Neue Entwicklungen im Franchiserecht



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Transkript:

Leipzig, 29. März 2012 Neue Entwicklungen im Franchiserecht Prof. Dr. Karsten Metzlaff

Gliederung Vorvertragliche Aufklärungspflicht - OLG Frankfurt, 12.05.2011-22 U 181/08 - OLG Hamm, 22.12.2011 I-19 U 35/10 Vertragsimmanenter Konkurrenzschutz - OLG Düsseldorf, 10.02.2012 I-16 W 62/11 Ausgleichsanspruch nach 89 b HGB analog - LG Mönchengladbach, 29.06.2010-3 O 324/09 Großbäckereikette - BGH, 29.04.2010 I ZR 3/09 JOOP! Weiterleitung von Einkaufsvorteilen - OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Diskriminierungsverbot des FG nach 20 GWB - BGH, 24.10.2011 KZR 7/10 Totalverbot des Onlinevertriebs - EuGH, 13.10.2011 C-439/09 Pierre Fabre 2

Vorvertragliche Aufklärung 3

Vorvertragliche Aufklärungspflichten Fallgruppen Falsche oder irreführende Behauptungen Echte Aufklärungspflicht (statt Schweigen) 4

Vorvertragliche Aufklärungspflichten Keine falschen oder irreführenden Behauptungen: Der Franchisegeber darf nicht vorsätzlich oder fahrlässig falsche Informationen erteilen. Denn niemand darf durch falsche oder irreführende Behauptungen (Täuschungen) zu einem Vertragsabschluss bestimmt werden. Auf Befragen gemachte Angaben müssen richtig sein! (BGH, 26.9.1997 V ZR 29/96; OLG Frankfurt, 12.05.2011 22 U 181/08) 5

Vorvertragliche Aufklärungspflichten Echte Aufklärungspflichten (ungefragte Offenlegung) Regel: Zunächst einmal ist es Sache jeder Partei, sich über die allgemeinen Marktverhältnisse und die daraus resultierenden Risiken zu informieren. Ausnahme: Alle Informationen, die (1) allein dem Franchisegeber bekannt sind und (2) von denen er weiß oder doch wissen musste, dass die Entscheidung des Franchisenehmers durch deren Kenntnis beeinflusst wird. 6

Vorvertragliche Aufklärungspflichten Rechtsfolgen (bei Verletzung der Aufklärungspflicht): Schadensersatzanspruch des Franchisenehmers Rückgängigmachung des Vertrages Achtung: Beweislast richtiger Aufklärung beim Franchisegeber 7

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Frankfurt, 12.05.2011 22 U 181/08 Sachverhalt: Die Klägerin (FN) schloss 1998 ein Franchisevertrag, um als FN ein einem Küchen-Franchise-System tätig zu werden. Mangels wirtschaftlichen Erfolgs musste sie im März 2001 wegen Insolvenz wieder schließen. Die FN fand dann heraus, dass unmittelbar vor der Vertragsunterzeichnung im Oktober 1998 in zehn Fällen auch andere Franchise-Nehmer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt hätten. Darunter waren zwei Fälle, in den Insolvenzverfahren eröffnet waren. Die FN behauptete, sie habe nach Pleiten gefragt. Die FG hätte daher offenbaren müssen, dass in zehn Fällen andere Franchise-Nehmer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. Das habe sie nicht getan. 8

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Frankfurt, 12.05.2011 22 U 181/08 Entscheidung: Das LG verstand den Begriff "Pleite" nicht als wirtschaftliche Schwierigkeit jeglicher Art, sondern als "Insolvenz" Im Falle eines Befragen hätte die FG offenbaren müssen, dass in zwei Fällen Insolvenzverfahren eröffnet wurden. Die FN konnte jedoch nicht darlegen und beweisen, dass sie nach "Pleiten" anderer Franchise-Nehmer gefragt und unzutreffende Antworten erhalten hat OLG prüfte nicht, ob der FG ungefragt über die Pleiten hätte Auskunft geben müssen 9

Vorvertragliche Aufklärungspflichten Rentabilitätsberechnung 10

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Hamm, 22.12.2011 I-19 U 35/10 Sachverhalt: FG und die FN schlossen 2000/2001 einen Franchisevertrag. FG verlangt Franchisegebühren ab Juli 2004 in Höhe von 162.385,71. FN behauptete demgegenüber eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. FG habe keine vernünftige Rentabilitätsvorschau vorgelegt. Die vorgelegte Vorschau beinhalte ersichtlich erfundene Zahlen. 11

