Bürgerliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler



Ähnliche Dokumente
Lösung Fall 23. Anspruch des G gegen S auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus 1147, 1192 Abs.1 BGB

Fragen Übung 14,

FRAGE 39. Gründe, aus denen die Rechte von Patentinhabern beschränkt werden können

Fall 3. Ausgangsfall:

IWW Studienprogramm. Modul XXVI (R2): Unternehmensrecht. Lösungshinweise zur 1. Musterklausur

Der Kälteanlagenbauer

Newsletter Immobilienrecht Nr. 10 September 2012

6. Fall Geschäftsführung ohne Auftrag???

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

GPA-Mitteilung Bau 5/2002

Das Verhältnis der außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung nach dem KSchG

Befristung Inkrafttreten des TzBfG BeschFG Abs. 1; TzBfG 14 Abs. 2 Satz 1 und 2

Lösung Fall 21. Lösung Ausgangsfall: Anspruch der S gegen E auf Duldung der Zwangsvollstreckung, 1147 BGB

Rechtliche Informationen zu Hochwild-Hegegemeinschaften. von LJV-Justiziar Rechtsanwalt Klaus Nieding

DAS NEUE GESETZ ÜBER FACTORING ( Amtsblatt der RS, Nr.62/2013)

Widerrufsbelehrung der Free-Linked GmbH. Stand: Juni 2014

Handelsrecht / Gesellschaftsrecht / Wirtschaftsrecht

1 Rücktritt, 346 ff BGB Eine Darstellung über die Voraussetzungen zur Ausübung des Rücktrittsrechts

Fall 12. Lösungsskizze Fall 12

Rechtsprobleme bei der Verwaltung von Nachlässen 1

Was ist Open Source Software und wem gehört sie?

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Lösungsstichworte zu den Handelsregister-Fällen. Zu Fall 1: Anspruch des K gegen V auf Lieferung des Safts ( 433 I BGB)

Kreatives Gestalten mit Flash 5.0

HILDEBRANDT & MÄDER - RECHTSANWÄLTE UND NOTAR - DR. KLAUS F. HILDEBRAND - RECHTSANW ALT ~ NOTAR BIRGITMÄDER-HILDEBRAND

Kreditsicherheiten Allgemeines

Bürgerliches Recht I Prof. Dr. Dr. Burkhard Boemke Boemke. Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene Sommersemester

Der Ausgleich unter den Gesamtschuldnern Baurechtszirkel

Kann K von V die Übertragung des Eigentums am Grundstück verlangen?

B. Verzug. VO Schuldrecht AT - Lukas

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

Erfolgreiches Management der Betriebsratsarbeit

2. Gesellschafterhaftung, 128 HGB

Der Formwechsel der GmbH in die GmbH & Co. KG nach dem UmwG und UmwStG

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

B. Rechtsquellen des Arbeitsrechts

DNotI. Fax - Abfrage. GrEStG 1 Abs. 3 Anteilsvereinigung bei Treuhandverhältnissen. I. Sachverhalt:

13 Verpflichtungsklage Prüfungsschema

FAQ Spielvorbereitung Startspieler: Wer ist Startspieler?

Fall 4 (zur Übung): Kann K von V Übergabe und Übereignung des Bildes verlangen? BGB-Tutorium Dr. Yvonne Matz

Das Urheberrecht der Bundesrepublik Deutschland ist der Teil der Rechtsordnung, der das Recht des Urhebers an seinen Werken schützt.

e-book Rechtsanwaltskanzlei Knoop

Selbstständig als Immobilienmakler interna

Einführung in das Urheberrecht Referent: RA Patrick Imgrund (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Fachanwalt für gewerblichen

Übung für Fortgeschrittene (ZR) Fall 5

Mietpreisbremse: Auswirkungen einer berechtigten Rüge Folgen für den Immobilienerwerb

Intrinsisch motivierte Mitarbeiter als Erfolgsfaktor für das Ideenmanagement: Eine empirische Untersuchung

