Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Juli 1999 99.235 (99.103) Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG); Teilrevision, insbesondere im Bereich der Prämienverbilligung; Ergänzung und Änderung des Gesundheitsgesetzes Bericht und Entwurf zur 2. Beratung
- 2 - Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Der Regierungsrat unterbreitet Ihnen den Entwurf zur Änderung des kantonalen Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG) zur 2. Beratung. Mit Beschluss vom 8. Juni 1999 wurde die Gesetzesänderung in erster Beratung in der Gesamtabstimmung mit einer kleinen Änderung gutgeheissen und für die weitere Behandlung der Vorlage Dringlichkeit beschlossen. Gleichzeitig wurde vom Grossen Rat beschlossen, die Volksinitiative der SP Aargau Für einen gerechten Vollzug der Verbilligung der Krankenkassenprämien dem Volk - unter Verweisung auf die Revision des EG KVG als Gegenvorschlag - zur Ablehnung zu empfehlen. Im Rahmen der Parlamentsberatung wurden von der Vorsteherin des Gesundheitsdepartementes, Regierungsrätin Dr. Stéphanie Mörikofer-Zwez, verschiedene Prüfungsaufträge für die 2. Beratung entgegen genommen, bzw. vom Grossen Rat stillschweigend überwiesen. Der Regierungsrat nimmt dazu wie folgt Stellung: 1. Prüfungsauftrag Grossrat Herbert H. Scholl, Zofingen (Auftrag 1) "Es sei an geeigneter Stelle eine Rechtsgrundlage zu schaffen, welche die Gemeinden oder den Kanton verpflichtet, die Kosten einer Notfallbehandlung zu übernehmen, sofern diese nicht bei der behandelten Person bzw. bei deren Versicherung einbringlich sind." Ausgangspunkt des Antrages Scholl ist offenbar der kürzlich ergangene Entscheid des Regierungsrates, wonach die Beschwerde eines Arztes, der bei einer Notfallbehandlung einen eigenständigen Anspruch auf Erteilung der subsidiären Kostengutsprache durch die Gemeinde geltend gemacht hat, abgewiesen wurde. Eine Abgeltung der Pflicht des Arztes oder der Ärztin zur Behandlung von Notfällen im Sinne von 28 Abs. 1 des Gesundheitsgesetzes (GesG) in Form einer ausserhalb der Bedürftigkeit liegenden generellen Kostengarantie zu Lasten der Sozialbehörde oder des Kantons ist gesetzlich nicht abgedeckt. Die Problematik ist vom Gesundheitsdepartement erkannt. Sie stellt sich indessen nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, sondern für alle Medizinalpersonen im Bereich der Zahnmedizin und der Pharmazie sowie der Veterinärmedizin bei Verletzung von Wildtieren oder Tieren mit unbekannter Herkunft, in der Regel im Strassenverkehr. Über den durchschnittlichen Umfang eines allfälligen Verdienstausfalles für die einzelne Praxis hat das Gesundheitsdepartement keine näheren Angaben. Unter dem Gesichtspunkt der laufenden Forderung nach Deregulierung wurde vom Regierungsrat die Notwendigkeit zur Normierung einer staatlich garantierten subsidiären Abgeltung von Notfallbehandlungen bis anhin verneint. Unabhängig davon könnte jedoch eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht mit der Revision des EG KVG verbunden werden, nachdem die Normierung im EG KVG dem Grundsatz der Einheit der Materie widersprechen dürfte. Das Begehren wäre im Gesundheitsgesetz zu regeln. Alle mit der vorliegenden Revision des EG KVG verbundenen Änderungen des Gesundheitsgesetzes stehen im mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit dem KVG. Der Regierungsrat sieht somit keine Möglichkeit, mit der vorliegenden Revision des EG KVG eine Rechtsgrundlage zu schaffen, welche die Gemeinden oder den Kanton verpflichtet, die Kosten einer Notfallbehandlung subsidiär zu übernehmen. Auf eine gesetzliche Bestimmung im Sinne des Prüfungsauftrages 1 von Grossrat Herbert Scholl soll daher verzichtet werden.
