Nosokomiale Infektionen Heike von Baum Med. Mikrobiologie und Hygiene 500-65350 heike.von-baum@uniklinik-ulm.de



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Transkript:

Nosokomiale Infektionen Heike von Baum Med. Mikrobiologie und Hygiene 500-65350 heike.von-baum@uniklinik-ulm.de

Nosokomiale Infektionen (im Krankenhaus erworbene Inf.) Def. nach Infektionsschutzgesetz IfSG 2: Eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand.

Individuelle Folgen einer NI: Schmerzen Behandlungserfolg wird nicht erreicht Körperliche Funktionseinschränkungen Invalidität und Frühberentung Tod

Fahrplan: Nosokomiale Infektionen Häufigkeit, Erreger, Infektionswege Präventionsmaßnahmen SSI Multiresistente Erreger

Epidemiologie nosokomialer Infektionen Inzidenz (Deutschland): 3-5 % NI-spezifische Letalität: 1-7% Verlängerung des KH-Aufenthaltes: 10 d = 800.000 NI/Jahr = 40.000 Menschen/Jahr Zusätzliche Pflege-/Behandlungskosten / Jahr -D: 2 Milliarden -GB: 930 Mio. -USA: 4,5 Milliarden US$ Vermeidbarer Anteil NI: ca. 1/3

Nosokomiale Infektion & Liegedauer Studie Coello 1989 Gastmeier 1998 Abteilung - Cholezystektomie - Herniotomie - Colorektale OP Kardiochirurgie ++ Liegetage 9,5 12,2 23,7 13,9 Kappstein 1992 Kirkland 1999 Chirurgie (ausgewählte Ops) Chirurgie 11,4 6,5 Merle 2000 Abdominalchirurgie 7,2?

4,00 3,00 2,00 1,00 0,00 NIDEP-Studie 1994 Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Erfassung und Prävention, n=14.966 3,46 1,45 0,70 0,55 0,30 NI (Gesamt) Harnwegsinfektionen Atemwegsinfektionen Wundinfektionen primäre Sepsis Prävalenz [%]

Indikatorinfektionen Postoperative Wundinfektion (SSI) Beatmungs - assoziierte Pneumonie Katheter assoziierte Sepsis Katheter assoziierte Harnwegsinfektion

Überregionale Surveillance Programme KISS Stationen Liegedauer Ø Anwendung 75% Q HWK ZVK Beatmung Intensiv 246 3,7 91,9 83,7 49,1 Normal 77 8,2 15,5 1,8 0

Überregionale Surveillance Programme KISS 75 % Q HWK- assoziierte Harnwegsinfektion ZVK- assoziierte Sepsis Beatmungs- assoziierte Pneumonie Intensiv 3,4 2,3 11 Normal 6,3 4,4 5

Pathogen Pneumonie Sepsis Wundinfekt Staph. aureus 32 22 29 Pseudomonas aeruginosa 30 10 21 Escherichia coli 7 7 13 Acinetobacter spp. 10 8 - Enterokokken 5 11 18 Koagulase-neg. Staphylokokken - 45 - EPIC-Studie (European Prevalence of Infection in Intensive Care) Spencer RC, Eur J Clin Microbiol Infect Dis 1996; 15:281-285

Tröpfcheninfektionen (aerogen) Schmierinfektionen (fäkal-oral) Kontaminierte Instrumente Hände von Med. Personal Mehrdosisbehältnisse Transfusionen Trinkwasser Injektionen

Endoskopierter Patient Körpereigene Flora [Enterobakterien, Enterokokken] Transiente Flora [Serratien] Akute Infektion [Salmonellen, Tbc] Chronischer Träger / Dauerausscheider [Salmonellen, Tbc, Hepatitis, HIV] Kontaminiertes Endoskop Hygienefehler bei Reinigung ± Desinfektion Infizierter Patient Umwelt Spüllösungen [Pseudomonas spp., atypische Mykobakterien] RDAs [Pseudomonas spp., Enterobakterien]

Patient Diabetes mellitus Übergewicht Raucher Struktur Bauliche Voraussetzungen Adäquate instrumentelle u. personelle Ausstattung Intra OP Keimarmut COPD

OP Klassifizierung Aseptisch: OP in nichtinfiziertem Gebiet ohne Entzündung und bei der weder der Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt eröffnet wurden.

OP Klassifizierung Bedingt-aseptisch: OP unter Einbeziehung des Respirations-, Gastrointestinal oder Urogenitaltraktes unter kontrollierten Bedingungen und ohne ungewöhnliche Kontamination. Kontaminiert: Offene, frische Zufallswunden bzw. Operationen mit einem größeren Bruch in der aseptischen Technik; Eingriffe in Gebieten, bei denen eine akute nichteitrige Entzündung vorhanden ist. Septisch: Prä-operativ bereits vorhandene Infektion (eitrige Entzündung) im Operationsfeld.

Prä operative Maßnahmen

Standards Raumluft-technische Anlage Sterilgut

Verbandswechsel Personal Material Patient

Noroviren ubiquitär Saisonale Häufung (Okt.-März) Fäkal-oral (10 100 Viruspartikel) Inkubationszeit 6 50 Std. Viruzide Desinfektionsmittel

Multiresistente Erreger I Methicillin resistenter Staphylococcus aureus Vancomycin resistente Enterokokken Extended-spectrum ß-lactamase pos. Enterobakterien MR P.aeruginosa MR Acinetobacter spp.

Multiresistente Erreger II Penicillin resistente Pneumokokken Chinolon resistente E.coli MR Salmonella spp. MR Gonokokken

Beispiel Dänemark AB - Verbrauch 1997 120 100 80 t 60 40 20 0 Humanmedizin Vet.medizin Leistungsförderer

Kolonisation Lokale Infektion Systemische Infektion

Holden et al. PNAS 2004