8. Syntaktische Struktur und semantische Interpretation



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8. Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Im letzten Kapitel haben wir die Operation der Quantorenanhebung eingeführt. Die zugrundeliegende Vorstellung war hierbei, dass quantifizierte NPn aus der Position, in der sie in der Oberflächenstruktur erscheinen, zum nächsten Satz angehoben werden können und damit Skopus über diesen Satz bekommen. In diesem Kapitel werden wir uns die Operation der Quantorenanhebung etwas näher betrachten. 8.1 Warum werden Quantoren angehoben? In diesem Abschnitt werden wir uns der Frage widmen, warum Quantoren angehoben werden. Sie wird zu einem wesentlich verfeinerten Verständnis von syntaktischen Strukturen führen. 8.1.1 Anhebung von Objekts-Quantoren: Typenkonflikt Eine grundlegende Frage ist, weshalb quantifizierte NPn, aber nicht Namen oder Pronomina, der Operation der Quantor-Anhebung auf der Ebene der Logischen Form unterworfen werden. Eine naheliegende Antwort darauf könnte sein: Weil sie sonst nicht interpretiert werden können. Es besteht nämlich ein Typenkonflikt zwischen dem Quantor und der Position, in der er auftritt. Das liegt besonders nahe bei Objekt-Quantoren. Wenn wir annehmen, dass Quantoren vom semantischen Typ s(et)t sind, dann können sie gar nicht in-situ (d.h. an dem Platz, an dem sie in der Oberflächenstruktur stehen) interpretiert werden. Die Anhebung auf logischer Form schafft eine Struktur, auf der sie interpretiert werden können: (1) a. [ S [ NP Ein Mann] [ VP kratzt [ NP jede Frau]]] seet s(et)t * b. [ S [ NP jede Frau] λ1[ S [ NP einen Mann] [ VP kratzt [ NP e] 1 ]] s(et)t set st Wir können also annehmen, dass ein Typenkonflikt für die Anhebung von quantifizierten Objekts-NPn vreantwortlich ist. 8.1.2 Die Anhebung von Subjekts-Quantoren und die Kategorie IP (Inflektionsphrasen). Dieses Argument gilt allerdings nicht unmittelbar für Subjekts-Quantoren, die durchaus, wie wir häufig gesehen haben, mit einem intransitiven Verb oder einer VP verbunden werden können: (2) [ S [ NP Ein Mann] [ VP kratzt [ NP jede Frau]]] s(et)t set st Es gibt jedoch auch Gründe für die Annahme, dass Subjekts-NPn allgemein angehoben werden müssen. In vielen Sprachen, so auch im Deutschen, finden wir Kongruenz des Subjekts mit dem Verb. Bei Konstruktionen mit einem Auxiliar ist es dabei das Auxiliar, welches die Subjektskongruenz zum Ausdruck bringt.

Warum werden Quantoren angehoben? 2 (3) a. Ich werde rennen. c. Ich habe gelacht. b. Lola wird rennen. d. Lola hat gelacht. Wir haben solche Auxiliarkonstruktionen noch nicht behandelt. Sie markieren das Tempus des Satzes, d.h. die Zeit, zu der das Ereignis, das berichtet wird, stattgefunden hat. Wir werden später noch ausführlich über Tempus sprechen; hier wollen wir nur so viel klar machen, dass Tempus eine Operation auf Propositionen ist, d.h. Skopus über einen Satz haben. Das Futur-Tempus beispielsweise drückt aus, dass die von einem Satz ausgedrückte Proposition zu einem Zeitpunkt wahr ist, der dem Sprechzeitpunkt folgt. Für die Darstellung des Auxiliars wird häufig eine Kategorie IP der Inflektions-Phrase angenommen, deren Kopf das Auxiliar (Kategorie I) ist. Das Komplement dieser Phrase ist dann etwas Satzwertiges, doch da es sich nicht syntaktisch als Satz verhält, wird diese Kategorie als VP bezeichnet. Man beachte jedoch, dass nach dieser Auffassung, anders als bisher angenommen, die VP diejenige NP enthält, die als mit dem Verb kongruierende NP auftauchen wird, also das Subjekt. Ich werde diese VP manchmal die erweiterte VP nennen. Auf einer syntaktischen Beschreibungsebene haben wir damit Strukturen der folgenden Art: (4) [ IP [ I wird] [ VP [ NP Lola] [ V rennen]]] Um die Kongruenz des Auxiliars ausdrücken zu können, muss das Subjekt sich in einer Position befinden, in der dieses das Auxiliar c-kommandiert. Dieser syntaktische Begriff ist wie folgt definiert: (5) In einem Strukturbaum c-kommandiert ein Knoten α einen davon verschiedenen Knoten β, wenn gilt: a. β wird nicht von α dominiert, b. β wird von jedem verzweigenden Knoten dominiert, der α dominiert. In (4) c-kommandiert Lola das Auxiliar wird nicht, und kann mithin nicht die Kongruenz determinieren. Wir können aber annehmen, dass Lola angehoben wird zu einer Position, in der es das Auxiliar c-kommandiert. Im allgemeinen geht man dabei davon aus, dass die zugrundeliegende Struktur bereits eine Adresse für diese Bewegung bereithält, wie in (6.a) durch das leere Element e angegeben. (6) a. [ IP e [ I [ I werd-] [ VP [ NP Lola] 1 [ V rennen]]]] b. [ IP [ NP Lola] 1 [ I [ I wird] [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]] c-kommando Hier steht die Leerstelle in (6.a) für den sogenannten Spezifikator, werd- für den Kopf und die erweiterte VP Lola kommen für das Komplement der IP. Dies entspricht dem allgemeinen Schema der X-bar-Syntax, nach der Phrasen stets den folgenen Aufbau haben: (7) X-bar-Schema: [ XP Spezifikator von XP [ X [ X Kopf von XP] [ YP Komplement von XP]]] Der Kopf der Phrase XP wird dabei als eine semantische Funktion interpretiert, das Komplement als das Argument dieser Funktion, während der Spezifikator unterschiedliche Aufgaben haben kann. Die Struktur (6.a) wird nun weiter wie folgt verändert: Die Subjekts-NP bewegt sich in die Spezifikator-Position von IP, wie üblich unter Zurücklassung eines koindizierten leeren Elements, vgl. (6.b). In dieser Position kann die Subjekts-NP Kongruenz mit dem Auxiliar auslösen, da es dieses c-kommandiert.

