Reform des Vergaberechts 2016 Einige grundsätzliche Bemerkungen zur Struktur des deutschen VergR s Aktionsebenen der Reform Die einzelnen Themen des VergRModG Neue VOen (VgV, SektVO, KonzVgV)
Struktur des deutschen VergR Im Unterschwellenbereich: 80-90 % aller Aufträge in Deutschland Ausgangspunkt Budgetrecht: 55 BHO/LHO Regeln, nach denen Aufträge vergeben werden, sind keine Rechtsvorschriften, sondern ministerielle Erlasse, die zwischen Auftraggeber-Vertretern und Wirtschaftsorganisationen ausgehandelt werden: VOB/A und VOL/A (Freie Berufe ausgenommen) 2
Struktur des deutschen VergR Keine Außenwirkung; keine einklagbaren Rechte; kein primärer Rechtsschutz Zuschlag keine öffentliche Gewalt, sondern Willenserklärung, die Angebot annimmt Alles spielt sich im Privatrechtsraum ab (Kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis) Verstöße (gegen Öffentliches Recht) sind Obligenheitsverletzungen unter potentiellen Vertragspartnern (Schadensersatzansprüche) Dieses Konzept des Rechts der Auftragsvergabe führt zu einem klaren Vorrang der Effektivität der Beschaffung. (Gleichbehandlung ist Nebenziel) 3
Struktur des deutschen VergR Oberschwellenbereich bis 2016 Richtlinien der EU -- Europäische Rechtsebene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen VgV SektVO VOB/A VOL/A VOF 4
Aktionsebenen der Reform Europäische Rechtsebene mit den RL 2014/EU: Änderung der RL über die Vergabe öffentlicher Aufträge, der RL über die Sektorenaufträge und Erlass einer neuen RL über die Vergabe von Konzessionen Gesetzesebene in der Bundesrepublik: Ausbau des 4. Teiles des GWB mit Aufnahme aller wesentlichen Regeln, die für die öffentliche Auftragsvergabe von Bedeutung sind Verordnungsebene: Neufassung der VgV, der VSVgV und der SektVO; Neuerlass einer KonzVgV, Anpassung der VOB/A 5
Wesentliche Reformaspekte der neuen Richtlinien 1 1. Regeln sollen einfacher, klarer, effizienter sein 2. Berücksichtigung strategischer Ziele, innovativer Lösungen, Sozialer Aspekte, Umwelt 3. Pflicht der losweisen Vergabe 4. Ausschlussgründe, Selbstreinigung Europäische Rechtsebene 6
Wesentliche Reformaspekte der neuen Richtlinien 2 5. Neues Verfahren: Innovationspartnerschaft 6. Aufnahme des In-House-Geschäftes (Ausnahme) 7. Vergabe nur noch auf elektronischem Wege 8. Auftragsänderung, Auftragskündigung 9. Neue Konzessionsrichtlinie Europäische Rechtsebene 7
Umsetzung Gesetzesebene Neue Struktur des Vergaberechtes VRL2014/24/EU SRL 2014/25/EU KonzRL 2014/23/EU Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2016 (GWB) VgV VSVGV SektVO KonzVgV VOB/A 8
Umsetzung Gesetzesebene Grundsätze des 97 Abs. 1 bis 3 GWB Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im (Geheim)Wettbewerb und in transparenten Verfahren vergeben. Dabei werden Wirtschaftlichkeit und Verhältnismässigkeit gewahrt Teilnehmer am Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte werden berücksichtigt 9
Umsetzung Gesetzesebene Mittelstandsklausel des 97 Abs. 4 GWB: Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. 10
Umsetzung Gesetzesebene Grundsätze in 97 Abs. 5 und 6 GWB Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich nur elektronische Mittel (Détails finden sich in einer eigenen Verordnung) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden (Primärer Rechtsschutz) 11
Umsetzung Gesetzesebene Subjektiver Anwendungsbereich Öffentliche Auftraggeber: Gebietskörperschaften und öffentliche Unternehmen (die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllen) Sektorenauftraggeber: Öffentliche Auftraggeber, die eine Versorgungsaufgabe erfüllen, und privatrechtlich Organisierte mit besonderen und ausschließlichen Rechten zur Versorgung Konzessionsgeber: Öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber, die Konzessionen vergeben 12
Umsetzung Gesetzesebene Objektiver Anwendungsbereich Öffentliche Aufträge: entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen ( 103 Abs. 1 GWB) in Form von Lieferaufträgen, Bauaufträgen, Dienstleistungsaufträgen, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerben Konzessionen: Verträge, in denen Unternehmen mit einer Bau- oder mit einer Dienstleistung betraut werden, wobei die Unternehmen als Gegenleistung das Recht zur Verwertung des Baus oder der Dienstleistung erhalten ( 105 GWB) 13