- 3-2. Prüfungsauftrag Grossrat Herbert Scholl, Zofingen (Auftrag 2) "Es sei an geeigneter Stelle eine Rechtsgrundlage zu schaffen, wonach sich die Sozialbehörde zu versichern hat, dass Geld der Krankenkassen, welche der Rückerstattung von Leistungen von anerkannten Leistungserbringern nach KVG dienen, zweckgebunden verwendet werden. Erfolgt der Zahlungsverkehr über die Sozialbehörde, so ist sicherzustellen, dass gegenüber von anerkannten Leistungserbringern kein Abzug des Selbstbehaltes bzw. der Jahresfranchise zulässig ist." Eine gesetzliche Verpflichtung der Gemeinderäte, die Zahlungen der Krankenkassen an die Versicherten im Sinne der Anregung Scholl zu überwachen und die zweckbestimmte Verwendung sicherzustellen, würde eine vollständige Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Krankenkassen und Versicherten über die Gemeinden bedingen. Die Weiterzahlung an die Versicherten könnte erst erfolgen, wenn von ihnen der Nachweis erbracht wird, dass sich die Rückerstattung der Kassen auf Rechnungen der Leistungserbringer bezieht, die von den Versicherten bereits bezahlt sind. Wenn dies nicht der Fall wäre, müsste die Rückerstattung bis zu diesem Nachweis zurückbehalten werden. Sofern sich Versicherte nicht um die Bezahlung der offenen Rechnungen kümmern, müsste die Gemeinde die Rückerstattung der Kassen selber an die Leistungserbringer überweisen. Unabhängig von der rechtlichen Problematik einer solchen Lösung wäre der damit verbundene administrative Aufwand weder den Kassen noch den Gemeinden zumutbar. Denkbar im Sinne der Anregung Scholl wäre allenfalls eine gesetzliche Regelung, wonach die Kassen nur zur Rückerstattung an die Versicherten verpflichtet wären, soweit mit dem Rückerstattungsbegehren im Rahmen des tiers garant die Bezahlung der beanspruchten Behandlung durch die Leistungserbringer nachgewiesen wird. Eine solche Regelung müsste allerdings durch Bundesrecht erfolgen. Soweit es sich bei Versicherten um Personen mit Sozialhilfe handelt, steht es den Gemeinden frei, mit den entsprechenden Krankenkassen eine Vereinbarung anzustreben, wonach die Gemeinde über grössere Rückerstattungen zu orientieren ist. Soweit sich der Prüfungsauftrag Scholl auf ein Verbot für den Abzug des Selbstbehaltes oder der Jahresfranchise bei einem Zahlungsverkehr über die Gemeinde bezieht, ist festzuhalten, dass der Selbstbehalt und die Jahresfranchise gesetzliche Abzüge zu Gunsten der Krankenkassen nach Bundesrecht darstellen und somit eine diesbezügliche Bestimmung Bundesrecht widerspreche würde. Auf eine gesetzliche Bestimmung im Sinne des Prüfungsauftrages 2 von Grossrat Herbert Scholl soll daher ebenfalls verzichtet werden. 3. Prüfungsauftrag Dr. Rudolf Rohr, Würenlos In erster Beratung hat der Grosse Rat die nachfolgende Änderung von 13 Abs. 2 EG KVG beschlossen: Der Grosse Rat legt durch Dekret den massgebenden Prozentsatz im Rahmen von 9 % 14 % fest. Nach dem geltenden Recht beträgt der Rahmen 10 16 %. Die Ausdehnung der Anspruchsberechtigung auf 9 % des massgebenden Einkommens wurde u.a. damit begründet, dass der Anspruchsrahmen von 10 16 % allenfalls Bundesrecht verletzen könnte. Grossrat Dr. Rudolf Rohr ersucht daher den Regierungsrat im Hinblick auf die 2. Beratung um die Prüfung der folgenden Präzisierung: "Der Grosse Rat legt durch Dekret den massgebenden Prozentsatz im Rahmen von 10 % 16 % fest; sofern es zur Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben als zwingend erscheint, kann der Grosse Rat den massgebenden Prozentsatz bis auf 9 % senken."
