STAATLICHE ALTERSVERSORGUNG Rentenkürzung Auf 100 Erwerbspersonen kommen heute schon rund 43 Standardrentner Ein 2005 geborenes Mädchen wird voraussichtlich 103 Jahre alt, ein Junge immerhin rund 98. Somit liegen 40 Jahre Ruhestand vor dem hoffnungsvollen Nachwuchs. Schöne Aussichten für die beiden, doch für das aktuelle Rentensystem eine Katastrophe. Die steigende Lebenserwartung, längere Rentenzeiten und immer weniger Beitragszahler - das passt nicht zusammen. Um zumindest ansatzweise gegenzusteuern, hat die Bundesregierung ein umfangreiches Reformpaket verabschiedet. Teile davon sind schon in Kraft. Was schon gilt Seit dem 1. April zahlen alle Rentner ihren Beitrag zur Pflegeversicherung allein. Neurentner bekommen ihre Renten nicht mehr im Voraus, sondern erst am Ende des Monats, und die gewohnte Rentenerhöhung zum 1. Juli blieb dieses Jahr aus. Das schmerzt die Betroffenen, reicht aber noch lange nicht zur Sanierung. Guter Rat Glückliche Rentnergeneration Derzeitige Altersrentner haben noch ein Rentenniveau von 70 Prozent ihres letzten Netto. Heutige Rentner konnten sich mit 60 Jahren zur Ruhe setzen, ohne Abschläge. Lagen die Rentenanpassungen in den 90er-Jahren bei jährlich 3 bis 4 Prozent (neue Bundesländer noch höher), gab es 2004 die erste Nullrunde. Bleibt die Zahl der Arbeitslosen so hoch, spüren das auch die Bestandsrentner Keiner soll mehr vor dem 63. Lebensjahr in Rente gehen Deshalb wird ab 2005 der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor im Rentenrecht eingeführt. Maßgeblich ist nunmehr nicht die Nettolohnentwicklung, sondern das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern. Das heißt: Je weniger Junge arbeiten, und je mehr Arbeitslose als Beitragszahler entfallen, desto weniger Rentenerhöhung ist drin. Auch mit der Frühverrentung wird Schluss gemacht. Bis auf wenige Übergangs- und Ausnahmefälle soll künftig keiner mehr vor dem 63. Lebensjahr in Rente gehen. Außerdem wird in Zukunft anders gerechnet. Schulzeiten werden nur noch ab dem 17. Lebensjahr berücksichtigt, nicht wie bisher ab dem 16. Lebensjahr. Auch
Studienzeiten, die über das 25. Lebensjahr hinausgehen, können nicht mehr berücksichtigt werden. Wer die dadurch entstehenden Lücken in seiner Erwerbsbiografie schließen will, kann freiwillige Beiträge, mindestens 78 Euro pro Monat, nachzahlen. Das geht allerdings nur bis maximal zum 45. Lebensjahr. Für alle, die älter als 45 sind, endet die Frist am 31. Dezember 2004. Ob sich eine Nachzahlung lohnt, sollten sich Betroffene von ihrem Rentenversicherungsträger ausrechnen lassen. Viel höher wird die Rente durch diese Taktik nicht, aber in manchen Fällen kann der Einzahler dadurch früher in Rente gehen. Steuern Hinzu kommt die neue Steuergesetzgebung. Rentner müssen künftig Steuern zahlen - vorausgesetzt, sie bekommen neben ihrer Altersrente noch Betriebsrente oder haben Miet- oder Zinseinkünfte, und ihr monatliches Einkommen liegt über 1575 Euro. Trotz der Regelung bleiben rund drei Viertel aller Rentner vom Finanzamt unbehelligt. Ob und wie viel Steuern zu zahlen sind, erfahren Rentner frühestens 2006 automatisch vom Finanzamt. Zuschlag Einen Sonderzuschlag müssen Rentner zwischen 23 und 64 Jahren zahlen - und zwar den 0,25-prozentigen Kinderlosen-Aufschlag auf die Pflegeversicherung. Betroffen sind davon gar nicht so wenige, denn neben den Frührentnern werden auch die Empfänger von Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten zur Kasse gebeten. Wer nach Aufforderung durch die BfA keine Kinder nachweisen kann, der muss am 1. April 2005 für drei Monate rückwirkend sowie für den April einmalig ein Prozent der Rente bezahlen. Bei einer Durchschnittsaltersrente von 1176 Euro im Westen sind das einmalig 11,76 Euro, ab Mai dann monatlich 2,94 Euro; im Osten sind das bei 1034 Euro einmalig 10,34 Euro, ab Mai 2,59 Euro. Der zusätzliche Abzug von 0,45 Prozent der Rente ab 1.7. für Zahnersatz und Krankengeld reißt ein weiteres Loch in das Portemonnaie der Senioren. Guter Rat Kürzung Werden 2005 zum 1. Juli die Renten nicht um mindestens diese 0,45 Prozent erhöht, dann kommt der»sonderbeitrag«einer Rentenkürzung gleich. Zwar sollen Krankenversicherte und Arbeitgeber durch die gleichzeitige Absenkung des Krankenkassenbeitrags um 0,9 Prozent entlastet werden, ob das aber tatsächlich so kommt, kann angesichts der derzeitigen Diskussion niemand verbindlich sagen.