Unternehmerverantwortlichkeit und Strafrecht. Frank im Sande, Staatsanwaltschaft Braunschweig 1

Sobotta Atlas der Anatomie des Menschen

Crashkurs Buchführung für Selbstständige

Kulturelle Evolution 12

BeurkG 16, 13 Abs. 1 S. 1 Umfang der Übersetzung einer Niederschrift für einen Sprachunkundigen. I. Sachverhalt. II. Fragen

A. Biergarten Schöne Aussicht gegen S GmbH aus 280 I, 437 Nr.3, 434, 433 BGB

Inhalt. Einführung in das Gesellschaftsrecht

Vorlesung Fachhochschule Düsseldorf WS 2014/15 Vorlesung: 20. Oktober 2014

Die Verjährung von Ansprüchen bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage

Fall: (Obersatz zu den 5 W s )

Haufe TaschenGuide 161. Eher in Rente. So geht's. Bearbeitet von Andreas Koehler

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Bestandskauf und Datenschutz?

ARBEITSRECHT I.DEFINITION. Das Arbeitsrecht ist das für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und

Überblick 3: Der Aufbau des BGB

Beleihung u. Belastung von Immobilien, TU Dresden Beleihung und Belastung von Immobilien

Professor Dr. Peter Krebs

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch 906 BGB

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Privatrecht I. Jur. Assessorin Christine Meier. Übung Privatrecht I

Das Markenrecht Das Markengesetz schützt Marken und geschäftliche Bezeichnungen gegen Benutzung durch Dritte.

C. Nachträgliche Unmöglichkeit. VO Schuldrecht AT - Lukas

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

IPR: Internationales Gesellschaftsrecht, Geltung der Sitztheorie im Verhältnis zu Nicht EG Mitgliedstaaten ("Trabrennbahn")

Haus und Grundstück im Erbrecht 7: Kündigung und Schönheitsreparaturen bei der Mietwohnung im Erbe

Muster des Monats: Belastungsvollmacht. 3 Belastungsvollmacht ( 1 )

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Korrigenda Handbuch der Bewertung

Patent, Marke, Firma und Design

Lösung Fall 8 Anspruch des L auf Lieferung von Panini á 2,-

Internationales Privatrecht und Geschäftsführerhaftung bei Insolvenzen von Auslandsgesellschaften

III.Verteilungsverfahren ( 105 ZVG) 1. Aufstellung des Teilungsplanes ( 113 ZVG) 2. Ausführung des Teilungsplanes ( 116 ff. ZVG)

Auftrag I. Auftragnehmer verpflichtet sich, Geschäfte eines anderen auf dessen Rechnung zu besorgen

Stammkunden, bei denen keine Zahlungsrückstände bestehen, können auch per Lastschrift zahlen.

Taschenguide. Forderungsverkauf. Wie Sie Ihre Liquidität sichern. Bearbeitet von Ina Klose, Claus Wieland

Alle Schlüssel-Karten (blaue Rückseite) werden den Schlüssel-Farben nach sortiert und in vier getrennte Stapel mit der Bildseite nach oben gelegt.

14 Die Berechnung des Gegenstandswertes

Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht FS 2016

Koordinatenmesstechnik und CAX-Anwendungen in der Produktion

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS. vom. 17. Oktober in der Patentnichtigkeitssache

ALLGEMEINE GESCHÄFTSBEDINGUNGEN FÜR EINEN KAUF MIT ANSCHLIEßENDEM MIETVERTRAG

Familienrecht Vorlesung 6. Familienrecht

Bundesverband Flachglas Großhandel Isolierglasherstellung Veredlung e.v. U g -Werte-Tabellen nach DIN EN 673. Flachglasbranche.

