Stress und Burnout in der Krankenhauspflege



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Transkript:

Gemeinsame Tagesveranstaltung Gesund pflegen gesund arbeiten im Krankenhaus Köln, 21. Januar 2010 Stress und Burnout in der Krankenhauspflege Johannes Siegrist Institut für Medizinische Soziologie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Pflegerische Arbeit Ziel: Gute Qualität der Beschäftigung und der Arbeitsbedingungen Motivation und Engagement Prozess- und Ergebnisqualität! Gesundheit der Beschäftigten Restriktionen: Ungünstige Rahmenbedingungen Fehlbeanspruchungen und Belastungen Demotivation, Disengagement Prozess- und Ergebnisqualität? Burnout ; Stress

Problembereiche Leistungsverdichtung, Rationalisierung steigende Fallzahlen; kürzere Verweildauern; stagnierende / schrumpfende Stellenpläne Neue Managementstrukturen Effizienzsteigerung; Outsourcing; Qualitätsmanagement und Leistungstransparen Dominanz von Wirtschaftlichkeit und Dokumentation Geringere Autonomie durch Vernetzung und Hierarchie ambulante und teilstationäre Versorgung; Geringere Gratifikationen Tarifsysteme, niedrige Einkommen, begrenzte Aufstiegschancen

Gesundheitliche Gefährdungen im Pflegeberuf: Psychische Störungen, Rückenbeschwerden, krankheitsbedingte Frühberentung EU-Berentungsrisiken Krankenpflegehelfer: 3,2 alle Diagnosen Krankenpflegehelferinnen: 1,8 EU-Berentungsrisiken Krankenpflegerinnen: 1,6 psychische Erkrankungen Krankenpfleger: 3,6 Bödecker et al. 2006 Es zeigt sich, dass viele der arbeitsbezogenen Risikofaktoren für psychische Erkrankungen [beim Krankenhauspersonal] potentiell verändert werden können. Michie & Williams OEM 2003

Wann fördert pflegerische Arbeit die Gesundheit? Aufgaben der Wissenschaft Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Zusammenhängen zwischen Arbeitsbelastungen und stressassoziierten Erkrankungen Identifizierung kritischer Belastungskomponenten (Theorie, Messung) Empirische Evidenz als Legitimation von Handlungsbedarf (Nachweis anhand epidemiologischer / experimenteller Studien) Orientierungshilfen bei organisatorischen Veränderungen (z. B. Interventionsstudien)

Das Konzept der psychosozialen Balance Psychische Ressourcen Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl Zugehörigkeitsgefühl Soziale Kontexte Autonomie/persönliche Kontrolle in zentralen sozialen Rollen (Beruf) Anerkennung/Belohnung in zentralen sozialen Rollen (Beruf) Einbindung in soziale Bezugsgruppen, Rückhalt durch signifikante Andere (Beruf)

Anforderungs-Kontroll-Modell (R. Karasek & T. Theorell 1990) Quantitative Anforderungen niedrig hoch Entscheidungsspielraum / Kontrolle niedrig hoch niedriger Distress passiv aktiv hoher Distress

Modell beruflicher Gratifikationskrisen (J. Siegrist, 1996) Extrinsische Komponente - Anforderungen - Verpflichtungen Erwartung ( übersteigerte Verausgabungsneigung ) Verausgabung - Lohn, Gehalt - Aufstiegsmöglichkeiten Arbeitsplatzsicherheit - Wertschätzung Belohnung Erwartung ( übersteigerte Verausgabungsneigung ) Intrinsische Komponente

Warum werden berufliche Gratifikationskrisen über einen längeren l Zeitraum erfahren? Abhängigkeit Der Beschäftigte findet auf dem Arbeitsmarkt keine Alternative und zieht ein unfaires Beschäftigungsverhältnis dem Arbeitsplatzverlust vor. Strategische Entscheidung Der Beschäftigte akzeptiert ein Ungleichgewicht aus Verausgabung und Belohnung, um seine zukünftigen Karrierechancen zu verbessern ( antizipatorisches Investment ). Übersteigerte Verausgabungsneigung Der Beschäftigte weist ein motivationales Muster exzessiver Leistungsbereitschaft auf, wodurch die investierte Verausgabung die erhaltene Belohnung häufig übersteigt.

