Makroökonomie. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion. Dr. Michael Paetz. (basierend auf den Folien von Jun.-Prof. Dr.



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Transkript:

Makroökonomie Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion Dr. Michael Paetz (basierend auf den Folien von Jun.-Prof. Dr. Lena Dräger) Universität Hamburg Email: Michael.Paetz@wiso.uni-hamburg.de 1 / 42

Outline Outline Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 1 Einführung 2 Wiederholung Phillipskurve 3 Okun sches Gesetz 4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 5 Dynamische Analyse 6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 2 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.1 Einführung Einführung 3 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.1 Einführung Einführung In dieser Woche beschäftigen wir uns mit den folgenden Beziehungen: Die Phillipskurvenbeziehung: beschreibt eine inverse Beziehung zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit. Das Gesetz von Okun: beschreibt den Zusammenhang zwischen Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit. Eine modifizierte Version der aggregierten Nachfragefunktion: beschreibt den Zusammenhang zwischen Produktionswachstum auf der einen Seite und nominalem Geldmengenwachstum sowie Inflation auf der anderen Seite. 4 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.1 Einführung Einführung Abbildung : Graphischer Zusammenhang 5 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.2 Wiederholung Phillipskurve Wiederholung Phillipskurve 6 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.2 Wiederholung Phillipskurve 9.2 Wiederholung Phillipskurve Aus der AS-Kurve P t = P e t (1 + µ)(1 αu t + z) lässt sich die Phillipskurve als Zusammenhang zwischen Inflation π t, erwarteter Inflation π e t und der Arbeitslosenquote u t herleiten: π t = π e t + (µ + z) αu t (1) 7 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.2 Wiederholung Phillipskurve 9.2 Wiederholung Phillipskurve Die Inflationserwartungen (π e t ) bestimmen, wie sich eine Veränderung der Arbeitslosenquote auf die Inflationsrate auswirkt: adaptive Erwartungen: π e t = θπ t 1 π t = θπ t 1 + (µ + z) αu t extrapolative Erwartungen: π e t = π t 1 π t π t 1 = π t = (µ + z) αu t 8 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.3 Okun sches Gesetz Okun sches Gesetz 9 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.3 Okun sches Gesetz 9.3 Okun sches Gesetz Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit Positiver Zusammenhang zwischen Produktionswachstum g y und Beschäftigung N: u t u t 1 = g yt (2) Gemäß Gleichung (2) führt ein Anstieg der Produktion um 1 % zu einem Beschäftigungsanstieg von 1% (wegen der angenommenen Produktionsfunktion Y = N). Dies hat einen Rückgang der Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt zur Folge. 10 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.3 Okun sches Gesetz 9.3 Okun sches Gesetz Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit Ein Anstieg des Produktionswachstums führt zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote und umgekehrt. Abbildung : Veränderung der Arbeitslosenquote und Produktionswachstum in den USA und in Deutschland, 1990-2009 Deutschland: rote Linie, USA: schwarze Linie. 11 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.3 Okun sches Gesetz 9.3 Okun sches Gesetz Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit Die inverse Beziehung zwischen Produktionswachstum und Arbeitslosenquote wird Okun sches Gesetz genannt. Trägt man für Deutschland und die USA die Veränderung der Arbeitslosenquote gegenüber der Wachstumsrate des BIP für die Jahre 1990-2009 ab, ergeben sich folgende Regressionsgeraden: für Deutschland: u t u t 1 = 0, 11(g yt 2%) für die USA: u t u t 1 = 0, 45(g yt 2, 5%) Das Jahr 2009 ist ein Ausreißer (Finanzkrise). Schätzungen von 1990-2008 ergeben: für Deutschland: u t u t 1 = 0, 25(g yt 2, 3%) für die USA: u t u t 1 = 0, 37(g yt 2, 8%) Frage: Wie könnte man die Konstante interpretieren? 12 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.3 Okun sches Gesetz 9.3 Okun sches Gesetz Produktionswachstum und Arbeitslosigkeit Regression für die USA: u t u t 1 = 0, 45(g yt 2, 5%) Gemäß der Gleichung reagiert die Arbeitslosenquote nicht eins-zu-eins auf Veränderungen des Produktionswachstums. Hierfür lassen sich zwei Gründe anführen: 1 Aus Gründen der Unternehmensorganisation und der Arbeitsmarktregulierung ist es i.d.r. nicht möglich, auf eine veränderte Nachfrage vollständig mit Entlassungen bzw. Einstellungen zu reagieren viele Unternehmen beschäftigen z.b. ihre Mitarbeiter weiter, auch wenn die Produktion unter dem normalen Niveau liegt. 