HANDREICHUNG, STAND SEPTEMBER 2013 SOZIALE LAGE UND GESUNDHEIT Zusammenfassung: Inwieweit besteht ein Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und schlechteren Gesundheitschancen? Das Arbeitspapier stellt die Ergebnisse verschiedener Studien (z.b. DEGS, 2013, Dritter und Vierter Armut- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, GEDA- Studie, 2010) zum Zusammenhang von Gesundheit und sozialer Lage vor und zeigt Ursachen für diese Korrelation auf. Die Studien belegen einen engen Zusammenhang: Je niedriger der sozioökonomische Status, desto höher ist das Risiko für eine Beeinträchtigung der Gesundheit. Frühzeitige Sterblichkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen treten in Gruppen mit niedrigem sozialem Status, Ausbildungsstand und Einkommen häufiger auf als in höheren Statusgruppen. Inhalt: Soziale Lage und Gesundheit: Ursachen Soziale Lage und Gesundheit: Daten und Fakten Soziale Lage und Lebenserwartung Kinder- und Jugendgesundheit Kontakt Verwendete Literatur
SOZIALE LAGE UND GESUNDHEIT Soziale Lage und Gesundheit: Ursachen Soziale Benachteiligung erzeugt ungleiche Gesundheitschancen. Von Geburt an summieren sich größere Gesundheitsbelastungen bei sozial Benachteiligten durch schlechtere Lebensbedingungen und riskanteres Gesundheitsverhalten. Die wichtigsten Indikatoren für die Messung sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften sind: materieller Wohlstand Bildung berufliche Stellung und Prestige Die sozialen Unterschiede wirken sich umfassend, von Belastungen und Ressourcen über Verhaltensweisen bis hin zur Versorgung, auf die gesundheitliche Lage aus: Quelle: nach Mielck (2000) 1
Aus diesen Zusammenhängen resultiert eine schichtspezifisch markant unterschiedliche Lebenserwartung: 0-60% Netto Äquivalenzeinkommen 100 95 90 85 80 81 77 85 75 70 70 71 71 65 60 57 61 55 50 Lebenserwartung Männer Lebenserwartung Frauen Lebenserwartung i.g.g. Lebenserwartung i.g.g. Männer Frauen Soziale Lage und Gesundheit: Fakten und Daten Soziale Lage und Lebenserwartung: Soziale Lage und Gesundheit stehen in einem engen Zusammenhang. Die Lebenserwartung hängt in Deutschland stark vom Einkommen, dem Bildungsstand und der beruflichen Stellung ab: Männer des unteren Einkommensviertels sterben im Durchschnitt rund elf Jahre früher als Männer im oberen Einkommensviertel. Bei Frauen beträgt der Unterschied rund acht Jahre (Lampert & Kroll, 2010). Diese Leitthese bestätigen verschiedene große Studien im Detail: Die GEDA-Studie des Robert Koch-Instituts (2010) weist nach, dass Gesundheitschancen nach Bildungsstatus ungleich verteilt sind. Die Ausgabe GBE kompakt 5/2010 fasst den Zusammenhang von Armut und Gesundheit in folgenden Kernaussagen zusammen: Frauen und Männer mit niedrigem Einkommen haben eine geringere Lebenserwartung Von Armut betroffene Personen sind häufiger aufgrund vonb Gesundheitsproblemen in der Alltagsbewältigung eingeschränkt Gesundheitsriskante Verhaltensweisen sind bei Personen, die in Armut leben, stärker verbreitet 2 Der Partnerprozess Gesund aufwachsen für alle! wird durch die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund und Deutscher Landkreistag sowie durch das Gesunde Städte- Netzwerk unterstützt.