1. Weniger Steuern zahlen

Volker Geball Lüneburg ( v.geball@gmx.de ) Rechtliche Informationen für Karateka

Reisekosten-Reform (Teil 1)

GEMEINSCHAFTSERFINDUNGEN und deren VERWERTUNG

Urheberrecht. Ansprüche bei Urheberrechtsverletzungen. Allgemeine Studien Dr. Ulf Müller 6. Vorlesung

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Teilzeitbeschäftigte sind nach dem TV-EKBO grundsätzlich n i c h t zu Mehrarbeit und Überstunden verpflichtet.

Kaufvertrag. Käufer. Maschinenart: Marke, Modellbezeichnung: Baujahr, Erstzulassung. Kennzeichen: Fahrgestell -/ Seriennummer: Betriebsstunden:

Gutes Leben was ist das?

Examensklausurenkurs im Zivilrecht ZR 9

Transkript:

NWB Studium Betriebswirtschaft Bürgerliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler Bearbeitet von Prof. Dr. Johann Kindl, Prof. Dr. Andreas Feuerborn 2., überarbeitete Auflage 2012 2012. Taschenbuch. XLI, 446 S. Paperback ISBN 978 3 482 54202 2 Gewicht: 831 g Recht > Zivilrecht > Zivilrecht allgemein, Gesamtdarstellungen Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

3 Subjektive Rechte, Rechtssubjekte und Rechtsobjekte K A P I T E L 1 3 Subjektive Rechte, Rechtssubjekte und Rechtsobjekte LITERATUR: Brox/Walker, BGB AT, Rn. 608 ff.; Klunzinger, EinfÅhrung in das BÅrgerliche Recht, 4 6; KÇhler, Einschrånkungen der Nichtigkeit von Rechtsgeschåften, JuS 2010, 665; Petersen, Die Anspruchsgrundlagen des Allgemeinen Teils, Jura 2002, 743; Schapp, Das Zivilrecht als Anspruchssystem, JuS 1992, 537. Im Unterschied zum Çffentlichen Recht regelt das Privatrecht die Rechtsbeziehungen der Einzelnen zueinander auf einer Ebene der Gleichordnung. Das Privatrecht in diesem objektiven Sinn umfasst alle privatrechtlichen Rechtsnormen, und zwar einerseits diejenigen des BÅrgerlichen Rechts als des allgemeinen Privatrechts sowie andererseits diejenigen des Sonderprivatrechts får bestimmte Personen oder Rechtsverhåltnisse (vgl. 1 Rn. 27 f., 36 ff.). Die Normen des Privatrechts regeln also die Rechtsverhåltnisse Privater oder die sog. Privatrechtsverhåltnisse. Insoweit lassen sich zwei Arten von Rechtsbeziehungen unterscheiden. Privatrechtliche Normen kçnnen " die Rechtsbeziehungen zwischen Personen untereinander regeln und " das Verhåltnis von Personen zu Gegenstånden ordnen. 1 2 BEISPIEL P Um die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Personen untereinander geht es etwa beim Arbeitsverhåltnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (vgl. 611 ff. BGB sowie die in 1 Rn. 40 angesprochenen arbeitsrechtlichen Schutzgesetze) oder beim Rechtsverhåltnis zwischen Eltern und Kindern (vgl. 1616 ff. BGB). Das Eigentum ist dagegen das wichtigste Beispiel får das Verhåltnis von Personen zu Gegenstånden, weil es einer Person die volle rechtliche Herrschaft Åber eine Sache zuordnet (vgl. Art. 14 GG, 903 BGB). Eine weitere wesentliche Unterscheidung betrifft die zwei Elemente eines solchen Privatrechtsverhåltnisses. Beide Elemente kann man als die Kehrseiten derselben Medaille bezeichnen. Denn ein Privatrechtsverhåltnis enthålt " auf der einen Seite ein subjektives Recht, " dem auf der anderen Seite eine Pflicht entspricht. 3 BEISPIELE P Aus dem Kaufvertrag ergibt sich einerseits die in 433 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelte Pflicht des Verkåufers, dem Kåufer die verkaufte Sache zu Åbergeben und ihm das Eigentum an der Sache zu verschaffen (Pflicht zur Ûbergabe und Ûbereignung der Kaufsache). Aus der Sicht des Kåufers handelt es sich spiegelbildlich um sein Recht, vom Verkåufer zu verlangen, dass dieser ihm die verkaufte Sache Åbergibt und ihm das Eigentum an der Sache verschafft (Recht auf Ûbergabe und Ûbereignung der Kaufsache). Andererseits folgt aus dem Kaufvertrag gem. 433 Abs. 2 BGB die Pflicht des Kåufers, dem Verkåufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen (Pflicht zur Kaufpreiszahlung); hinzu kommt die (Neben-)Pflicht, dem Verkåufer die Sache abzunehmen (Abnahmepflicht). Aus der Sicht des Verkåufers handelt es sich um sein Recht, vom Kåufer die Zahlung des Kaufpreises zu verlangen (Recht auf Kaufpreiszahlung), sowie um das Recht auf die Abnahme der Sache. 23

