Sturzprävention für ein aktives Leben Bewegung im Alter Prof. Dr. Clemens Becker Abteilung Geriatrie und Klinik für Geriatrische Rehabilitation Lehrkrankenhaus Universität Tübingen
Keine Wissens- aber eine Implementierungslücke
Sturzhäufigkeit: ältere Menschen in Deutschland Erste Welle (DEGS1 RKI) November 2008 November 2011 180 Untersuchungsorte Einschluss der BGS98- Teilnehmenden (N = 3.795) Einwohnermeldeamtregister N=7.988, davon 7.116 mit Interview und Untersuchung Inzidenz: 20-30 40 % Davon die Hälfte 2 und mehr Stürze Quelle: Rapp et al. (BMC 2014 )
Lebenszeitrisiko von 50-jährigen Frauen für 6 verschiedene Frakturtypen Quelle: Bleibler et al. (Osteo Int 2013) 4
Gesamtkrankheitslast an Femurfrakturen in D Residents from nursing homes Community-dwelling persons with care need Community dwelling persons without care need Frauen und Männer 29.1% 20.5% Residents from nursing homes Community-dwelling persons with care need Community dwelling persons without care need 50.4% 87.8% 29.1% 8.0% 4.2% 20.5% Etwa 50% aller Femurfrakturen ereignen sich bei Personen mit Pflegebedarf 50.4% Stürze sind die 4. (5.) häufigste Ursache für Verlust an QALYs in D Rapp et al., Age Ageing 2012 8.0% 4.2%
Gesundheitsökonomie und Sturzverletzungen Stürze im Alter verursachen hohe Kosten (ca. 1 % der gesamten nationalen Gesundheitsausgaben) Durchschnittliche (operative) Kosten von Oberschenkelfrakturen betragen ca. 8.160 EUR (Deutschland) Die durchschnittliche Lebenszeitkosten bei 50-jährigen Frauen für Frakturen betragen >14.000, wovon etwa die Hälfte der Osteoporose zuzuschreiben ist Eine Reduktion von Stürzen und Frakturen ist aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll und wünschenswert Quelle: König et al. (Farseeing 2013), UKE Hamburg 6
Stürze anders denken Vorphase Fallphase Aufprall Bodenphase Erholungsphase Prädiktion Detektion Aktion t 0 t 1 t 2 t 3 t 4 t 5 time Becker et al. 2012, ZGG
AUC ~ 0.6 0.7 Metaanalyse Risikofaktoren: Deandrea et al. 2011 Risk indicator (factor) OR History of falls 3.5 Physical disability (balance, gait, transfer) 2.4 Instrumental disability 2.0 Living alone 1.3 Walking aid 3.1 Fear of falling 2.5 Cognitive deficits, attention, execution 1.6 Psychotropics such as tranquilizers 1.9 Number of medications (per rumber) 1.1 Urinary incontinence such as urge / nykturia 1.7 Vision problems such as AMD, untreated cataract 1.6 Hearing impairment 1.5 Dizziness 2.3 Parkinson s disease 2.8 Diabetes mellitus 1.3 Stroke 1.8 Osteoarthritis or RA 1.6 Pain 1.6 Age (per year) 1.02
Situative Risikoerhöhung
Mehr gehen = mehr stürzen?