2 Kommt es zu Neueinstellungen, führt dies i.d.r. nicht zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote in gleichem Ausmaß, da einige der neuen Stellen an Personen vergeben werden, die vorher nicht Teil der Erwerbsbevölkerung waren. 13 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.3 Okun sches Gesetz 9.3 Okun sches Gesetz In allgemeiner Form: u t u t 1 = β(g yt g y ) g y stellt die normale Wachstumsrate der Produktion dar. Der Koeffizient β ist ein Maß für die Stärke des Effekts, den ein Anstieg des Produktionswachstums über das normale Niveau hinaus auf die Arbeitslosenquote hat. Wächst die Produktion stärker als normal, kommt es zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote (a). Im umgekehrten Fall steigt die Arbeitslosenquote an (b). (a) g yt > g y u t < u t 1 (b) g yt < g y u t > u t 1 14 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung Die aggregierte Nachfragebeziehung 15 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung Die aggregierte Nachfragebeziehung (AD-Kurve) aus Kapitel 7 mit Zeitindizes: Y t = Y ( M t P t, G t, T t ) (3) Unterstellt man einen linearen Zusammenhang zwischen realer Geldmenge und realer Produktion und vernachlässigt den Einfluss von Staatsausgaben und Steuern: Y t = γ M t P t (4) Ein Anstieg der realen Geldmenge führt über gesunkene Wertpapierzinsen und einen Anstieg der Investitionsnachfrage zu einem Anstieg der realen Produktion um den Faktor γ. 16 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Modifizierte AD-Kurve in Wachstumsraten Die modifizierte AD-Kurve in (4) lässt sich auch in Wachstumsraten ausdrücken. Dazu nutzen wir die Propositionen 7 und 8 aus dem mathematischen Anhang: Proposition 7: Für z = xy gilt: g z g x + g y Proposition 8: Für z = x y gilt: g z g x g y 17 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Modifizierte AD-Kurve in Wachstumsraten Umformen der modifizierten AD-Kurve: Y t = γ Mt P t 18 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Modifizierte AD-Kurve in Wachstumsraten Wenn der Koeffizient γ konstant ist, bekommen wir folgenden Zusammenhang zwischen Produktionswachstum, Geldmengenwachstum und Inflation: g yt g mt π t (5) Ein Anstieg des realen Geldmengenwachstums (g mt π t ) führt zu einem Anstieg des realen Produktionswachstums. 19 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Die Volkswirtschaft in der mittleren Frist Nehmen wir an, die Zentralbank lasse die nominale Geldmenge in jeder Periode mit einer konstanten Rate g m wachsen. Mittelfristig wird sich die Arbeitslosenquote nicht verändern (GG auf dem Arbeitsmarkt): u t = u t 1 u t = u n für alle t Daraus folgt über das Okun sche Gesetz, dass mittelfristig das Wachstum der Produktion der normalen Wachstumsrate entsprechen muss: g yt = g y Bei einer Geldmengenwachstumsrate von g m und einem Produktionswachstum von g y folgt aus der aggregierten Nachfragebeziehung, dass mittelfristig die Inflation konstant ist. Sie muss genau so hoch sein, dass die folgende Beziehung erfüllt ist: g y = g m π π = g m g y 20 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Die Volkswirtschaft in der mittleren Frist Mittelfristig entspricht die Inflationsrate also der Differenz aus nominalem Geldmengenwachstum und normalem Produktionswachstum (=bereinigtes Geldmengenwachstum). Ist die Inflationsrate konstant, entspricht die aktuelle Inflation der des Vorjahres (π t = π t 1 ). Setzt man dies in die Phillipskurvenbeziehung ein, ergibt sich für die mittlere Frist genau die natürliche Arbeitslosenquote: u t = u n. In der mittleren Frist haben Veränderungen des nominalen Geldmengenwachstums keinen Effekt auf Produktion oder Arbeitslosigkeit. Sie werden vollständig in Veränderungen der Inflationsrate umgesetzt. Dies folgt aus dem Arbeitsmarktmodell der AS-Kurve, in dem die Unternehmen ihre Preise unabhängig vom Produktionsniveau setzen! 