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Hamm, 19. Zivilsenat, 22.12.2011 I-19 U 35/10: Muss der FG ungefragt über die Rentabilität aufklären? Die FG hat Aufklärungspflichten verletzt. Sie war verpflichtet, die FN vor Abschluss der Verträge über die Rentabilität ihres Franchise- Systems aufzuklären, da die Rentabilität des Systems für den Franchisenehmer im Vorfeld des Vertragsschlusses von besonderer Bedeutung ist. 12

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Hamm, 19. Zivilsenat, 22.12.2011 I-19 U 35/10: Rentabilitätsberechnung muss konkret sein Die Pflicht zur Aufklärung über die Rentabilität erfordert zutreffende Angaben über die erzielbaren Umsätze. Das zur Aufklärung über die erzielbaren Umsätze verwendete Datenmaterial muss auf einer sorgfältigen Untersuchung des Marktes beruhen, auf den konkreten Standort ausgerichtet sein. Der Rentabilitätsvorschau muss ein konkretes Bezugssystem zugrunde liegen, so dass die Modellrechnung auf nachvollziehbaren und einem Vergleich mit dem konkret vorgesehenen Standort zugänglichen Faktoren anderer Standorte basiert Der Rentabilitätsvorschau darf nicht lediglich den Charakter einer Schätzung aufweisen. Handelt es sich lediglich um eine Schätzung, muss darauf eindeutig hingewiesen werden. 13

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Brandenburg, U. v. 28.09.2005, NJW-RR 2006, 51: Keine Pflicht zur Rentabilitätsberechnung Die aus dem Gebot von Treu und Glauben ( 242 BGB) abzuleitenden allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflichten des Franchisegebers würden überspannt, wenn man annehmen wollte, er müsse dem Franchisenehmer nicht nur das Datenmaterial für eine eigene Wirtschaftlichkeitsprognose überlassen, sondern darüber hinaus von sich aus und auf eigene Kosten eine ins Einzelne gehende Rentabilitätsunter-suchung durchführen und dem Franchisenehmer sodann für deren Richtigkeit einstehen. Nach der vertragstypischen Interessenlage im Franchisevertrag ist es vielmehr ausschließliche Sache des Franchisenehmers, aus dem Datenmaterial des Franchisegebers Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten des geplanten Franchisegeschäfts zu ziehen und zu diesem Zweck eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen oder von dritter Seite einzuholen. 14

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Schleswig, 22.01.2008 1 W 27/07, NJW-RR 2009, 64: Keine Pflicht zur Rentabilitätsberechnung Der Franchisegeber hat als Vertragspartei nicht die Aufgaben eines Existenzgründungsberaters. Ihm obliegt es insbesondere nicht, den Franchisenehmer über die allgemeinen Risiken einer beruflichen Selbständigkeit - auch nicht über die "Durststrecke" in der Aufbauphase - aufzuklären oder für ihn umfassende Kalkulationen zu erstellen, die ein mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen vertrauter Franchisenehmer selbst erstellen kann. (so auch wortgleich: OLG Sachsen-Anhalt, 24.10.2008 1 W 11/08) 15

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Düsseldorf, 28.02.2007 VI-U (Kart) 27/06 W.I.R Personaldienstleistungen Keine Pflicht zur Rentabilitätsberechnung Die Aufklärungspflicht eines Franchisegeber gebietet nicht, überhaupt eine Rentabilitätsberechnung aufzustellen. 16

Vorvertragliche Aufklärungspflichten Lediglich Lieferung von Mindestdaten Die Auskunfts- und Beratungspflicht des FG ist in aller Regel darauf beschränkt, den FN über das angebotene Franchisekonzept zu informieren und ihm Datenmaterial zur Verfügung zu stellen, mit dessen Hilfe er einen Überblick über seinen Kapital- und Arbeitseinsatz sowie Kalkulationsgrundlagen für die Rentabilität eines beabsichtigten Franchisebetriebes gewinnen kann (OLG Düsseldorf, 30.06.2004, U (Kart) 40/02 Pizza Hut) Der FN muss in die Lage versetzt werden, anhand entscheidungserheblicher Zahlen und Informationen konkret die Rentabilität seines Franchise-Betriebs, die Anfangsverluste und die möglichen Gewinnchancen, berechnen zu können (OLG München, U. v. 13.11.1987, BB 1988, 865) 17