Anerkennung Universelles Bedürfnis nach sozialer Wertschätzung, d.h. Wunsch, für die eigene Person und ihr Handeln durch signifikante Andere Bestätigung in Form positiver Rückmeldung zu erhalten Eigenschaften, Ressourcen und Leistungen bilden in der Regel die Voraussetzung für die Gewährung von Anerkennung Anerkennung folgt dem Reziprozitätsprinzip: Gleichwertigkeit von Gabe und Gegengabe

Norm sozialer Reziprozität Eine Person A, welche gegenüber einer Person B eine Leistung erbringt, welche für diese von Nutzen ist, kann erwarten, von B hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten (A.W. Gouldner 1960) Leistungen/besondere Eigenschaften als Voraussetzung für die Erlangung von Anerkennung Bedeutung des Vertrags Ökonomische/kulturelle Variationen des Tauschmediums (materiell/nicht materiell)

Anerkennung und Gesundheit Bruch der Norm sozialer Reziprozität/Verletzung des Prinzips der Tauschgerechtigkeit: berechtigte Erwartungen von Anerkennung bleiben aus oder werden nur ungenügend erfüllt negative Emotionen: Enttäuschung, Ärger, Wut, Rachegefühle physiologische Stressreaktionen Verringerung der Motivation, Risiko der Berufsaufgabe, ev. obstruktiver Handlungen These: Anerkennungskrisen stellen ein gesundheitliches Risiko dar (J. Siegrist 1996)

Stress Spektrum von Reaktionen auf eine bedrohliche Herausforderung (Stressor) auf der Ebene der Wahrnehmung und Bewertung: Kontrollierbarkeit und Relevanz des Stressors; Erfolgschancen der Bewältigung auf der Ebene der Emotionen: in Abhängigkeit von 1) u.a. Wut, Angst, Ärger, Hilflosigkeit auf der Ebene physiologischer Reaktionen: Aktivierung von Stressachsen (SAM-/HPA-Achsen) auf der Ebene motorischen Verhaltens: motorischen Verhaltens: Kampf oder Flucht; Unterwerfung, Passivität

Messung beruflicher Gratifikationskrisen Skala Verausgabung (6 Likert-skalierte Items) = wahrgenommene Anforderungen (Cronbach s a =.72) Skala Belohnung (11 Likert-skalierte Items) = erfahrene oder zugesicherte Gratifikationen (a =.83) 3 Subskalen: (a) Gehalt und beruflicher Aufstieg, (b) Wertschätzung, (c) Arbeitsplatzsicherheit Verausgabung-Belohnungs-Quotient = Summe,Verausgabung / (Summe,Belohnung 6/11) Skala berufliche Verausgabungsneigung (6 Lik.-skal. Items) = psychisches Muster der Bewertung und Bewältigung von Anforderungen und Belohnungen (a =.76) Nähere Angaben s. http://www.uni-duesseldorf.de/medicalsociology

Evidenzquellen Goldstandard: prospektive Kohortenstudie bei initial gesunden Beschäftigten Beurteilungskriterium: Relatives Risiko der Neuerkrankung bei Exponierten im Vergleich zu Nicht-Exponierten Statistische Kontrolle von Störgrößen (z.b. Zigarettenrauchen, Übergewicht etc.) Weitere Evidenzquellen: - Fall-Kontrollstudie - Querschnittstudie - Ambulante Registrierverfahren / Laborexperimente - Interventionsstudien

Auswirkungen von chronischem Arbeitsstress: Überblick über empirische Evidenz Gesundheitsgefahren Stressassoziierte Krankheiten (v.a. Herz-Kreislauf- Krankheiten u. affektive Störungen) Psycho-biologische Mechanismen Gesundheitschädigende Verhaltensweisen Disengagement Absentismus Burnout, Innere Kündigung Berufsausstieg Obstruktion Verstoß gegen soziale Normen Gewaltanwendung

Berufliche Gratifikationskrisen (ERI), übersteigerte Verausgabungsneigung (OC) und Burnout (emotionale Erschöpfung) 35 30 * 25 20 15 10 Mittelwert Skala Erschöpfung (F=5.09, p<.05) 5 0 ERI- OC- ERI- OC+ ERI+ OC- ERI+ OC+ Quelle: Bakker AB et al. (2000) J Adv Nursing 31: 884-891

Berufliche Gratifikationskrisen und Burnout: 1-Jahres-follow-up bei 356 deutschen Krankenhauspflegekräften ften (75%) und Ärzten (25%) Berufliche Gratifikationskrisen 2002 nein ja t p Burnout 2003 Erschöpfung 2.97 (1.07) 4.46 (1.43) 9.35.001 Zynische Einstellung 1.92 (.91) 3.27 (1.44) 9.29.001 Leistungseinbußen 6.21 (.77) 5.77 (.93) 3.88.001 N=297 N=59 Quelle: P. Richter et al. (2007) Psychosocial resources in health care systems, p.118; München: R. Hampp

