Branche kompakt Schweiz Medizintechnik
Zürich (bfai) - Die Schweiz verfügt über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt mit einer hochwertigen Ausstattung an modernster Medizintechnik. Die Nachfrage nach solchen Ausrüstungen wird - auch durch den demographischen Wandel bedingt - weiter wachsen. Deutsche Hersteller sind mit einem Importanteil von 27% bereits heute wichtige Lieferanten. Führende internationale Akteure der Branche haben in der Eidgenossenschaft eigene Niederlassungen gegründet, um von den vorteilhaften Standortbedingungen im Land zu profitieren. Marktentwicklung/-bedarf Trotz der geringen Einwohnerzahl von nur 7,6 Millionen besteht in der Schweiz ein erheblicher Bedarf an hochwertiger Medizintechnik. Da zuverlässige Statistiken nicht verfügbar sind, lässt sich der Marktumfang lediglich grob schätzen. Eigenen Berechnungen zufolge dürfte er 2007 bei etwas über 4 Mrd. Schweizer Franken gelegen haben (rund 2,5 Mrd. Euro; Durchschnittswechselkurs 2007: 1 Euro = 1,64 sfr). Die lokalen Hersteller tragen nur einen geringen Teil zur Deckung der Marktnachfrage bei, da sie nach Angaben aus der Branche zwischen 90 und 95% ihrer Produktion exportieren. Der Schweizer Markt für Medizintechnik (in Mrd. sfr; Veränderung in %) 2006 2007 Veränderung 2007/06 Lokale Produktion 1) 8,8 9,1 3 Import 2) 2,8 3,1 10 Export 2) 7,9 8,2 3 Marktvolumen 3) 3,7 4,1 9 1) Schätzwert; 2) gemäß Abgrenzung der Tabelle im Abschnitt "Außenhandel"; 3) rechnerisch: lokale Produktion + Import - Export (Abweichungen durch Rundung) Quellen: bfai-berechnungen; Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) In den kommenden Jahren dürfte der Markt um etwa 4 bis 6% per annum zulegen. Einer der wichtigsten Wachstumstreiber ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Bereits 2050 sollen 28% von etwa 8 Mio. Schweizern über 65 Jahre sein. Bisher sind die Eidgenossen einer Umfrage des Verbandes Interpharma zufolge nicht bereit, für Kosteneinsparungen Qualitätseinbußen der Gesundheitsversorgung hinzunehmen. Auch der steigende Lebensstandard im Land und neue Behandlungsmethoden sorgen für weitere Nachfrageimpulse. Die Schweizer legen besonderen Wert auf qualitativ hochwertige und langlebige Produkte, die einfach und effizient anzuwenden sind. Der nationale Medizintechnikverband FASMED sieht ein starkes Wachstumspotenzial in den Bereichen Orthopädie, Dentalimplantate, Kardiologie sowie Augenheilkunde. Gleiches dürfte auch für Heimpflege- und Reha-Ausrüstungen gelten. Gute Marktchancen prognostizieren Branchenbeobachter darüber hinaus für fortgeschrittene Diagnosesysteme (Röntgengeräte, MRT, Bildsysteme), Monitoring und Intensivpflegeausrüstungen, Computersoftware, klinische Laborausrüstungen, In-vitro-Diagnosegeräte sowie chirurgische Verbrauchsgüter. 1
Die Schweiz besitzt eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP belief sich 2005 auf 11,4% (Deutschland 2005: 11,1%). Längerfristig wird ein Anstieg auf bis zu 20% vorausgesagt. Die obligatorische Krankenversicherung (OKV) mit einem maximalen Selbstbehalt von 700 sfr pro Jahr bietet der gesamten Bevölkerung Zugang zu einer umfangreichen Gesundheitsversorgung. An der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligen sich die Sozialversicherung mit 43%, die privaten Haushalte mit 31% und der Staat in Form von direkten Leistungen oder Subventionen mit 17%. Rahmendaten zum Gesundheitssystem in der Schweiz Indikator Wert (Jahr) Einwohnerzahl 7,6 Mio. (2007) Bevölkerungswachstum (% p.a.) 1,1 (2006/05) Altersstruktur der Bevölkerung Anteil der unter 14-Jährigen (%) 16,8 (2004) Anteil der über 65-Jährigen (%) 15,7 (2004) Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (Jahre) 81 (2004) BIP pro Kopf (US$) 55.704 (2007) Gesundheitsausgaben pro Kopf (US$) 5.620 (2005) Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (%) 11,4 (2005) Ärzte/100.000 Einwohner 206 (2006) Zahnärzte/100.000 Einwohner 51 (2006) Krankenhausbetten/100.000 Einwohner 540 (2006) Quellen: bfai, Weltbank und verschiedene andere Hauptabnehmer von Medizintechnik sind die 333 schweizerischen Spitäler. In öffentlicher Hand waren 2006 über 200 Kliniken, 130 waren privat. Insbesondere die fünf Universitätskrankenhäuser haben einen ausgezeichneten internationalen Ruf und sind sehr gut ausgestattet. Kantonale, städtische und private Krankenhäuser folgen häufig diesen Trendsettern bei der Wahl ihrer Anschaffungen. Privatkliniken und -praxen repräsentieren laut Branchenkennern nur ungefähr 15 bis 20% der gesamten Medizintechnik-Nachfrage. Sie unterliegen jedoch seltener finanziellen Beschränkungen und können daher eher auch in hochpreisige Ausrüstungen investieren (nach Angaben einer Markstudie befinden sich circa 60% der MRT-Geräte im Privatsektor). Sowohl öffentliche als auch private Beschaffungsstellen messen neben der Produktqualität auch einem guten After-Sales-Service einen hohen Stellenwert bei. Unbehagen bereitet der Medizintechnik-Branche die bis 2012 vorgesehene Einführung von sogenannten Fallpauschalen in der schweizerischen Spitalfinanzierung. Demnach werden nicht mehr die effektiven Kosten eines Krankenhausaufenthaltes, sondern ein Diagnose abhängiger Pauschalbetrag vergütet. Branchenvertreter befürchten dadurch einen erhöhten Preisdruck auf dem Medizintechnikmarkt und Qualitätseinbußen in der Spitalausstattung, da ein Anreiz 2
besteht, möglichst billige Verfahren anzuwenden und wenig neue Technologien zu beschaffen. Zudem wird im Zuge der Reform mit verkürzten Klinikaufenthalten und einer vermehrten post-operativen Pflege zu Hause gerechnet. Dadurch dürfte indes der Bedarf an einfach zu bedienenden Produkten für den Heimgebrauch steigen. Die Investitionsausgaben im schweizerischen Gesundheitswesen werden auf Kantonsebene geplant. Größere Ausrüstungsbeschaffungen in öffentlichen Spitälern müssen von den kantonalen oder kommunalen Behörden genehmigt werden. Umfassendere Krankenhaus- oder Klinikneubauten sind in der Schweiz vorerst nicht zu erwarten. Der Trend geht hin zur Reduktion von Krankenhausbetten und zur Schließung von Spitälern. Produktion/Branchenstruktur Die inländische Medizintechnik-Branche gilt als wenig transparent und stark fragmentiert. Von den insgesamt 586 Firmen mit ihren rund 40.000 Beschäftigten sind circa 90% Kleinbetriebe. Weltweit führende Positionen in ihren Geschäftsfeldern bekleiden die großen börsennotierten Akteure Synthes Holding (Orthopädietechnik), Phonak (Hörgeräte), Ypsomed (Injektionssysteme) sowie Nobel Biocare und Straumann (beide Zahnprothetik). Führende Schweizer Medizintechnik-Unternehmen (Umsatz in Mio. sfr) Unternehmen Sparte Umsatz 2007 Veränderung Internetadresse 2007/06 Synthes Holding Orthopädie 3.311 9,5 www.synthes.com Nobel Biocare Zahnprothetik 1.094 15,4 1) www.nobelbiocare.com Holding Straumann Zahnprothetik 714 19,1 www.straumann.com Ivoclar AG Zahnprothetik 626 7,4 www.ivoclarvivadent.com Ypsomed Holding 2) Injektionssysteme 287 3,6 www.ypsomed.com B.Braun Medical Medizinprodukte 267 9,4 www.bbraun.ch 1) auf Euro-Basis; 2) 1.4.07 bis 31.3.08 Quellen: bfai-recherchen, Unternehmensangaben Viele der lokal ansässigen Unternehmen nutzen die Schweiz als Testmarkt für ihre neuen Produkte. Für Forschung & Entwicklung werden jährlich mehr als 400 Mio. sfr ausgegeben. Nur durch ständige Innovationen können die vielen im internationalen Maßstab eher kleinen Firmen konkurrenzfähig bleiben. Die Dynamik der eidgenössischen Medizintechnikbranche scheint sich 2007 nach einem Umsatzwachstum 2006 von über 20% deutlich verringert zu haben. Dafür spricht jedenfalls die Erlösentwicklung der sechs umsatzstärksten Schweizer Branchenfirmen. 3