Umsetzung Gesetzesebene Allgemeine Ausnahmen 107 GWB, 116, 137, 149: Schiedsgerichts- und Schlichtungsleistungen Immobiliengeschäfte Arbeitsverträge Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr von gemeinnützigen Organisationen Aufträge und Konzessionen, die die Offenlegung von Angaben verlangen, welche der Sicherheit der Bundesrepublik dienen Außerdem besondere Ausnahmen für öffentliche Auftrag-, Sektorenauftrag- und Konzessionsgeber 14
Umsetzung Gesetzesebene Ausnahme bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit ( 108 GWB) Voraussetzungen von In-House-Geschäften: Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle Mehr als 80% der Tätigkeit des Auftragnehmers dient dem Auftraggeber Am Auftragnehmer darf keine private Kapitalbeteiligung bestehen Voraussetzungen bei einer öff.-öff. Kooperation: Vertrag zur Zusammenarbeit ausschließlich im öffentlichen Interesse Auftraggeber erbringen am Markt weniger als 20% der betroffenen Tätigkeiten 15
Umsetzung Gesetzesebene Ausschlussgründe ( 123, 124 GWB) Zwingende Ausschlussgründe: Wenn eine dem Unternehmen zuzurechnende Person wegen einer Straftat aus dem Bereich Terrorismus, Menschenhandel, Geldwäsche, Betrug und Bestechlichkeit rechtskräftig verurteilt Fakultative Ausschlussgründe: Vielzahl von Gründen, insbesondere wenn Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen haben 16
Umsetzung Gesetzesebene Selbstreinigung ( 125 GWB) Auftraggeber schließen ein Unternehmen nicht aus, wenn Schadensausgleich geleistet wurde oder wird Das Unternehmen die Tatsachen und Umstände der Straftat durch aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt hat Durch konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen weiteres Fehlverhalten vermieden wird 17
Umsetzung Gesetzesebene Eignung ( 122 GWB) Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht ausgeschlossen worden sind Unternehmen ist geeignet, wenn es - wie vom Auftraggeber festgelegt - die Befähigung zur Berufsausübung hat wirtschaftlich und finanziell leistungsfähig und technisch und beruflich leistungsfähig ist Die Eignungskriterien müssen in angemessenen Verhältnis zum mit dem Auftragsgegenstand stehen 18
Umsetzung Gesetzesebene Verfahren ( 119, 120 GWB) 1 Offenes und nicht offenes Verfahren (mit Teilnahmewettbewerb) steht allen Auftraggebern immer zur Verfügung Offen heißt: Es werden Unternehmen zu Angeboten aufgefordert Nicht offen: Nach vorherigem Teilnahmewettbewerb werden ausgewählte Unternehmen zu Angeboten aufgefordert Im Verhandlungsverfahren wird mit oder ohne Teilnahmewettbewerb mit ausgewählten Unternehmen verhandelt 19
Umsetzung Gesetzesebene Verfahren ( 119, 120 GWB) 2 Wettbewerblicher Dialog mit dem Ziel der Ermittlung der besten Bedürfnisbefriedigung der Auftraggeber (Verhandlungen nach Teilnahmewettbewerb) Neu: Innovationspartnerschaft zur Entwicklung innovativer Leistungen nach Teilnahmewettbewerb Elektronische Systeme: Dynamisches Beschaffungssystem, elektronische Auktion, elektronischer Katalog Zentrale Beschaffungsstellen 20
Umsetzung Gesetzesebene Vorabinformations- und Wartepflicht) in 134 und 135 GWB: Es sind die betroffenen (d.h. die noch nicht ausgeschlossenen) Bieter zu informieren. und die Bewerber, die nicht bereits zuvor über die Ablehnung informiert wurden Info über Grund der Ablehnung des Angebots und frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses Wartepflicht 10 bzw. 15 Kalendertage Fristbeginn : Tag der Absendung der Info 21
Umsetzung Gesetzesebene Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen 134 GWB ergeben sich aus 134 BGB, auf den 135 verweist: Unwirksamkeit des Vertrages von Anfang an (ex tunc) Aber: Erst die Feststellung des Verstoßes durch Vergabekammer macht den Vertrag tatsächlich unwirksam Aber nur in einer relativen (30 Tage ab Kenntnis) und einer absoluten Frist (6 Monate nach Vertrag) möglich 22