3 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Wenn ein Auxiliar fehlt, nimmt man an, dass das Hauptverb selbst Träger der Auxiliarinformation ist. Das Hauptverb drückt demnach die Verbbedeutung und die Kongruenz aus. Dies können wir so erfassen, dass das wir an I-Position ein abstraktes Auxiliar mit Tempusinformation haben, und dass der Stamm des Hauptverbs an dieses bewegt wird und mit mit ihm verschmilzt: (8) a. [ IP _ [ I [ I _ PRÄS] [ VP [ NP Lola] 1 [ V renn-]]]] b. [ IP _ [ I [ I renn-präs] [ VP [ NP Lola] 1 [ V e 0 ]]]] b. [ IP _ [ I [ I renn-präs] [ VP [ NP Lola] 1 [ V e 0 ]]]] c. [ IP [ NP Lola] 1 [ I [ I renn 0 -PRÄS] [ VP [ NP e] 1 [ V e 0 ]]]] d. [ IP [ NP Lola] 1 [ I [ I renn 0 -t] [ VP [ NP e] 1 [ V e 0 ]]]] Hier ist (8.a) die Grundform; in der Position I steht die Präsens-Information, die im Deutschen nicht durch ein overtes Auxiliar ausgedrückt wird, und in V steht der Stamm des Verbs. In (8.b) wurde der Stamm des Verbs in die Position I bewegt (hier haben wir das als eine Bewegung in eine Leerstelle dargestellt). Wir könnten diese Bewegung wie üblich als Lambda-Abstraktion auffassen, vgl. (8.b ), sehen aber der Einfachheit der Notation willen im folgenden davon ab. In (8.c) bewegt sich wieder das Subjekt in die Spec-IP-Position, um Kongruenz mit dem finiten Verb ausdrücken zu können. Im vorliegenden Falle (3. Person Singular des Verbs lach- im Präsens) führt dies zu der Form lacht. 8.1.3 Eine genauere Betrachtung der Kongruenz In Kapitel # haben wir uns näher mit dem Ausdruck der Kongruenz beschäftigt, eingeschränkt auf die Singular- und Plural-Kongruenz. Wir können damit die Rolle der Kongruenz etwas näher beschreiben. Um von dem eigentlichen Einfluss der Auxiliare abzusehen, die ja auch Tempusinformation einführen, betrachten wir die folgenden Beispiele, wie sie in der Kindersprache vorkommen: (9) a. Lola tut rennen. b. Lola und Manne tun rennen. Nehmen wir an, dass tut und tun lediglich die Kongruenz, Singular vs. Plural, ausdrückt. Im ersten Fall wird präsupponiert, dass das Subjekt ein atomares Individuum ist; im zweiten, dass es ein Summenindividuum ist. Wir können diese Funktion des Auxiliars darstellen, wenn wir nicht annehmen, dass der Subjektindex λi an I adjungiert wird wie in (10.a), sondern vielmehr, dass er an die VP adjungiert wird wie in (10.b): (10) a. [ IP [ NP Lola] λ1[ I [ I tut] [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]] b. [ IP [ NP Lola] [ I [ I tut] λ1[ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]] Ganz allgemein kann angenommen werden: Wenn ein Ausdruck α aus seiner XP hinausbewegt wird, wird dies an der XP durch Koindizierung vermerkt: (11) [ XP α i ] α λi[ XP e i ] Wir können die Struktur (10.b) nun wie folgt interpretieren: (12) [[[ IP [ NP Lola] [ I [ I tut] λ1[ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]]] a. = λgλw[[[[ I [ I tut] λ1[ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]](g)(w)([[lola]](g)(w))] b. = λgλw[[[tut]](g)(w)([[λ1[ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]](g)(w))([[lola]](g)(w))] c. mit [[tut]] = λgλw[λpλx[p(x)] [[λ1[ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]] = λgλwλx[x rennt in w] [[Lola]] = λgλw[lola] f. = λgλw[λpλx[p(x)](λx[x rennt in w])(lola)] g. = λgλw[lola rennt in w]

Eine detailliertere Betrachtung syntaktischer Strukturen 4 8.2 Eine detailliertere Betrachtung syntaktischer Strukturen Wir haben in Abschnitt 8.1 die bisher angenommenen syntaktischen Strukturen wesentlich verfeinert, um zu motivieren, weshalb Subjektsquantoren angehoben werden: Sie müssen mit dem verbalen Prädikat kongruieren und müssen daher den Teil des verbalen Prädikats, das Kongruenz ausdrückt, c-kommandieren. Dieser Teil muss aber den Ausdruck, der die Grundproposition des Satzes ausdrückt, selbst c-kommandieren, da er Skopus über die Grundproposition Wir nehmen diese haben neue muss. Sichtweise zum Anlass, allgemein die syntaktischen Strukturen, mit denen wir arbeiten werden, etwas genauer zu betrachten. 8.2.1 Die Kategorie CP (Complementizer-Phrasen) Zwar sieht eine Struktur wie (8.d) schon reichlich komplex aus; es gibt jedoch Hinweise, dass die Struktur eines einfachen deutschen Satzes wie Lola kommt tatsächlich noch um einiges komplexer ist. Ein Hinweis dafür sind Sätze mit sogenannten Expletiv-Elementen: (13) a. Es rennt Lola. b. Es rennen zwei Frauen. Das Expletivum es besetzt offenbar eine syntaktische Stelle mit einem semantisch leeren Element. Es könnte der Spezifikator von IP sein, d.h. die Leerstelle in (8.a). Es gibt hier allerdings ein Problem: Das Verb kongruiert offensichtlich nicht mit dem Expletivum, also im Singular, sondern nach wie vor nach dem Subjekt, wie (13.a,b) zeigt. Es wird deshalb angenommen, dass die IP-Struktur in eine weitere Struktur eingebettet ist, die man CP nennt ( Complementizer-Phrase ), die selbst für die Kongruenz irrelevant ist. Die Complementizer-Phrase folgt dabei wiederum dem X-bar-Schema. Einige Satzbeispiele in dieser Analyse: (14) a. [ CP es [ C [ C renn-t] 0 [ IP [ NP Lola] 1 λ1[ I [ I e] 0 [ VP [ NP e] 1 [ V e] 0 ]]]]] b. [ CP es [ C [ C wird] 0 [ IP [ NP Lola] 1 λ1[ I [ I e] 0 [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]]] c. [ CP es [ C [ C werden] 0 [ IP [ NP zwei Frauen] 1 λ1[ I [ I e] 0 [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]]] d. [ CP [zwei Frauen] 1 λ1[ C [ C werden] 0 [ IP [ NP e] 1 λ1[ I [ I e] 0 [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]]] Die Kongruenz wird dabei innerhalb der IP geregelt. Das finite, kongruierende Verb wird dann weiter an die C-Position, dem Kopf der CP, bewegt. An der Spezifikatorposition der CP steht dann entweder ein expletives Element, oder es wird (und dies ist natürlich der weitaus häufigere Fall) eine weitere Konstituente wie das Subjekt an diese Position bewegt (vgl. (14.d)). 8.2.2 Die Grundwortstellung in der VP und der IP im Deutschen Bisher haben wir nur Sätze mit intransitiven Verben betrachtet. Bei transitiven Verben zeigt es sich, dass man im Deutschen davon ausgehen muss, dass die Objekt-NP innerhalb der erweiterten VP vor dem Verb steht: (15) a. Es wird eine Frau einen Mann kratzen. b. [ CP es [ C [ C wird] 0 [ IP [ NP eine Frau] 1 λ1[ I [ I e] 0 [ VP [ NP e] 1 [ V [ NP einen Mann] [ V kratzen]]]]]]] Wir nehmen also die folgende Stellung in der VP an: (16) [ VP Subjekt [ V Objekt [ V Verb]]] Dies gilt auch für andere Teile innerhalb der VP, wie z.b. indirekte Objekte und Adjunkte: (17) a. Es wird eine Frau einem Mann eine Blume geben. b. Es wird morgen ein Mann von der Brücke springen.

5 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Man bemerkt diese Grundwortstellung auch in eingebetteten Sätzen, die in der Regel Verbletztstellung aufweisen: (18) dass / weil / ob eine Frau einem Mann eine Blume gibt Eingebettete Sätze werden oft durch Komplementierer wie dass, weil oder ob eingeleitet, für die man annimmt, dass sie in der C-Position stehen; diese Position ist damit für das finite Verb blockiert: (19) a. [ CP _ [ C [ C dass] [ IP [ NP Lola] λ1[ I [ I renn-t] 0 [ VP [ NP e] 1 [ V e] 0 ]]]]] Wenn wir uns nun allerdings Sätze mit overtem Auxiliar ansehen, dann wird es klar, dass etwas mit unserer Analyse nicht stimmen kann. Wir sagen Sätze wie *dass Lola wird rennen voraus, und nicht dass Lola rennen wird. (20) [ CP _ [ C [ C dass] [ IP [ NP Lola] λ1[ I [ I wird] [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]]]]]] Offensichtlich müssen wir davon ausgehen, dass nicht nur V, die Grundposition des Verbs, in der VP, sondern auch I, die Inflektion, in der IP final ist. Damit nehmen wir für die IP nicht die Struktur (21.a) sondern die Struktur (21.b) an: (21) a. [ IP α [ I [ I β] [ VP γ]]] b. [ IP α [ I [ VP γ] [ I β]]]. Dies führt zu syntaktischen Analysen der folgenden Art: (22) a. [ CP _ [ C [ C dass] [ IP [ NP Lola] λ1[ I [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]] [ I wird] ]]]] b. [ CP es [ C [ C wird] 0 [ IP [ NP Lola] λ1[ I [ VP [ NP e] 1 [ V rennen]] [ I e] 0 ]]]] c. [ CP es [ C [ C renn-t] 2 [ IP [ NP Lola] λ1[ I [ VP [ NP e] 1 [ V e] 0 ] [ I e 0 -t] 2 ]]]] d. [ CP [ NP Lola] 1 [ C [ C renn-t] 2 λ1[ IP [ NP e] 1 λ1[ I [ VP [ NP e] 1 [ V e] 0 ] [ I e 0 -t] 2 ]]]] In allen vorgestellten Versionen muss das Subjekt zu Kongruenz-Zwecken aus der VP angehoben werden. Die postulierten Bewegungen werden im folgenden explizit dargestellt: (23) CP NP C Lola C 0 IP renn-t NP I Lola VP I 0 NP V renn-t V 0 Lola renn- Diese Ableitung des Satzes Lola rennt ist sicherlich wesentlich komplexer als diejenige, mit der wir bis jetzt angenommen haben. Es ist jedoch zu beachten, dass jede strukturelle Annahme