Leitlinien (NICE) Hausarzt: Nachfagen: alle Patienten > 70 Jahre Kein Sturz Keine Intervention Mehrere Stürze Ein Sturz Problem Check Up and Go Kein Problem Sturzbedingte Verletzung Weitere Evaluation Assessment Sturzanamnese Medication Review Funktionelles Asessment Visus: u.a. Kontrast Sehen Urininkontinenz UE: Schmerz und ROM Neurologischer und Kardiovaskulärer Status Angst, Depression, Kognition Ggf. Densitometirie Multifactorial intervention Anpassung der Medikation Trainingsprogramme (Physiotherapie) Katarakt Op Kardio- / Neurotherapie Orthostase Osteoporose Therapie Umgebungsanpassung (Ergotherpie) CBT, GCP
Sturzszenarien Unsicher aber noch kein Sturz Ein Sturz aber keine Verletzung Mehrere Stürze Sturz mit Verletzung
Sturzszenario 2 Ein Sturz in den letzten Monaten (aber keine Verletzung) Up and go Test und Frage nach Sturzangst Bewegungsprogramm Bsp. Otago, Trittsicher, LIFE, Tai Chi
Sturzszenario 3 Mehrere Stürze in den letzten Monaten Anamnese Up and go Test und Frage nach Sturzangst Medication Review Vitamin D Verordnung Wohnanpassung Visuskontrolle Multifaktorielle Programme Becker, Kampe, Todd, Papadopoulos, Skelton, Helbostad (2014)
44 trials 9,603 participants Cochrane Review 2012 Updates 2015 Gillespie et al 2012 159 trials 79193 participants Multiple-component group exercise RaR 0.71 [0.63-0.82] RR 0.85 [0.76-0.96] Multiple-component home-based exercise RaR 0.68 [0.58-0.80] RR 0.78 [0.64-0.94] Tai Chi RaR 0.72 [0.52-1.00] RR 0.71 [0.57-0.87] Multifactorial intervention individual risk assessment RaR 0.76 [0.67-0.86] RR 0.93 [0.86-1.02] Home safety interventions by OT RaR 0.69 [0.55-0.86] RR 0.79 [0.69-0.90] Vitamin D RaR 1.00 [0.90-1.11] RR 0.96 [0.89-1.03] NB low Vit D RR=0.83 (95%CI 0.75-0.91)
Trainingsprogramme für ältere Menschen: A Evidenz Strukturiertes Behandlungsprogramm Ziel: Erhalt der Selbstständigkeit im Alter und Reduktion von Stürzen 5 Hausbesuche innerhalb 6 Monate Übungsprogramm zur Steigerung von Kraft & Balance Ziel: Selbstständige Durchführung Telefonkontakte zwischen den Hausbesuchen Motivationssteigerung & Klärung von Fragen Schulung von Physio- & Ergotherapeuten Verbreitung in der Ärzteschaft
Internistische Sturzprävention: Medikamente Viele Medikamente können das Sturzrisiko erhöhen alle die im Bereich des zentralen Nervensystems wirken (Schlafmittel, Antidepressiva, Neuroleptika) nach ~ 4 Wochen ggf. reduzieren / absetzen Medikamente, die den Blutdruck senken kritisch überprüfen Orthostase (van der Velde 2010): Alpha Blocker, Nitrate Priscus Liste und Fortan Liste Start low, go slow (Hartikainen 2007, Leipzig 1999) but go!
Vitamin D Vitamin D: 300.000 IE in 10 Wochen bei sehr niedrigen Spiegeln aber Calcium Kontrolle nach 3-4 Woche Beachten Neue Englische Leitlinie 2014
Ergebnisse Anpassung Wohnumgebung
Kommunale Netzwerke für gesundes Altern Ziele: Prävention von Stürzen und Frakturen Bewegungsförderung Rehabilitation nach Frakturen
Ziele Steigerung der körperlichen Aktivität zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands ( Gesundheitsförderung ) Vermeidung von Stürzen und sturzbedingten Verletzungen Bewusstsein Verhalten Umgebungsbedingungen Zielgruppe Menschen ab 60 Jahre
Ausgangspunkt: Projekt 2010-2013 Körperliche Aktivität ist die wirksamste Form gesund länger zu leben Derzeit wirksamer als alle Medikamente Nur ein Viertel der Menschen haben ausreichend in Bewegung Wer selbstständig bleiben will braucht: Kraft, Balance, Ausdauer und Beweglichkeit Dafür gibt es derzeit keine Medikamente! Wer unsicher oder langsamer geht, fällt häufiger hin. Dies gehört zu den häufigsten Gründen nicht mehr alleine wohnen zu können oder auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Partner Kommune Ärzte Pflegedienste Krankenhauspersonal Sozialdienste Krankenkassen Vereine / Gruppen Medizinische Fachangestellte Kinder, Enkel Senioren Physiotherapeuten Ergotherapeuten Übungsleiter
Schritt halten Journal Mit Apotheken & Sanitätshäuser Stückzahl: 3000 Alle 2 Monate Auslage in Apotheken, Sanitätshäuser, Arztpraxen
Übersicht über wohnortnahe Bewegungsangebote www.schritthalten-reutlingen.de
Aktivitäten Zeitungsartikel Broschüre Sicheres Bus fahren im Alter Radiobeiträge Veranstaltungen Posteraktion
Posteraktion in Bussen