Berufliche Gratifikationskrisen (oberes ER-Tertil) und eingschränkte nkte Gesundheit (N=367 Krankenschwestern in Dänemark) D Gesundheitsprobleme Schlechte subjektive Gesundheit Verlust an Vitalität Gestörtes Wohlbefinden Gastrointestinale Beschwerden Herz-Kreislauf-Beschwerden Muskuloskeletale Beschwerden Odds ratio (95%) bei Gratifikationskrisen 1.92 (0.98-3.62) 3.35 (1.85-6.07) 2.51 (1.39-4.53) 2.89 (1.62-5.17) 3.47 (1.81-6.64) 4.76 (2.38-9.52) Quelle: S. Weyers et al. Scand J Caring Sci 2006

Berufliche Gratifikationskrisen (ER-Quotient > 1.0) und Arbeitsunzufriedenheit bei 800 männlichen und weiblichen Ärzten und Krankenpflegekräften in chinesischen Krankenhäusern OR # Männer OR # Frauen 5,5 5,5 5 5 4,5 4,5 4 4 3,5 3,5 3 3 2,5 2,5 2 2 1,5 1,5 1 1 0,5 kein Stress hoher Stress 0,5 kein Stress hoher Stress # adjustiert für Alter, Familienstand, SES, berufliche Position, Abteilung und Gesundheitsverhalten Quelle: J. Li et al. Int Arch Occup Environ Health 2005

Berufliche Gratifikationskrisen und Bereitschaft, den Pflegeberuf aufzugeben Europäische Studie (NEXT), N=25.853 Pflegekräfte fte 100% 80% 60% 40% Ich denke über einen Berufswechsel nach: nie selten gelegentlich oft täglich 20% 0% 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Quotient aus Verausgabung und Belohnung Quelle: H.W. Hasselhorn et al. (2003).

5 Berufliche Gratifikationskrisen (ER-Quartile( ER-Quartile) ) und Bereitschaft, ein Jahr später das Krankenhaus zu wechseln (links) bzw. den Beruf aufzugeben (rechts) N=1.531 Krankenhausbeschäftigte (73% Krankenschwestern) in Belgien * 4,5 4 3,5 3 2,5 * 2 * 2 1,5 1,5 1 1 0,5 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Minimum Stress Maximum Minimum Stress Maximum Quelle: H. Derycke et al. J Occup Organiz Psychol 2009 0,5

Berufliche Gratifikationskrisen und Auftreten depressiver Störungen (GHQ): Whitehall II-Studie (N=6110, Zeitraum: : 5.3 Jahre) OR # 3 2,5 2 Männer * * OR # 3 2,5 2 Frauen * 1,5 1,5 1 1 0,5 kein Stress hohe hohe Verausg. Verausg. UND ODER niedr. niedr. Bel. Bel. # adjustiert für Alter, Angestelltengrad, Wert GHQ bei Eingangsuntersuchung; Personen im affektiver Störung zu Studienbeginn nicht enthalten * p <.05 0,5 kein Stress Quelle: S.A. Stansfeld et al. (1999), OEM, 56: 302. hohe hohe Verausg. Verausg. UND ODER niedr. niedr. Bel. Bel.

Arbeitsstress (berufliche Gratifikationskrise) und ärztlich diagnostizierte Depression 2 prospektive Kohortenstudien, Finnland, follow up 2-4 Jahre 10 Town-Study (N=18.066) Hospital Personnel-Study (N=4803) OR # 2 1,75 1,5 1,25 1 OR # * * 2 1,75 1,5 1,25 1 * 0,75 1 niedrig 0,75 2 3 4 1 hoch niedrig Arbeitsstress (berufliche Gratifikationskrise) - Quartile 2 3 4 hoch # adj. für Alter, Geschl., berufl. Stellung Quelle: M. Kivimäki et al. (2007), Occup Environ Med 64: 659-665.

Kumulativer Arbeitsstress und verminderte psychische Gesundheit (SCL-90): Somstress-Studie,, Belgien (N=920 Frauen, follow-up: : 12 Monate) % 50 40 30 20 10 0 t1 nein - t2 nein t1 ja - t2 nein t1 nein - t2 ja t1 ja - t2 ja berufliche Gratifikationskrise Somatisierung Angststörung Depressivität Quelle: I. Godin et al. (2005), BMC Public Health, 5: 67.