Skopus, Logische Form und overte Bewegung 6 durch empirische Phänomene motiviert ist und die hier angenommenen Strukturen daher eine Vielzahl von anderen Sätzen erfassen können. Dies sollen die folgenden Beispiele zeigen: (24) a. [ CP Lola 1 [ C [renn-t] 2 [ IP e 1 [ I [ VP e 1 [ V [ V0 e 0 ]]] [e 0 -t] 2 ]]] b. [ CP Lola 1 [ C [kratz-t] 2 [ IP e 1 [ I [ VP e 1 [ V den Mann [ V0 e 0 ]]] [e 0 -t] 2 ]]] c. [ CP Lola 1 [ C [tut] 2 [ IP e 1 [ I [ VP e 1 [ V den Mann [ V0 kratzen ]]] e 2 ]]] d. [ CP [den Mann] 3 [ C [tut] 2 [ IP Lola 1 [ I [ VP e 1 [ V e 3 [ V0 kratzen ]]] e 2 ]]] e. [ CP es [ C [tut] 2 [ IP Lola 1 [ I [ VP e 1 [ V den Mann [ V0 kratzen ]]] e 2 ]]] f. [ CP [ C dass [ IP Lola 1 [ I [ VP e 1 [ V den Mann [ V0 kratzen ]]] tut ]]] Die Art der Wortstellung in einer XP-Kategorie kann man als einen Parameter betrachten, nach dem Sprachen typologisch variieren können. Im Deutschen ist die VP und auch die IP kopf-final, nicht aber die CP. Im Englischen steht der Kopf von VP, IP und CP stets nach dem Spezifikator. In Sprachen wie dem Japanischen ist hingegen auch die CP kopf-final. 8.3 Skopus, Logische Form und overte Bewegung 8.3.1 Skopus von Subjekten und Objekten Wie können wir in dem in Abschnitt 8.2 entwickelten Rahmen Sätze mit mehren quantifizierten NPn beschreiben? Wir können zusätzlich zu den bisher angenommenen overten Bewegungen LF-Bewegungen annehmen. Am einfachsten kann man dies in einem Nebensatz illustrieren: (25) dass jeder Mann eine Frau liebt SS: dass [ IP [jeder Mann] λ1[ I [ VP [ NP e] 1 [ V [ NP eine Frau] [ V e] 0 ]] [ I lieb 0 -t]]] LF: a. [ IP [jeder Mann] λ1[ I [ NP eine Frau] λ2[ VP [ NP e] 1 [ V [ NP e] 2 [ V e] 0 ]] [ I lieb 0 -t]]] b. [ IP [ NP eine Frau] λ2[ IP [jeder Mann] λ1[ I [ VP [ NP e] 1 [ V [ NP e] 2 [ V e] 0 ]] [ I lieb 0 -t]]] Die beiden Lesarten werden dadurch erzeugt, dass die Objekts-NP entweder auf die Ebene der ersten propositionalen Kategorie, der VP, angehoben wird (vgl. (25.a)), oder auf die Ebene der nächsthöheren propositionalen Kategorie, der IP (vgl. (25.b)). Im ersten Fall hat die Subjekts-NP Skopus über die Objekts-NP; im zweiten Fall hat die Objekts-NP Skopus über die Subjekts-NP. Die Bewegung des Subjekts ist dabei aus Kongruenz-Zwecken erforderlich; die Bewegung des Objekts aus Gründen der Interpretierbarkeit, da ein Quantor nicht in einer Argumentposition eines Verbs interpretiert werden kann. Im Unterschied zu der Quantoren-Anhebung in Kapitel # müssen wir hier annehmen, dass die Objekts-NP nicht notwendigerweise an die nächste proportionale Kategorie (hier: VP) angehoben werden muss, sondern dass sie auch an höheren proportionale Kategorien (hier: IP) landen kann. In Kapitel # haben wir angenommen, dass die Reihenfolge, in der Quantoren-Anhebung ausgeführt wird, unbestimmt ist und wir daher zu unterschiedlichen LFs kommen. Hier müssen wir annehmen, dass die Landungsstelle für die Quantoren-Anhebung des Objektquantors unbestimmt ist. 8.3.2 Spezifische und nicht-spezifische indefinite NPn Es sind für das Deutsche jedoch Zweifel aufgekommen, dass die Erklärung der Skopusambiguität von (25) durch eine nicht-overte Bewegung des Objektsquantors richtig ist. Der Grund liegt darin, dass man bei dem folgenden, strukturell gleichen Satz keine Ambiguität wahrnimmt: (26) dass ein Mann jede Frau liebt

7 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Der Satz hat nur die Lesart, in der das Subjekt Skopus über das Objekt hat d.h., es gibt einen Mann gibt, der jede Frau liebt. Er kann nicht ausdrücken, dass es für jede Frau einen Mann gibt, sodass der Mann die Frau liebt. Wie lässt sich dieser Unterschied zwischen (25) und (26) erklären? Es wurde vorgeschlagen, dass die vermeintliche Skopus-Ambiguität von (25) gar nichts mit den konfigurationellen Verhältnissen der logischen Formen zu tun hat, sondern vielmehr auf einer Ambiguität der indefiniten NP eine Frau beruht. Nach dieser Auffassung haben viele indefinite NPn zwei Lesarten, eine spezifische und eine nicht-spezifische Lesart: 1. Wird eine Frau spezifisch interpretiert, so meint der Sprecher eine bestimmte Frau. Er verwendet eine indefinite NP und keine definite NP, weil es im Diskursuniversum möglicherweise nicht nur eine Frau gibt, oder nicht nur eine saliente Frau, gibt. Die Interpretation ist aber ähnlich wie bei einer definiten NP: Der Sprecher referiert auf eine bestimmte Frau. 2. In der nicht-spezifischen Lesart von eine Frau hingegen handelt es sich bei der NP um einen Quantor, ganz wie nach der bisherigen Analyse. Der Sprecher referiert nicht auf eine bestimmte Frau, sondern sagt nur, dass die Schnittmenge der Bedeutung von Frau und des Prädikats nicht leer ist. Es gibt unabhängige Evidenz dafür, dass es sich tatsächlich um eine Ambiguität der indefiniten NP handelt. Eine Plural-NP ohne Artikel wie Frauen, die ja in der Regel auch indefinit interpretiert wird, hat nämlich nur offenbar nur die nicht-spezifische Lesart. Es folgt daraus durch die Ambiguitätshypothese, dass es in diesem Falle nur eine Lesart, die engskopige, gibt. Wenn wir Frauen als Quantor behandeln würden und Quantorenanhebung wie in (25) annehmen, müssten wir beide Lesarten annehmen. Die Daten sprechen tatsächlich dafür, dass eine Frau ambig zwischen einer spezifischen und einer nicht-spezifischen Lesart ist, Frauen hingegen nur die nicht-spezifische Lesart hat. (27) dass jeder Mann Frauen liebt a. Für jeden Mann x gibt es Frauen y sodass gilt: x liebt y. b. Nicht: Es gibt Frauen y, sodass für jeden Mann x gilt: x liebt y. Es gibt auch indefinite Singular-NPn, die nur als Quantoren und nicht als spezifische NPn interpretiert werden können, zum Beispiel die NP mindestens eine Frau. Auch hier zeigt es sich, dass wir nur eine Lesart vorliegen haben: (28) dass jeder Mann mindestens eine Frau liebt. a. Für jeden Mann x gibt es mindestens eine Frau y sodass gilt: x liebt y. b. Nicht: Es gibt mindestens eine Frau y, sodass für jeden Mann x gilt: x liebt y. Wie können wir spezifische NPn interpretieren? Für unsere Zwecke können wir sie als NPn vom Typ cse deuten, also vom selben semantischen Typ wie Namen oder definite NPn. Eine mögliche Interpretation ist die folgende; ich nehme an, dass spezifische Indefinite wie auch Namen einen Index tragen. (29) [[[eine Frau] 1 ]] = λgλw.[[frau]](g)(w)(g(1)) [g(1)] Dies ist eine Funktion von Variablenbelegungen g in eine Funktion von möglichen Welten w in Entitäten, und zwar in den Wert von g am Index der NP. Es ist dabei vorausgesetzt, dass g dem Index 1 in w eine Frau zuweist. Außerdem sollte der Index 1 neu sein; diese Bedingung können wir allerdings nur in einer dynamischen Theorie wie in Abschnitt # ausgeführt erzwingen. Die nicht-spezifische Lesart von eine Frau wird hingegen wie ein Quantor interpretiert. Diese Lesart trägt keinen Index; der Index wird ja erst durch die jetzt nötige Quantor-Anhebung erzeugt. (30) [[eine Frau]] = λgλwλp[[[frau]](g)(w) P ]

