Bundesverfassungsgericht kippt Erbschaftsteuer: Folgen beim Vererben von Betrieben?



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Transkript:

Bundesverfassungsgericht kippt Erbschaftsteuer: Folgen beim Vererben von Betrieben?

Mandanten-Info Bundesverfassungsgericht kippt Erbschaftsteuer: Folgen beim Vererben von Betrieben?

Inhalt 1. Einleitung... 1 2. Ausgangssituation... 1 3. Hintergrund der Entscheidung... 2 4. Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses... 5 5. Gesetzgebungszuständigkeit... 6 6. Entscheidungstenor... 6 7. Erwägungen des BVerfG im Einzelnen... 7 8. Übergangsfrist... 15 9. Zusammenfassung und Konsequenzen für die Praxis...17

1. Einleitung Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 17.12.2014 die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonungsregelungen teilweise für verfassungswidrig erklärt. Aufgrund dieses Urteils des BVerfG muss das Erbschaftssteuergesetz (ErbStG) reformiert werden. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung schaffen. Während dieser Übergangsfrist kommt die bisherige Regelung grundsätzlich noch zur Anwendung. Allerdings besteht kein Vertrauensschutz für exzessive Gestaltungen. Von einer Neuregelung betroffen sind sowohl kleine und mittlere Unternehmen wie auch große Unternehmensvermögen. 2. Ausgangssituation Das Bundesverfassungsgericht hat nach 1995 und 2006 zum Dritten mal eine Entscheidung von weitreichender Relevanz für die erbschaftsteuerliche Nachfolgeplanung getroffen. Während die beiden Vorgängerentscheidungen sich in erster Linie mit Fragen der verfassungskonformen Bewertung, sowohl der Grundstücksbewertung als auch der Bewertung von Unternehmensvermögen befassten, stand nunmehr die Frage der Verschonung von Betriebsvermögen im Fokus. Dabei gilt weiterhin, die in der Vorgängerentscheidung festgestellte zweistufige Aufteilung der Erbschaftsteuer in Bewertungsebene und Verschonungsebene. Der Bundesfinanzhof hatte mit Beschluss vom 27.09.2012 insbesondere zwei Fragen zur Prüfung vorgelegt: 1. Wird Betriebsvermögen durch die mögliche Vollverschonung überprivilegiert? 2. Besteht gegenüber sonstigem Vermögen ein verfassungswidriger Begünstigungsüberhang? 1

3. Hintergrund der Entscheidung Der Gesetzgeber war bereits durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.2006 gezwungen, die Bewertung von Vermögensgegenständen auf eine neue verfassungskonforme Grundlage zu stellen. Dies bedeutete, dass er die Bewertung sämtlicher Vermögensgegenstände einheitlich am Verkehrswert ausrichten musste. Davon betroffen waren insbesondere Immobilien und Unternehmen. Bis zum Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform 2009 wurden Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit den Steuerbilanzwerten erfasst. Kapitalgesellschaften wurden nach dem sog. Stuttgarter-Verfahren bewertet. Aus dieser typisierten nicht am Verkehrswert orientierten Bewertung ergab sich eine Privilegierung, die bereits damals vom BVerfG beanstandet wurde. Der Gesetzgeber nahm eine gewährte Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 zum Anlass nicht nur die Bewertung von Immobilien und Unternehmen neu zu regeln, sondern auch das gesamte Verschonungssystem neu zu ordnen. Denn das BVerfG gab den Hinweis, dass der Gesetzgeber bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Steuer ausnehmen kann. Insoweit müssen aber ausreichende Gemeinwohlgründe vorliegen, die in verfassungsrechtlich zulässiger Weise eine Ausnahme rechtfertigen. Der Gesetzgeber reagierte mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 (ErbSt-ReformG 2009) dadurch, dass die Begünstigung von Unternehmen nicht auf der Ebene der Bewertung erfolgte, sondern erst auf der sog. Verschonungsebene. Das ErbSt-ReformG 2009 ließ das geschaffene Steuersystem im Grundsatz unverändert. Zunächst sollte auf der Bewertungsebene die Bemessungsgrundlage ermittelt werden. Erst dann sollte eine Verschonung erfolgen. Das ErbSt-ReformG 2009 ermöglichte insbesondere für Betriebsvermögen unter bestimmten Einschränkungen eine vollständige Verschonung von der Erbschaftsteuer. Im Einzelnen wurden zwei Mo- 2

delle der Verschonung vorgesehen, die derzeit immer noch gelten: die Regelverschonung und die Optionsverschonung. Die Regelverschonung ( 13a Abs. 1 Abs. 7 ErbStG) sieht vor, dass ein Abschlag von 85 % vom Unternehmenswert vorgenommen wird; letztlich also nur 15 % als Bemessungsgrundlage in die Besteuerung einfließen. Dies ist jedoch an folgende Prämissen gekoppelt: die Verwaltungsvermögensquote ( 13a Abs. 2 ErbStG) darf 50 % nicht übersteigen; die Lohnsumme muss nach 5 Jahren 400 % der Ausgangslohnsumme betragen; die Behaltefrist für das erworbene Vermögen beträgt 5 Jahre. Die Optionsverschonung ( 13a Abs. 8 ErbStG)sieht vor, dass der Verschonungsabschlag 100 % beträgt, also keine Versteuerung erfolgt; es sind aber gegenüber dem Regelmodell verschärfte Prämissen einzuhalten: die Verwaltungsvermögensquote darf 10 % des Unternehmenswertes nicht übersteigen; die Lohnsumme muss 700 % betragen die Lohnsummenfrist beträgt 7 Jahre; die Behaltefrist beträgt 7 Jahre. Im Einzelnen sind die Verschonungsregelungen kompliziert. 3

Die Verschonung von Übertragungen großer Unternehmensvermögen ist unter gewissen Einschränkungen möglich; Der bloßen Stundungsmöglichkeit als ausreichendes Verschonungselement wurde eine deutliche Absage erteilt; Korrekturen sind bei der Befreiung kleiner Unternehmen vom Lohnsummenkriterium, bei der Beschränkung der Verwaltungsvermögensgrenze sowie bei einzelnen unerwünschten Gestaltungen erforderlich. Alles in allem eine Entscheidung, die für die Praxis deutlich schlechter hätte ausfallen können. Allerdings steht der Gesetzgeber bei dem Ziel, auch Großunternehmen zu verschonen, vor einer echten Herausforderung. Eine Bedürfnisprüfung, die auf den Einzelfall abstellt, verträgt sich nicht mit einer abstrakt generellen Regelung. Der Politik wurde eine schärfere Konturierung ihrer Gesetzesanliegen auferlegt. 2015 Alle Rechte, insbesondere das Verlagsrecht, allein beim Herausgeber. Dieses Buch und alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung der TeleLex GmbH unzulässig. Im Übrigen gelten die Geschäftsbedingungen der TeleLex GmbH. Printed in Germany DATEV-Druckservice, 90329 Nürnberg (Druck) Angaben ohne Gewähr Stand: Februar 2015 Artikelnummer: 14622/2015-02-01 E-Mail: service@telelex.de TeleLex GmbH Virnsberger Str. 63 90431 Nürnberg 18