- 4 - Der Vorschlag Rohr deckt sich im Grundsatz mit der gesundheitspolitischen Zielsetzung des Regierungsrates. Die Durchschnittsprämie in der obligatorischen Krankenversicherung liegt im Kanton Aargau wesentlich unter dem schweizerischen Mittel, so dass sich der Regierungsrat dem Vorschlag Rohr anschliessen kann. 4. Prüfungsauftrag aus der Kommissionsberatung Im Rahmen der Normierung der "Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause" wurde unter 40 a Abs. 4 (Gesundheitsgesetz) festgehalten: "Das Personal im Bereich der Krankenpflege muss über eine mindestens einjährige abgeschlossene, anerkannte Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege oder eine abgeschlossene Ausbildung einer vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie anerkannten Hauspflegerinnenschule verfügen. Die Anerkennung der Ausbildungen in Gesundheits- und Krankenpflege erfolgt durch eine von den Kantonen gemeinsam bezeichnete Stelle." Die von den Kantonen gemeinsam bezeichnete Stelle ist zur Zeit das Schweizerische Rote Kreuz (SRK). Es ist jedoch vorgesehen, dass mit der laufenden Revision des Bundesgesetzes über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG), Entwurf Mai 1999, auch Berufe der Gesundheits- und Krankenpflege unter BIGA-Berufe fallen sollen und damit ausschliesslich der Bund für die Anerkennung der Ausbildung zuständig wäre. Die Zuständigkeit der Kantone gemäss 40 a Abs. 4 des Gesundheitsgesetzes (GesG), letzter Satz könnte somit später formell Bundesrecht widersprechen. Die Aufnahme der Zuständigkeit der Kantone zur Bestimmung eines Anerkennungsorgans für Berufe der Gesundheits- und Krankenpflege im kantonalen Recht ist nicht zwingend. In der Bundesverordnung über die Krankenversicherung (KVV) vom 27. Juni 1995 ist u.a. in Art. 49 "Krankenschwestern und Krankenpfleger", Abs. 2 festgehalten: "Wird von den Kantonen keine Stelle für die Anerkennung der Diplome bezeichnet, so bezeichnet das Departement (Bund) diese Stelle". Der Vorbehalt der Bezeichnung eines Anerkennungsorgans zu Gunsten der Kantone wird somit bereits im Bundesrecht abgedeckt, so dass auf eine Wiederholung (mit deklaratorischer Wirkung) im kantonalen Recht, insbesondere unter dem vorerwähnten Gesichtspunkt eines allfälligen späteren, formellen Widerspruchs zum neuen Bundesgesetz über die Berufsbildung, verzichtet werden kann. Zusammenfassend kann der Regierungsrat festhalten, dass sich nach seiner Beurteilung aus den Prüfungsaufträgen im Rahmen der ersten Beratung nur eine Änderung von 13 Abs. 2 EG KVG im Sinne des Prüfungsauftrages Dr. Rudolf Rohr ergibt und im Sinne des Prüfungsauftrages aus der Kommissionsberatung auf die Bezeichnung eines Anerkennungsorgans von Berufen der Gesundheits- und Krankenpflege zu Gunsten der Kantone auf Grund der entsprechenden Normierung auf Bundesebene verzichtet werden soll.
- 5 - A n t r a g : Es wird in zweiter Beratung auf den vorliegenden Entwurf zur Revision des Einführungsgesetzes zum Krankenversicherungsgesetz (EG KVG) und Änderung des Gesundheitsgesetzes eingetreten und dieser zu Handen der Volksabstimmung verabschiedet. Aarau, den 14. Juli 1999 IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES Landammann: Dr. Thomas Pfisterer Staatsschreiber: Marc Pfirter Beilage - Revision EG KVG, Entwurf vom 14. Juli 1999, Fassung für die 2. Beratung