21 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung 9.4 Die aggregierte Nachfragebeziehung Mittelfristig entspricht die Arbeitslosigkeit der natürlichen Rate. Die Inflation ist gleich dem bereinigten nominalen Geldmengenwachstum. Abbildung : Inflation und Arbeitslosigkeit in der mittleren Frist 22 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse Dynamische Analyse 23 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Reduktion der Inflationsrate Angenommen, die Zentralbank reduziert das nominale Geldmengenwachstum, um die Inflationsrate zu verringern. Aus der aggregierte Nachfragebeziehung bekommen wir bei gegebener Inflationsrate: g m (g m π) g y Gemäß Okun schem Gesetz: g y u Gemäß Phillipskurvenbeziehung: u π Anfänglich führt der Rückgang des nominalen Geldmengenwachstums zu einem Rückgang der Inflation und des Produktionswachstums sowie zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote. 24 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Reduktion der Inflationsrate Im Zeitablauf bewegt sich die Ökonomie zum mittelfristigen Gleichgewicht: Gemäß PK- Relation: So lange gilt u > u n π Aggregierte Nachfrage: Wenn π << g m g y g y > g y Gemäß Okun schem Gesetz: Wenn g y > g y u Insgesamt zeigt sich, dass die Arbeitslosenquote nicht dauerhaft über ihr natürliches Niveau steigt. 25 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Die Entwicklung der Arbeitslosenquote π t π t 1 = α(u t u n ) Gemäß obiger Phillipskurvenrelation führt Disinflation - ein Rückgang der Inflationsrate (zu unterscheiden von Deflation: ein Rückgang des Preisniveaus) - zu höherer Arbeitslosigkeit. Die jährliche Differenz zwischen der tatsächlichen und der natürlichen Arbeitslosenquote wird als Jahresprozentpunkt an Überschussarbeitslosigkeit bezeichnet. (π t π t 1 ) < 0 (u t u n ) > 0 u t > u n 26 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Das Opferverhältnis π t π t 1 = α(u t u n ) Die jährliche Differenz zwischen der tatsächlichen und der natürlichen Arbeitslosenquote wird als Jahresprozentpunkt an Überschussarbeitslosigkeit bezeichnet. Liegt beispielsweise die natürliche Arbeitslosenquote bei 6% und die Arbeitslosenquote für 4 Jahre bei 8%, dann bedeutet dies 4x(8 6) = 8 Jahresprozentpunkte an Überschussarbeitslosigkeit. Das Opferverhältnis ( sacrifice ratio ) ist definiert als die Anzahl der Jahresprozentpunkte an Überschussarbeitslosigkeit, die zur Reduktion der Inflationsrate um 1% benötigt wird. 27 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Berechnung Opferverhältnis Angenommen, die Zentralbank will die Inflationsrate um einen Prozentpunkt senken. Wir nehmen außerdem an, dass die Phillipskurve gilt: π t = π t π t 1 = α(u t u n ) Um die Inflationsrate um einen Prozentpunkt zu reduzieren, muss die Überschussarbeitslosigkeit gerade 1/α entsprechen. Das Opferverhältnis beträgt 1/α. 28 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Der Pfad des nominalen Geldmengenwachstums Beispiel: Die Zentralbank will die Inflationsrate (momentan 14%) über 5 Jahre um 10 Prozentpunkte auf 4% senken. Im Ausgangspunkt (Jahr 0) sei das Produktionswachstum gleich dem normalen Wachstum von 3%. Die natürliche Arbeitslosenquote sei 6%. α in der Phillipskurve sei 1 das Opferverhältnis ist 1: π t = (u t 6%) u t = 6% π t β im Okun schen Gesetz sei 0,4: u t = 0, 4(g yt 3%) g yt = 3% u t /0, 4 Vor Beginn der Disinflation ergibt sich ein nominales Geldmengenwachstum von g mt = g yt + π t = 17%. 29 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Allmähliche Reduzierung des nom. Geldmengenwachstums Tabelle : Disinflation um 10 Prozentpunkte über fünf Jahre Jahr in % vorher Disinflation nachher Jahr 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Inflation 14 12 10 8 6 4 4 4 4 Arbeitslosigkeit 6 8 8 8 8 8 6 6 6 Produktionswachstum 3-2 3 3 3 3 8 3 3 nom. Geldmengenw. 17 10 13 11 9 7 12 7 7 30 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse 9.5 Dynamische Analyse Der Pfad der Erwerbslosenquote Abbildung : Inflation und Arbeitslosigkeit in der mittleren Frist 31 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.5 Dynamische Analyse nomie 9.5 Dynamische Analyse Einmalige Reduzierung des nom. ldmengenwachstum, Inflation und Produktion Geldmengenwachstums Abbildung : Dynamische Anpassungen nach einer permanenten Reduktion des Geldmengenwachstums 32 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 33 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Die Lucas-Kritik Die Lucas-Kritik Kritik: Die Auswirkungen einer Politikmaßnahme auf die Ökonomie dürfen nicht anhand von vergangenen Erfahrungswerten prognostiziert werden, sondern ausschließlich anhand struktureller Beziehungen. Grund: Gemäß der Lucas-Kritik berücksichtigen die Tarifparteien die Folgen von Politikveränderungen, wenn sie ihre Erwartungen bilden. Können die Tarifparteien überzeugt werden, dass die Inflation in Zukunft niedriger ausfallen wird als in der Vergangenheit, so dass ihre Inflationserwartungen entsprechend reduziert werden, dann fiele dadurch die zukünftige Inflation bei gleicher Arbeitslosigkeit tatsächlich geringer aus (geringere Verschiebung der AS-Kurve). 