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Düsseldorf, 28.02.2007 VI-U (Kart) 27/06 W.I.R Personaldienstleistungen Richtigkeit einer vorgelegten Ertragsvorschau Soweit der FG eine Rentabilitätsberechnung aber erstellt und übergibt, muss sie inhaltlich richtig sein. Zur inhaltlichen Richtigkeit gehört dabei auch die Aktualität der zugrunde gelegten Zahlen beziehungsweise Aufklärung darüber, dass und inwieweit die Zahlen veraltet sind. Denn nur so ist es dem zukünftigen Franchisenehmer möglich, sich ein umfassendes und zutreffendes Bild von der wirtschaftlichen Zukunft des von ihm angestrebten Unternehmens zu machen und eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss des Vertrages zu treffen 18

Vertragsimmanenter Konkurrenzschutz 19

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Düsseldorf, 10.02.2012 I-16 W 62/11 Sachverhalt: Die FN schloss am 26. September 2005 einen Franchise-Vertrag. Sie betreibt im Hamburger Hauptbahnhof ein Schnellrestaurant unter der Marken "K " mit insgesamt fünfzehn Steh- und Sitzplätzen zum Verkauf von Hähnchenprodukten insbesondere über einen Mitnahmeschalter. Die FG plante innerhalb des Hamburger Hauptbahnhofs in einer Entfernung von ca. einhundertfünfzig Metern zum Ladenlokal der FN ein weiteres, erheblich größeres K -Restaurant mit mehr als einhundert Sitzplätzen auf zwei Ebenen zu eröffnen. Die FN hat beim Landgericht beantragt, es der FG im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, im Hamburger Hauptbahnhof ein weiteres K - Restaurant, neben dem von ihr betriebenen Restaurant, selbst oder durch Dritte, insbesondere durch andere Franchisenehmer, zu betreiben oder betreiben zu lassen. 20

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Düsseldorf, 10.02.2012 I-16 W 62/11 Entscheidung : Ausdrücklicher Gebietschutz? 1.4 Satz 1: Dem Franchisenehmer wird weder ausdrücklich noch implizit ein ausschließliches Recht für ein Gebiet, ein Schutz oder sonstige Rechte hinsichtlich des benachbarten Gebiets, Umfelds oder des Marktes der VERKAUFSSTELLE gewährt. 1.4. Satz 2: Der Franchisegeber behält sich das Recht vor, die MARKEN, das SYSTEM und das SYSTEMEIGENTUM oder sonstige Marken, Namen oder Systeme im Zusammenhang mit Produkten oder Leistungen ( ) in jeder Weise oder an jedem anderen Ort als der VERKAUFSSTELLE zu nutzen und anderen Parteien das Recht solcher Nutzung zu gewähren. 21

Vorvertragliche Aufklärungspflichten OLG Düsseldorf, 10.02.2012 I-16 W 62/11 Entscheidung : Vertragsimmanenter Gebietschutz? Könne offen bleiben, ob eine Konkurrenzschutzpflicht des Franchisegebers über vertragliche Regelungen hinaus überhaupt dem Grunde nach besteht (bejahend: OLG Celle, 28.8.2008 13 U 178/08) Denn Voraussetzung für eine derartige immanente Konkurrenzschutz- pflicht ist, dass durch die konkurrierende Tätigkeit des Franchisegebers die wirtschaftliche Existenz des Franchisenehmers nachhaltig gefährdet ist FN konnte die von ihr behauptete Existenzgefährdung ihres Betriebes im Falle der Eröffnung des weiteren K -Restaurants im Hamburger Hauptbahnhof nicht hinreichend glaubhaft machen 22

Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers 23

Ausgleichsanspruch Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers BGH, 23.07.1997 1997 (Az: VIII ZR 130/96) Benetton-Fälle LG Frankfurt/M., 10.12.1999 (Az.: 3/8 O 28/1999) Bäckerei OLG Dresden, 27.09.2001 (Az.: 19 U 881/01) Fahrzeuge zu Werbezwecken LG Hanau, 28.5.2002 (Az.: 6 O 106/2001) Kfz-Aufbereitung LG Berlin, 06.09.2004 (Az.: 101 O 23/04) Schnellrestaurant LG Kaiserslautern, 26.05.2004 (Az.: 4 O 607/00) Nachhilfeschule OLG Celle, 19.04.2007 (Az.: 11 U 279/06) Regionale Website LG Mönchengladbach, 29.06.2010 (Az.: 3 O 324/09) Großbäckereikette OGH Wien, 30.08.2006 (Az.: 7 Ob 122/06a) Schweizer Bundesgericht, 22.05.2008 (Az.: 4 A 61/2008) zu Vertragshändlern 24

Ausgleichsanspruch Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers Zwei Voraussetzungen für die analoge Anwendung des 89 b HGB auf das Franchiseverhältnis: Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers (wie ein Handelsvertreter) Pflicht zur Überlassung des Kundenstammes bei Vertragsende 25

Ausgleichsanspruch Eingliederung in Vertriebsorganisation 26

Ausgleichsanspruch BGH, 29.04.2010 I ZR 3/09 JOOP! Sachverhalt: Die Lizenzgeberin war 1987 von dem Modeschöpfer Wolfgang Joop gegründet worden Die Lizenzgeberin stellt selbst keine Waren her, sondern räumt ausgewählten Unternehmen der Bekleidungsindustrie Lizenzen an ihrer Marke "JOOP!" ein. Sie erteilte der Lizenznehmerin gegen Zahlung einer umsatzorientierten Vergütung eine Markenlizenz für die Herstellung von Socken, Strümpfen und Strumpfhosen.. Die Lizenznehmerin erhob nach Vertragsbeendigung einen Ausgleichanspruch 27

Ausgleichsanspruch BGH, 29.04.2010 I ZR 3/09 JOOP! Entscheidung Der BGH entschied, dass einem Markenlizenznehmer nach Beendigung des Lizenzvertrages kein Ausgleichsanspruch nach 89b HGB zusteht, wenn der Markeninhaber und Lizenzgeber auf dem Gebiet der vom Lizenznehmer vertriebenen Waren selbst nicht tätig ist. Aus dem Vergleich mit Franchisingverhältnissen ergibt sich nichts anderes. Auch insoweit ist eine vergleichbare Interessenlage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Fallgestaltungen angenommen worden, in denen dem Franchisenehmer der Vertrieb von Produkten des Franchisegebers zugewiesen war und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die während der Vertragslaufzeit vom Franchisenehmer neu geworbenen Kunden dem Franchisegeber allein zustehen sollten 28

Ausgleichsanspruch BGH, 29.04.2010 I ZR 3/09 JOOP! Bedeutung für das Franchising Produktionsfranchising: Kein Ausgleichsanspruch nach 89b HGB, da keine Waren des Lizenzgebers vertrieben werden Waren-Vertriebsfranchising: bei dem der FN die Waren unter der Marke des FG selbst herstellt (bezugsoffenes Franchising): Kein Ausgleichsanspruch (str.) Vertrieb von Waren, die der FG hergestellt hat oder von vom F benannten Systemlieferanten: Ausgleichsanspruch Dienstleistungsfranchising: dito? 29

Ausgleichsanspruch Kundenüberlassung 30

Ausgleichsanspruch LG Frankfurt/M., 10.12.1999 - Az.: 3/8 O 28/1999 Bäckerei Faktische Kontinuität des Kundenstammes Weil die von der Franchisenehmerin betriebene Verkaufsstelle nach Vertragsende sofort anderweitig besetzt wurde, konnte der Franchisegeber mit dem bisherigen von der Franchisenehmerin geworbenen Kundenstamm sofort weiterhin Geschäfte machen sei es auch nur mittelbar über einen neuen Franchisenehmer. Die faktische Kontinuität des Kundenstammes reicht für die analoge Anwendung des 89 b HGB. Geworben habe die Franchisenehmerin neue Kunden schon dadurch, dass sie ihre Verkaufsstelle betrieb und offen hielt; insoweit reicht für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehungen Mitursächlichkeit aus. 31