Aufgrund der günstigen Standortbedingungen haben sich namhafte internationale Firmen wie etwa Medtronic, Biotronik, Zimmer oder Johnson & Johnson im Land niedergelassen. Ansiedlungen können durch Bürgschaften und Steuererleichterungen staatlich gefördert werden. Die Zusammenarbeit zwischen Bildungsinstitutionen und Wirtschaft wird durch die Initiative KTI Medtech unterstützt. Darüber hinaus schlossen sich 2007 über 100 Branchenakteure im sogenannten "Medical Cluster " zusammen, um ihre Wettbewerbsposition durch Wissensund Technologietransfer zu stärken (www.medical-cluster.ch). Außenhandel Der schweizerische Medizintechnik-Import in den unten aufgeführten Warenpositionen erhöhte sich 2007 gegenüber dem Vorjahr um knapp 6% auf 1,9 Mrd. Euro. Deutsche Produkte erreichten mit 510,8 Mio. Euro eine Einfuhrquote von 26,7%. Hohe Importanteile verzeichnete Deutschland insbesondere bei Medizinmöbeln (65%), bei Röntgenapparaten (42%) sowie bei zahnmedizinischen Instrumenten (42%). Die USA sind auf dem schweizerischen Medizintechnikmarkt sehr stark vertreten und belegten 2007 mit Einfuhren im Wert von 619 Mio. Euro Platz eins der Importrangliste. Beachtliche Lieferanteile weisen ferner die Niederlande (144 Mio. Euro) und Frankreich (136 Mio. Euro) auf. Einfuhr ausgewählter medizintechnischer Produkte in die Schweiz (in Mio. Euro) *) SITC-Pos. Warenbenennung 2006 2007 davon aus Deutschland (2007) 774.1 Elektrodiagnoseapparate 108,8 100,6 37,5 und -geräte 774.2 Röntgenapparate etc. 112,0 118,9 49,6 741.83 Sterilisierapparate 11,3 11,6 5,8 785.31 Rollstühle 8,8 8,5 5,7 872.1 Zahnmedizinische 74,8 85,6 35,6 Instrumente; a.n.g. 872.21 Spritzen, Nadeln, Katheter, 158,5 197,8 38,4 Kanülen etc. 872.25 Ophthalmologische 34,7 31,5 10,5 Instrumente 872.29 Andere Instrumente, Apparate 382,9 399,5 170,1 und Geräte 872.3 Therapiegeräte, 72,5 78,2 26,6 Atmungsgeräte etc. 872.4 Medizinmöbel 32,9 37,4 24,2 899.6 Orthopädietechnik, Prothesen etc. 813,7 845,5 106,6 Insgesamt 1.810,8 1.915,0 510,8 *) auf sfr-basis (Umrechnungskurs 2006: 1 Euro = 1,57 sfr; 2007: 1 Euro = 1,64 sfr) Quelle: EZV 4
Geschäftspraxis Die öffentlichen Krankenhäuser beschaffen Medizintechnik zumeist über Ausschreibungen, die regelmäßig in den Portalen "www.simap.ch" und "www.infodienst-ausschreibungen.ch" oder in den lokalen Amtsblättern veröffentlicht werden. Branchenprodukte und -importe, die in der Schweiz vertrieben werden, müssen über die europäische CE- oder die schweizerische MD-Kennzeichnung verfügen und den europäischen Medizinprodukterichtlinien 90/385/EWG, 93/42/EWG oder 98/79/EG entsprechen. Detaillierte Informationen über die Anforderungen beim Medizintechnikhandel finden sich im Leitfaden zur Medizinprodukte-Regulierung beim Schweizerischen Heilmittelinstitut (www.swissmedic.ch). Zollrechtliche Fragen beantwortet die Eidgenössische Zollverwaltung (www.ezv.admin.ch). Auskünfte über Normen geben die Schweizerische Normenvereinigung (www.snv.ch) und Electrosuisse (www.electrosuisse.ch). Größere Probleme bei der Einfuhr von Medizintechnik- Produkten aus Deutschland sind nicht bekannt. Die Leitmesse der Branche ist die IFAS (Fachmesse für Arzt- und Spitalbedarf). Sie wird alle zwei Jahre veranstaltet und findet in der nächsten Ausgabe vom 28. bis zum 31.10.08 in Zürich statt (www.ifas-messe.ch). Kontaktanschriften Kontaktanschriften zur Branche finden Sie im Internet in unserer kostenlosen bfai-datenbank unter "www.bfai.de, Datenbank-Recherche, Adressen, Adressen Branche kompakt". Impressum Bundesagentur für Außenwirtschaft, Agrippastr. 87-93, 50676 Köln Tel.: 0221/20 57-0, Fax: 0221/20 57-275, Internet: www.bfai.de Verfasserin: Jessica Pirntke, Köln/Zürich, Redaktionsschluss: August 2008 Bestell-Nr.: 13593 Redaktion: Martin Wiekert, Tel.: 0221/20 57-220, E-Mail: branchen@bfai.de Ansprechpartner: Karl-Heinz Dahm, Tel.: 0221/20 57-274, E-Mail: westeuropa@bfai.de Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck - auch teilweise - nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. 5