Ökonomische Prozesse im Sport. Untersucht am Marketing in Sportvereinen



Ähnliche Dokumente
Insiderwissen Hintergrund

Klaus-Peter Wiedmann Frank Bachmann Tina Durst. Erfolgsfaktoren von Hospitality im Bereich des Sports Ergebnisse einer empirischen Untersuchung

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Bundesversicherungsamt

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Was sind Jahres- und Zielvereinbarungsgespräche?

Markus Demary / Michael Voigtländer

Pflegedossier für die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder)

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

SWOT Analyse zur Unterstützung des Projektmonitorings

Das Vermögen der privaten Haushalte in Nordrhein-Westfalen ein Überblick auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

Fremdwährungsanteil bei Tilgungsträgerkrediten bei 86 % eine Analyse der Fremdwährungskreditstatistik 1

5.4. Der Wirtschaftsbereich Unternehmensservices

Aber zuerst: Was versteht man unter Stromverbrauch im Standby-Modus (Leerlaufverlust)?

Menschen und Natur verbinden

Finanzierung: Übungsserie III Innenfinanzierung

«Eine Person ist funktional gesund, wenn sie möglichst kompetent mit einem möglichst gesunden Körper an möglichst normalisierten Lebensbereichen

1.1 Ausgangssituation 1

Berechnung der Erhöhung der Durchschnittsprämien

Güte von Tests. die Wahrscheinlichkeit für den Fehler 2. Art bei der Testentscheidung, nämlich. falsch ist. Darauf haben wir bereits im Kapitel über

Psychologie im Arbeitsschutz

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

DIE ANWENDUNG VON KENNZAHLEN IN DER PRAXIS: WEBMARK SEILBAHNEN IM EINSATZ

Statistische Materialien zu Existenzgründung und Selbstständigkeit der Wohnbevölkerung mit Migrationshintergrund

Wachstum 2. Michael Dröttboom 1 LernWerkstatt-Selm.de

1 Mathematische Grundlagen

FORSCHUNGSTELEGRAMM November 2015 (Nr. 12/15)

Das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft

Finanzen. Gesamtausgaben steigen in Niedersachsen unterdurchschnittlich. Kräftiger Anstieg der Sachinvestitionen in Niedersachsen

Sonderrundschreiben. Arbeitshilfe zu den Pflichtangaben in Immobilienanzeigen bei alten Energieausweisen

(EuGVVO) 5. Innerhalb des Insolvenzverfahrens werden nicht alle

DJK Amisia Rheine 1926 e. V. (mit) über 80 Jahre(n) fidel

Statuten in leichter Sprache

Werden Sie Chef Ihres Hobbys. 10 Argumente für Ihren beruflichen Erfolg

P H I U S. Strategieentwicklung in Wissenschaft und Forschung

Analyse von Konzeptualisierungen der Entrepreneurship Education an Hochschulen im deutschsprachigen Raum. Diplomarbeit

Strategische Beratung und IT-orientierte Beratung im Vergleich

Wissenschaftlicher Bericht

Forschung & Entwicklung im oberösterreichischen Unternehmenssektor

- Auszug - Anlage Rechenschaftsbericht 2014 für das Sondervermögen Sozialfonds Bürger helfen Bürgern Winnenden

KRISE. Auch ein schwerer Weg beginnt immer mit dem ersten Schritt. Besser mit einem starken Partner. argenus

Studienkolleg der TU- Berlin

Arbeitsmarkteffekte von Umschulungen im Bereich der Altenpflege

Pressemitteilung. Forschungsprojekt gestartet

Andersen & Partners Finanzplanung. Vernetzte Beratung für langjährigen Erfolg. A N D E R S E N & P A R T N E R S. value beyond financial advice

agitat Werkzeuge kann man brauchen und missbrauchen - vom Einsatz von NLP in der Führung

Der Kälteanlagenbauer

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

Evaluation des Projektes

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Stellungnahme. des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zum Entwurf des CRD IV Umsetzungsgesetzes (Drucksache 17 / 10974)

Informationsblatt Induktionsbeweis

Rate (bzw. Preis), mit der zwei Währungen gegeneinander getauscht werden Mögliche Darstellung (z.b. bei und $)

Fakten zur geförderten Pflegezusatzversicherung.