Ausgleichsanspruch LG Berlin, 06.09.2004 - Az.: 101 O 23/04 Schnellrestaurant Kundenüberlassungspflicht Bei einem echten Handelsvertreter falle der geworbene Kundenstamm nach Beendigung des Vertreterverhältnisses ohne weiteres an den Geschäftsherrn. Das sei der tragende Grund für die Existenz der Vorschrift des 89 b HGB. Die Anwendung von 89 b HGB auf andere Absatzmittlungsverhältnisse setze aber eine gleichartige Interessenlage voraus. Gleichartigkeit liege aber nur dann vor, wenn der Absatzmittler nach Vertragsbeendigung rechtlich dazu verpflichtet sei, den Kundenstamm dem Hersteller/Lieferanten zu überlassen. 32

Ausgleichsanspruch LG Mönchengladbach, 29.06.2010 - Az.: 3 O 324/09 Großbäckereikette Sachverhalt: Franchise zum Betrieb eines Backshops (Berlin Spandau) FG betrieb Großbäckerei Franchisevertrag sah typische Regelungen vor (z.b. Bezugsbindung) Aber: Keine vertragliche Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms nach Beendigung des Vertrages 33

Ausgleichsanspruch LG Mönchengladbach (2010) Kundenüberlassungspflicht? Nein, denn eine entsprechende Anwendung des 89b HGB sei nur gerechtfertigt, wenn eine dem Handelsvertreterverhältnis vergleichbare Interessenlage bestehe. Dies sei mangels vertraglicher Regelung zur Übertragung des Kundenstamms nicht der Fall. Es liege in der Natur des Handelsvertreterverhältnisses, dass der Handelsvertreter im Namen des Unternehmens auftrete und diesem den Kundenstamm verschaffe. Der Franchisenehmer hingegen sei rechtlich selbstständig und werde im eigenen Namen tätig. Der Kundenstamm, den er sich aufbaue, sei folglich nur ihm zuzurechnen. Allein die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms rechtfertige daher den Ausgleichsanspruch, da der Franchisenehmer anderenfalls den Kundenstamm als seinen eigenen auch nach Vertragsbeendigung weiter nutzen könne (mit Verweis auf BGH NJW 1996, 2159). 34

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen 35

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Sachverhalt: FG betreibt IT-Vertriebssystem über Franchisenehmer und Stützpunkthändler FN verlangen Auskunft über Verwendung der geleisteten Werbegebühren FN verlangen Weiterleitung der von den Lieferanten gezahlten Einkaufsvorteile und WKZ. Klage auf Auskunft- und Rechnungslegung 36

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung hinsichtlich der Verwendung der von den FN gezahlten Werbegebühren? Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus 666, 667 BGB Werbegebühren = treuhänderisch gebundenes Vermögen, das zugunsten der Franchisenehmer für Werbemaßnahmen zur Verfügung steht vertragliche Nebenpflicht der Franchisegeberin, die Werbemittel sorgfältig und nicht verschwenderisch zu verwenden 37

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Auskunfts-/Rechnungslegungsanspruch hinsichtlich von dritter Seite vereinnahmten WKZ? Klausel im Franchisevertrag: 4 (3) Werbekostenzuschüsse. P. leitet die. von Herstellern für Werbezwecke erhaltenen Kostenzuschüsse voll an die Systempartner weiter. 38

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Auskunfts-/Rechnungslegungsanspruch hinsichtlich von dritter Seite vereinnahmten WKZ? Auskunftsanspruch der Kläger aus 242 BGB hinsichtlich der von dritter Seite vereinnahmten Werbekostenzuschüsse Kein Anspruch auf Rechnungslegung über die Verwendung der vereinnahmten Werbekostenzuschüsse 39

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Anspruch auf Weiterleitung der Einkaufsvorteile aus Geschäftsbesorgung, 675, 667, 666 BGB? Verpflichtung des FG zum Aushandeln von Großeinkaufspreisen ist erst durch Abschluss des Franchisevertrages begründet worden Folglich agiert die FG beim Aushandeln nicht in einer fremden Angelegenheit der Franchisenehmer, sondern sie kommt ihrer durch den Franchisevertrag begründeten Vertragspflicht nach 40