Hartz IV Wirklich verbessern werden sich ab 2005 nur die Sozialhilfeempfänger. Nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zahlt die Arbeitsagentur pauschal jeden Monat 78 Euro pro Kopf in die Rentenkasse, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Betrag. Damit haben auch Sozialhilfeempfänger erstmals einen - wenn auch geringen - Rentenanspruch und können nach Erfüllung der entsprechenden Wartezeiten auf das gesamte Leistungspaket der gesetzlichen Rentenversicherung zugreifen: Altersrente, Rehabilitation, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenschutz. 428 Vorteile genießen auch all jene, die älter sind als 58, derzeit Arbeitslosengeld oder -hilfe beziehen und bei der Arbeitsagentur eine Erklärung nach 428 SGB III unterschrieben haben. Damit beziehen sie Arbeitslosengeld zu erleichterten Bedingungen. Wie es im Amtsdeutsch heißt: Sie müssen dem Arbeitsmarkt nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stehen, können zum Beispiel 17 Wochen am Stück Urlaub machen und brauchen auch nicht jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Im Gegenzug müssen sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt (ohne Abschläge) in Rente gehen. Läuft ihr Arbeitslosengeld aus und wird wegen eigenen Vermögens kein Arbeitslosengeld II gezahlt, sollten Betroffene mit der BfA klären, ob es sich lohnt, noch früher, dann mit Abschlägen, in Rente zu gehen. Diese Wahl haben Ältere nur noch bis zum 31.12.2005. Wer danach mit 58 arbeitslos wird und dem Arbeitsmarkt nicht mehr ständig zur Verfügung stehen will, der muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt - allerdings mit Abzügen - in Rente gehen. Damit schrumpft seine staatliche Altersversorgung dauerhaft um bis zu 18 Prozent. Mit 60, 63 oder 65: Wann kommt der Ruhestand? Schwerbehinderte Sie stellen die einzige Ausnahme dar. Hier gibt es noch eine Vertrauensschutzregelung, die den Rentenbezug mit 60 Jahren ohne Abschläge ermöglicht. Der Versicherte musste am 16.11.2000 bereits das 50. Lebensjahr vollendet haben, gleichzeitig einen Schwerbehindertengrad von 50 Prozent aufweisen und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Wer nicht unter die Ausnahmeregelung fällt und dennoch zwischen 60 und 63 in Rente gehen will, wird mit Abschlägen bis zu 10,8 Prozent (36 Monate x 0,3 Prozent) bestraft. Ab 63 Jahre können Schwerbehinderte ohne Abzüge in Rente gehen. Arbeitslose, Arbeitszeitler Bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit wird das Renteneintrittsalter stufenweise von 60 auf 63 Jahre angehoben. Betroffen sind davon alle, die in der Zeit von 1946
bis 1948 geboren sind. Wer im Januar 1946 geboren ist, kann mit Abschlägen erst mit 60 Jahren und einem Monat in Rente gehen. Wer 1949 geboren wurde, kann die Rente erst mit 63 Jahren beziehen. Auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahme. Wer zwischen Januar 1946 und Dezember 1951 geboren ist, am 1.1.2004 arbeitslos oder in Altersteilzeit war oder eine entsprechende Vereinbarung getroffen hatte, genießt Vertrauensschutz und kann weiterhin mit 60 Jahren, aber mit Abschlägen in Rente gehen. Frauen Zwischen 1945 und 1951 geborene Frauen können noch mit 60 Jahren in Rente gehen, büßen dann aber für die Zeit bis 65 Abschläge in Höhe von 18 Prozent ein. Voraussetzungen: Wartezeit von 15 Jahren (Kindererziehungszeiten zählen mit) und nach dem 40. Geburtstag mehr als 10 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Tätigkeit. Alle ab 1952 geborenen Frauen müssen bis 65 Jahre arbeiten, wenn sie keine andere Rentenart (z.b. die für langjährig Versicherte) bekommen können. Langzeitversicherte Wer 35 Jahre auf seinem Rentenkonto hat, kann mit 63 Jahren die Rente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen. Allerdings werden für jeden Monat, der vor dem 65. Lebensjahr liegt, 0,3 Prozent Abschlag einbehalten. Wer also mit 63 Jahren Rentner wird, muss für 24 Monate 7,2 Prozent Abschlag dauerhaft hinnehmen. Wer ab Dezember 1949 geboren ist, kann mit 62 Jahren in Rente gehen, muss aber dafür höhere Abschläge (für 36 Monate maximal 10,8 Prozent) in Kauf nehmen. Achtung Die Rentenabschläge fallen nicht nur bis zum Ende des 65. Lebensjahres an. Einmal entstanden, bleiben sie bis ans Lebensende erhalten. Reformzwang Nach dem Alterseinkünftegesetz dürfen die Beiträge zur Rentenversicherung nicht beliebig steigen. Bis 2020 gelten 20 Prozent als Obergrenze, bis 2030 sind es 22 Prozent. Sollten sich damit die Renten in heutiger Höhe nicht mehr finanzieren lassen, müssen die Renten gesenkt werden oder die Bundeszuschüsse aus Steuermitteln erhöht werden. 1960 bezog der Durchschnitts-Rentner 9,9 Jahre Geld von der BfA, heute sind es schon 16,7 Jahre, 2070 werden es vermutlich 40 Jahre sein.
Fragen an Walter Glanz (Rentenexperte bei der BfA) Wie wirkt sich der Bezug von Arbeitslosengeld II auf den späteren Rentenbezug aus? Ab dem 1. Januar 2005 werden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt. Für Bezieher von Arbeitslosengeld II werden auf der Grundlage eines Betrages von 400 Euro pauschal Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Leistung, die derjenige erhält. Ein Jahr ALG II erhöht die Rente bundeseinheitlich um 4,28 Euro. Sind Gründer einer Ich-AG beitragspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung? Betreiber einer Ich-AG unterliegen der Versicherungspflicht, solange sie einen Existenzgründungszuschuss von der Arbeitsagentur erhalten. Als Selbständige haben Ich-AGler grundsätzlich den vollen Beitragssatz (19,5%) zur Rentenversicherung zu zahlen. Bei einem Monatseinkommen von 2000 Euro sind das 390 Euro. Selbständige können aber bestimmen, dass sie in den ersten drei Jahren der Selbständigkeit nur den halben Regelbeitrag von zurzeit 235,46 Euro zahlen wollen. Was bewirkt der ab 2005 gültige Nachhaltigkeitsfaktor? Wird es 2005 eine Rentenanpassung geben? Der Nachhaltigkeitsfaktor ist ab 2005 Bestandteil der Rentenanpassungsformel. Der Nachhaltigkeitsfaktor spiegelt das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern wider. Sind mehr Beitragszahler als Rentner vorhanden, fällt die Rentenanpassung höher aus, im umgekehrten Fall fällt die Rentenanpassung niedriger aus. Wie hoch ist eigentlich die Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung? Die ist gar nicht so schlecht. Aus einer BfA-Studie, bei der versicherungsmathematische Grundsätze angewandt wurden, ergibt sich für eine heutige Rentnerin eine Rendite von 4,6% und für einen Rentner von 4%. Eine heute 30-jährige Versicherte erzielt unter Beachtung der aktuellen Rentenreform eine Rendite von 3,6%, ein Mann erzielt 3%. Autor: Martin Braun