Intoleranzen EIN NEUZEITLICHES PHÄNOMEN?
Quelle: Schweizer Illustrierte, Jan. 2016
Übersicht Theorie die Verschieden Nahrungsmittelintoleranzen kennen lernen Den Unterschied von Nahrungsmittelallergien zu unverträglichkeiten kennen Reizdarmsyndrom und deren Ernährungstherapie mit FODMAP kennen lernen Praxis - Workshop Verknüpfung Vorstellen der Ergebnisse aus den Workshops
Der Drogist, die Drogistin kennt den Unterschied von Nahrungsmittelallergien zu Nahrungsmittelintoleranzen Er / sie kann die häufigsten Nahrungsmittelintoleranzen benennen Sie / er kennt das Prinzip von FODMAP Der Drogist / die Drogistin kann auf Grund seines erworbenen Wissen ableiten, welche Reformprodukte geeignet sind und welche nicht Sie / er kann zusätzliche Produkte bei Reizdarm oder Laktoseintoleranz empfehlen
Fallbeispiel 1 Frau H., Jg. 47 Anmeldung wegen unspezifischen Beschwerden mit Blähungen und Flatulenz für FODMAP St. n. laparaskopischischer Rektumsigoidresektion Einzelne Divertikel proximal der Anastomose Kolonskopie im Juni 2015 keine weiteren Auffälligkeiten
Anamnese Pensionierte jedoch noch sehr engagierte Klientin, welche Teilzeit in Spitex arbeitet Hat regelmässig Formeldiäten von HA zu sich genommen. Aufgehört seit 2 Wochen, deutliche Besserung der Symptome Ernährungsanamnese und Auswertung des Beschwerdeprotokolls führt zu V.a. eine Laktose- und Fructoseunverträglichkeit Stuhlkonsistenz: Bristol-Skala Typ 1 / 2
Bristol-Stuhlformen-Skala
Fallbeispiel 2 Frau P., Jg. 75 Wird angemeldet auf Grund chronisch rezidivierender Verdauungsbeschwerden mit V.A. Histaminintoleranz und Nahrungsmittelunverträglichkeit Coloskopie unauffällig
Anamnese Engagierte Patientin, welche 60 % als Logopädin an einem Spital arbeitet, 2 Söhne und eine aktive Freizeitgestaltung hat Anamnese zeigt deutlich eine Histaminunvertäglichkeit Isst Laktosefrei und praktisch ovo-lakto-vegetarisch
Vorgehen der ERB Patient wird von Hausarzt oder Gastroenterologe angemeldet Kontaktaufnahme mit Patient, Abgabe eines Beschwerdeprotokolls 1. Kontakt mit Patient ausführliche Anamnese, Auswertung des Beschwerdeprotokolls, mögliche gemachte Abklärungen erfragen Intoleranz vorhanden, bekannt? Wenn ja, welche? Verdacht? Entsprechende Instruktion / Procedere 2. Kontakt mit Patienten Überprüfen der Intervention. Verdacht bestätigt: ja/nein? weitere Instruktion und Procedere 3. -? Kontakt mit Patient: Ziel Trotz Nahrungsmittelintoleranz eine adäquate Ernährung und Ernährungsstatus beibehalten können
Was gibt es für Nahrungsmittelintoleranzen? Pseudoallergien Nicht-Zöliakie- Glutensensivität
Was ist eine Nahrungsmittelintoleranz? Nahrungsmittelintoleranz ist ein Sammelbegriff für verschiedene, nicht allergisch bedingte Reaktionen auf Nahrungsmittel Je nach Form der Intoleranz sind in der Schweiz bis zu 20 % der Bevölkerung betroffen Nahrungsmittelintoleranzen lassen sich mit einem Allergietest nicht nachweisen
Was ist der Unterschied von einer NM- Intoleranz zu einer NM-allergie? NAHRUNGSMITTELALLERGIE Wird durch immunologische Mechanismen hervorgerufen (Überempfindlichkeitsreaktion) Antigen-Antikörper-Reaktion, IgE-AK Diagnose durch Haut und Bluttest Ursache ist noch nicht abschliessend geklärt Mikrobiota scheint eine wichtige Rolle in der Entstehung von NM-Allergien zu spielen Bereits kleinste Mengen führen zu einer allergischen Reaktion NAHRUNGSMITTELINTOLERANZ Nicht immunologisch bedingte Reaktion der Körper hat die Fähigkeit teilweise oder ganz verloren, einen bestimmten Stoff zu verdauen Geringe Mengen des beschwerdeauslösenden Nahrungsmittels können meist weiterhin und ohne Konsequenzen gegessen werden