Weiterleitung von Einkaufsvorteilen OLG Düsseldorf, 6.4.2011 - VI-U (Kart) 24/10 Anspruch auf Weiterleitung der Einkaufsvorteile? Geschäftsführung ohne Auftrag, 677, 683, 670 BGB angemaßte Eigengeschäftsführung, 687 II, 681, 666, 667 BGB Bereicherung, 812 I BGB Kartellrecht, 20 GWB 41

Diskriminierungsverbot des FG 42

Diskriminierungsverbot BGH, 24.10.2011 KZR 7/10 Grossistenkündigung Sachverhalt: Im Jahre 2008 kündigte die Bauer Media Group die Vereinbarung mit einem Pressegrossisten zum 28. Februar 2009 Zum 1. März 2009 beauftragte die Bauer Media Group die PVN (Tochtergesellschaft) mit dem Vertrieb der Zeitungen und Zeitschriften der Bauer Media Group im ehemaligen Gebiet des Pressegrossisten Der Pressegrossist verlangt von der Bauer Media Group weiterhin mit Presseerzeugnissen des Bauer-Konzerns beliefert zu werden. Er stützt seinen Anspruch auch auf 20 GWB. 43

Diskriminierungsverbot BGH, 24.10.2011 KZR 7/10 Grossistenkündigung Entscheidung: Bauer Media Group = Normadressat, weil preisbindendes Unternehmen im Sinne von 30 I GWB. Zugang zum Großhandel mit Presseerzeugnissen durch gleichartige Unternehmen, nämlich durch die anderen deutschen Pressegrossisten in ihrem jeweiligen Gebiet Ungleichbehandlung ggü anderen Grossisten? 44

Diskriminierungsverbot BGH, 24.10.2011 KZR 7/10 Grossistenkündigung Entscheidung: Das Diskriminierungsverbot richtet sich nicht gegen jede Ungleichbehandlung, sondern gegen die sich hieraus ergebende Beeinträchtigung der wettbewerblichen Chancengleichheit gleichartiger Unternehmen Der Normzweck ist auf den Schutz der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen vor Beeinträchtigungen durch den Normadressaten gerichtet. Eine als Ungleichbehandlung beanstandete Bevorzugung muss sich daher nachteilig auf die Wettbewerbsposition des anspruchstellenden Unternehmens auswirken Das war im Streitfall nicht der Fall. Aufgrund der Gebietsmonopole im Grosso- System stehen die anderen Pressegrossisten mit der Klägerin nicht im Wettbewerb 45

Diskriminierungsverbot BGH, 24.10.2011 KZR 7/10 Grossistenkündigung Entscheidung: Das Diskriminierungsverbot richtet sich nicht gegen jede Ungleichbehandlung, sondern gegen die sich hieraus ergebende Beeinträchtigung der wettbewerblichen Chancengleichheit gleichartiger Unternehmen Der Normzweck ist auf den Schutz der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen vor Beeinträchtigungen durch den Normadressaten gerichtet. Eine als Ungleichbehandlung beanstandete Bevorzugung muss sich daher nachteilig auf die Wettbewerbsposition des anspruchstellenden Unternehmens auswirken Das war im Streitfall nicht der Fall. Aufgrund der Gebietsmonopole im Grosso- System stehen die anderen Pressegrossisten mit der Klägerin nicht im Wettbewerb 46

Diskriminierungsverbot BGH, 24.10.2011 KZR 7/10 Grossistenkündigung Bedeutung für das Franchising: Das Tatbestandsmerkmal der Ungleichbehandlung könnte an Bedeutung gewinnen Dies gilt zumindest für Fälle, in denen ein Anspruch aus 20, 33 GWB an eine Ungleichbehandlung von nicht insbesondere nicht räumlich miteinander in Wettbewerb stehenden Vertriebsmittlern desselben Vertriebssystems anknüpft Diese Fälle sind gerade bei bundesweit operierenden Franchisesystemen nicht selten (Beispiel: unterschiedlich hoher Franchisegebühren in Berlin und Hamburg, LG Hamburg, 21.10.2011 408 HKO 87/10 ) 47

Internetvertrieb des Franchisenehmers 48

Grundsatz Prinzip des freien Internetvertriebs! Jeder Abnehmer muss die Freiheit haben, im Internet für Produkte zu werben und auf diesem Wege Produkte zu verkaufen. Der Anbieter kann sich grds. nicht das Recht vorbehalten, dass er allein über das Internet verkauft. 49