Sanitär. Heizung. Flaschnerei.

schlechte Gewissen sind in ähnlichem Maße gewachsen, wie die Verhütungsmethoden sicherer wurden. Seit Einführung der Pille, dem häufigsten

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Kulturelle Evolution 12

Selbsttest Prozessmanagement

Brandenburgisches Oberlandesgericht. Beschluss

Umgang mit Schaubildern am Beispiel Deutschland surft

EINE UNI FÜR ALLE. Universität Luzern, Montag, 5. Mai Uhr

mehrmals mehrmals mehrmals alle seltener nie mindestens **) in der im Monat im Jahr 1 bis 2 alle 1 bis 2 Woche Jahre Jahre % % % % % % %

ConTraX Real Estate. Büromarkt in Deutschland 2005 / Office Market Report

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

QM: Prüfen -1- KN

Inhalt. 1. Einleitung Hilfe, mein Kind kann nicht richtig schreiben und lesen! Seite

Trainingsplan 16-wöchiger Trainingsplan für einen Triathlon (Volkstriathlon), Einsteiger

Deutschland-Check Nr. 35

Die wichtigsten Werkzeuge, um UNTERNEHMENSKULTUR BEWUSST zu gestalten.

Grußwort Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Produktpiraterie

Woche 1: Was ist NLP? Die Geschichte des NLP.

50. Mathematik-Olympiade 2. Stufe (Regionalrunde) Klasse Lösung 10 Punkte

Das Frauenbild im Islam.Analyse und Vergleich von Koran und Bibel

Markus 13, Wie ist es, wenn die Welt aufhört? Und wenn die neue Welt von Gott anfängt.

Ehrenamtliche weiterbilden, beraten, informieren

Statement. Dr. Jens Sträter zeb/rolfes.schierenbeck.associates

Vermögensbildung: Sparen und Wertsteigerung bei Immobilien liegen vorn

Lichtbrechung an Linsen

Die 7 wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Einführung von Zielvereinbarungen und deren Ergebnissicherung

Lassen Sie sich entdecken!

Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) - Sammelposten (Wahlrechte in Steuerbilanz und Handelsbilanz)

Marktanalyse und Abschätzung der Marktentwicklung von nichtmedizinischen. Untersuchungen

Kommunicera på tyska G30

Leseprobe. Thomas Konert, Achim Schmidt. Design for Six Sigma umsetzen ISBN: Weitere Informationen oder Bestellungen unter

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Spenden - Was muss man darüber wissen? Worauf muss man achten?

1. Einführung. 1.1 Tourenplanung als Teilbereich der Logistik

8. Berechnung der kalkulatorischen Zinsen

Die Zukunft der Zukunftsforschung im Deutschen Management: eine Delphi Studie

Frauen und ihr Verständnis von Schönheit

Teilzeitbeschäftigte sind nach dem TV-EKBO grundsätzlich n i c h t zu Mehrarbeit und Überstunden verpflichtet.

Vorab per . Oberste Finanzbehörden der Länder

Der Leverage-Effekt wirkt sich unter verschiedenen Umständen auf die Eigenkapitalrendite aus.

Fit for Fair-Training. Unternehmensberatung. Mit Weitblick & System!

PRODUKTE DER STRATEGIEENTWICKLUNG ERFOLGREICHE POSITIONIERUNG IM WETTBEWERB ENTWICKELN

Existenzgründer Rating

WERKZEUG KUNDENGRUPPEN BILDEN

Die Ergebnisse dazu haben wir in der beiliegenden Arbeit zusammengestellt.

Transkript:

Sport Boris Hoppen Ökonomische Prozesse im Sport. Untersucht am Marketing in Sportvereinen Magisterarbeit

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Magisterstudiengang Sportwissenschaft/Wirtschaftswissenschaften MAGISTERARBEIT TITEL: ÖKONOMISCHE PROZESSE IM SPORT. UNTERSUCHT AM BEISPIEL DES MARKETING IN SPORTVEREINEN vorgelegt von Boris Hoppen Oldenburg, 11. Februar 2005