Nationale Aktivitäten 2014/5 GKV Spitzenverband: Präventionsleitpfaden ( 20) Bundestag: Präventionsgesetz (Dezember 2014) BZgA: Älter werden in Balance (seit November 2014) AOK BW: Otagoprogramm ab 2015 AOK Bayern: Nachhaltigkeit der Sturzprävention im Heim Landfrauen, DTB und SVLFG: Sturzprävention im ländlichen Raum (Trittsicher durch s Leben) ab 2015 in BW, Bayern, Hessen, RLP und Niedersachsen
Otago Home Exercise Booklets Translated Evidence based home exercise programme shown to reduce falls with regular use and progression (Campbell & Robertson, 1997, 2001) 7 RCTs in community dwelling older people
Postural Stability Home Exercise Booklets Translated Evidence based strength and balance programme shown to reduce falls in frequent fallers and community dwelling older people (Skelton et al. 2005) 2 RCTs, primary and secondary prevention
Chair Based Home Exercise Booklets Translated Evidence based strength and flexibility programme shown to improve function in frailer older people (Skelton et al. 1995, 1996) 2 RCTs Preparation for standing balance work
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Trittsicher durchs Leben Implementierungsprojekt zur Verbesserung von Balance und Knochengesundheit im ländlichen Raum Priv. Doz. Dr. med. Kilian Rapp Abteilung für Geriatrie und Klinik für Geriatrische Rehabilitation, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart
Trittsicher durchs Leben Implementierungsprojekt im ländlichen Raum Partner Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) Deutscher Landfrauenverband DTB Wissenschaftliche Partner RBK Universität Ulm Universität Hamburg Gefördert durch das
Ziele des Programms Reduktion von Stürzen und sturzbedingten Frakturen durch eine verbesserte Balance und Knochengesundheit Angebote (Trittsicher-) Sturzpräventionskurse (oder andere Bewegungsprogramme) Analog zur Praxis in Bayern (Gruppen, von Landfrauen organisiert, Übungsleiter DTB, Finanzierung durch die SVLFG) Identifikation von Versicherten mit einer Osteoporose Motivation zur Durchführung einer Knochendichtemessung Umgebungsanpassung (Empfehlungen)
Zielgruppen Ältere Versicherte ( 65 Jahre), die in den letzten 5 Jahren eine Fraktur bereits erlitten haben (Frauen und Männer) Frauen im Alter von 75- <80 Jahre Zielregionen 47 Landkreise in 5 Bundesländern - Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz Übrige Landkreise dienen als Kontrollen - Cluster-randomisierte Erhebung Innerhalb von 2 Jahren sollen mindestens 10.000 Versicherte kontaktiert werden
Rationale Hochrisikogruppen Hohes Sturz- und Frakturrisiko Profitieren von Sturzpräventionsmaßnahmen DVO-Leitlinie: Empfehlung Basisdiagnostik Mangel an Bewegungs-/Sturzpräventionsangeboten für ältere Menschen im ländlichen Raum Treatment gap im Bereich Primär- und Sekundärprävention Erschwerter Zugang zur Diagnostik und zu Angeboten im ländlichen Raum
Kontakt zu den Versicherten Erstkontakt Brief an Versicherten Aufsichtspersonen der SVLFG (ca. 30-50% der Personen) Telefon Folgekontakt(e) (fakultativ) per Telefon Logistik / Infrastruktur 3 Telezentren (Stuttgart, Landshut, Kassel) Aufbau Infrastruktur von Trittsicher-Kursen Kontakt zum Haus-/Facharzt Anschreiben über die KV Brief / Fax; faire Vergütung DXA
6 Landkreise in Rheinland- Pfalz Ahrweiler Eifelkreis Bitburg-Prüm Bad Kreuznach Alzey-Worms Kaiserslautern (ohne Stadt) Rhein-Pfalz-Kreis Achtung: in anderen Landkreisen Trittsicher-Kurse ebenfalls verfügbar; dort findet aber keine aktive Kontaktaufnahme statt
Trittsicher-Kurse Gruppenangebot über 6 Doppelstunden 1x/Woche; die Versicherten werden dazu angehalten, zuhause zusätzlich zu üben (auch nach Kursende) Übungen orientieren sich am Otago-Programm (z.b. Gewichtsmanschetten) und Standfest und Stabil (DTB) Anschluss an Vereinsangebote erwünscht Dürfen auch andere Personen an den Trittsicher- Kursen teilnehmen? Andere Altersgruppen? ja Männer? - ja Andere Versicherung? ja abrechnungsfähig nach 20 SGB V des Präventionsgesetzes (Leistungen der Krankenkassen in der Primärprävention)
Trittsicher und LV Rheinland-Pfalz Versorgungsmedizinisches Projekt im Bereich der Geriatrie Wissen um das Projekt Ideelle Unterstützung Ggf. kleinere Unterstützung in der Praxis - Räumlichkeiten für die Fortbildung von Übungsleitern - Evt. Vorstellung in Kreisärzteschaft Evaluation Ergebnis (Frakturen) und Prozessevaluation Gesundheitsökonomie www.trittsicher.org Gefördert durch das