Skopus, Logische Form und overte Bewegung 8 Die beiden Lesarten von (26) können damit wie folgt erklärt werden. Wir verzichten hier der besseren Durchschaubarkeit halber auf eine explizite Behandlung der Anhebung des Verbs aus der VP in die IP. Wir beginnen mit der nicht-spezifischen Interpretation von eine Frau, welche der engskopigen Lesart (25.a) entspricht. (31) a. [[[[jeder Mann] λ1[[eine Frau] λ2[ e 1 [e 2 liebt]]]]]] b. = λgλw[[[jeder Mann]](g)(w)(λx 1 [[[eine Frau]](g)(w)(λx 2 [[[liebt]](g)(w)(x 2 )(x 1 )])])] c. = λgλw[λp[[[mann]](g)(w) P](λx 1 [[[Frau]](g)(w) P ](λx 2 [x 1 liebt x 2 in w])])]] d. = λgλw[λx[x ist ein Mann in w] λx 1 [λx[x ist eine Frau in w] λx 2 [x 1 liebt x 2 in w] ]] Dies ist eine Funktion von Variablenbelegungen g in Propositionen, d.h. Funktionen von möglichen Welten w in Wahrheitswerte, wobei w der Wert wahr zugewiesen wird, wen gilt, dass die Menge der Männer in w eine Teilmenge der Entitäten x 1 ist, für die gilt, dass der Schnitt der Frauen in w mit den Entitäten x 2, für die gilt, dass x 1 x 2 in w liebt, nicht leer ist. Die spezifische Interpretation von eine Frau führt hingegen zu der folgenden Lesart, welche der weitskopigen Interpretation (25.b) entspricht. (32) a. [[[jeder Mann] λ1[e 1 [[eine Frau] 2 liebt]]]]] b. = λgλw[[[jeder Mann]](g)(w)(λx 1 [[[liebt]](g)(w)([[[eine Frau] 2 ]](g)(w))(x 1 )])] c. = λgλw.[[frau]](g)(w)(g(2)) [λp[[[mann]](g)(w) P](λx 1 [x 1 liebt g(2) in w])] d. = λgλw.g(2) ist eine Frau in w [λx[x ist ein Mann in w] λx 1 [x 1 liebt g(2) in w]] Dies ist eine Funktion von Variablenbelegungen g in Funktionen von möglichen Welten w in Wahrheitserte, wobei g(2) eine Frau in w sein muss. Es wird der Wahreitswert wahr zugewiesen, wenn die Menge der Männer in w eine Teilmenge der Menge der x 1 ist, für die gilt, dass x 1 g(2) in w liebt. Man beachte, dass hier die ausgewählte Frau gewissermassen weiten Skopus erhält. Der Satz ist wahr, wenn es eine Frau gibt, die alle Männer lieben. Wir haben mithin die Ambiguität von (25) ganz ohne Rückgriff auf eine Ambiguität der Landungsstelle bei der Quantoren-Anhebung des Objektsquantors beschrieben. Für die engskopige Lesart (25.a) haben wir angenommen, dass der Objektsquantor an die nächste propositionale Kategorie, VP, angehoben wird (vgl. (31)). Für die weitskopige Lesart haben wir gar keine Quantoranhebung angenommen, weil die spezifische Interpretation der indefiniten NP ja von dem semantischen Typ ist, der als Argument eines Verbs erwartet wird. Wir können damit allgemein annehmen, dass ein Quantor in einer Argumentposition eines Verbs immer an die nächst verfügbare propositionale Kategorie bewegt wird, also an die nächste Kategorie, an der er interpretiert wird. Dies erklärt die fehlende weitskopige Lesart des Objektquantors in Beispiel (26). Es stehen hierfür die folgenden Strukturen zur Verfügung: (33) a. [ IP [ein Mann] λ1[ I [ NP jede Frau] λ2[ VP [ NP e] 1 [ V [ NP e] 2 [ V e] 0 ]] [ I lieb 0 -t]]] b. [ IP [ein Mann] 3 λ1[ I [ NP jede Frau] λ2[ VP [ NP e] 1 [ V [ NP e] 2 [ V e] 0 ]] [ I lieb 0 -t]]] In (33.a) ist ein Mann eine nicht-spezifische indefinite NP. Diese NP wird zu Kongruenz- Zwecken in die Position des Spezifikators von IP bewegt. Die Objekt-NP jede Frau wird zu Interpretationszwecken an die nächste propositionale Kategorie VP bewegt. Der Subjektsquantor hat damit Skopus über den Objektsquantor. Wir erhalten die folgende Interpretation (die Ableitung ist vergleichbar mit (31)): (34) λgλw[λx[x ist ein Mann in w] λx 1 [λx[x ist eine Frau in w] λx 2 [x 1 liebt x 2 in w]] ] In (33.b) ist ein Mann eine spezifische indefinite NP; ich habe für sie den Index 3 angenommen. Obwohl die NP direkt als Argument des Verbs interpretiert werden könnte, muss sie aus Kongruenzzwecken bewegt werden (wie etwa ein Name auch). Die Objekt-NP wird wiederum aus

