzung des erarbeiteten "Lean Production"-Konzeptes im Bereich der Gasversorgung war die Mitarbeiterentwicklung. Konnte die Fertigungssegmentierung, die Informationsverarbeitung und die produktionssynchrone Beschaffung im Vorfeld weitgehend durchdacht und konzipiert werden, war die Mitarbeiterintegration bei der Veränderung der Ablauf- und Aufbauorganisation nicht planbar, sondern ein

- 14 - Entwicklungsprozeß. Mit den betrieblichen Führungskräften sowie den vorgesehenen Mitarbeitern der Funktionsgruppe wurden mehr als 20 Workshops in einem Zeitraum von 2 Jahren durchgeführt. In diesen Workshops wurde zum einen das "Lean Production"-Konzept erläutert bzw. verfeinert und zum anderen über die zukünftigen Anforderungen an die betrieblichen Führungskräfte und Mitarbeiter in der Funktionsgruppe diskutiert. Mit der Veränderung der Aufbauorganisation mußte eine Veränderung der Führung einhergehen. Gefordert ist die kooperative Führung, die folgende Grundsätze beinhaltet: - zuhören und nicht nur reden, - erklären und nicht befehlen, - diskutieren und nicht nur anweisen, - überzeugen und nicht Macht ausüben, - flexibles Verhalten und nicht rigide Abgrenzung, - Achtung vor dem Individuum und nicht ihre Unterordnung unter Kapital und Maschinen, - Kompromiß- und Konfliktfähigkeit und nicht Rechthaben und Vermeidung von Auseinandersetzungen. Das Näherbringen dieser veränderten Führungsaufgabe war wesentlich für den Erfolg des Konzeptes. Der sich ergebende Prozeß zur Veränderung der Führung wurde zusätzlich durch gezielte Führungstraining mit einem externen Berater unterstützt. Dabei wurde die Führung und Zusammenarbeit, die Gesprächsmethodik, die Führung in schwierigen Situationen, das Konfliktmanagement und die Förderung von Initiative und Engagement geschult. Die Umsetzung dieses veränderten Führungsverhalten konnte durch die Gruppenleiter und die Schichtleiter erst nach und nach erfolgen. Voraussetzung war die Bereitschaft aller Mitarbeiter, sich mit den neuen Ideen auseinanderzusetzen. Die Durchführung von Informations- und Gruppengesprächen für alle Mitarbeiter mit den Gruppenleitern, den Schichtleitern oder dem Betriebsleiter gehört inzwischen zur täglichen Praxis. Die Mitarbeiter der Funktionsgruppe haben sich nach und nach nicht nur für ihre eigenen Aufgaben interessiert, sondern übernehmen auch Aufgaben eines Kollegen bzw. einer Kollegin. Die Arbeit innerhalb der Funktionsgruppe wird mehr und mehr zur täglichen Projektarbeit und verliert somit seinen tayloristische Charakter. In Zukunft sollen mehr Aufgaben aus dem Funktionsbüro an die Mitarbeiter übergeben werden. Das vorliegende Schulungskonzept wird es ermöglichen, weitere Mitarbeiter zu integrieren und ihnen zusätzliche Aufgaben zu übertragen. Die Mitarbeiter der Funktionsgruppe werden in Zukunft verstärkt als Trainer und Helfer für die Kollegen und Mitarbeiter eingesetzt und weniger als Vordenker und Anweiser.

3 Fazit - 15 - Durch die beschriebenen einzelnen Bausteine unseres Konzepts ist es gelungen, eine veränderte Organisationsstruktur zu schaffen. Sie enthält wesentliche Merkmale zur Erreichung eines "Lean-Production"- oder "Lean-Company"-Konzeptes. Der begonnene Prozess hat inzwischen eine wesentliche Verbesserung in allen Bereichen gebracht. Die Flexibilität wurde erhöht, die Kosten für die Qualitätssicherung gemindert, die Fluktuation durch mehr Arbeitszufriedenheit verringert, die Produktion geglättet, die Abstimmungsverluste durch mehr Transparenz vermindert, Nacharbeiten verringert, die Durchlaufzeiten reduziert und die Verwaltung der Arbeit vereinfacht. Abschließend soll bemerkt werden, daß es sich bei den Umstrukturierungsmaßnahmen um einen Entwicklungsprozess handelt, der eine ständige Weiterentwicklung erforderlich macht. Einige erfolgreiche Schritte auf diesem Weg wurden zurückgelegt; weitere Schritte sind erforderlich, um die Ziele zu erreichen. 4 Literatur: Brochhaus, D., Das MIPRO-System, Mitarbeiter-orientierte Produktion in einem Unternehmen. In: Organisationsentwicklung, 4/90, S. 48-57 Brochhaus, D., MIPRO macht's. In: Manager Magazin, 4/1992, S. 211-216 Feil, P., Sechs Jahre auf dem Weg zum schlanken Unternehmen. In: "Lean Production"-Der Mensch als Schlüssel zum Erfolg, Hrsg. Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, 1993. Lauterbach, C., Führung in den Neunziger Jahren -Die Veränderung der Führungsfunktion im Zeitalter des raschen Wandels. In: Organisationsentwicklung, 1/90, S. 6-23 Roese, H., Soziotechnische Systeme (STS) - Welche Ziele, Inhalte und Philosophie verbinden Sie mit diesem Konzept?. In: Organisationsentwicklung, 4/90, S. 40-47