Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (1) Anwendungsbereich Das Finanzamt hat den im vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelten Wert zugrunde zu legen, wenn das Ergebnis nicht offensichtlich unzutreffend ist (A 19 Abs. 3 S. 2 Erlass Bewertung) Bei komplexen Strukturen von verbundenen Unternehmen kann davon ausgegangen werden, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren regelmäßig zu unzutreffenden Ergebnissen führen wird (A 19 Abs. 5 S. 1 Erlass Bewertung)
Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (2) Grundsatz 200 Abs. 1 BewG Bereinigter durchschnittlicher Jahresertrag x Kapitalisierungsfaktor = Ertragswert
Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (3) Jahresertrag Nicht betriebsnotwendiges Vermögen wird separiert und getrennt bewertet ( 200 Abs. 2 BewG) Betriebsergebnisse ( 4 Abs. 1 S. 1 EStG) + Hinzurechnungen./. Abzüge ( 202 Abs. 1 BewG)./. pauschale Steuer 30 % ( 202 Abs. 3 BewG) Jahresertrag = Ø Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre vor dem Berechnungsstichtag ( 201 Abs. 2 BewG)
Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (4) Kapitalisierungsfaktor ( 203 BewG) Kapitalisierungszinssatz = Basiszinssatz errechnet von Deutscher Bundesbank + Zuschlag 4,5 % Basiszinssatz für 2011 = 3,43% vgl. BMF-Schreiben vom 05.01.2011 (BStBl I, 2011,5) = Kapitalisierungszinssatz 7,93 % Kapitalisierungsfaktor = Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes ( 203 Abs. 3 BewG) 7,93 % = Kapitalisierungsfaktor 12,61 100 = 12,61 7,93 Folgerung: Niedriger Basiszinssatz in Zeiten schlechter Konjunktur führt zu höherer Unternehmensbewertung (Crezelius, ZEV 2009, 1, 6), da Risikozuschläge nicht vorgesehen sind
Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (5) Kritikpunkte Vergangenheitsbetrachtung (z.b. Stuttgarter Verfahren) nicht maßgeblich. Die Vergangenheitsanalyse kann die Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse nicht ersetzen. Notwendig ist vielmehr eine auf der Analyse zukunftsbezogener Markt- und Umweltentwicklungen aufbauende Analyse der erwarteten leistungs- und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen des Unternehmens. Die Ergebnisse der Vergangenheitsanalyse können somit lediglich die Grundlage für die Schätzung der künftigen finanziellen Überschüsse bilden. Auch wenn bereits Planungen (und Prognosen) für das zu bewertende Unternehmen vorliegen, kann auf die Ergebnisse der Vergangenheitsanalyse nicht verzichtet werden, da die Planungen (und Prognosen) hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit und Plausibilität hinterfragt werden müssen. (WP Handbuch 2008, Band II, S.52)
Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (5) Kritikpunkte Einheitlicher Kapitalisierungszinssatz Festschreibung widerspricht sowohl praktischen als auch betriebswirtschaftlichen Betrachtungen, die branchenspezifische Besonderheiten mit einbeziehen, so sind Sätze zwischen 8 15 % üblich. Auf start-up Unternehmen der bio-science kann nicht gleicher Zinssatz angewendet werden wie auf eingesessenen Maschinenbauer (IDW, S. 1, Die Wirtschaftsprüfung 2005, 1303, 1312, Rn. 96 f; Großfeld, Unternehmensund Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, S. 117). Die Festschreibung entspricht dem von BVerfG als verfassungswidrig angesehenen einheitlichen Vervielfältiger von 12,5 bei der bisherigen Immobilienbewertung (BVerfGE 117, 1, 49)
Besteuerung. Vereinfachtes Ertragswertverfahren. (6) Öffnungsklausel Keine ausdrückliche Öffnungsklausel, aber nach Gesetzesformulierung 199 Abs. 2 BewG ( kann, wenn ); 11 Abs. 2 BewG ( andere anerkannte Methode ) und h. M. Nachweis des niedrigen Verkehrswert möglich (Crezelius, ZEV 2009, 1, 6; Seer, GmbHR 2009, 225, 229; Landsittel, ZErb 2009, 11, 13) A 3 Abs. 2 Satz 2 Erlass Bewertung: Der Steuerpflichtige kann den gemeinen Wert durch Vorlage eines methodisch nicht zu beanstandenden Gutachtens erklären, das auf den für die Verwendung in einem solchen Verfahren üblichen Daten der Kapitalgesellschaft aufbaut. Hinweis: 2. Halbsatz war im Entwurf-E vom 17.03.2009 nicht vorgesehen; Zwang Finanzplandaten vorzuhalten? Wohl ja; vgl. IDW S 1 i.d.f. 2008, 4.4.1.1.; 5.4; 7.2.2.2.
Besteuerung. Mindeswert. Substanzwert. Mindestwert: Substanzwert: Summe der Verkehrswerte der Einzelwirtschaftsgüter./. Schulden ( 11 Abs. 2 S. 3 BewGE) IDW S 1 i.d.f. 2008, IDW Nr. 7/2008, S. 271 Rn. 6: Dagegen kommt dem Substanzwert bei der Ermittlung des Unternehmenswertes keine eigenständige Bedeutung zu.