Totalverbot des Onlinevertriebs Sachverhalt: EuGH, C-439/09 Pierre Fabre Fabre vertreibt Kosmetikprodukte über Apotheken in Frankreich. Der Vertrag sieht vor, dass die Produkte in dem stationären Lokal unter Anwesenheit eines Apothekers (diplomierten Pharmazeuten) verkauft werden müssen. Die Französische Kartellbehörde sah darin einen faktischen Ausschluss des Internetvertriebs der Produkte. Der angerufene Court of Appeal rief den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an. 50

Totalverbot des Onlinevertriebs EuGH, 13.10.2011 C-439/09 Pierre Fabre EuGH beantwortete drei Fragen: Ist das Totalverbot eine Wettbewerbsbeschränkung? Freistellung unter der Vertriebs-GVO? Einzelfreistellung? 51

Totalverbot des Onlinevertriebs EuGH, 13.10.2011 C-439/09 Pierre Fabre Erste Frage: Wettbewerbsbeschränkung? Totalverbot ist grds. eine Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit und damit eine Wettbewerbsbeschränkung Ausnahmsweise: sachliche Rechtfertigung durch selektiven Vertrieb? Objektive und qualitative Auswahlkriterien? lagen vor Diskriminierungsfreie Anwendung? war gegeben Legitimes Bedürfnis: Rechtfertigen die charakteristischen Eigenschaften des Produkts grds. einen selektiven Vertrieb? Wohl ja Verhältnismäßigkeit des konkreten Internetverbotes? Nein! + bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel sei weder eine individuelle Beratung noch ein Schutz vor falscher Anwendung notwendig + auch das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, sei kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs (Rz. 46) 52

Totalverbot des Onlinevertriebs EuGH, 13.10.2011 C-439/09 Pierre Fabre Zweite Frage: Gruppenfreistellung? Art. 4 c VGVO verbietet es, Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems ein Verbot des passiven Vertriebs an Endverbraucher aufzuerlegen Aber: Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems kann dennoch verboten werden, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben EuGH: Der Internetvertrieb könne nicht als Geschäft von einer nicht zugelassenen Niederlassung aus angesehen werden. Art. 4 c VGVO ziele nur auf Verkaufsstellen ab, in denen Direktverkäufe vorgenommen werden. Für eine weite Auslegung bestehe kein Anlass (Rz. 56f) 53

Totalverbot des Onlinevertriebs EuGH, 13.10.2011 C-439/09 Pierre Fabre Dritte Frage: Einzelfreistellung? EuGH: da keine ausreichende Informationen vorliegen, könne dem vorlegenden Gericht auch keine Hinweise gegeben werden 54

Totalverbot des Onlinevertriebs Totalverbot des Internetvertriebs beim Franchising? 55

Onlinevertrieb des Anbieters Totalverbot beim Franchising Prüfungsaufbau: Unerlässlichkeit zum zum Schutz des übermittelten Know-hows oder zum Schutze der Identität und des Ansehens des Franchisesystems (Pronuptia-Rechtsprechung) Folge: keine Wettbewerbsbeschränkung Ggfs. Gruppenfreistellung: Regime für Alleinvertrieb oder für selektive Vertriebssysteme? 56

Rentenversicherungspflicht des Franchisenehmers 57

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Rentenversicherungspflicht der Selbstständigen nach 2 Nr. 9 SGB VI Rentenversicherungspflichtig sind Personen, die: im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind 58

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Auftraggeber? Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV): Franchisegeber ist Aufraggeber. Die DRV geht davon aus, dass ein Auftraggeber eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesamtheit ist, die im Wege eines Auftrages oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut. Die DRV versteht dabei die Lizenzierung einer Franchise ( Überlassung eines Organisationskonzeptes zur Vermarktung von Produkten ) als Auftragsverhältnis. Nach Auffassung der DRV ermögliche nur der Franchisevertrag dem Franchisenehmer, Produkte des Franchisegebers unter dessen Marke anzubieten. Es handele sich daher um ein Auftragsverhältnis im Sinne von 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. 59

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.04.2008 L 8 R 585/05 Kamps Franchisenehmer vertreibt in einem Kamps-Backshop Backwaren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Kamps stellt den Backshop schlüsselfertig zur Verfügung, Mieter ist Kamps. Backshop hat Größe von 30 m². Verpflichtung, alle Backwaren von Kamps zu beziehen Unverbindlich empfohlene Verkaufspreise Verpflichtung, einen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter zu beschäftigen. 60