Armut geht mit einer geringeren sozialen Unterstützung einher Der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verringert Der Dritte Armut- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2008) stellt fest, dass das Schlaganfallrisiko in der niedrigsten im Vergleich zur höchsten Bildungsgruppe um das Dreifache erhöht ist. Die DGB-Studie zum Gesundheitsrisiko Arbeitslosigkeit (2010) zeigt, dass Erwerbslose rund doppelt so häufig krank sind wie Erwerbstätige. Mit zunehmendem Alter klafft diese Schere weiter auseinander. Die OECD-Studie Growing Unequal (2008) verdeutlicht, dass die Einkommensunterschiede und der Anteil der armen Menschen in Deutschland in den letzten Jahren deutlich schneller zugenommen haben als in den meisten anderen OECD-Ländern. Zu ähnlichen Resultaten gelangen das Statistische Bundesamt und das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW). Die aktuellen Ergebnisse der "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) (2013) belegen eine vom sozialen Status abhängige erhöhte vorzeitige Sterblichkeit (Lampert et al., 2013). Des Weiteren zeigen sie, dass sich die gesundheitliche Ungleichheit in den letzten 10 bis 20 Jahren nicht verringert hat und in einigen Bereichen sogar von einer Vergrößerung der sozioökonomischen Unterschiede im Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten auszugehen ist. Die nachfolgende Grafik (Lampert et al., 2013) verdeutlicht, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status ein höheres Risiko für viele chronische Erkrankungen und Beschwerden haben ihren allgemeinen Gesundheitszustand zumeist schlechter einschätzen häufiger Risikofaktoren, wie z. B. Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen aufweisen, die zu einer stärkeren Verbreitung von Krankheiten und Gesundheitsbeeinträchtigungen führen 3
T. Lampert et al. (2013) Sozioökonomischer Status und Gesundheit. Bundesgesundheitsbl 56: 814-821 Der Vierte Armuts-und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2013) weist ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen Einkommensposition und gesundheitlichen Beeinträchtigungen hin (siehe Grafik): Gering qualifizierte Männer weisen ein 5,6-fach erhöhtes Risiko für einen vorzeitigen krankheits- oder unfallbedingten Renteneintritt und den Bezug einer Erwerbsminderungsrente auf. Bei gering qualifizierten Frauen ist das Risiko um das 2,8 fache erhöht. Personen mit niedrigem Einkommen zeigen eher gesundheitsriskante Verhaltensweisen und nehmen vergleichsweise selten Vorsorgeuntersuchungen wahr. 4 Der Partnerprozess Gesund aufwachsen für alle! wird durch die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund und Deutscher Landkreistag sowie durch das Gesunde Städte- Netzwerk unterstützt.
Kinder- und Jugendgesundheit Kinder sind schon früh in schichtspezifischen Mustern befangen. Armut und ein niedriger sozialer Status schlagen sich besonders bei Kindern und Jugendlichen in einer durchschnittlich schlechteren Gesundheit nieder. Auch dies bestätigen mehrere voneinander unabhängige Untersuchungen: Die KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts (2006) konstatiert häufig schlechtere Gesundheitsindikatoren bei Kindern und Jugendlichen aus ärmeren Familien, insbesondere Adipositas und Übergewicht. Die zweite World Vision Kinderstudie (2010) macht darauf aufmerksam, dass Kinder aus dem benachteiligten unteren Fünftel der Gesellschaft ihre Zukunft oft pessimistisch sehen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung im Gesundheitswesen stellte 2009 fest, dass jedes fünfte Kind mit erheblichen psychosozialen Belastungen aufwächst. Der 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (2009) weist auf gesundheitliche Auffälligkeiten bei 20 Prozent der Heranwachsenden in Deutschland hin. Armut begünstige gesundheitliche Belastungen und Risiken. 5
Kontakt Ihr Ansprechpartner ist Rolf Reul, Tel.: 069 713 76 78 23 E-Mail: rolf.reul@hage.de in der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hessen. Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hessen wird gefördert vom Hessischen Sozialministerium (HSM), den Hessischen Krankenkassen (GKV) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hessen ist ein Arbeitsbereich der HAGE - Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung e.v. Verwendete Literatur Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Lebenslagen in Deutschland - Vierter Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. 7. März 2013 (PDF) Deutscher Bundestag (Hrsg.): Lebenslagen in Deutschland Dritter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Drucksache 16/9915. 30. Juni 2008 (PDF) Bundesfamilienministerium Familie, Senioren, Frauen und 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (2009): Mehr Chancen für gesundes Aufwachsen - Gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung in der Kinderund Jugendhilfe. Berlin (PDF) DGB Bundesvorstand (2010): Gesundheitsrisiko Arbeitslosigkeit -Wissensstand, Praxis und Anforderungen an eine arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung. In: arbeitsmarktaktuell Nr. 09 / August 2010 (PDF) Hölling, Schlack, Kamtsiuris, Butschalowsky, Schlaud & Kurth (2012): Die KiGGS-Studie. Bundesweit repräsentative Längs- und Querschnittstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut. In: Bundesgesundheitsblatt 2012. Wiesbaden: Springer Verlag (PDF) Lampert, Kroll, von der Lippe, Müters & Stolzenberg (2013): Sozioökonomischer Status und Gesundheit Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland(DEGS1). In: Bundesgesundheitsblatt 2013 5/6: S. 814 821. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag (PDF) Lampert T., Kroll LE (2010): Armut und Gesundheit. Hrsg. Robert Koch Institut Berlin. In: GBE kompakt 5/2010 (PDF) Robert Koch-Institut (2012): Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie»Gesundheit in Deutschland aktuell 2010. Berlin: Robert Koch-Institut (PDF) World Vision Institut für Forschung und Innovation (Hrsg.): Kinder in Deutschland 2010: 2. World Vision Kinderstudie. Fischer Taschenbuch-Verlag www.worldvision-institut.de/kinderstudien OECD (2008): OECD-Studie Growing Unequal: Income Distribution and Poverty in OECD Countries (PDF) 6 Der Partnerprozess Gesund aufwachsen für alle! wird durch die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund und Deutscher Landkreistag sowie durch das Gesunde Städte- Netzwerk unterstützt.