Symptome einer Nahrungsmittelintoleranz Bauchschmerzen Blähungen Durchfall oder Verstopfung Unwohlsein Mögliche weitere Reaktionen sind: Müdigkeit, Gereiztheit Hautausschläge, Kopfschmerzen (Migräne), Kreislaufbeschwerden, rheumatische Beschwerden usw. Häufig beginnen die Beschwerden schleichend. Es ist daher nicht immer einfach, diese mit einer Nahrungsmittelintoleranz in Verbindung zu bringen
Laktoseintoleranz Laktose = Milchzucker (Glukose + Galaktose) Es liegt ein Mangel an Laktase vor Es gibt eine primäre und sekundäre Laktoseintoleranz «unverdaute» Laktose gelangt in den Dickdarm. Dort entstehen verschiedene Abbauprodukte, welche zu Beschwerden führen Diagnose mittels H2-Atmungstest Laktose kommt v.a. in Milch und Milchprodukten (von allen Tieren!) vor aber auch versteckt in Fertigprodukten Hart- und Halbhartkäse und Joghurt wird üblicherweise gut vertragen Rahm und Butter meistens in kleinen Mengen ebenfalls Empfehlung der SGE: 3 Milchprodukte pro Tag
Ernährung bei Laktoseintoleranz Laktosefreie Milchprodukte Pflanzliche Milchprodukte (mit Kalzium angereichert) Evt. Einsatz von Laktasepräparaten
Fructosemalabsorption Problem das Transportsystems GLUT-5 im Dünndarm Im Dickdarm wird «unverdaute» Fructose abgebaut Symptome: Blähungen, Völlegefühl, Übelkeit, erhöhte Darmperistaltik, osmotische Diarrhoe, Krämpfe Diagnose erfolgt über H2-Atemtest
Ernährung bei Fructosemalabsorption In Begleitung einer dipl. Ernährungsberaterin HF / FH
Interessant zu wissen Die gleichzeitige Einnahme von Traubenzucker (Glukose) verbessert die Resorption von Fructose durch die Darmwand Folgende Lebensmittel enthalten viel Fructose Obst, Trockenfrüchte, Fruchtsäfte, Weiss- und Rotkohl, Zwiebeln, Lauchgemüse, Honig, alle süssen Lebensmittel wie Konfitüre, Kompott, Süssigkeiten, süsse Backwaren, Speiseeis, Dessertwein, Likör. Zuckeralkohole wie Sorbit (E 420), Mannit (E 421), Lactit (E966), Isomalt (E 953), Xylit (E967), Maltit (E 965). Vermerk kann bei übermässigem Verzehr abführend wirken Zudem sollte in der 1. Phase auf ballastoffreiche, blähende Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Kohl- und Lauchgemüse sowie Vollkornprodukte verzichtet werden Allfälligen Vitamin- und Mineralstoffmangel mit einem Multivitaminpräparat ausgleichen
Histaminintoleranz (HIT) Diaminoxidase (DAO) (angeboren, erworben, bei vorübergehenden oder chronischen Magen-Darm-Entzündungen) Symptome: - Bauchbeschwerden, Krämpfe, Koliken, Durchfall, Sodbrennen, Erbrechen - Rötung, Juckreiz oder Nesselauschlag an der Haut - tiefer Blutdruck, Übelkeit, Herzrasen, Panik - Migräne, Schwindelgefühl - Husten, Schnupfen, Asthma - Menstruationsbeschwerden, verstärkte PMS Histaminliberator
Ursachen für Histaminintoleranz Verzehr histaminreicher Lebensmittel Verzehr von Histaminliberatoren Verzehr von biogenen Aminen Hemmung der DAO Siehe separate Liste Setzen körpereigenes Histamin frei: Schokolade, Kakao, Zitrusfrüchte, Nüsse, Erdbeeren, Bananen, Tomaten, Ananas, Kiwi, Alkohol Die Umwandlung von Histamin durch die DAO ist vermindert, da die DAO bereits mit der Umwandlung der biogenen Amine beschäftigt ist (Tyramin, Tyrosin, Serotonin u.a.) Schmerz- und Schlafmittel, Alkohol und hustenlösende Substanzen können die DAO in ihrer Aktivität hemmen