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... II Darstellungsverzeichnis...VI 1 Einleitung...1 2 Bestimmung des Sports...3 2.1 Definition...3 2.2 Die ökonomische Entwicklung des Sports...5 2.3 Die Sportvereine und ihre Entwicklung...10 2.4 Die Umfeldbedingungen für den Sport...15 3 Die Sport-Ökonomie...22 3.1 Das Wirtschaftgut Sport...23 3.1.1 Klassifikation...24 3.1.2 Sportdienstleistungen...26 3.2 Der Sportmarkt...28 3.3 Folge- und Nachbarmärkte...31 3.3.1 Die Folgemärkte...31 3.3.2 Die Nachbarmärkte...32 4 Probleme der Sport-Ökonomie...33 4.1 Besonderheiten des Konsumgutes Sport...33 4.2 Besonderheiten des Zuschauersports...36 4.3 Besonderheiten der Institutionen...37 4.4 Besonderheiten im Ligawettbewerb...38 II

5 Das Marketing...39 5.1 Entwicklungsphasen des Marketing in Deutschland...39 5.2 Der Begriff des Marketing...43 5.2.1 Weiter Marketingbegriff...43 5.2.2 Enger Marketingbegriff...44 5.3 Das Marketing-Management...48 5.4 Phasen des Marketing-Management-Prozesses...50 5.5 Zusammenfassung...55 6 Das Sport-Marketing...56 6.1 Der Begriff des Sport-Marketing...57 6.2 Besonderheiten des Sport-Marketing...58 7 Der Marketing-Management-Prozess in Sportvereinen...60 7.1 Informations- oder Analysephase...61 7.1.1 Umfeldanalyse...62 7.1.2 Marktanalyse...65 7.1.2.1 Marktbestimmung...65 7.1.2.2 Nachfrageanalyse...68 7.1.2.3 Die Konkurrenzanalyse...70 7.1.3 Die Unternehmensanalyse...72 7.1.4 Marktforschung...77 7.1.5 Strategische Analyse bzw. Diagnose...78 7.2 Konzeptionsphase...83 7.2.1 Zielbestimmung...84 7.2.2 Strategieentwicklung...86 7.2.2.1 Geschäftsfelderorientierte Strategien...87 7.2.2.2 Konkurrenzorientierte Strategien...89 7.2.2.3 Kundenorientierte Strategien...90 7.2.2.4 Positionierungsstrategien...91 III

7.2.2.5 Gesamtstrategie (Strategie-Mix)...91 7.3 Gestaltungsphase...92 7.3.1 Leistungspolitik...93 7.3.1.1 Kern- und Zusatzleistungen...94 7.3.1.2 Produktpalette...95 7.3.1.3 Qualität...96 7.3.1.4 Markenpolitik und Produktpositionierung...97 7.3.2 Preispolitik...100 7.3.3 Distributionspolitik...103 7.3.3.1 Gestaltung des Absatzkanalsystems...104 7.3.3.2 Gestaltung des logistischen Systems...106 7.3.3.3 Spezielle Distributionsformen im Sport...107 7.3.4 Kommunikationspolitik...109 7.3.4.1 Klassische Werbung...111 7.3.4.2 Verkaufsförderung (Promotions)...113 7.3.4.3 Persönliche Kommunikation...114 7.3.4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations)...115 7.3.4.5 Messen/Ausstellungen...116 7.3.4.6 Event-Marketing...117 7.3.4.7 Multimedia-Kommunikation...118 7.3.5 Personalpolitik...120 7.3.6 Beschaffungspolitik...123 7.4 Implementierungsphase...129 7.5 Kontrollphase...132 7.5.1 Klassische Marketing-Kontrolle...133 7.5.1.1 Ergebniskontrollen...133 7.5.1.2 Prozeßkontrollen...135 7.5.2 Marketing-Auditing...135 7.6 Zusammenfassung...137 8 Ergebnisse und Ausblick...139 IV

Literaturverzeichnis...141 Anlage 1: Ablauf beim Heimspiel der EWE Baskets...154 V

Darstellungsverzeichnis Darstellung 1: Quantitative Entwicklung der Sportvereine...14 Darstellung 2: Gliederung der Sportbetriebe...28 Darstellung 3: Gliederung der Sportdienstleister...29 Darstellung 4: Zusammenhang zwischen Sportler- und Zuschauermarkt...30 Darstellung 5: Der Marketing-Management-Planungsprozeß...52 Darstellung 6: Das Kreislaufmodell des Marketing...54 Darstellung 7: Club-Logo der EWE Baskets...99 Darstellung 8: Merchandising-Logo der EWE Baskets...99 Darstellung 9: Online-Angebot des DSB...105 VI