Arbeitsstress (Anforderungs-Kontroll-Modell) und Inzidenz schwerer depressiver Symptome (5 Jahre, N=4.133) Multivariate Relative Risiken*folgender Modellkomponenten: Frauen Geringer Entscheidungsspielraum RR 1.96 CI 1.10;3.47 Geringer sozialer Rückhalt RR 1.92 CI 1.33;3.26 Männer Hohe Arbeitsplatzunsicherheit RR 2.09 CI 1.04;4.20 *adj. für Alter, Depression bei Baseline und weitere confounder Quelle: R. Rugulies et al. (2006), Am J Epidemiol, 163: 877.

Entzündungsparameter (CRP) während experimentell induziertem mentalen Stress bei Beschäftigten mit unterschiedlichem Ausmaß an chronischem Arbeitsstress (berufliche Gratifikationskrise) (N=92) Veränderung CRP # (µg/ml) als Funktion beruflicher Gratifikationskrise # adjustiert für Alter, BMI, baseline 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 p <.05 keine mittel stark berufliche Gratifikationskrise Quelle: M. Hamer et al. (2006), Psychosom Med, 68: 408-413.

Ausprägung von Allostase bei beruflicher Stressbelastung von Lehrerinnern (N=104) Quelle: Bellingrath S et al. (2009) Stress 12:37-48.

Wann ist Arbeit gesund? Folgerungen aus wissenschaftlicher Evidenz Anspruchsvolles, nicht überforderndes Arbeitsaufgabenprofil (hohe Autonomie, reichhaltige Lern- und Entwicklungschancen) Angemessene Erfahrungen von Erfolg und sozialer Anerkennung sowie materielle Gratifikationen für erbrachte Leistungen Vertrauensvolles Klima der Zusammenarbeit sowie des fairen und gerechten Umgangs Sinnerfüllte und gesicherte Perspektive der Leistungserbringung aus Sicht der Arbeitenden

Praktische Folgerungen: Stressabbau in der betrieblichen Gesundheitsförderung Die einzelne Person (intrapersonell): Stressbewältigung als Stärkung individueller Problemlösungskompetenz; Entspannungsverfahren Die Gruppe (interpersonell): Kooperation und Umgang mit Konflikten; Führungsverhalten Die Organisation (strukturell): Änderungen auf der Ebene der Arbeitsorganisation einschließlich Arbeitszeit sowie der Personalentwicklung

Intrapersonelle Ebene Aufklärung über die Bedeutung von Arbeitsstress bei Krankheitsentwicklung Verbessertes Erkennen und Bewältigen von Arbeitsstress Einübung von Entspannungsfähigkeit Verhaltenstraining zur Reduktion übersteigerter beruflicher Verausgabungsneigung

Interpersonelle Ebene Verbesserung von Kooperationsbeziehungen Verbesserung des vertikalen Kommunikationsflusses Verbesserung des Führungsverhaltens bei Vorgesetzten Schaffung einer betrieblichen Anerkennungskultur

Auswirkungen eines Führungstrainings F bei Managern auf Stresshormonausscheidung und Entscheidungsspielraum bei abhängig Beschäftigten Interventionsgruppe Kontrollgruppe Baseline nach 1 Jahr Baseline nach 1 Jahr mittl. Kortisolwert (nmol/l) 387.2 345.2 * 390.4 391.3 mittlerer Entscheidungsspielraum (range 2-8) 6.0 6.1 ** 6.2 5.7 Interaktion Gruppe X Zeit: *p =.05, **p =.02 Quelle: T. Theorell et al. (2001), Psychosom Med, 63: 724-733.

Strukturelle Ebene I: Anforderungs-Kontroll-Modell Handlungsspielraum erweitern, Tätigkeiten anreichern (Job-Enrichment, Job enlargement etc.) Verbesserung von Partizipation Verbesserung von Informationsfluss Verflachung innerbetrieblicher Hierarchien Fort- und Weiterbildung (Lern- und Entwicklungschancen, Aufstiegschancen)

Strukturelle Ebene II: Verbesserungen der Gratifikationsstruktur Leistungsgerechte Gestaltung von Erwerbseinkommen (z.b. kompensatorische Lohndifferentiale; Tarifflexibilität) Ausbau von Bonussystemen und anderen Formen der Gewinnbeteiligung Gratifikationen in Form individualisierter Arbeitszeitgestaltung bzw. betriebsinterner Dienstleistungen Honorierung von Betriebstreue / qualifikationsgerechter Aufstieg Arbeitsplatzsicherheit