Besteuerung. Rechtsformneutralität. Erklärtes Ziel des Gesetzgebungsverfahrens BT-DS 16/7918, S.39; Hübner, ErbStR 2009, 350) Probleme Angemessener Unternehmerlohn 202 Abs. 2 lit. d BewG Zinsen für Gesellschafterdarlehen mindern bei Kapitalgesellschaften das steuerliche Betriebsergebnis, bei Personengesellschaften als Vergütungsbestandteile des Gesellschafters nicht ( 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG; Creutzmann, DB 2008, 2784, 2790)
Besteuerung. Verfahrenswert/Haftungsrisiken. Finanzamt erlässt Bescheid mit gesonderter Freistellung, ( 151 Abs. 1 Nr. 2, 157 Abs. 4 und 5 BewG) also einen Feststellungsbescheid nach 179 AO, der für Steuerbescheid bindend ist ( 182 AO) Bestandskraft des Feststellungsbescheids muss verhindert werden ( 355 ff. AO), wenn Bewertung unzutreffend ist; ansonsten Präklusion
Besteuerung. Konsequenz für die Beratungspraxis. Ausgangspunkt Ertragswert nach dem vereinfachten Verfahren Überprüfung dieses Wertes durch den Unternehmer und seine Berater; Vorsicht Feststellungsbescheid! Erstellung von Bewertungsgutachten unter Beachtung von 319 Abs. 3 Nr. 3d, 2. Alt. HGB; dafür sollten schon im Vorfeld Finanzplanungen vorhanden sein
Besteuerung. Bewertungen und Escape-Klauseln. Börsenkurse -> kein Escape Verkäufe unter fremden Dritten, die weniger als 1 Jahr zurückliegen -> bedingter Escape, wenn sich der gemeine Wert hieraus nicht ableiten lässt Vereinfachtes Ertragswertverfahren -> Escape möglich vgl. A 3 Abs. 2 Erlass Bewertung, jedoch besteht in der Finanzverwaltung offenbar Zurückhaltung (A 19 Abs. 3 Satz 2 Erlass Bewertung); es sei denn, es handelt sich um komplexe Situationen von verbundenen Unternehmen (A 19 Abs. 5 Erlass Bewertung) vgl. hierzu auch Viskorf, ZEV 2009, 591, 595
Besteuerung. Bewertung medizinischer Praxen. (1) Öffnungsklausel 11 Abs. 2 S. 2 BewG i.v.m. 109 Abs. 1 BewG Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen der Bundesärztekammer und der kassenärztlichen Bundesvereinigung Stand 09.09.2008, Deutsches Ärzteblatt, Heft 51/52 vom 22.12.2008, S. A 4 Problem: Kalkulatorisches Gehalt mit 76.000 festgeschrieben Problem: Prognosenmultiplikator 2,0 des nachhaltig erzielbaren Gewinns bei Einzelpraxen und 2,5 bei Praxisgemeinschaften aus der Luft gegriffen so Knief, DB 2009, 866, 867
Besteuerung. Bewertung medizinischer Praxen. (1) Öffnungsklausel 11 Abs. 2 S. 2 BewG i.v.m. 109 Abs. 1 BewG BGH zur Bewertung einer Tierarztpraxis zum Zwecke der Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs, NJW 2008, 1221: Kein pauschaler, sondern der nach den individuellen Verhältnissen konkret gerechtfertigte Unternehmerlohn muss in Abzug gebracht werden.
Besteuerung. Bewertung medizinischer Praxen. (2) Vereinfachtes Ertragswertverfahren ( 199 ff BewG) Finanzverwaltung wird vereinfachtes Ertragswertverfahren mit einem Arztlohn anwenden ( 202 Abs. 1 Nr. 1 lit. d. BewG), der sich an den 76.000 orientiert; hiergegen kann BGH, NJW 2008, 1221 geltend gemacht und ein individuelles Bewertungsgutachten vorgelegt werden.
Besteuerung. Bewertung medizinischer Praxen. (3) Vergleichsrechnungen nach Knief, DB 2008, 866, 867 Bei einer mittleren Hausarztpraxis (NRW) mit einem Umsatz von rund 440.000 lagen zum 01.01.2009 die Werte wie folgt: Gesamtwert Substanz Goodwill Individuelles 220.000 48.000 152.000 Bewertungsgutachten Vereinfachtes 767.000 48.000 719.000 Ertragswertverfahren Nach den Hinweisen der BÄK 309.000 48.000 261.000
Besteuerung. Bewertung medizinischer Praxen. (3) Vergleichsrechnungen nach Knief, DB 2008, 866, 867 Bei einer sehr großen Radiologenpraxis (Bayern, 4 Partner) mit einem Umsatz von 5.200.000 lagen die Werte zum 01.01.2009 bei einem Ansatz der kalk. Gehälter von 785.000 wie folgt: Gesamtwert Substanz Goodwill Individuelles 2.342.000 1.845.000 497.000 Bewertungsgutachten* Vereinfachtes 8.164.000 1.985.000 6.179.000 Ertragswertverfahren Nach den Hinweisen der BÄK 7.590.000 1.845.000 5.745.000 * Dieser Fall wurde mit einer großen, auf medizinische Praxen spezialisierten StB-Praxis gemeinsam bearbeitet.
Besteuerung. Bewertung medizinischer Praxen. (4) Ergebnis Individuelle Bewertungsgutachten sind notwendig, um zu hohe Bewertungen zu vermeiden (hierzu Schmidt-Domin, Bewertung von Arztpraxen und Kaufpreisfindung, 3. Auflage 2009; www.peter-knief.de)