1 Einleitung 1 Einleitung Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports in Deutschland ist in erster Linie geprägt von seinen Effekten auf die Volksgesundheit, vom Spaß der Sportler und der Sportkonsumenten und von seiner erzieherischen Wirkung auf Kinder und Jugendliche. Daneben hat sich der Sport aber auch zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt, bei dem Lohn- und Gewinneinkommen entstehen, Konsum- und Investitionsentscheidungen getroffen, Steuern gezahlt und Subventionen gewährt werden. Bis zur heutigen Zeit hat die Sportindustrie einen Professionalisierungsschub erlebt, der sich weiter fortsetzen wird. 1 Denn u. a. nach Freigabe der Amateurbedingungen und der Einführung des dualen Rundfunk- und Fernsehsystems, der Erhöhung des Anteils von Personen mit flexiblen Arbeitszeiten, öffnen sich die alten Sportstrukturen zunehmend für neue Entwicklungen. In den traditionellen, non-profit-orientierten Sportverbänden und -vereinen sind daher mehr hauptamtliche Mitarbeiter erforderlich als bisher. Gleichzeitig hat im Vereins- und Verbandswesen der Marketinggedanke Eingang gefunden. Großvereine setzen beispielsweise bereits Elemente des modernen betriebswirtschaftlichen Marketing und Management ein. 2 Vor dem oben skizzierten Hintergrund ist es Aufgabe dieser Arbeit, die ökonomischen Prozesse im Sport, die sich im Rahmen des Marketing bzw. des modernen Marketing-Management in Sportvereinen ergeben, ausführlich aufzuzeigen. Hierzu wird der Sport hinsichtlich seiner gesellschaftlichen sowie ökonomischen Entwicklung und Bedeutung untersucht, um den veränderten Handlungsrahmen für die Vereine und damit die Notwendigkeit zum modernen Marketing-Management zu verdeutlichen. 1 Vgl. Krüger, A.: Duale Struktur des Sportmarkts, 2004, S. 19. 2 Vgl. Freyer, W.: Grundlagen des Sport-Marketing, 2004, S. 53. 1

1 Einleitung In Kapitel 2 soll zunächst einleitend definiert werden, was unter dem Begriff Sport zu verstehen ist. Es wird die ökonomische Entwicklung des Sports dargestellt, um ein Bild der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports in Deutschland zu erhalten. Dazu werden auch die gegenwärtige ökonomische Situation des Sports sowie ihre zukünftigen Perspektiven skizziert. Weiterführend erfolgt die Darstellung der Vereinswesens anhand seiner rechtlichen und institutionellen Grundlagen einschließlich seiner quantitativen Entwicklung. Abschließend werden mit den Umfeldbedingungen des Sports die Ursachen für seine gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung beschrieben. In den Kapiteln 3 und 4 wird die Ökonomie des Sports bzw. die Sport-Ökonomie behandelt. Es werden hierzu in Kapitel 3 der Begriff der Sport-Ökonomie bestimmt und die Güter/Dienstleistungen sowie die Märkte des Sports explizit analysiert und klassifiziert. Außerdem werden die Probleme bzw. Besonderheiten, die bei der ökonomischen Betrachtung des Sports auftreten, beleuchtet. Im fünften Kapitel wird der allgemeine Rahmen des Marketing aufgezeigt. Dazu wird im Einzelnen die Entwicklung des Marketing in Deutschland und das heutige Marketingverständnis in Wissenschaft und Praxis dargestellt. Ferner werden das Marketing-Management, seine Aufgaben und sein konzeptioneller Prozess thematisiert. Aufbauend auf die vorangegangenen Kapitel wird schließlich das Sport- Marketing in Vereinen anhand einer systematischen, konzeptionellen Marketing- Management-Methode ausführlich erläutert (Kapitel 6 und 7). Es werden in Kapitel 6 das Sport-Marketing definiert und seine Besonderheiten in Bezug auf das Vereinswesen skizziert. In Kapitel 7 folgt die Darstellung des Marketing- Management-Prozesses, der anhand von Beispielen aus der Praxis konkretisiert und belegt wird. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse leitet zum 8. Kapitel ü- ber, das die vorliegende Arbeit mit einem Ausblick auf einen weiteren Forschungs- und Entwicklungsbedarf des Sport-Marketing in Wissenschaft und Praxis beschließt. 2