9 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Interpretationszwecken an die nächste propositionale Kategorie, VP, bewegt. Bei der Interpretation dieser Struktur ist zu beachten, dass [ein Mann] 3 kein Quantor ist, sondern ein referierender Ausdruck; damit wird die Bedeutung von λ1[.] auf die Bedeutung von [ein Mann] 3 angewendet, und nicht umgekehrt. Wir erhalten die folgende Interpretation: (35) a. λgλw[[[λ1[ I [ NP jede Frau] λ2[ VP [ NP e] 1 [ V [ NP e] 2 [ V e] 0 ]] [ I lieb 0 -t]]]](g)(w) ([[[ein Mann] 3 ]](g)(w)] b. = λgλw[λx 1 [λx[x ist eine Frau in w] λx 2 [x 1 liebt x 2 in w]] (λgλw g(3) ist ein Mann in w) [g(3)])] c. = λgλw.g(3) ist ein Mann in w [λx[x ist eine Frau in w] λx 2 [g(3) liebt x 2 in w]] Wir erhalten als Bedeutung eine Funktion von Variablenbelegungen g in eine Funktion von Welten w in Wahrheitswerte, wobei g(3) in w ein Mann sein muss. Die Funktion liefert uns den Wahrheitswert wahr gdw. die Menge der Frauen in w eine Teilmenge ist der Menge, die g(3) liebt. Es muss also mindestens einen Mann g(3) geben, der alle Frauen liebt. Die reinen Wahrheitsbedingungen dieser syntaktischen Struktur sind damit dieselben wie die der Struktur (34). 8.3.3 Skopus und Oberflächenstruktur Die im letzten Abschnitt vorgestellte Analyse ergibt nun ein interessantes Bild, nämlich dass Quantoren-Anhebung in der Logischen Form gar nicht für unterschiedliche Skopusbeziehungen verantwortlich ist, jedenfalls nicht im Deutschen. Tatsächlich gibt es Evidenz dafür, dass man den Skopus von Quantoren weitgehend von der Oberflächenstruktur ablesen kann, zumindest in der Nebensatzstellung, die ja unserer Auffassung nach auch bei der Hauptsatzstellung grundlegend ist. Betrachten wir hierzu folgende Beispiele: (36) a. weil jeder Student einen Roman gelesen hat. b. weil ein Student jeden Roman gelesen hat. (37) a. weil einen Roman jeder Student gelesen hat. b. weil jeden Roman ein Student gelesen hat. Die Beispiele (36) geben die Grundwortstellung wieder. Beispiel (a) ist ambig. Wir haben bereits in der Diskussion von Beispiel (25) gesehen, dass wir diese Ambiguität erzeugen können, indem wir eine Ambiguität zwischen der spezifischen und der nicht-spezifischen Lesart der indefiniten NP, hier einen Roman, annehmen. Beispiel (b) ist nicht ambig; wir haben bereits gesehen, dass die spezifische und die nicht-spezifische Interpretation der indefiniten NP hier auf dieselben Wahrheitsbedingungen hinauslaufen. In keinem Fall brauchen wir Quantor-Anhebung, um die Ambiguität zu erzeugen. Die Beispiele (37) zeigen Sätze, die nicht der Grundwortstellung entsprechen: Das Objekt geht hier dem Subjekt voran. Interessanterweise hat der Satz die Lesart, in dem das Objekt Skopus über das Subjekt hat: Er drückt aus, dass es einen Roman x gibt, sodass jeder Student x gelesen hat. Diese Lesart kann erzeugt werden, indem die indefinite NP spezifisch interpretiert wird. Aber auch bei nicht-spezifischen indefiniten NPn finden wir diese Interpretation: (38) weil mindestens einen Roman jeder Student gelesen hat Die weitskopige Lesart der Objekts-NP tritt also auch dann auf, wenn die NP ein Quantor ist, im Gegensatz zu Fällen wie (36.a). Ganz offensichtlich ist hierfür die Stellung der Objekts-NP in der Oberflächenstruktur verantwortlich: Sie steht vor der Subjekts-NP. Es ist auch von besonderem Interesse, dass die Sätze (37.a) und (38) nur diese Lesart haben. Sie haben keine Lesart, in der die Subjekts-NP jeder Student Skopus über die Objekts-NP hat. Das heißt aber, dass der Skopus der Quantoren unmittelbar von den syntaktischen Verhältnissen auf der Oberflächenstruktur abgelesen werden kann.

Skopus, Logische Form und overte Bewegung 10 Im Unterschied zu (37.a) ist (37.b) wiederum ambig. Dies kann aber darauf zurückgeführt werden, dass die indefinite NP ein Student spezifisch interpretiert werden kann. Wenn wir eine nicht-spezifische Lesart erzwingen, finden wir wiederum nur die Lesart, in der die Objekts-NP Skopus über die Subjekts-NP hat: (39) a. weil jeden Roman Studenten gelesen haben b. weil jeden Roman mindestens ein Student gelesen hat Wir halten also fest, dass im Deutschen die Oberflächenreihenfolge der Argumente innerhalb der IP die Skopusverhältnisse unmittelbar widerspiegelt. Wir benötigen keine Quantor-Anhebung auf Logischer Form, um die möglichen Skopusverhältnisse zu beschreiben. 8.3.4 Scrambling Es stellt sich nun die Frage, wie die unterschiedlichen Oberflächenreihenfolgen überhaupt erzeugt werden. Es gibt hierzu verschiedene Auffassungen. Eine besagt, dass die Grundwortstellung innerhalb der erweiterten VP oder auch der IP weitgehend frei ist. Eine andere nimmt an, dass die unterschiedlichen Stellungen durch overte Bewegungen abgeleitet werden können. Es sprechen insgesamt mehr Argumente für diese letztere Position. Die Bewegungen, die wir hier vorfinden, werden Scrambling genannt (nach Ross 1967). Scrambling kann mal als Adjunktion von Ausdrücken an die IP verstehen. Wir erhalten damit Strukturen der folgenden Art: (40) a. weil [ IP [ NP jeder Student] λ1[ I [ VP [einen Roman] λ2[ VP e 1 [e 2 gelesen]]] [ I hat]]] b. weil [ IP [einen Roman] [ I λ2 [ IP [ NP jeder Student] λ1[ VP e 2 λ2[ VP e 1 [e 2 gelesen]]] [ I hat]]]] Hier zeigt (66.a) die Stellung an, die wir bereits kennen: Die Subjekts-NP wird an die Spec-IP- Position angehoben, um dort die Kongruenz mit dem finiten Verb auszudrücken. Die Objekts-NP wird an die VP adjungiert, der nächsthöheren propositionalen Kategorie, an der sie interpretiert werden kann. (40.b) zeigt dann die Scrambling-Bewegung an. Die Objekts-NP wird weiter bewegt und an die NP adjungiert. Auf diese Weise gerät sie in eine Position, in der sie die Subjekts-NP c- kommandiert. Wenn man nun diese Struktur interpretiert, dann erhält man die weitskopige Lesart für die Objekts-NP: (41) [[[ IP [einen Roman] [ I λ2 [ IP [ NP jeder Student] λ1[ VP e 2 λ2[ VP e 1 [e 2 e 3 ]]] [ I liest 3 ]]]]]] a. = λgλw[[[einen Roman]](g)(w) (λx 2 [[[jeder Student]](g)(w) (λx 1 [λx 2 [[[liest]](g)(w)(x 2 )(x 1 )](x 2 )]))] b. = λgλw[λp[λx[x ist ein Roman in w] P ] (λx 2 [λp[λx[x ist ein Student in w] P] (λx 1 [x 1 liest x 2 in w]))] c. = λgλw[λx[x ist ein Roman in w] λx 2 [λx[x ist ein Student in w] λx 1 [x 1 liest x 2 in w]] ] Es sieht also so aus, dass im Deutschen innerhalb der IP diejenigen Bewegungen, die zu unterschiedlichen Skopusverhältnissen von Quantoren führen, als sichtbare Bewegungen in der Oberflächenstruktur auftreten, und nicht als unsichtbare Bewegungen auf LF.

11 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation 8.3.5 LF-Bewegung vs. Scrambling Es ist interessant, sich im Kontrast dazu die Verhältnisse im Englischen anzusehen. Im Englischen ist der (Neben-)Satz, der (36.b) entspricht, durchaus ambig: (42) (because) a student read every novel a. Es gibt einen Studenten x sodass gilt: x hat jeden Roman gelesen. b. Für jeden Roman y gilt: Es gibt einen Studenten, der y gelesen hat. Ein Grund für diese Verschiedenheit ist sicherlich, dass das Englische in seiner Wortstellung wesentlich stärker eingeschränkt ist als das Deutsche. Die möglichen Entsprechungen zur Scrambling-Strukturen heißen entweder etwas anderes, wie (43.a), oder sind schlichtweg ungrammatisch, wie (43.b). (43) a. #(because) every novel read a student b. *(because) every novel a student read Es ergibt sich nun eine interessante typologische Unterscheidung zwischen den nah verwandten Sprachen Deutsch und Englisch: Das Deutsche erlaubt Scrambling, d.h. overte Bewegung. Scrambling wird ausgenützt, um den Skopus von Quantoren an der Oberfläche zu markieren. Das Englische erlaubt Scrambling nicht. Um unterschiedlichen Skopus von Quantoren zu markieren, müssen wir stattdessen nicht-overte Bewegung auf Logischer Form annehmen. Die Oberflächenstrukturen des Deutschen kann man also als transparente logische Formen ansehen. Man kann ferner annehmen, dass das Deutsche keine LF-Bewegung zur Darstellung von Skopus erlaubt, weil diese Bewegung ja auf der Oberflächenstruktur dargestellt werden kann. Es folgt, dass Bewegung auf LF nur dann möglich ist, wenn die Sprache über keine einfache Möglichkeit verfügt, die intendierte Bedeutung mit sichtbaren Mitteln auszudrücken. Der Unterschied zwischen dem Deutschen und dem Englischen hat dabei sehr wahrscheinlich mit dem unterschiedlichen Grad zu tun, zu dem in diesen Sprachen Kasus ausgedrückt wird. Das Deutsche hat, vor allem an den Artikeln, eine in vielen Fällen distinktive Kasusmarkierung. Das Englische hat diese nur noch bei den belebten Personalpronomina (he/him und she/her). Die Kasusmarkierung des Deutschen hilft, zu bestimmen, mit welchen Argumentplätzen eines Verbs eine NP verbunden werden muss. Die Stellung der NPn kann damit zu anderen Zwecken, wie der Skopusmarkierung, ausgenutzt werden. Im Englischen dient die Stellung der NPn zur Zuordnung von NPn zu Argumentpositionen, und damit steht sie nicht mehr in gleichem Masse zur Markierung des Skopus zur Verfügung. 8.3.6 Die Interpretation der Bewegung in Spec-CP Bislang haben wir nahezu ausschließlich die Verhältnisse innerhalb der IP betrachtet. Wenn wir uns nun die CP betrachten, also Hauptsätze, dann erhalten wir ein etwas anderes Bild. Nehmen wir folgende kritischen Beispiele: (44) a. Einen Roman hat jeder Student gelesen. b. Mindestens einen Roman hat jeder Student gelesen. Die Sätze haben klarerweise eine Lesart, in der einen Roman bzw. mindestens einen Roman weiten Skopus über jeder Student besitzt. Dies folgt wiederum aus den Verhältnissen an der Oberflächenstruktur: Einen Roman c-kommandiert auf dieser Ebene ja jeder Student. (45) [ CP [einen Roman] [ C [ C hat] 3 λ2[ IP [jeder Student] λ1[ I [ VP e 2 λ2[ VP e 1 [e 2 gelesen]]] [ I e 3 ]]]