K A P I T E L 1 EinfÅhrung in das BÅrgerliche Recht Der Pflicht der einen Person entspricht spiegelbildlich das Recht der anderen Person. Dieses Recht ist natårlich nicht das Recht, also das (Privat-)Recht im objektiven Sinne, sondern das Recht einer bestimmten Person, von einer anderen bestimmten Person etwas zu verlangen. Dieses spezielle subjektive Privatrecht wird in 194 Abs. 1 BGB als Anspruch definiert. Danach ist ein Anspruch das Recht einer Person, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. I. Subjektives Recht und subjektives Privatrecht LITERATUR: Mansel, Die Neuregelung des Verjåhrungsrechts, NJW 2002, 89; Petersen, Die Grenzen zulåssiger RechtsausÅbung, Jura 2008, 759; Pohlmann, Verjåhrung, Jura 2005, 1; Schreiber, Die RechtfertigungsgrÅnde des BGB, Jura 1997, 29; WÅstenbecker, Die subjektiven Privatrechte, JA 1984, 227. 4 5 6 1. Begriffe Das subjektive Recht wird allgemein definiert als die Rechtsmacht, die einem Rechtssubjekt von der Rechtsordnung verliehen worden ist. Solche subjektiven Rechte gibt es sowohl im Privatrecht als auch im Çffentlichen Recht. Im Çffentlichen Recht kommen subjektive Rechte seltener vor als im Privatrecht. Die Rechtsquellen des Çffentlichen Rechts bezwecken håufig nur die Verwirklichung von Gemeinschafts- und Gemeinwohlinteressen und haben deshalb lediglich objektivrechtlichen Charakter. Soll eine Çffentlich-rechtliche Norm aber ausnahmsweise zumindest auch Interessen des Einzelnen verwirklichen, gewåhrt sie ein subjektiv-çffentliches Recht (vgl. Kock/StÅwe/Wolffgang/Zimmermann, Úffentliches Recht und Europarecht, S. 32). Solche subjektiven Rechte im Çffentlichen Recht richten sich gegen den Staat und andere Hoheitstråger. Wichtigste Beispiele sind die Grundrechte (Art. 1 19 GG). Im Privatrecht hat das subjektive Recht eine entscheidende Bedeutung. Das subjektive Privatrecht oder das Privatrecht im subjektiven Sinn ist das wichtigste Element des Privatrechtsverhåltnisses. Das wurde gerade (Rn. 3) am Beispiel des durch den Kaufvertrag begråndeten Rechtsverhåltnisses zwischen Verkåufer und Kåufer erlåutert. Dieses Privatrechtsverhåltnis enthålt mehrere subjektive Privatrechte, nåmlich das Recht des Kåufers auf Ûbereignung und Ûbergabe der Kaufsache aus 433 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie das Recht des Verkåufers auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Kaufsache aus 433 Abs. 2 BGB. Weitere Rechte ergeben sich, wenn die Kaufsache mangelhaft ist: Nach 437 BGB kann der Kåufer dann die NacherfÅllung, also die Beseitigung des Mangels oder die Nachlieferung einer mangelfreien Sache verlangen (Nr. 1), vom Kaufvertrag zuråcktreten oder den Kaufpreis mindern (Nr. 2) oder den Verkåufer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (Nr. 3; ausf. zur Mångelgewåhrleistung beim Kauf 34 ff.). 24