Umsetzung Gesetzesebene 128 Auftragsausführung (1) Unternehmen müssen bei der Ausführung alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen achten (2) Öffentliche Auftraggeber können Ausführungsbedingungen festlegen, die wirtschaftliche, innovations- oder umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen können. ( 129: Rechtsgrundlage muss (Landes)Gesetz sein) 23
Umsetzung Gesetzesebene Zuschlag ( 127 GWB) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis auf der Basis der Zuschlagskriterien Neben dem Preis können qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen; sie müssen in der Bekanntmachung oder den Unterlagen aufgeführt sein 24
Umsetzung Gesetzesebene Vertragsänderung ( 132 GWB) Grundsatz: Wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags erfordern ein neues Vergabeverfahren 132 GWB beschreibt langatmig vielfache Voraussetzungen für diese Wesentlichtkeit Text läuft letztlich darauf hinaus, dass Änderungen zulässig sind, wenn der Wert der Änderung den Schwellenwert nicht übersteigt und nicht mehr als 10% bzw. 15% des Auftragswertes ausmacht 25
Umsetzung Gesetzesebene Kündigung ( 133 GWB) Öffentliche Auftraggeber können einen Auftrag während der Laufzeit kündigen, wenn eine wesentliche Änderung vorgenommen wurde, die ein neues Verfahren erfordert bei Zuschlagserteilung ein zwingender Ausschlussgrund vorlag der EuGH eine schwere Verletzung europarechtlicher Pflichten festgestellt und der Auftrag nicht hätte vergeben werden dürfen 26
Verordnungsebene Abschnitt 1: Allg. Bestimmungen/Kommunikation 1 Anwendungsbereich 2 Schwellenwertberechnung 3 Freistellung für Tätigkeiten im Wettbewerb (SKR) 5, 6, 7 Vertraulichkeit Interessenkollision u.ä. 8 Dokumentation, Vergabevermerk 9 12 Kommunikation (= elektronische Komm.) 27
Verordnungsebene: SektVO Kommission kann von der Anwendungspflicht der SektVO freistellen, wenn die Sektorentätigkeit, zu deren Durchführung eingekauft wird, auf Märkten mit freiem Zugang liegt und unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist Das Verfahren nach 3 SektVO läuft wie folgt ab: Antrag wird von Unternehmen oder Verband über BMWi an die EG-KOM gestellt. BMWi holt vor Weitergabe an EU-KOM Stellungnahme des Bundeskartellamtes ein 28
Verordnungsebene Die Abschnitte 2 mit den Vergabeverfahren sind der Kern der Verordnungen in verschiedenen Unterabschnitten: Verfahrensarten, Besondere Methoden und Instrumente im Verfahren, Vorbereitung des Verfahrens, Veröffentlichung und Transparenz, Anforderung an die Unternehmen, Prüfung und Wertung der Angebote 29
Verordnungsebene Zu Prüfung und Wertung der Angebote + gehören Behandlung der Angebote, Zuschlag und Zuschlagskriterien, Aufhebung und Einstellung des Verfahrens Dabei vier Verfahrensschritte, aber keine zwingende Festlegung darauf: (1) Prüfung von Ausschlussgründen (2) Eignungsprüfung (3) Ungewöhnlich niedrige Angebote (4) vergleichende Wirtschaftlichkeitsbewertung 30
Verordnungsebene: VgV Gesetzlich beschriebenen Verfahren gelten in den Voen je unterschiedlich Nach der VgV sind alle Verfahren einsetzbar Es gelten aber auch alle Bedingungen für jedes Verfahren (insb. Verhandlungsverfahren) Wichtigste Neuerung im neuen deutschen Recht: Offenes und nicht offenes Verfahren stehen gleichberechtigt nebeneinander 31
Verordnungsebene: SektVO Für die Versorgungsbetriebe der SektVO gelten ebenfalls Alle Verfahren Allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Versorgungsbetriebe sich ohne Rechtfertigung entweder offenes, nicht offenes oder Verhandlungsverfahren (mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb) aussuchen können 32
Verordnungsebene: KonVgV Die Vergabe von Konzessionen erfolgt nicht in besonderen Verfahren. Der Konzessionsgeber ist so heißt es in Richtlinie und VO dauernd - in der Gestaltung des Verfahrens frei Der Konzessionsgeber muss das aber wird mindestens so oft betont wie seine Freiheit zur Ausgestaltung des Verfahrens lediglich alle denkbaren Grundsätze einhalten: Neutralität, Transparenz, Nichtdiskriminierung, Vertraulichkeit, objektive Kriterien, keine Interessenkollision usw. usf. 33
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit