Vorhofohrverschluss anstelle von lebenslang Marcumar bei Vorhofflimmern? -10. Innovationsgipfel der MHH- Prof. Dr. med. Gunnar Klein Rhythmologie und Elektrophysiologie der Klinik für Kardiologie & Angiologie, MHH
Die Zahl der Vorhofflimmerpatienten wird sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln Lakshminarayan et al., Neurologist 2008; 14:143
Hierzu trägt die Überalterung und die zunehmende Inzidenz der Herzinsuffizienz bei Lakshminarayan et al., Neurologist 2008; 14:143
Vorhofflimmern
Prognose der Vorhofflimmerpatienten Schlaganfallrisiko pro Jahr circa 5% bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern (=2-7-fach erhöht gegenüber Patienten im Sinusrhythmus). Fuster et al. J Am Coll Cardiol. 2006;48:854-906.
15-20% der Schlaganfälle sind kardiogene Embolien bei Vorhofflimmern
Parekh et al., Circulation 2006; 114:e513
Die Prognose von Patienten mit Schlaganfällen bei Vorhofflimmern ist schlechter als bei Patienten im Sinusrhythmus Tragischerweise sind Schlaganfälle bei Patienten mit Vorhofflimmern: größer haben eine höhere Frührezidivrate haben eine höhere Mortalität haben eine höhere Invaliditätsrate (zurückbleibende Behinderungen) und spielen damit eine wesentliche Rolle in der Gesundheitsökonomie Hart et al., Stroke 2002; 33:2722; Lamassa et al., Stroke 2001; 32:39; Saxena R et al., Stroke 2001; 32: 2333
Daher brauchen Vorhofflimmerpatienten eine risikoadaptierte Antikoagulation (=Blutverdünnung) Risk Factors Score C congestive heart failure 1 H Hypertension 1 A Age 75 years 1 D Diabetes mellitus 1 S 2 History of stroke or TIA 2 Risikogruppe Kein Risikofaktor CHADS 2 = 0 1 moderater Risikofaktor CHADS 2 = 1 1 Hochrisikofaktor oder >1 moderater Risikofaktor CHADS 2 2 oder Mitralstenosis Empfehlung Aspirin 100mg/Tag Aspirin 100mg/Tag oder Warfarin/Marcumar (INR 2.0-3.0, target 2.5) Warfarin/Marcumar (INR 2.0-3.0, target 2.5) Fuster et al. J Am Coll Cardiol. 2006;48:854-906. Gage et al., JAMA. 2001;285:2864-2870
Die zwei Seiten der Medaille beim Marcumar Absolute Reduktion für Schlaganfälle 2,7%/Jahr NNT (1 Jahr) =37 Risiko für schwere Blutungen 3,0-3,5%/Jahr Hart R. et al. Ann Intern Med 2007; 156:857 Connolly et al., NEJM 2009; 361: 1139
Die Marcumartherapie ist bei Ärzten und Patienten gleichermaßen wenig beliebt In der Praxis sind nur 50% der Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten-Indikation bei Vorhofflimmern tatsächlich antikoaguliert. 1 bei ca. 25% der Patienten mit einer Vitamin-K-Antagonisten Indikation bei Vorhofflimmern bestehen Kontraindikationen aufgrund eines Blutungsrisikos. 2 ca. 15-30% der Patienten mit leitliniengerechter Antikoagulationsindikation präferieren oder wünschen diese nicht. 3 die Therapiesteuerung ist schwierig. Bis zu 75% der Patienten mit Vorhofflimmern und Einstellung auf Warfarin/Marcumar sind beim Auftreten des ersten Schlaganfalles bei Aufnahme subtherapeutisch behandelt. 4 1Gage et al; Stroke 2000; 31: 822, 2 Bradley et al., Am J Cardiol 2000; 85:568, Protheroe et al., BMJ 2000; 320:1380, 4 Gladstone et al., Stroke 2009; 40:235
How-to-Do-It
How-to-Do-It 71-jähriger Patienten mit spontanem Thoraxwandhämatom, Hb bei Aufnahme 6,6g/dl und INR 6,1
3 Monate später
PROTECT-AF: Wie effektiv ist der Vorhofohrverschluss im Vergleich zu Warfarin bzw. Marcumar? Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem CHADS2-Score von 1 oder mehr 2:1 Vorhofohrverschluss Warfarin, INR 2-3 18 Monate Primärer Endpunkt Effektivität: Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod, systemische Embolie Primärer Endpunkt Sicherheit: Blutung (inrakraniell oder gastrointestinal), prozedurale Komplikationen (Perikarderguss, Embolisationen des Devices) Holmes D. et al., LANCET 2009; 374: 534
PROTECT-AF: Wie effektiv ist der Vorhofohrverschluss im Vergleich zu Marcumar? 463 Patienten mit Vorhofohrverschluss und 244 mit Warfarintherapie: 72 bzw. 73 Jahre alt; 70% Männer, >60% CHADS2-Score 2 oder mehr, 18 bzw. 20% Z.n. Schlaganfall, ca. 40% hatten > 1 Jahr zuvor Warfarin, 40% paroxysmal, 35% permanentes Vorhofflimmern, EF 57%. 91% erfolgreiche Implantation, 91% nach 6 Monaten shuntfrei und ohne Warfarin Holmes D. et al., LANCET 2009; 374: 534
PROTECT-AF: Wie effektiv ist der Vorhofohrverschluss im Vergleich zu Marcumar? Holmes D. et al., LANCET 2009; 374: 534
PROTECT-AF: Wie sicher ist der Vorhofohrverschluss im Vergleich zu Marcumar? 0% Rel. Risikoreduktion gegenüber Warfarin -10% -20% -30% -40% -50% -60% -70% -80% -90% Hämorrhagischr Schlaganfall Grosse Blutungen kombiniert -100% Der Vorhofohrvrschluss ist nach der Implantation sicherer als Warfarin/Marcumar Holmes D. et al., LANCET 2009; 374: 534
Vorhofflimmern produziert gesundheitswirtschaftlich hohe Kosten Marcumar Mindestens 12x pro Jahr Kontrollen beim Arzt wegen Blutwerten Umstellung von Marcumar auf Heparin vor Operationen/Eingriffen Vorhofohrverschluss 3%/Jahr Hospitalisationen wegen schwerer Blutungen unter Marcumar Ein Vorhofflimmerpatient kostet jährlich circa 3000 Sanoski et al., J Manag Care Pharm 2009; 15: S4
Aber
Die fehlende adäquate Abbildung der Prozedur (Vorhofohrverschluss) im DRG/OPS-System verhindert die Anwendbarkeit in der klinischen Praxis Ausgaben: Reine Materialkosten: 5500,00 Personalkosten/Kost/Logie nicht eingerechnet Einnahmen: F19C: 4200,00 BFW: 2800 Casemixindex~ 1,5 Die Rhythmologie der MHH-Kardiologie hat dennoch dieses Jahr 10 Patienten hiermit komplikationslos und erfolgreich versorgt. Eine medizinisch und gesundheitsökonomisch unzweifelhaft sinnvolle Ausweitung ist aber nur möglich bei kostenneutraler Finanzierung. Vorschlag: Sondervereinbarung mit der MHH-Kardiologie z.b. über 50 Patienten
Zusammenfassung Der Vorhofohrverschluss ist eine neue nicht-pharmakologische Massnahme zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmerpatienten mit erhöhtem Schlaganfallrisiko Der Vorhofohrverschluss ist in einer großen multizentrischen, randomisierten und kontrollierten Studie gleich effektiv und mindestens genauso sicher wie Marcumar Nach der Implantation ist der Vorhofohrverschluss langfristig sicherer als Marcumar, da nicht mit Blutungen oder Unter bzw. Überdosierung zu rechnen ist. Die Marcumartherapie ist ein wesentlicher Kostenfaktor in der Vorhofflimmertherapie aufgrund der erschwerten Steuerbarkeit und der Blutungskomplikationen (3%/Jahr)
Zusammenfassung Der Vorhofohrverschluss verspricht dagegen bei höheren Upfront-Kosten (materialbedingt) langfristig kosteneffektiv/-reduzierend zu sein bei medizinisch unzweifelhafter Sicherheit und Effektivität Eine breite Anwendung ist aufgrund der Komplexizität des Verfahren derzeit nicht sinnvoll und bei der derzeitigen DRG-Vergütung auch nicht möglich. Eine Sondervereinbarung mit der MHH-Kardiologie/Rhythmologie ist aber sinnvoll, um geeigneten Patienten (z.b. mit erhöhtem Blutungsrisiko oder erschwerter Marcumarsteuerbarkeit) dieses Verfahren anzubieten.
Vorhofohrverschluss anstelle von lebenslang Marcumar bei Vorhofflimmern? -10. Innovationsgipfel der MHH- Prof. Dr. med. Gunnar Klein Rhythmologie und Elektrophysiologie der Klinik für Kardiologie & Angiologie, MHH