3 Subjektive Rechte, Rechtssubjekte und Rechtsobjekte K A P I T E L 1 Entsprechend der obigen allgemeinen Definition des Privatrechts versteht man unter einem subjektiven Privatrecht die dem Einzelnen vom Privatrecht im objektiven Sinne verliehene Rechtsmacht. Das subjektive Recht muss sich also aus dem Recht im objektiven Sinn ergeben. Daher handelt es sich nicht um ein subjektives Recht, wenn dieses Recht seine Grundlage beispielsweise in der Sitte oder der Sittlichkeit (vgl. dazu 1 Rn. 6 ff., 13 ff.) hat. 7 BEISPIEL P Hat M seine Bekannte F zum Abendessen eingeladen, entspricht es zwar den gesellschaftlich geforderten Anstandsregeln, dass er F an diesem Abend nicht vergeblich an seiner HaustÅr klingeln låsst, weil er lieber in seine Stammkneipe gegangen ist, um dort die Live- Ûbertragung eines Champion-League-Spiels anzuschauen. Diese sittliche Pflicht begråndet aber kein subjektives Recht der F auf das Abendessen oder auf Schadensersatz wegen des ausgefallenen Abendessens (vgl. 1 Rn. 2, 11). Nach einer weitergehenden Definition versteht man unter einem subjektiven (Privat-)Recht die von der Rechtsordnung (bzw. vom Privatrecht) verliehene Willensmacht einer Person zur Befriedigung menschlicher Interessen (vgl. Brox/Walker, BGB AT, Rn. 617 ff.; Medicus, BGB AT, Rn. 70 ff. m. w. N.). Die Erweiterungen im Vergleich zur erstgenannten Definition sollen klarstellen, dass das subjektive (Privat-)Recht " einer Person zustehen muss das BGB vermeidet Rechte ohne Rechtssubjekte, also Rechte, die keiner natårlichen oder juristischen Person zugeordnet sind; " eine Willensmacht ist das subjektive Privatrecht sichert die Freiheit des Einzelnen, indem es seinem Inhaber die Bestimmungsbefugnis låsst, ob und in welchem Umfang er von dem Recht Gebrauch machen will; " dem Zweck dient, menschliche Interessen zu befriedigen dabei kann es sich um wirtschaftliche oder persçnliche Eigeninteressen des Rechtsinhabers handeln, aber auch um die Interessen anderer Personen wie etwa diejenigen von FamilienangehÇrigen; dieser Interessenschutz und diese Rechtsmacht kçnnen allerdings nicht grenzenlos gewåhrleistet werden, soweit sie mit den Rechten anderer oder mit Allgemeininteressen kollidieren. Das Recht im objektiven Sinn umfasst die Gesamtheit aller Rechtsnormen. Dem gemäß umfasst das Privatrecht im objektiven Sinn die Gesamtheit der privatrechtlichen Rechtsnormen. 8 9 Das subjektive Recht wird allgemein definiert als die Rechtsmacht, die einem Rechtssubjekt von der Rechtsordnung verliehen worden ist. Nach einer weiter gehenden Definition handelt es sich um die von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht einer Person zur Befriedigung menschlicher Interessen. Das subjektive Privatrecht oder das Privatrecht im subjektiven Sinn ist das wichtigste Element des Privatrechtsverhältnisses. Man versteht darunter, entsprechend den obigen Definitionen, die dem Einzelnen vom Privatrecht im objektiven Sinne verliehene Rechtsmacht bzw. die dieser Person vom Privatrecht verliehene Willensmacht zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. 25