Ernährung bei HIT Möglichst frisches Fleisch, Fisch und Milchprodukte essen Vorsicht mit Fertigprodukten (Zusatzstoffe, Hefe, Alter?) Limonaden wegen Zusatzstoffen meiden Nichts aufwärmen Weitere Informationen bei der Schweizerischen Interessengemeinschaf Histaminintoleranz (SIGHI) unter: http://www.histaminintoleranz.ch
Nicht-Zöliakie-Glutensensivität Kann plötzlich und in jedem Alter auftreten Zeigt ähnliche Symptome wie Zöliakie Keine typischen Antikörper und keine Zottenatrophie Mögliche Auslöser sind Amylase-Trypsin-Inhibitoern (ATIs), Eiweissstoffe in Weizen, Gerste und Roggen Bis heute keine verlässlichen messbaren Laborwerte für Nicht-Zöliakie-Glutensensivität (NZG) Diagnose nach Ausschlussverfahren (FODMAP) NZG sehr wahrscheinlich, sofern Zöliakie und Weizenallergie ausgeschlossen sind und Besserung bei glutenfreier Diät auftritt Zur Zeit kein klar definiertes Krankheitsbild Weitere Infos unter: www.gluten-unvertraeglichkeit-erkennen.de
FODMAP Wurde speziell zur Vermeidung und Behandlung von Verdauungsbeschwerden entwickelt gestörte Darmfunktion Verstopfung, Durchfall Blähungen Bauchschmerzen
Was sind FODMAP?
Vorkommen von FODMAP
Ursache der Beschwerden Zu grosse Moleküle (Polyole) Begrenzte Transportkapazität durch die Darmwand (Fruktose) Verminderte Enzymaktivität (Laktase) Keine entsprechenden Enzyme vorhanden (Fruktane, Galaktane)
Die Idee hinter der FODMAP-armen Ernährung Die FODMAP-arme Ernährung erfasst nicht einzelne Substanzen (z.b. nur Laktose) sondern erfasst vielmehr alle Substanzen, die Beschwerden verursachen Das Konzept sieht vor, die FODMAPs so gut wie möglich zu kontrollieren und zu reduzieren, dass die verbleibenden FODMAPs keine Symptome mehr verursachen (oder in einem verträglichen Rahmen) Es ist nicht das Ziel, das Reizdarmsyndrom ursächlich zu behandeln
Reizdarm Eine funktionelle Störung des mittleren und unteren Darmes mit abdominellen Beschwerden oder Schmerzen sowie Veränderungen der Stuhlgewohnheiten Früher Ausschlussdiagnose Reizdarmsyndrom liegt vor, wenn folgende Punkte erfüllt sind:
Wissenswertes zum Reizdarm Kann in jedem Alter auftreten Frauen in der 2. und 3. Lebensdekade etwa doppelt so häufig betroffen sie Männer Häufig verläuft Erkrankung chronisch Ein persistierender Lebensstress vermindert die Chance auf Besserung der Symptomatik Deutlich verminderte Lebensqualität im Vergleich zu Gesunden (und anderen chronisch Kranken) Als Ursache werden verschiedene Auslöser diskutiert: genetische Prädisposition? Erhöhte Darmpermeablität? Veränderte Sekretion? Störung des enteralen Immungleichgewichts? Viszerale Hypersensivität? Veränderte Mikrobiota? Immunologische Prozesse mitbeteiligt? Stress? Diagnose «Reizdarm» eine Gratwanderung zwischen Überdiagnostik und voreiliger «Fehldiagnose»
FODMAP als Ernährungsmöglichkeit für Reizdarmpatienten gesichert
Quelle: Ernährungsratgeber zur FODMAP-Diät, Martin Storr, Zuckerschwerdt-Verlag, München, 1. Auflage, 2015
Ablauf in der Ernährungsberatung Anmeldung des Patienten bei Diagnose RDS oder oben genannte weitere Diagnosen mit Verordnungsformular Ausführliche Anamnese durch dipl. Ernährungsberaterin HF/FH(ERB), Instruktion der 1. Phase von FODMAP (= strikte Diät, teilweise Diät) Nach 6 8 Wochen Auswertung durch ERB. Je nach Ergebnis Instruktion der 2. Phase. (= Wiedereinführung der FODMAP) 3. Phase: individuelle Langzeiternährung mit möglichst wenig Einschränkungen