2 Bestimmung des Sports 2 Bestimmung des Sports Wie stellt sich der Sport in der Gegenwart dar und wie wird er sich weiter im 21. Jahrhundert entwickeln? Befinden wir uns auf dem Weg in eine Sportgesellschaft? Festzustellen ist, dass sich der Sport zu einem ubiquitären Phänomen entwickelt hat. 3 Der Sport beeinflusst heutzutage das tägliche Leben einer breiten und heterogenen Bevölkerungsmasse. Sport wird neben der aktiven Ausübung in erheblichem Maße auch passiv in der Form von Live-Übertragungen im Fernsehen, Berichten in Zeitungen, Ergebnissen von Sportereignissen, Bekleidung etc. konsumiert. In diesem Kapitel soll die Frage erläutert werden, was unter Sport zu verstehen ist. Nach einer Begriffserklärung werden weiterführend die ökonomische Entwicklung des Sports sowie seine gegenwärtige und zukünftige ökonomische Situation in Deutschland erörtert. Zudem wird das Vereinswesen im Sport und seine quantitative Entwicklung beschrieben. Anschließend werden ausführlich die Umfeldbedingungen für den Sport dargestellt. Das Ziel hierbei ist es, ein umfassendes Bild vom Sport und seinem System in Deutschland aus verschiedenen Perspektiven zu skizzieren. Denn ausgehend von diesen Betrachtungen soll im nachfolgenden Kapitel die Sport-Ökonomie dargestellt werden. 2.1 Definition Es gibt eine Vielzahl von Bemühungen von Sportwissenschaftlern und auch von Sportverbänden, zu formulieren, was Sport ist. Eine einheitliche Auffassung ist folglich nicht entstanden, wodurch eher ein diffuses Bild vom Sport entsteht. Jedoch mit Hilfe einer soziologischen Betrachtung des Sports, wie von Heinemann (1998, S. 33ff.) durchgeführt, lässt sich ein erstes gemeinsames Verständnis darüber, was den Gegenstand einer Soziologie des Sports ausmacht, erzielen. 3 Vgl. Hermanns, A.; Riedmüller F.: Neuorientierung des Sport-Marketing, 2001, S. 5. 3

2 Bestimmung des Sports Sport ist demnach nicht nur ein bestimmter Bewegungsablauf an sich, sondern ein soziales Konstrukt. Er entsteht durch eine situationsspezifische Rezeption und Bedeutungszuweisung des Bewegungsablaufes durch die Akteure, z. B. als zweckfrei, erholsam, gesund, unproduktiv, fair, risikoreich, leistungsorientiert, wettkampfbezogen, kommunikativ, freudvoll usw., wobei andere Merkmale, wie z. B. Schweiß, Anstrengung, Routine und Monotonie, als nicht konstitutiv ausgeklammert werden. Durch solche Konstruktionsmuster ergibt sich somit erst ein Bedeutungsfeld, in dem eine bestimmte Aktivität als Sport definiert werden kann. 4 Heinemann (1998, S. 34) konkretisiert die Merkmale für dieses Bedeutungsfeld und konstatiert die vier Elemente Körperliche Bewegung, Wettkampf, Sportartenspezifisches Regelwerk und Unproduktivität. Fortfahrend lassen sich aus diesen vier Konstruktionselementen folgende fünf verschiedene Modelle des Sports bilden: 5 1. Traditionelles Sportmodell: Dieses Modell ist dadurch gekennzeichnet, dass es alle vier Konstruktionsmerkmale enthält. Es gilt zudem für die verschiedenen Leistungsniveaus im Breiten-, Leistungs- und Hochleistungssport. 2. Showsportmodell: Bei diesem Modell bleiben die konstitutiven Variablen des traditionellen Modells bis auf die Variable der Unproduktivität erhalten. Denn in diesem Modell ist der Sport (Zuschauersport) geprägt von einer Vielzahl kommerzieller Interessen. 3. Expressives Sportmodell: In diesem Modell ist vor allem das Merkmal der Unproduktivität vorherrschend, das sich in einem bestimmten Typus unproduktiver körperlicher Bewegungen äußert. Das Leistungsprinzip ist hierbei nur bedingt gegeben. Im Vordergrund stehen jedoch der Spaß, die Freude und insbesondere das Erleben. 4 Vgl. Franke, E.: Theorie und Bedeutung sportlicher Handlungen, 1978, S. 140. 5 Vgl. Heinemann, K.: Einführung in die Soziologie des Sports, 1998, S. 35f. 4

2 Bestimmung des Sports 4. Funktionalistisches Sportmodell: Dieses Modell fasst den Sport als instrumentell auf, d. h. Sinn und Strukturen des Sports werden aus verschiedenen, auf den Körper bezogenen Funktionen abgeleitet. Im Vordergrund stehen Körperformung, Gewichtsabnahme, körperliches Wohlbefinden usw. Übungsbetrieb, Rituale, langfristiges Training werden dabei vernachlässigt. 5. Traditionelle Spiel- und Sportkultur: Dieses Modell beinhaltet traditionelle, vorindustrielle Spiel- und Bewegungskulturen, die in den letzten Jahren eine Wiederbelebung erfahren haben. Das Leistungsprinzip und ein sportartenspezifisches Regelwerk sind in diesem Modell nur bedingt gegeben. Anhand dieser Konstruktionselemente lassen sich folglich unterschiedliche Sportmodelle mit unterschiedlichen Konstruktionsmustern bilden (vgl. hierzu Abschnitt 2.4), wobei jedoch die Konstruktion an sich von verschiedenen Personengruppen, in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeiten in jeweils unterschiedlicher Form erfolgt. Dabei spiegeln sich im Sport gesellschaftliche Strukturen, Prozesse, Wertvorstellungen und Normen wider. Das diffuse Bild des Sports bleibt erhalten. Es deutet sich bereits an, dass folgerichtig auch eine Ökonomie des Sports komplex gestaltet sein muss, wie in den folgenden Kapiteln sichtbar werden wird. 2.2 Die ökonomische Entwicklung des Sports Um ein genaueres Bild des Sports in der heutigen Zeit zu erhalten, soll zuerst aus volkswirtschaftlicher Sicht die quantitative ökonomische Entwicklung des Sports in den letzten Jahrzehnten aufgezeigt werden. Nachfolgend werden die gegenwärtige sowie die zukünftige ökonomische Lage des Sports beschrieben. 5