K A P I T E L 1 EinfÅhrung in das BÅrgerliche Recht 10 2. Arten subjektiver Privatrechte Da das Privatrecht im objektiven Sinn sehr verschiedene, vielgestaltige Lebenssachverhalte regelt, treten auch die subjektiven Privatrechte in vielen verschiedenen Erscheinungsformen auf. Daher scheidet eine allgemein verbindliche Einteilung der subjektiven Privatrechte zwar aus. Sie lassen sich aber unter zwei Gesichtspunkten, nåmlich nach ihrem Inhalt sowie nach dem Kreis der Verpflichteten, systematisieren (vgl. dazu auch Brox/Walker, BGB AT, Rn. 621 ff.; Klunzinger, EinfÅhrung in das BÅrgerliche Recht, 5 II ff.). Diese Einteilungen stehen stets unter dem Vorbehalt, dass Grenzfålle und Ûberschneidungen nicht auszuschließen sind. a) Einteilung nach dem Inhalt 11 Das wichtigste Kriterium får die Klassifizierung subjektiver Privatrechte ist der Inhalt der Rechtsmacht, welche sie dem Einzelnen einråumen. Danach unterscheidet man herkçmmlicherweise zwischen Herrschaftsrechten, AnsprÅchen und Gestaltungsrechten. Unter der Geltung des Grundgesetzes sind als weitere bedeutende Gruppe die PersÇnlichkeitsrechte hinzugekommen. 12 13 aa) PersÇnlichkeitsrechte PersÇnlichkeitsrechte sind diejenigen subjektiven Privatrechte, die dem einzelnen Menschen als PersÇnlichkeit zustehen. Das BGB selbst hat noch kein allgemeines PersÇnlichkeitsrecht anerkannt, sondern schåtzt lediglich Teilaspekte der PersÇnlichkeit. BezÅglich weiterer Teilbereiche der PersÇnlichkeit finden sich Sondergesetze. " 823 Abs. 1 BGB zåhlt das Leben, den KÇrper, die Gesundheit und die Freiheit zu den absoluten Rechten, deren schuldhafte und rechtswidrige Verletzung einen Schadensersatzanspruch auslçst (vgl. dazu 43 Rn. 1 ff.). " 12 BGB schåtzt das Namensrecht einer natårlichen oder juristischen Person dagegen, dass ein anderer ihr das Recht zum Gebrauch ihres Namens bestreitet oder unbefugt den gleichen Namen gebraucht. " Die 22 ff. des KunstUrhG (des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden KÅnste und der Photographie) schåtzen das Recht einer Person am eigenen Bild. Danach dårfen solche Bilder grundsåtzlich nur dann verbreitet oder Çffentlich zur Schau gestellt werden, wenn die abgebildete Person zuvor eingewilligt hat. Ein Åber diesen Schutz von Teilbereichen der PersÇnlichkeit hinausgehender allgemeiner Schutz des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner PersÇnlichkeit ist erst aufgrund des Einflusses durch das Grundgesetz entwickelt worden. Die Rechtsprechung hat auf der Grundlage des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der MenschenwÅrde und der freien Entfaltung der PersÇnlichkeit in Art. 1 und 2 GG ein allgemeines PersÇnlichkeitsrecht entwickelt, das als sonstiges Recht i. S. von 823 Abs. 1 BGB gegen schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen geschåtzt wird (nåher dazu 43 Rn. 44 ff.). 26