Weitere Empfehlungen beim Reizdarmsydrom aus der Drogerie Symptombekämpfung von Blähungen, Bauchschmerzen, Obstipation / Diarrhoe, leichter Depression mit: Probiotika (Bifidobact. Lactis, Lacotobazillus plantarum, lactobazillus Rhamnosus) Präbiotika (lösliche Ballaststoffe) Phytotherapie Enzympräparate weitere Zusätzliche Empfehlungen: Auf eine ausreichende Entspannung sorgen Trigger meiden (Kaffee, Alkohol, Stress) Körperliche Aktivität
Workshop 1. schauen Sie die Listen der FODMAP-Diät der 1. Phase an. Vergleichen Sie die Liste mit der Zusammensetzung von verschiedenen Reformprodukten. Sind alle diese Produkte in der 1. Phase geeignet? Welche Süssungsmittel können Sie in der 1. Phase empfehlen? 2. Was gibt es für Produkte in der Drogerie, bei Laktoseintoleranz? Welche Milchen sind als Alternative empfehlenswert? Denken Sie dabei auch an die Kalziumversorgung.Erstellen Sie eine Liste. 3. Was gibt es für Bakterienpräparate in der Drogerie, welche Sie Reizdarmpatienten und Kunden mit einer Nahrungsmittelallergie mitgeben könnten? Erstelle Sie eine Liste. 4. Was gibt es für weitere Produkte (Phytotherapie, Hömöpopathie, lösliche Nahrungsfasern, andere ) welche Sie einem Reizdarmpatienten empfehlen können? Erstellen Sie eine Liste.
1. Fallbeispiel- Vorgehen - Lösung 1. Phase FODMAP 6 Wochen deutliche Besserung der Symptome bei Weglassen von Laktose 2.Phase: Schulung Laktoseintoleranz und Einsatz von Laktasepräparaten und Probiotika (nach zusätzlicher Magen-Darm-Grippe), Testen der Oligosaccharide und Fructose wie viele sind verträglich. Weizen und Nüsse verträgt Patientin bis zu einer gewissen Menge gut. Fructose verträgt Patientin bis auf Äpfel und Birnen gut. Keine weitere Intervention nötig Einsatz von Präbiotika, da der Stuhl insgesamt immer noch eher hart ist Übergang in 3. Phase: Langzeiternährung mit Hauptfokus auf eine gesunde Gewichtsreduktion Patientin fühlt sich insgesamt deutlich besser
2. Fallbeispiel- Vorgehen - Lösung Schulung Ernährung bei Histaminintoleranz deutliche Besserung aber noch nicht weg Beobachten weiterer Einflussfaktoren auf Symptome Einsatz von Bioflorin, Burgerstein Cela Multivitamin Erarbeiten einer Schatzkiste (Ressourcen) für Umgang mit Stress Im Verlauf: Diagnose Laktoseunverträglichkeit Schulung der Ernährung bei Laktoseintoleranz Danach immer noch teils Bauchbeschwerden zeigen V.a. Unverträglichkeit gegenüber Polyolen und Oligosacchariden verhärtet sich im Verlauf 3. Phase: Abklärung der Abdeckung der Nährstoffe und Intervention. Zudem ist es der Patientin ein Wunsch, Gewicht zu reduzieren Resultat nach 1 Jahr Beratung: meist Symptomfrei, kommt im Alltag gut zurecht. Konnte 10 kg Gewicht reduzieren und fühlt sich insgesamt viel besser
Quellen Ernährungstherapie, Christine Römer-Lüthi und Steffen Theobald, utb.verlag, 1. Auflage, 2015 Der Ernährungsratgeber zur FODMAP-Diät, Martin Storr, 1. Auflage, Zuckschwerdt Verlag München, 2015 Weiterbildung am Universitätsspital Basel zum Thema FODMAP Ernährungstherapie bei Reizdarmsyndrom vom 5.12.2014 und 6.2.2015 Beatrice Schilling, dipl. Ernährungsberaterin FH, Baden Ernährungsskript von Manuela Rüttimann, S. 108 111 Beratungsordner von Corinne Egger, dipl. Ernährungsberaterin HF, Dinhard