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.04.2008 L 8 R 585/05 Kamps Arbeitnehmerähnliche Selbstständige seien von einem Auftraggeber abhängig; Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber bestimme sich nicht nur nach den rechtlichen (vertraglichen) Bestimmungen; Tätigkeit der FN rücke nach ihrem Erscheinungsbild in die Nähe einer abhängigen Verkaufstätigkeit; Zwar sei Kamps nicht als Auftraggeber im üblichen Sprachgebrauch anzusehen. In einem erweiternden Sinne (!) lasse sich das aber insofern bejahen, als die FN vertraglich beauftragt wurde, die Ware von Kamps, der bezüglich der Backwaren alleiniger Auftraggeber war, zu verkaufen. 61

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige BSG, Urt. v. 04.11.2009 - B 12 R 3/08, NJW 2010, 2539 Rentenversicherungspflicht eines Franchisenehmers (Kamps) Das BSG bestätigte die Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg: Die FN sei nur für einen Auftraggeber, nämlich den FG tätig. Sie verkaufe die von Kamps gelieferten Waren im eigenen Namen in einem vom FG zur Verfügung gestellten Ladenlokal. Im Rahmen eines solchen Vertriebs- oder Franchisesystems, bei dem der FN für den FG tätig wird, seinerseits aber selbstständig tätig ist, sei der FG in der Regel der einzige Auftraggeber. Der FN sei vom FG wirtschaftlich abhängig. Damit liege genau die Situation vor, die für die Versicherungspflicht der Selbstständigen vorausgesetzt werde. 62

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Schleswig-Holsteinisches LSG, 05.12.2011 L 1 R 59/11 Rentenversicherungspflicht eines Franchisenehmers (Nachhilfe) Das LSG folgte der Auffassung des BSG Die FN beschäftigte keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer Im Rahmen eines Vertriebs- oder Franchisesystems sei der FG in der Regel der einzige Auftraggeber. 63

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Befreiungsmöglichkeiten von der Rentenversicherungspflicht für Kleinstunternehmen Befreiungsmöglichkeit für Existenzgründer für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ( 6 Abs. 1a SGB VI) Befreiungsmöglichkeit für ältere Selbstständige, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und nach einer zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit erstmals nach 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden ( 6 Abs. 1 a Nr. 2 SGB VI) 64

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Konsequenzen im Rahmen der Vertragsgestaltung: Berücksichtigung des Themas im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung; Aufnahme einer Bestimmung im Franchisevertrag, nach der dem FN empfohlen wird, einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis EUR 400,00 im Monat übersteigt, oder nach seiner Wahl mehrere sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beschäftigen, deren Arbeitsentgelte aus diesen Beschäftigungsverhältnissen zusammengenommen EUR 400,00 im Monat übersteigen. (Im Rahmen von 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI werden die Gehälter addiert, um die Rentenversicherungspflicht des Selbstständigen zu bestimmen; vgl. Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, 2 Nr. 9 SGB VI Rn. 2 m. N. zur Rechtsprechung). 65

Rentenversicherungspflicht für Selbstständige Sonstige Konsequenzen: Nachforderung von Beiträgen Ansprüche auf Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind ( 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV); Ansprüche auf vorsätzlich enthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren ( 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Hierfür genügt, dass der Zahlungspflichtige seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtzahlung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. 66

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Verlässliche Qualität Germany: The Best Law Firm 2009 The International Legal Alliance Commercial Law Firm of the Year - Eastern Europe ACQ Global Awards 2009 Large Full Service Law Firm of the Year - Germany ACQ Country Awards 2009 Professional (B-to-B Focus) Service Deal of the Year The M&A Advisor 2009 Kanzlei des Jahres: Kartellrecht und Ostdeutschland JUVE Awards 2009 Top Ranked Firm Chambers & Partners 2009 Restructuring Deal of the Year IFLR European Award 2008 Einzige deutsche Kanzlei in den FT Law Top 50 FT Innovative Lawyers 2009 Client Choice Award 2007 International Law Office Adding real value to their client s business over and above the other players in the market." 69

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