In welchen Fällen empfiehlt sich die Vereinbarung eines internationalen Schiedsverfahrens? Vor- und Nachteile der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung Internationales Schiedsverfahrensrecht in der Unternehmenspraxis Gemeinsamer Workshop mit Linklaters am 13.3.2014 in Würzburg, Maître en Droit (Aix-Marseille III) Lehrstuhl für globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht
Unterschiede zwischen privater Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit - Überblick 1. Schiedsrichter 2. Verfahrensablauf 3. Diskretion 4. Dauer 5. Kosten 6. Anerkennung und Vollstreckung
1. Schiedsrichter a. Besondere Expertise des gewählten (Schieds-)Gerichts Staatliche Gerichtsbarkeit: Bestimmte Gerichte genießen für bestimmte Arten von Streitigkeiten besonderes Ansehen, z. B. LG und OLG Düsseldorf für Patentstreitigkeiten. Möglich sind u. U. Gerichtsstandsvereinbarungen (Einzelheiten: 38 ZPO) Kläger kann u. U. zwischen verschiedenen Gerichtsständen wählen, z. B. bei unerlaubter Handlung ( 32 ZPO und Artikel 5 Nr. 3 EuGVVO). Die u. U. gegebene Wahl zwischen einer allgemeinen Zivilkammer und einer KfH erfordert i.d.r. der Kooperation der Parteien. Schiedsrichter können u. a. wegen ihrer besonderen Expertise in speziellen technischen oder rechtlichen Bereichen ausgewählt werden.
1. Schiedsrichter b. Neutralität der Schiedsrichter in internationalen Streitfällen Problem: Einigung auf die Gerichtsbarkeit des Staates einer der Schiedsparteien ist häufig schwierig. Gründe: - Zweifel an Unparteilichkeit der nationalen Gerichte, - sprachliche und rechtskulturelle Barrieren, - Prestigegesichtspunkte. Lösung: Einigung auf einen neutralen Schiedsort, Schiedsrichter dieses Landes, evtl. sogar Einigung auf das materielle Recht dieses Landes.
1. Schiedsrichter c. Neutralität der parteiernannten Schiedsrichter Ablehnung eines Schiedsrichters bei Zweifeln an seiner Unparteilichkeit, 1036 ZPO ist grds. möglich. Gesetzliche Ausschlussgründe (vgl. 41 ZPO, z. B. Verwandtschaft des Richters mit den Parteien) gibt es hingegen nicht. Ob bei parteiernannten Schiedsrichtern weniger strenge Maßstäbe als bei Einzelschiedsrichtern oder beim Vorsitzenden gelten, ist umstritten: Parteiernannter SchiedsRi als Vertrauensmann der ernennenden Partei? Bewusster (und zulässiger) Verzicht auf Ablehnung nach Bekanntwerden entsprechender Umstände isv 41, 42 bzw. 1036 ZPO empfiehlt sich ggf..
2. Verfahrensablauf a. Verfahrenssprache Staatliche Gerichte: 184 Satz 1 GVG: Die Gerichtssprache ist deutsch. Zwar lassen manche Gerichte englische Unterlagen genügen, die Gegenseite kann aber teure Übersetzung verlangen und tut das häufig auch. Schiedsverfahren: Sprache(n) frei wählbar ( 1045 Abs. 1 S. 1 ZPO). Bsp.: Parteien erklären die Vorlage von Dokumenten in deutscher, englischer und französischer Sprache für zulässig.
a. Verfahrenssprache (Forts.) Pilotprojekt am OLG Köln: einige KfH (LG Bonn, Köln, Aachen) verhandeln mit Einverständnis der Parteien auf englisch. Gesetzesinitiative (NRW u. HH, BT-Drucks 17/2163 - KfiHG) aus dem Jahr 2010 wurde im Oktober 2013 Opfer des Diskontinuitätsgrundsatzes. Danach sollte gelten, dass die Länder durch Rechtsverordnungen bei den Landgerichten für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte KfiH (Kammern für internationale Handelssachen) einrichten können, vor denen - Handelssachen zu behandeln sind, - die einen internationalen Bezug haben und - nach übereinstimmendem Willen der Parteien in englischer Sprache durchgeführt werden sollen. 2014: NRW und HH planen neuen Anlauf.
2. Verfahrensablauf b. Discovery-Verfahren Staatliches Gericht: Grundsätzlich gilt, dass jede Partei ihren Vortrag beweisen muss. Dokumente sind nur in seltenen Ausnahmefällen herauszugeben (z. B. 142 ZPO). Schiedsgerichtsbarkeit: Verfahrensführung und Beweisaufnahme sind im Wesentlichen frei gestaltbar ( 1042 ZPO), insbesondere ist eine Entscheidung für oder gegen die Durchführung eines discovery-verfahrens möglich. Internationale Schiedsverfahren: Dokumentenherausgabeverlangen sind üblich und werden auf das Recht des Schiedsgerichts gestützt, den Sachverhalt zu ermitteln. Können aber (vorher!) abbedungen werden.
2. Verfahrensablauf c. Einbeziehung Dritter ZPO: Streitverkündung gesetzlich geregelt. Auch gegen den Willen des Dritten und des Prozessgegners möglich. Schiedsgerichte: Dritte werden nur mit ihrer und der Zustimmung des anderen Teils Teil des Verfahrens.