2 Bestimmung des Sports Es lassen sich zunächst folgende Entwicklungen in Deutschland aufzeigen: Der passive Sportkonsum stieg von 73% aller Einwohner über 14 Jahren im Jahr 1994, auf 89% im Jahr 2000. 6 Zudem hat die Anzahl der aktiven Sportler in den letzten Jahren deutlich zugenommen: 1994 gaben 60,2% der Bevölkerung an, sich sportlich zu betätigen. 1998 waren es 4% mehr, also 64,2%. 7 Betrachtet man die Entwicklung des Jahresumsatzes für den Sport bzw. des sportbezogenen Bruttoninlandproduktes, wird ebenso ein starkes Wachstum erkennbar. Für das Jahr 1949 wurde ein Umsatz von 3,36 Milliarden DM errechnet. 8 Dagegen hat das statistische Bundesamt für 1998 ein sportbezogenes Bruttoinlandsprodukt von 53 Milliarden DM ermittelt. Davon entfielen ca. 40,6 Mrd. auf die privaten Haushalte, die diese Summe für Sportzwecke ausgaben. 9 Nach ca. 50 Jahren hat sich das sportbezogene Bruttoinlandsprodukt mehr als verzehnfacht. Da bereits 1998 1,9% des privaten Konsums auf den Sportmarkt entfielen, zeigt sich, dass der Sportmarkt zu einem schnell wachsenden Industriezweig geworden ist. 10 Nach Heinemann (1998, S. 266) verdienten im Jahr 1998 ca. 2% aller Beschäftigten ihren Lebensunterhalt im Sportmarkt. Auch für das Sport- Sponsoring ergibt sich eine wachstumsstarke Entwicklung (vgl. dazu auch Kapitel 7.3.6). Zu erwähnen sind folgende Beträge (in DM), die für das Sport-Sponsoring in den letzten zwei Jahrzehnten zur Verfügung standen: 1985: ca. 300 Mio. 1986: ca. 400 Mio. 1987: ca. 600 Mio. 1988: ca. 800 Mio. 1992 stieg dieser Betrag auf 1,2 Mrd., 1995 auf ca. 1,7 Mrd. 11 Für das Jahr 1999 wurden die Aufwendungen im Rahmen des Sport-Sponsoring auf ca. 2,4 Mrd. DM beziffert. 12 Des weiteren hat insbesondere der Fitnessmarkt in Deutschland geboomt. Seit 1975 hat eine über 600%-ige Steigerung der Anzahl von Fitnessanlagen stattgefunden. Im Jahr 2001 gab es bundesweit ca. 6000 Fitnessstudios, in denen 4,3 Mio. Bundesbürger trainierten. 13 6 Vgl. UFA: Fußballstudie, 2000, S. 10. 7 Vgl. Spiegel: Online Datenbanken, 2000. 8 Vgl. Trosien, G.: Die Sportbranche, 1994, S. 11. 9 Vgl. Meyer, B.; Ahlert, G.: Die ökonomischen Perspektiven des Sports, 2000, S. 19ff. 10 Vgl. Hermanns, A.; Riedmüller, F.: Neuorientierung des Sport-Marketing, 2001, S. 7. 11 Vgl. Heinemann, K.: Einführung in die Ökonomie des Sports, 1995, S. 210-211. 12 Vgl. Hermanns, A.: Entwicklung und Perspektiven des Sportsponsoring, 2001, S. 393. 13 Vgl. Felkel, D.: Der Fitnessmarkt im Wandel, 2001, S. 150. 6

2 Bestimmung des Sports Nach Angaben des Verbands Deutscher Fitnessstudios (VDF) soll die Zahl der Kunden im Jahr 2005 auf fünf bis sechs Millionen ansteigen, der potentielle Jahresumsatz auf ca. 4,5 Mrd. DM und der Arbeitskräftebedarf auf 120.000. 14 Auch in diesem Bereich des Sportmarktes zeigt sich ein außergewöhnliches Wachstum in den letzten Jahrzehnten. Insgesamt gesehen hat sich, wie die Zahlen belegen, der gesamte Sportmarkt bis zum heutigen Zeitpunkt äußerst wachstumsstark entwickelt. Es zeichnen sich somit deutlich die Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports ab. Trosien (1994, S. 11) stellt hierzu fest: Die Karriere des Sports im auslaufenden 20. Jahrhundert ist äußerst erfolgreich verlaufen. Allerdings ist in Bezug auf die gegenwärtige ökonomische Lage des Sports bzw. Sportmarkts anzumerken, dass diese in der Regel durch die gegenwärtige konjunkturelle Lage in Deutschland beeinflusst wird. Die schwache Konjunktur der vergangenen Jahre hatte folglich auch Auswirkungen auf den Sportmarkt. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Entwicklungen zu nennen, deren negativen Auswirkungen auf das Wachstum dieses Marktes bis heute zu verspüren sind. Der Zusammenbruch des Medienimperiums von Leo Kirch im Sommer 2002 hatte z. B. einen verheerenden Einfluss auf den Sportmarkt, insbesondere den Fußballmarkt. Die TV-Einnahmen waren damals bereits um 25 % auf 290 Millionen Euro gesunken, so dass viele der 36 Profi-Clubs an den Rand des Ruins getrieben wurden. 15 Im Jahr 2003 waren es nicht mehr 70 Millionen Euro weniger, sondern 170 Millionen Euro. Die Clubs sind somit bis heute zu strengen Sparmaßnahmen gezwungen und zahlen z. B. deutlich geringere Gehälter und Ablösesummen. Ebenso geprägt vom Sparzwang ist der Bereich des Sport- Sponsoring. 14 Vgl. VDF: Fitnessfakten zum Millenium, 1999. 15 Vgl. Spiegel 15/2003. 7