Skopus, Logische Form und overte Bewegung 12 Sie haben jedoch auch eine Lesart, in der jeder Student Skopus hat über einen Roman bzw. mindestens einen Roman. Diese Interpretation scheint der Oberflächenstruktur zuwiederzulaufen. Müssen wir daher unsere Analyse, dass die Logische Form im Deutschen aus der Oberflächenstruktur abgelesen werden kann, aufgeben? Vielleicht haben wir die Bewegung in die Position des Spezifikators der CP falsch analysiert. Wir haben sie verstanden als die Anhebung eines Quantors. Tatsächlich können in dieser Position (anders als etwa in der Position des Spezifikators von IP) kategorial ganz unterschiedliche Konstituenten stehen: (46) a. Lola hat einen Roman gelesen. b. Einen Roman hat Lola gelesen. c. Gelesen hat Lola einen Roman. d. Auf den Tisch hat Lola einen Roman gelegt. e. Auf den Tisch gelegt hat Lola einen Roman. Wir können nun annehmen, dass die nach Spec-CP bewegte Konstituente zu Interpretationszwecken wieder an ihren Ursprungsort zurückbewegt wird. Man sagt dazu: Die Konstituente wird rekonstruiert. Es mag bestimmte pragmatische Effekte haben, welche Konstituente man in diese Position bewegt, aber für die grundlegenden Wahrheitsbedingungen spielt dies keine Rolle. Dies gilt übrigens auch für die Bewegung des finiten Verbs, z.b. hat im folgenden Beispiel: Auch diese Bewegung ist für die semantischen Zwecke, die wir hier diskutieren, irrelevant. (47) [ CP [auf den Tisch gelegt] 1 [ C [ C hat] 2 [ IP Lola einen Roman e 1 e 2 ]] ==> [ CP [ C [ IP Lola einen Roman [auf den Tisch gelegt] hat]]] Wenn wir dies nun auch für den Fall von (45) annehmen, sehen wir, dass es zwei mögliche zugrundeliegende Strukturen gibt: Einmal die in (45) angedeutete, zum zweiten aber auch die, in der einen Roman innerhalb der IP gescrambelt war: (48) [ CP [einen Roman] [ C [ C hat] 3 λ2[ IP e 2 λ2[ IP [jeder Student] λ1[ I [ VP e 2 λ2[ VP e 1 e 2 gelesen]] [ I e 3 ]]]] Wenn die Bewegung in die Spec-CP-Position in (48) rückgängig gemacht wird, erhalten wir eine Struktur, in der die Objekts-NP einen Roman die Subjekts-NP jeder Student c-kommandiert und damit Skopus über die Subjekts-NP hat. 8.3.7 Was ist Rekonstruktion? Wie kann man sich die Rekonstruktion einer Konstituente technisch vorstellen? Eine Möglichkeit besteht darin, anzunehmen, dass die Bewegung einer Konstituente von demselben semantischen Typ ist wie die bewegte Konstituente selbst (vgl. Stechow 1991). Wenn also ein Quantor, Typ ci(et)t, bewegt wird, dann ist die Spur von diesem Typ. Unter Weglassung der Information für die Variablenbelegung und die mögliche Welt können wir das an einem Beispiel wie folgt darstellen: (49) [ CP [einen Roman] λ2 [ C [ C hat] 3 [ IP [jeder Student] λ1[ I [ VP e 2 λ2[ VP e 1 [e 2 gelesen]]] [ I e 3 ]]] (et)t (et)t t ((et)t)t t

13 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Wenn nun das Prädikat vom Typ ((et)t)t auf das Arguent einen Roman vom Typ (et)t angewendet wird, wird einen Roman einfach in der Position interpretiert, in der die Variable, die der Spur e 2 entspricht, im Prädikat auftritt. Dies ist das erste Vorkommnis von e 2 in (49). Gibt es Evidenz für diese Interpretation der Bewegung in Spec-CP? Ja, es gibt sie. Zum einen haben wir beobachtet, dass wir in der Spec-CP-Position Ausdrücke von ganz beliebigigem Typ finden. Wir können das so verstehen, dass die Spur dieser Bewegung, d.h. die Variable, von ganz beliebigem Typ sein kann. Zum zweiten ist diese Bewegung, im Gegensatz zu Bewegungen von Quantoren nnerhalb der IP oder VP, für die Interpretation gar nicht nötig. Es besteht hier ein grosser Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Bewegung von einen Roman in (45): Die erste ist erforderlich, um einen Roman überhaupt interpretieren zu können, und wir müssen hierzu annehmen, dass die Variable vom Typ e ist. Wenn sie vom Typ (et)t wäre, dann wäre gewissermassen nichts gewonnen. Für die zweite Bewegung können wir aber annehmen, dass die Spur vom Typ des Ausdrucks, (et)t, ist. Die Darstellung von (45) oder auch (48) ist dann aber missverständlich, da der Index 2 für verschiedene Typen steht. Wir arbeiten daher besser mit Strukturen, die hier jeweils zwei bzw. drei Indizes annehmen: (50) [ CP [einen Roman] [ C [ C hat] 3 λ4[ IP [jeder Student] λ1[ I [ VP e 4 λ2[ VP e 1 e 2 gelesen]] [ I e 3 ]]] (51) [ CP [einen Roman] [ C [ C hat] 3 λ5[ IP e 5 λ4[ IP [jeder Student] λ1[ I [ VP e 4 λ2[ VP e 1 e 2 gelesen]] [ I e 3 ]]]] 8.4 Beschränkungen für Bewegung 8.4.1 S-Struktur-Bewegung und LF-Bewegung Wir haben gesehen, dass der Begriff der Bewegung einer Konstituente sowohl für die Beschreibung von Oberflächenstrukturen als auch zur Beschreibung der Interpretation von Ausdrücken mit Quantoren sinnvoll eingesetzt werden kann: Bei Oberflächenstrukturen erlaubt es die Annahme von Bewegunstransformationen, zu erklären, weshalb man Konstituente nicht an der Stelle findet, an der man sie eigentlich nicht erwartet also nicht an der Stelle, an dem das Verb für sie eine Argumentposition schafft. Wir finden dies bei Konstituentenfragen wie in (52.a), bei Relativsätzen wie in (b), bei Scrambling wie in (c) und bei der Bewegung zu Spec-CP wie in (d). (52) a. [ CP Was λ1[ C [ C hat] [ IP Lola e 1 gelesen]]] b. [ NP [ NP der Roman] [ CP den λ1[ C [ C _ ] [ IP Lola e 1 gelesen hat]]]] c. weil [ IP [ NP einen Roman] λ1[ IP jeder Student e 1 gelesen hat]] d. [ CP [einen Roman] λ1[ C [ C hat] [ IP jeder Student e 1 gelesen]]] Für die Beschreibung der Interpretation von Ausdrücken wurde die Annahme von nichtoverter Bewegung auf LF eingeführt. Dies ist für Nicht-Subjektsquantoren allgemein aus Gründen des semantischen Typs nötig, vgl. (53.a) für jeden Roman. Zumindest im Englischen können jedoch durch nicht-overte Bewegung auch die Skopusverhältnisse von Quantoren geklärt werden. Zum Beispiel wird die weitskopige Lesart der IP a student read every book aus der syntaktischen Oberflächenstruktur (53.b) erzeugt, indem every book an die IP adjungiert wird, siehe (53.c). (53) a. weil [ IP Lola [ I λ1[ VP [jeden Roman] λ2[ VP e 1 e 2 gelesen]] [ I hat]]] b. [ IP [a student] [ I [ I read] 3 λ1[ VP [every book] λ2[ VP e 1 e 2 e 3 ]]]] c. [ IP [every book] λ4[ IP [a student] [ I [ I read] 3 λ1[ VP e 4 λ2[ VP e 1 e 2 e 3 ]]]]

