Aufgaben und Verantwortung des Aufsichtsrates o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus Johannes Kepler Universität Linz KPMG Audit Committee Institute Round Table Wien, 26. September 2007 Mögliche Haftungsgrundlagen Grundsatz: Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ( 99 AktG, 33 GmbHG) Im Konkurs Geltendmachung durch den Masseverwalter Nur in Ausnahmefällen Außenhaftung Einziehungsermächtigung der Gläubiger nach 99 ivm 84 AktG 100 f AktG Straftatbestände 255 AktG, 122 GmbHG Konkursverschleppung Sonstige Deliktstatbestände o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 2 1
Haftungstatbestand Haftung gegenüber der Gesellschaft: 99 AktG bzw. 33 GmbHG verweisen auf die Haftungstatbestände für Vorstandsmitglieder / Geschäftsführer ( 84 AktG, 25 GmbHG) Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters? Ungeachtet dessen ist aber bei der genauen Konkretisierung der Sorgfaltspflichten die unterschiedliche Funktion des Aufsichtsrates zu beachten ( Sorgfalt eines ordentlichen Aufsichtsratsmitgliedes ): Kein Geschäftsführungs-, sondern nur Überwachungsorgan (OGH: weder Vorgesetzter der Geschäftsführer noch Supergeschäftsführungsorgan ) Nebenamt o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 3 Haftungstatbestand Grundsätzlich gleicher Haftungsmaßstab für alle AR-Mitglieder (auch für die Arbeitnehmervertreter) In bestimmten Situationen aber Haftungskonzentration bei einzelnen Mitgliedern Experten für bestimmte Bereiche Sonderwissen über bestimmte Fakten Ausschussmitglieder Besondere Rolle des AR-Vorsitzenden o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 4 2
Sorgfaltsanforderungen im allgemeinen OGH 25.9.1997, 6 Ob 174/97z: Von den AR-Mitgliedern wird zu erwarten sein, dass sie ihre Tätigkeit selbständig, unabhängig, unter persönlichem Einsatz, mit größter Sorgfalt, entsprechender Moral und frei von sachwidrigen Beschränkungen oder Interessenkollisionen ausüben. o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 5 Pflichtenbindung Primäre Ausrichtung auf das Unternehmensinteresse Selbst bei entsandten Mitgliedern keine vorrangige Berücksichtigung der Interessen des Entsendenden zulässig Auch im Konzern ist das Unternehmensinteresse der betreffenden (Tochter-)Gesellschaft zu beachten Konflikte auch bei Bankenvertretern, Vertretern von Konkurrenzunternehmen, politischen Funktionären im AR und Arbeitnehmervertretern denkbar Bei Interessenkonflikten ist ggf. mit Stimmenthaltung oder Fernbleiben von den Beratungen vorzugehen; in krassen Fällen einer dauernden Kollision u.u. auch Rücktritt o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 6 3
Grundsatzentscheidungen des OGH OGH 31.5.1977, 5 Ob 306/76 Bank AG im Rahmen eines Konkurseröffnungsverfahrens Aussagen zur Haftung der AR-Mitglieder OGH 26.2.2002, 1 Ob 144/01k Speditions-GmbH Klage des Masseverwalters Haftung abgelehnt OGH 22.5.2003, 8 Ob 262/02s Rieger Bank Klage des Masseverwalters Haftung abgelehnt o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 7 Leitlinien für die Haftung Keine Erfolgshaftung, sondern nur Haftung für situationsadäquates Bemühen (Einhaltung der Sorgfaltspflicht) Fehlschlagen unternehmerischer Entscheidungen führt daher nicht notwendig zur Haftung OGH: Weitgehender Haftungsfreiraum bei Ermessensentscheidungen nur eklatanter Ermessensmissbrauch führt zur Haftung (Übernahme der amerikanischen business judgement rule?) o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 8 4
Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer OGH: Aufsichtsrat darf sich grundsätzlich auf die Prüfung durch den Abschlussprüfer verlassen Aber: Jedenfalls Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf den Prüfbericht und Abgleich mit eigenem Wissensstand Aber: Verantwortung für die Auswahlentscheidung, gemeinsame sinnvolle Prüfungsplanung, Diskussion der Ergebnisse mit dem Abschlussprüfer (Prüfer als Partner des Aufsichtsrates ) Eigenständige Prüfaufgaben des Aufsichtsrates, soweit es um bilanzpolitische Ermessensentscheidungen geht o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 9 Aufgabendelegation in Ausschuss Bei der Delegation von Aufgaben in Ausschüsse (insb. bei solchen mit Beschlusskompetenz, aber z.t. auch bei bloß vorbereitenden Ausschüssen) konzentriert sich die Verantwortung auf die Ausschussmitglieder Gesamt-AR verbleibt aber jedenfalls die Aufgabe der Überwachung der Ausschusstätigkeit; bei eigener Entscheidungskompetenz zumindest Plausibilitätsprüfung der vorbereitenden Tätigkeit des Ausschusses Jedenfalls Information des Gesamt-AR (auch bei mitbestimmungsfreiem Personalausschuss) o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 10 5
Zusammenarbeit mit dem Vorstand Neuere Entwicklung: Aufsichtsrat als nicht nur reaktives Überwachungsorgan, sondern auch als strategischer Partner für den Vorstand (OGH: vergangenheitsbezogene und vorausschauende Überwachung der Geschäftsführung, s. auch Berichtspflichten) damit auch Fokus auf zukünftige strategische Entwicklung der Gesellschaft Kommunikationsaufgabe zum Vorstand kommt hier vor allem dem AR-Vorsitzenden zu (s. auch Regel 37 ÖCGK) o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 11 Zusammenarbeit mit dem Vorstand Erfolgreiche Zusammenarbeit setzt ein Vertrauensverhältnis voraus daher darf der Aufsichtsrat auch grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Vorstandstätigkeit vertrauen kein Misstrauensvorschuss aber: professional skepticism? o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 12 6
Informationsversorgung Entscheidende Grundlage für eine sachgerechte Überwachungstätigkeit ist, dass der AR über die nötigen Informationen verfügt Berichte des Vorstands als Ausgangspunkt; ggf. Fragen und weitere Informationsverlangen, Einschau Berücksichtigung auch von zusätzlich erlangten Informationen (Medien, whistleblowers ) Jedenfalls sind detaillierte Informationen dann erforderlich, wenn der AR selbst über Geschäftsführungsmaßnahmen (mit- )beschließt (genehmigungspflichtige Geschäfte); ebenso etwa bei Ausnützung eines genehmigten Kapitals Im Rahmen der Überwachung hat der AR jedenfalls auf ihm erkennbare (wesentliche) Verdachtslagen mit erweiterten Nachforschungen zu reagieren o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 13 Abstellen von Mängeln OGH 31.5.1977, 5 Ob 306/76: Der Aufsichtsrat hat erkannte Mängel nicht nur festzustellen, sondern auch abzustellen Allerdings kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand Eingriffsmittel: Genehmigungskompetenz für bestimmte Geschäfte (Katalog durch AR erweiterbar) Gespräch mit dem Vorstand Notfalls (Drohung mit) Abberufung (nur bei AG!) o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, Universität Linz 14 7
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit o. Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus Institut für Unternehmensrecht Johannes Kepler Universität Linz Email: martin.karollus@jku.at 8