3. Diskretion Staatliches Gericht: Öffentlichkeit der Verhandlungen. Häufig: Veröffentlichung von Urteilen. Schiedsgericht: Schiedsrichter sind vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet (ganz allg. Meinung), wenngleich 203 StGB (Amtsträger) für sie nicht gilt. Schiedsparteien sind nur bei entsprechender Abrede zur Verschwiegenheit verpflichtet. Praktisch schwer durchsetzbar. Teilweise bestehen zudem gesetzliche Publizitätspflichten (Kapitalmarktrecht). Dritte (Zeugen, Sachverständige) sind nur bei entsprechender Abrede zur Verschwiegenheit verpflichtet (schwer durchsetzbar).
4. Dauer Staatliche Gerichte: Landgerichte: Bundesweiter Durchschnitt: 8,3 Monate 13,5 % der Prozesse vor LG: > 12 Monate 6,6 % der Prozesse vor LG > 24 Monate Zweite Instanz (OLG): 25,5 Monate 14,6 % der Berufungsverfahren: > 36 Monate Schiedsgerichte In der Regel nur eine Instanz. Allein die Bestellung des Dreierschiedsgerichts kostet Zeit. Aufhebungs-, Anerkennungs- und Vollstreckverfahren führen möglicherweise zu zusätzlicher Verzögerung.
5. Kosten a. Gerichtskosten Kostenvergleich deutsche staatl. Gerichtsbarkeit v. ICC und DIS Bsp.: Streitwert: 5 Mio. EUR (ca. 6.929.250 USD) Staatliches deutsches Gericht bei einer, zwei, drei Instanzen: 44, 115, 197 T ICC (drei Schiedsrichter + Administration): ca. 246 T DIS (drei Schiedsrichter + Administration): ca. 176 T
5. Kosten (Forts.) b. Kosten für Anwälte, Sachverständige und Zeugen Hinzu kommen häufig noch weitere (hohe) Kosten für Parteivertreter, SV, Zeugen, Übersetzungen. Nach Angaben der ICC machen sie 82 Prozent der Gesamtkosten aus. In der Schiedsgerichtsbarkeit ist Vereinbarung von Stundenhonoraren für Anwälte üblich, vor den staatlichen Gerichten wird großenteils nach RVG abgerechnet.
5. Kosten (Forts.) c. Sonstige Kosten Kosten für Übersetzungen (entfallen ggf. bei Einigung auf mehrere Sprachen) Kosten für Anerkennung und Vollstreckbarerklärung (gilt auch bei ausländischen Urteilen). Kosten für Hilfsmaßnahmen der staatlichen Gerichte
5. Kosten (Forts.) d. Vorschussregelung Staatliches Gerichtsverfahren: Kläger leistet Gerichtskostenvorschuss Schiedsverfahren: Beide Parteien leisten Vorschuss gemeinsam.
5. Kosten (Forts.) e. Kostenverteilung am Ende Staatliches Verfahren: Jede Partei trägt die gesetzlichen Kosten anteilig nach Unterliegensquote. Schiedsgericht: Es hat regelmäßig Ermessen in der Kostenverteilung, d.h. ggf. trägt der siegreiche Kläger seine Kosten selbst. Ermessen umfasst auch die Anerkennung der Anwaltskosten. Beachten den Unterschied: Obsiegende Partei erhält vor staatlichen Gerichten nur RVG-Anwaltssätze erstattet, vor Schiedsgericht normalerweise auch Stundenhonorar.
6. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile und Schiedssprüche Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich regelmäßig nach UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländische Schiedssprüche vom 10.6.1958 (New York Convention). Gut 150 Konventionsstaaten.
6. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile und Schiedssprüche (Forts.) Vollstreckung ausländischer Urteil häufig schwieriger. Ausländische Entscheidungen werden in Deutschland anerkannt und für vollstreckbar erklärt, außer es liegt ein Versagungsgrund isd 328 Abs.1 ZPO ( 723 Abs. 2 ZPO) vor: - internationale Unzuständigkeit, - Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Verfahrenseinleitung - entgegenstehende Rechtskraft oder Rechtshängigkeit - Ordre-public-Widrigkeit - fehlende Verbürgung der Gegenseitigkeit.
6. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile und Schiedssprüche (Forts.) Innerhalb der EU sind Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen staatlicher Gerichte hingegen leichter erreichbar. Die EuGVVO (ähnlich: LugÜ für Island, Norwegen und Schweiz) erlaubt sehr einfache Vollstreckbarerklärung nationaler Urteile ohne inhaltliche Prüfung. Demnächst (10.1.2015) entfällt das Exequaturverfahren sogar ganz.
7. Zusammenfassung Vorteile der (internationalen) Schiedsgerichtsbarkeit: - Größere Akzeptanz bei Parteien (Neutralität des Schiedsgerichts). - Leichtere Anerkennung und Vollstreckbarkeit außerhalb EU. - Vertraulichkeit eher Gewährleistet, aber kaum absolut. - Möglichkeit zur flexiblen Verfahrensgestaltung. Nachteile der (internationalen) Schiedsgerichtsbarkeit: - Tendenziell höhere Kosten. Verfahrensdauer: keine pauschale Aussage möglich.
7. Zusammenfassung Vorteile der (internationalen) Schiedsgerichtsbarkeit: - Größere Akzeptanz bei Parteien (Neutralität des Schiedsgerichts). - Leichtere Anerkennung und Vollstreckbarkeit außerhalb EU. - Vertraulichkeit eher Gewährleistet, aber kaum absolut. - Möglichkeit zur flexiblen Verfahrensgestaltung. Nachteile der (internationalen) Schiedsgerichtsbarkeit: - Tendenziell höhere Kosten. Verfahrensdauer: keine pauschale Aussage möglich.