Evidenz für LF-Bewegung 14 Bei der Ableitung der S-Struktur aus der D Struktur und bei der Ableitung der LF aus der S Struktur wird dabei jeweils die gleiche Operation verwendet. Chomsky hat die Ähnlichkeit dieser Bewegungen betont, indem er beide mit dem Begriff move-α bezeichnete ( Bewege eine Konstituente α ). Die Frage ist nun jedoch, ob die sichtbare Bewegung und die LF-Bewegung tatsächlich den gleichen Gesetzmässigkeiten unterliegen. 8.4.2 Syntaktische Inseln Es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischen S-Struktur-Bewegung und LF-Bewegung. Beide gehorchen sogenannten syntaktischen Inselbeschränkungen, wie sie für die overten Bewegungen erstmals von Ross (1967) postuliert worden sind. Damit ist gemeint, dass bestimmte syntaktische Kategorien nicht durchlässig für Bewegungen sind, und zwar weder für overte noch für nichtoverte Bewegungen. Es sind gewissermaßen Inseln, die nicht verlassen werden können. Eine dieser Inseln sind zum Beispiel Koordinationsphrasen. Wenn eine NP Teil einer Koordination ist, kann sie daraus nicht bewegt werden; dies ist das sogenannte Coordinate Structure Constraint von Ross. Dies zeigen die folgenden Beispiele für overte Bewegungen. (54) a. Lola hat [ NP Die Wahlverwandtschaften und Buddenbrooks ] gelesen. b. *Was 1 hat Lola [ NP Die Wahrverwandtschaten und e 1 ] gelesen? c. *der Roman, den 1 Lola [ NP Die Wahlverwandtschaften und e 1 ] gelesen hat d. *weil [ NP Buddenbrooks ] Lola [ NP Die Wahlverwandtschaften und e 1 ] gelesen hat Es gibt nun ganz ähnliche Beschränkungen für die nicht-overte Bewegung, wie das folgende englische Beispiel zeigt. Satz (55) hat die Lesart (a), die der angegebenen LF entspricht. Dieser Satz hat auch die Lesart (b), die die Interpretation der dort wiedergegebenen LF ausdrückt. Der Satz hat aber nicht die Lesart (c), die wir erhalten würden, wenn wir eine NP aus der koordinierten NP anheben würden. (55) A student read every poem and every novel. a. [ IP [a student] [ I [ I read] 3 λ1[ VP [every poem and every novel] λ2[ VP e 1 e 2 e 3 ]]]] Für einen Studenten x gilt: x las jedes Gedicht und jeden Roman. b. [ IP [every poem and every novel] λ4[ IP [a student] [ I [ I read] 3 λ1[ VP e 4 λ2[ VP e 1 e 2 e 3 ]]]] Für jedes Gedicht und jeden Roman x gilt: Es gibt einen Studenten, der x las. c. *[ IP [every novel] λ4[ IP [a student] [ I [ I read] 3 λ1[ VP [every poem and e 4 ] λ2[ VP e 1 e 2 e 3 ]]]] Für jeden Roman x gilt: Es gibt einen Studenten, der x und jedes Gedicht las. Für ein zweites Constraint, das Complex Noun Phrase Constraint, siehe eine der Aufgaben. 8.5 Evidenz für LF-Bewegung Die Annahme von nicht-sichtbarer Bewegung mag trotz der oben vorgebrachten Argumente als problematisch erscheinen. Vielleicht handelt es sich hierbei nur um eine theoretische Chimäre, nützlich zwar, aber dennoch zweifelhaft. In diesem Abschnitt wollen wir einige Argumente für Bewegung auf Logischer Form zusammentragen. 8.5.1 Quantoren mit Pronomina Betrachten wir die folgenden englischen Sätze: (56) a. Every girl liked a boy. b. Every girl 1 liked [a boy that adored her 1 ].

15 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation Satz (56.a) hat zwei Lesarten: Für jedes Mädchen x gilt: x liebt einen Jungen und Es gibt einen Jungen x, sodass gilt: Jedes Mädchen liebt x. Satz (56.b) hat hingegen unter der angegebenen Koindizierung nur eine Lesart: Für jedes Mädchen x gilt: x liebt einen Jungen, der x anbetet. Weshalb haben wir hier keine Lesart, die der weitskopigen Interpretation von (a) entspricht? Das wird unmittelbar klar, wenn wir uns die beiden Kandidaten für die logischen Formen von (56.b) ansehen, die ich hier in einer auf das Wesentliche abgespeckten Form gebe: (57) a. [[every girl] λ1[[a boy that adored her 1 ] λ2[e 1 liked e 2 ]]] b. *[[a boy that adored her 1 ] λ2[[every girl] λ1[e 1 liked e 2 ]]] Die LF (57.a) ist ohne Probleme interpretierbar. Insbesondere finden wir, dass das Pronomen her 1 interpretierbar ist; es ist an den Lambda-Operator gebunden, der mit λ1 eingeführt wird. Dies zeigt die folgende Interpretation (wobei wir stillschweigend voraussetzen, dass wir Regeln für die Interpretation von Relativsätzen haben, wobei ein Relativsatz ein Nomen näher bestimmt): (58) [[[[every girl] λ1[[a [boy that adored her 1 ]] λ2[e 1 liked e 2 ]]]]] a. = λgλw[[[every girl]](g)(w) (λgλwλx 1 [[[[a [boy that adored her 1 ]] λ2[e 1 liked e 2 ]]]](g[1 x 1 ])(w))] b. = λgλw[[[every girl]](g)(w) (λgλwλx 1 [[[[a [boy that adored her 1 ]]]](g[1 x 1 ])(w) (λgλwλx 2 [[[e 1 liked e 2 ]](g[1 x 1 ][2 x 2 ])(w)]))] Auf was es uns hier angkommt, ist, dass die NP a boy that adored her 1 bei der Variablenbelegung g[1 x 1 ] interpretiert werden kann. Und zwar wird das Pronomen her 1 so interpretiert, dass es auf die Variable x 1 verweist. Insbesondere ist die Bedingung für die Interpretation von her 1, dass die Variablenbelegung dem Index 1 einen Wert zuweist, erfüllt. Die LF (57.b) ist hingegen nicht interpretierbar, oder nur auf eine Weise, in der die Interpretation von her 1 nichts mit den jeweiligen Mädchen zu tun hat. Dies sieht man bereits nach dem ersten Schritt. Es ist hier nicht gesichert, dass die Variablenbelegung g die Bedingung erfüllt, dass 1 DOM(g), und selbst wenn diese Bedingung erfüllt sein sollte, ist nicht garantiert, dass g(1) irgend etwas mit den später erwähnten Mädchen zu tun hat. (59) [[[[a [boy that adored her 1 ]] λ2[[every girl] λ1[e 1 liked e 2 ]]]]] = λgλw[[[[a [boy that adored her 1 ]]](g)(w) (λgλw[[[λ2[[every girl] λ1[e 1 liked e 2 ]]]](g)(w)])] Das Problem mit der LF (57.b) ist offensichtlich, dass hier das Pronomen her 1 nicht von seinem Antezedens c-kommandiert wird. Aber nur bei c-kommando könnte eine anaphorische Beziehung bestehen. Man beachte, dass dies nur auf der Ebene der Logischen Form ein Problem ist. Auf der Ebene der S-Struktur c-kommandiert every girl das Pronomen her ja, vgl. (56.b). Wir können das als Evidenz dafür werten, dass tatsächlich eine LF-Bewegung oder eine äquivalente Operation stattgefunden hat. 8.5.2 Weak Crossover Ein weiteres Phänomen, das für die Realität von Quantoren-Anhebung auf LF spricht, hat mit einer Erscheinun zu tun, die man Weak Crossover nennt. Was versteht man darunter? Wir beobachten zunächst, dass die folgende Koindizierung möglich ist, obwohl das Pronomen seinem Antezedens vorangeht: (60) a. The girl that loves him 1 wants to meet [the boy] 1. b. His 1 mother loves [the boy] 1.