34 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Die Lucas-Kritik Thomas Sargent, der mit Robert Lucas zusammen arbeitete, argumentierte, dass wesentlich für eine erfolgreiche Disinflation sei, dass die Geldpolitik über genügend Glaubwürdigkeit verfüge, was ihr Ziel der Preisstabilität angeht. Glaubwürdigkeit bedeutet, dass die an der Lohnsetzung beteiligten Parteien ihre Erwartungen auf der Überzeugung gründen, die Geldpolitik sei fest entschlossen, die Inflationsrate zu reduzieren. Schlussfolgerung, dass eine radikale und schnelle Disinflation am glaubwürdigsten ist, und deshalb die geringsten Kosten in Form höherer Arbeitslosenquoten nach sich zieht. 35 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Nominale Verträge Nominale Verträge Nominale Rigiditäten Zu genau gegensätzlichen Ergebnissen kamen Stanley Fischer und John Taylor. Beide betonten den Umstand, dass in modernen Volkswirtschaften viele Löhne und Preise für einen gewissen Zeitraum festgelegt sind und somit nicht auf Veränderungen der Politik reagieren können. Die Folgen dieser Festsetzung von Löhnen und Preisen in nominalen Einheiten bezeichneten sie als nominale Rigiditäten. 36 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Nominale Verträge Taylor ging von der Beobachtung aus, dass Lohnkontrakte nicht alle zur gleichen Zeit, sondern zeitlich gestaffelt ( staggered ) abgeschlossen werden. Er argumentierte, dass diese zeitliche Staffelung der Lohnabschlüsse ( staggering of wage decisions ) die Möglichkeit einer raschen Disinflation erheblich beschränke. Um die Arbeitslosigkeitskosten der Disinflation zu reduzieren, sollte den Tarifparteien Zeit gegeben werden, um die Auswirkungen eine Politikveränderung zu berücksichtigen. Eine allmähliche, aber glaubwürdige Disinflation verursacht möglicherweise geringere Arbeitslosigkeitskosten. 37 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Volcker-Disinflation in den USA Tabelle : Inflation und Arbeitslosigkeit in den USA, 1979 1985 in % 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 BIP-Wachstum 2,5-0,5 1,8-2,2 3,9 6,2 3,2 Arbeitslosenquote 5,8 7,1 7,6 9,7 9,6 7,5 7,2 Inflationsrate 13,3 12,5 8,9 3,8 3,8 3,9 3,8 kum. Arbeitslosigkeit 1,0 2,6 6,3 9,9 11,4 12,6 kum. Disinflation 0,8 4,4 9,5 9,5 9,4 9,5 Opferverhältnis 1,3 0,6 0,7 1,0 1,2 1,3 Die kumulierte Arbeitslosigkeit berechnet sich als Summe der Jahresprozentpunkte an Überschussarbeitslosigkeit seit Beginn des Jahres 1980. Zur Berechnung wurde eine natürliche Arbeitslosenquote von 6,0% unterstellt. Die kumulierte Disinflation berechnet sich als Differenz zwischen der Inflationsrate eines Jahres und der Inflationsrate des Jahres 1979. 38 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Disinflation in den USA Die Disinflation in den Vereinigten Staaten Anfang der 80er Jahre ging mit einer wesentlichen Zunahme der Arbeitslosigkeit einher. Die Phillipskurvenbeziehung erwies sich als robuster, als von vielen Ökonomen vermutet worden war. Einem scharfen Anstieg des Zinssatzes von September 1979 bis April 1980 folgte eine scharfe Abnahme Mitte 1980 und schließlich ein zweiter und dauerhafter Anstieg von Juli 1980 an, der den Großteil der Jahre 1981 und 1982 über anhielt. 39 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Disinflation in den USA, 1979-1985 Abbildung : Federal Funds Rate und Inflationsrate in den USA, 1979-1984 40 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Disinflation Laurence Ball, der 65 unterschiedliche Disinflationen untersuchte, kam zu den folgenden Ergebnissen: Typischerweise steigt die Arbeitslosenquote bei Disinflation an, bevor sie zu ihrem natürlichen Niveau zurückkehrt. Das Opferverhältnis ist üblicherweise geringer, wenn eine schnelle und radikale Disinflation durchgeführt wird. Wie Lucas und Sargent vermuteten, hat die Glaubwürdigkeit der Zentralbank also möglicherweise doch eine zentrale Bedeutung. Das Opferverhältnis ist in den Ökonomien geringer, die sich durch eine geringere durchschnittliche Laufzeit von Tarifverträgen auszeichnen. 41 / 42

9. Geldmengenwachstum, Inflation und Produktion 9.6 Die Rolle von Erwartungen und Glaubwürdigkeit Nächste Woche Thema: Erwartungen Kapitel 14-15 aus Blanchard/Illing (2014) vorbereiten 42 / 42