3 Subjektive Rechte, Rechtssubjekte und Rechtsobjekte K A P I T E L 1 bb) Herrschaftsrechte Herrschaftsrechte sind solche subjektiven Privatrechte, die ihrem Inhaber eine absolute und unmittelbare Herrschaftsmacht Åber einen bestimmten Gegenstand einråumen. Herrschaftsrechte kçnnen zunåchst an Sachen, also an kçrperlichen Gegenstånden ( 90 BGB; nåher dazu Rn. 142 ff.), bestehen. Dabei handelt es sich um die sog. dinglichen Rechte, die vorwiegend im Sachenrecht (drittes Buch des BGB, 854 1296) geregelt sind. Das umfassendste dingliche Recht ist das Eigentum. Es gewåhrt dem Inhaber die volle rechtliche Sachherrschaft. Der EigentÅmer kann gem. 903 Satz 1 BGB mit seiner Sache grundsåtzlich nach seinem Belieben verfahren. Er kann sie pfleglich behandeln, darf sie aber auch zerstçren. Der EigentÅmer kann seine Sache gem. 985 BGB von jedem herausverlangen, der sie besitzt, ohne ihm gegenåber dazu z. B. als Mieter aufgrund eines Mietvertrags berechtigt zu sein. Außerdem kann er bei Eigentumsverletzungen gem. 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen und sich gem. 1004 BGB gegen andere Eigentumsbeeintråchtigungen wehren. Schließlich wird das Eigentumsrecht verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG abgesichert. Kein solches dingliches Recht ist der vom Eigentum strikt zu unterscheidende Besitz. Besitzer ist nach 854 Abs. 1 BGB derjenige, der die tatsåchliche Sachherrschaft ausåbt, der also die Sache in Hånden hat oder sie tatsåchlich benutzt. So ist beispielsweise der Mieter einer Wohnung ihr Besitzer. Da sich auch ein solcher Mieter oder ein anderer Besitzer gegen die Entziehung oder Beeintråchtigung seines Besitzes wehren kçnnen muss, sieht das Gesetz får den Besitzer in den 861 f. BGB ebenfalls Schutzrechte vor. Der EigentÅmer einer Sache kann sein umfassendes Herrschaftsrecht einschrånken, indem er anderen Personen sog. beschrånkte dingliche Rechte an seiner Sache einråumt. Er schneidet, bildlich gesprochen, das beschrånkte dingliche Recht wie ein StÅckchen aus der Torte seines Eigentums heraus und Åbertrågt es an den anderen im Unterschied zum TortenstÅck allerdings regelmåßig mit der MÇglichkeit, dieses Recht einmal wieder zum Eigentum zuråckzuholen. Solche beschrånkten dinglichen Rechte sind zum einen die Sicherungs- und Verwertungsrechte. Dazu gehçren vor allem die Hypothek und die Grundschuld an einem GrundstÅck ( 1113 ff., 1191 ff. BGB) sowie das Pfandrecht an einer beweglichen Sache ( 1204 ff. BGB). Zum anderen gibt es die Nutzungsrechte. Das umfassendste Nutzungsrecht ist der Nießbrauch, der es seinem Inhaber erlaubt, såmtliche Nutzungen des belasteten GrundstÅckes oder der belasteten beweglichen Sache zu ziehen ( 1030 ff. BGB). Grunddienstbarkeiten und beschrånkte persçnliche Dienstbarkeiten an GrundstÅcken gewåhren dagegen nur das Recht auf bestimmte Nutzungen ( 1018 ff., 1090 ff. BGB); Beispiele sind das Wegerecht und das dingliche Wohnungsrecht ( 1094 BGB). Herrschaftsrechte kçnnen daråber hinaus an Rechten bestehen. Das betrifft den Nießbrauch und das Pfandrecht ( 1068 ff., 1273 ff. BGB). So kann der Verkåufer z. B. die Kaufpreisforderung, die er gem. 433 Abs. 2 BGB gegen den Kåufer hat, an seine Bank verpfånden. Die Bank kann diese Kaufpreisforderung dann gem. 1282 Abs. 1 BGB selbst beim Kåufer einziehen. 14 15 16 17 18 19 27

K A P I T E L 1 EinfÅhrung in das BÅrgerliche Recht 20 Schließlich gibt es Herrschaftsrechte an geistigen SchÇpfungen. Dabei handelt es sich um Erfindungen sowie um Werke der Literatur und der bildenden KÅnste. Die Urheber haben das Recht, ihre geistigen SchÇpfungen zu verwerten und anderen Personen die Verwertung zu untersagen. Dem Schutz dieser ImmaterialgÅterrechte dienen vor allem das Urheber-, das Patent-, das Geschmacksmuster-, das Gebrauchsmuster- und das Markenrecht. 21 22 cc) AnsprÅche Besondere Bedeutung haben die AnsprÅche, also die Rechte, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen ( 194 Abs. 1 BGB). Dem Anspruch des Berechtigten steht spiegelbildlich, als Kehrseite der Medaille, die entsprechende Pflicht des Verpflichteten gegenåber (dazu Rn. 3). Die AnsprÅche des Schuldrechts heißen Forderungen. Der Gesetzgeber bezeichnet den Inhaber der Forderung (den Berechtigten) als Glåubiger und den Verpflichteten als Schuldner: Nach 241 Abs. 1 BGB ist der Glåubiger kraft des Schuldverhåltnisses berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, die auch in einem Unterlassen bestehen kann. 23 dd) Gestaltungsrechte Die letzte Gruppe der subjektiven Privatrechte, die nach dem Inhalt des Rechts unterschieden wird, bilden die Gestaltungsrechte. Sie verleihen ihrem Inhaber die Rechtsmacht, einseitig also ohne die Mitwirkung eines anderen auf eine bestehende Rechtslage einzuwirken. Dazu muss der Berechtigte im Regelfall eine Willenserklårung abgeben, die wegen ihrer Wirkung als rechtsgestaltende Willenserklårung bezeichnet wird. Der Berechtigte kann ein neues Recht begrånden oder ein bestehendes Rechtsverhåltnis åndern oder beenden. Zu den Gestaltungsrechten gehçren etwa die Anfechtung einer Willenserklårung ( 119 ff. BGB; ausf. dazu 8, 9), die KÅndigung eines Vertrags (z. B. eines Miet- oder eines Arbeitsvertrags) und der RÅcktritt vom Vertrag ( 346 ff. BGB; vgl. dazu 25). 28

3 Subjektive Rechte, Rechtssubjekte und Rechtsobjekte K A P I T E L 1 ABB. 6: Subjektive Privatrechte Subjektives Privatrecht (= die dem Einzelnen vom Privatrecht im objektiven Sinne verliehene Rechtsmacht) ÿ Allgemeines Persönlichkeitsrecht Persönlichkeitsrechte ÿ einzelne Persönlichkeitsrechte Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit; Namensrecht; Recht am eigenen Bild u. a. Herrschaftsrechte an Sachen ÿ dingliche Rechte (vor allem: Eigentum) ÿ beschränkt dingliche Rechte Sicherungs- und Verwertungsrechte (Hypothek, Grundschuld, Pfandrecht u. a.) Nutzungsrechte (Nießbrauch, Dienstbarkeit u. a.) an Rechten (Nießbrauch, Pfandrecht) an geistigen Schöpfungen ÿ Immaterialgüterrechte Urheber-, Patent-, Geschmacksmuster-, Gebrauchsmuster-, Markenrecht u. a. Ansprüche ÿ Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen ( 194 Abs. 1 BGB) ÿ Schuldrecht: Forderung ( 241 Abs. 1 BGB) Gestaltungsrechte ÿ Rechtsmacht, einseitig auf eine bestehende Rechtslage einzuwirken (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt u. a.) b) Einteilung nach dem Kreis der Verpflichteten Nach dem Kreis der durch das subjektive Privatrecht Verpflichteten unterscheidet man absolute und relative Rechte. 24 aa) Absolute Rechte Absolute Rechte sind solche subjektiven Privatrechte, die gegenåber jedermann wirken. Außer dem Rechtsinhaber ist jeder von der Herrschaft Åber das Gut ausgeschlossen. Der Rechtsinhaber kann sein Recht jedem anderen gegenåber geltend machen und durchsetzen. Zu den absoluten Rechten gehçren vor allem die gerade angesprochenen dinglichen Rechte (Rn. 15 ff.). FÅr das umfassendste dingliche Recht, das Eigentum, bestimmt 903 Satz 1 a. E. BGB ausdråcklich, dass der EigentÅmer einer Sache andere von jeder 25 26 29