Entwicklung einer theoriegeleiteten Intervention zur gesundheitsfördernden Arbeitsgestaltung im Krankenhaus: das Beispiel Quebec (I) I. Phase: Bündnis zwischen Forscherteam und Initiativkreis (ärztliche / pflegerische Entscheidungsträger) Auswahl eines oder mehrerer für die Intervention geeigneter Krankenhäuser Durchführung von Informationsveranstaltungen, Medienarbeit etc. II. Phase: Standardisierte Befragung der Beschäftigten zu Arbeitsbelastungen (Baseline) Darstellung von Ergebnissen, Expertengespräche, Vorbereitung der Entscheidung inkl. Organisation und Finanzen Bildung eines Interventionsteams (IT) nach den Prinzipien betrieblicher Gesundheitszirkel*

Entwicklung einer theoriegeleiteten Intervention zur gesundheitsfördernden Arbeitsgestaltung im Krankenhaus: das Beispiel Quebec (II) Grundsätze der Bildung eines Interventionsteams: Zusammensetzung aus Mitgliedern unterschiedlicher Hierarchieebenen Repräsentation relevanter Berufsgruppen Unterstützung durch die Betriebsleitung Leitung durch externe Moderation Expertise der Mitglieder als Input zur Problemlösung Reguläre Treffen während der Arbeitszeit (ca. 14-tägig während 2-3 Monaten)

Entwicklung einer theoriegeleiteten Intervention zur gesundheitsfördernden Arbeitsgestaltung im Krankenhaus: das Beispiel Quebec (III) III. Phase: Entwicklung einer Liste von Interventionszielen durch das IT (Problemfelder und geplante Maßnahmen, geordnet nach Priorität und Realisierbarkeit)* Abstimmung der Konzeption mit der Betriebsleitung IV. Phase: Umsetzung der Maßnahmen auf einzelnen Stationen bzw. Abteilungen einschließlich notwendiger organisatorischer Veränderungen Nach Möglichkeit begleitende Struktur- und Prozessevaluation Nach Möglichkeit Einrichtung eines begleitenden Gremiums (z.t. extern) u.a. zur Klärung auftretender Konflikte, Hemmnisse etc. V. Phase: Ergebnisevaluation und Maßnahmen zur dauerhaften Implementation / Ausweitung der Intervention Stärkung der Corporate Identity / Öffentlichkeitsarbeit / Veröffentlichungen

Entwicklung einer theoriegeleiteten Intervention zur gesundheitsfördernden Arbeitsgestaltung im Krankenhaus: das Beispiel Quebec (IV) * Problembereiche der Intervention Teamarbeit und Motivation zur Zusammenarbeit Personalentwicklung Arbeitsorganisation, insbesondere Arbeitsteilung und zeitliche Organisation Fort- und Weiterbildung Verbesserung von Kommunikation und Information Ergonomische Probleme Literatur: Bourbonnais A, Brisson C, Vinet A, Vézina M, Lower A (2006) Development and implementation of a participative intervention to improve the psychosocial work environment and mental health in an acute care hospital. Occup Environ Med 63: 326-334. Bourbonnais A, Brisson C, Vinet A, Vézina M, Abdous B, Gaudet M (2006) Effectiveness of a participative intervention on psychosocial work factors to prevent mental health problems in a hospital setting. Occup Environ Med 63: 335-342.

Arbeitsstress und Burnout nach struktureller Intervention; Beobachtungszeitraum 12 Monate, 2 kanadische Krankenhäuser user,, N=302 (Intervention) vs. 311 (Kontrollen( Kontrollen) ) (ANCOVA, adj. für baseline) Mittelwerte zu t1 adj. für t0 Variable Anforderungen Kontrolle Unterstützung durch Vorgesetzte Unterstützung durch Kollegen Berufl. Grat.-krise Burnout Intervention - Kontrollen p 12.08 68.59 10.82 12.49 1.10 46.66 12.68 68.06 10.42 12.26 1.15 49.03.015.382.028.056.002.034 Quelle: R. Bourbonnais et al. (2006), Occup Environ Med, 63: 335.

Wann fördert pflegerische Arbeit die Gesundheit? - Ausblick Wissenschaftliche Erkenntnisse dokumentieren Handlungsbedarf Schwerpunkt: Umsetzungsprobleme Stärkung von Initiativen in Krankenhäusern Gesundheitsförderndes Krankenhaus ; Modellprojekte Schulungs- und Aufklärungsarbeit Arbeit und Gesundheit als prioritäres Thema der Verbandsarbeit