Evidenz für LF-Bewegung 16 Es stellt sich nun aber heraus, dass man die Objekts-NP in diesen Sätzen nicht erfragen kann: (61) a. *[Which boy] 1 does the girl that loves him 1 want to meet e 1? b. *[Which boy] 1 does his 1 mother love e 1? Weshalb sind diese Strukturen ungrammatisch? Man beachte, dass das Antezedens die Pronomina und leeren Elemente, die mit ihm in anaphorischer Beziehung stehen sollen, durchaus c-kommandiert. Es wurden verschiedene Antworten dafür vorgeschlagen, weshalb die Strukturen (61.a,b) problematisch sind. Wir geben uns hier mit einer ziemlich phänomen-nahen empirischen Generalisierung zufrieden, die man Leftness Condition genannt hat: Eine Struktur, in der eine bewegte Phrase (wie which boy) zunächst ein Pronomen und dann ein leeres Element bindet, ist ungrammatisch. Wir finden nun interessanterweise, dass die Leftness Condition auch für Bewegung auf Logischer Form gilt. Betrachten wir die folgenden englischen Beispiele: (62) a. *The girl that loves him 1 wants to meet [every boy] 1. b. *His 1 mother loves [every boy] 1. Unter der angegebenen Koindizierung sind die Sätze ungrammatisch, und dies, obwohl in der entsprechenden Logischen Form jeden Jungen das Pronomen c-kommandieren würde: (63) a. [ [every boy] 1 [ [the girl that loves him 1 ] wants to meet e 1 ]] b. [ [evey boy] 1 [ [his 1 mother] loves e 1 ]] Der Grund liegt darin, dass die angegebenen logischen Formen ebenfalls die Leftness Condition verletzen: Die LF-bewegte Konstituente bindet zunächst ein Pronomen und dann ein leeres Element. Wieder haben wir eine Eigenschaft gefunden, in der sich overte Bewegung und nichtoverte Bewegung ganz gleich verhalten. 8.5.3 VP-Ellipse und Antecedent-Contained Deletion Die folgenden englischen Beispiele weisen sogenannte VP-Ellipse auf. (64) a. Leopold read the letter, and Molly did, too. b. Leopold read the letter before Molly did. Das Verb did des zweiten Satzes steht für eine VP, die im ersten Satz erwähnt wurde, hier read the letter. Man kann es als ein anaphorisches Element auffassen, dessen Antezedens eine VP ist. Ausbuchstabiert lauten diese Beispiele wie folgt: (65) a. Leopold read the letter, and Molly read the letter, too. b. Leopold read the letter before Molly read the letter. Betrachten wir nun den folgenden Fall, der als Antecent-contained deletion bekannt ist: (66) Leopold read [ NP every letter [ CP that Molly did]]. Hier ist bemerkenswert, dass VP-Ellipse innerhalb der Objekts-NP every letter that Molly did auftritt. Die Ellipse muss ausbuchstabiert werden al: every letter that Molly read. Aber es gibt hier gar keine Antezendens-VP, die nur aus dem Verb read besteht. Wir haben lediglich die VP read every letter that Molly did. Aber dieses Antezendes enthält das anaphorische Element did! Und sie kann sicher nicht zur Ausbuchstabierung verwendet werden; wir würden dann ja folgendes erhalten: (67) *Leopold read every letter that Molly read every letter that Molly did. Sehen wir nun aber, was geschieht, wenn wir annehmen, dass die Objekts-NP angehoben wird:

17 Syntaktische Struktur und semantische Interpretation (68) IP NP IP Det every letter C 2 0 that NP Molly N CP IP I 0 do PAST I' V 1 e VP 3 NP 2 e!2 DP I' Leopold I 0 read 1 PAST V 1 e VP 3 NP 2 e Die NP every letter that Molly did wurde angehoben. Ihre VP muss so interpretiert werden wie ihr Antezedens, und dies ist die VP im Hauptsatz, die zwei leere Elemente dominiert und die ausbuchstabiert werden muss als: [read e 2 ]. Das leere Element e 2 steht für die Variable, über die der Quantor every letter that Molly did quantfiziert. Dieser Quantor quantifiziert auch über das leere Element e 2 im Antezedent. Als Resultat erhalten wir die folgende Interpretation: (69) Für jeden Brief x sodass Molly x gelesen hat, gilt: Leopold hat x gelesen. Dies ist die richtige Interpretation. Um sie zu erhalten, war es wesentlich, dass der Objektsquantor every letter that Molly did angehoben wurde. Auf diese Weise löst die Quantoren-Anhebung auf LF das Problem der Antecedent-contained Deletion.

Evidenz für LF-Bewegung 18 Aufgaben Kapitel 8, Syntaktische Struktur und semantische Interpretation 1. Betrachten Sie das Expletivum es in den folgenden beiden Sätzen: a. Es ritten drei Reiter zum Tore hinein. b. Es regnet. Zeigen Sie, dass es sich hierbei um zwei verschiedene expletive Elemente handelt. (Hinweis: Betrachten Sie die Verhältnisse innerhalb der IP, also innerhalb von Nebensätzen). Charakterisieren Sie die Funktion der beiden expletiven Elemente. 2. Argumentieren Sie mit der Betrachtung von Skopusverhältnissen in Sätzen dafür, dass die NP irgendwelche Frauen nicht-spezifisch ist. 3. Argumentieren Sie mit der Betrachtung von Skopusverhältnissen in Sätzen dafür, dass die NP eine bestimmte Frau spezifisch ist. 4. Zeigen Sie mithilfe von Sätzen der folgenden Art, dass innerhalb der IP im Deutschen der Skopus von NPn von der Oberflächen-Reihenfolge abhängt. Diskutieren Sie hierfür drei Beispiele, mit Angabe von syntaktischen Strukturen. weil jeder/mindestens ein Junge jedem/mindestens einem Mädchen jedes/mindestens ein Bild gezeigt hat 5. Wir haben mit quantifizierten NPn dafür argumentiert, dass die S-Struktur der IP im Deutschen den Skopus der NPn bestimmt. Gilt dies auch für den relativen Skopus von quantifizierten NPn und der Negation nicht? Diskutieren Sie diese Frage anhand der folgenden Beispiele. a. weil jedes Kind nicht krank ist b. weil nicht jedes Kind krank ist c. weil der Doktor nicht jedes Kind untersucht hat d. weil der Doktor jedes Kind nicht untersucht hat 6. Geben Sie die beiden S-Strukturen des folgenden Satzes an sowie die beiden Lesarten, zu denen sie führen (vgl. hierzu den Abschnitt zu Rekonstruktion, 8.3.7). Ein Student hat jeden Roman gelesen. 7. Ross (1967) hat gezeigt, dass overte Bewegung dem Complex Noun Phrase Constraint (CNPC) unterliegt. Das heißt, eine Bewegung kann nicht aus einer komplexen NP herausführen; komplexe NPn sind syntaktische Inseln. Zwei Beispiele mit bewegten Fragekonstituenten: a. *Wem 1 hat [die Mutter von e 1 ] sich beschwert? b. *Was 1 ist [der Architekt, der e 1 gebaut hat] berühmt geworden? Zeigen Sie mit analysierten Beispielen, dass auch die nicht-overte Bewegung der Quantoren- Anhebung auf logischer Form dem CNPC gehorcht.