Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas Indikationen, Verfahren und Grenzen

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Schattauer 2011 37 Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas Indikationen, Verfahren und Grenzen T. Hasenberg 1; E. Shang 2 1 Chirurgische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim; 2 Department für Operative Medizin, Sektion Bariatrische Chirurgie, Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinik Leipzig Schlüsselwörter Bariatrische Chirurgie, metabolische Chirurgie, morbide Adipositas, adipositas-assoziierte Ko-Morbiditäten Zusammenfassung In Deutschland haben 20 % der Männer und 21,1 % der Frauen einen BMI über 30. Geschätzte 1,02 Millionen erwachsene Männer und Frauen in Deutschland sind morbid adipös (BMI >40). Diese Verbreitung der Adipositas und vor allem der morbiden Adipositas in Deutschland ist mit der Adipositasinzidenz in Nordamerika vergleichbar. Die bisherigen, konservativen Adipositas-Therapiekonzepte mit langfristigen Erfolgsraten von unter 1 2 % versprechen keine Entspannung dieser Situation. Nachhaltige und flächendeckende Präventionsprogramme sind ebenfalls nicht in Sicht. Die derzeit einzige, auch langfristige, Therapie gegen die morbide Adipositas ist die Adipositaschirurgie, auch Bariatrische Chirurgie ge- Korrespondenzadresse Dr. med. Till Hasenberg Universitätsmedizin Mannheim, Chirurgische Klinik Theodor-Kutzer-Ufer 1 3, 68165 Mannheim Tel. +49 (0)621/383 2225, Fax 3382 E-Mail: till.hasenberg@umm.de nannt. Im Kampf gegen die morbide Adipositas stehen ganz unterschiedliche operative Maßnahmen zur Verfügung. Grundsätzlich können restriktive (Magenband, Magenschlauch) und kombiniert restriktiv und malabsorptive Verfahren (Roux-Y-Magenbypass, Bilio-Pankreatische Diversion) unterschieden werden. Neben einem Verlust von bis zu 75 80 % des Übergewichts stehen vor allem auch die Remissionsraten der Begleiterkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ 2 oder das metabolische Syndrom, im Vordergrund. So kann die deutlich reduzierte Lebenserwartung morbid Adipöser an die von Normalgewichtigen angeglichen werden. Nachfolgend werden Möglichkeiten und Grenzen der bariatrischen Chirurgie zum aktuellen Zeitpunkt dargestellt. Keywords Bariatric Surgery, metabolic surgery, morbid obesity, obesity-associated co-morbidities Surgical treatment of morbid obesity. Indications, procedures and limits. Adipositas 2011; 5: 37 45 Summary In Germany 20 % of the male and 21.1 % of the female adults are presenting a BMI of more than 30 kg/m 2. 1.02 Million of the adults in Germany are morbidly obese (BMI >40 kg/m 2 ). This pandemic situation of obesity and morbid obesity is similar to the incidence of obesity in North America. In consideration of the increasing obesity incidence the longterm success rate of the conservative obesity treatment of 1 2 % does not ease this situation. Area wide prevention programs are not in planning. The actual only as well long term effective therapy against morbid obesity is bariatric surgery. There is an arsenal of restrictive (gastric band, gastric sleeve) and combinations of restrictive and malabsorptive procedures (Roux-en-Y gastric bypass, biliopancreatic diversion) available to treat morbid obesity. Bariatric surgery can not only induce excess weight loss of 75 80 % as well as a remission of co-morbidities like type 2 diabetes mellitus or the metabolic syndrome. Even the tremendous reduced life expectancy of morbid obese patients could be adapted to normal weighted subjects by bariatric surgery. The following overview should present the impact and the borders of bariatric surgery at the current evidence. In Deutschland hat die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas pandemische Ausmaße erreicht. Laut der Nationalen Verzehrstudie (1) ist jeder fünfte Bundesbürger adipös, d.h. 20 % der Männer und 21,1 % der Frauen haben einen BMI >30 kg/m 2 (52). Das eigentlich Beunruhigende ist jedoch die Dynamik der Zunahme von Adipositas. Lag der Anteil der adipösen Bevölkerung im Jahr 2003 noch bei 13 % (2), so stieg er im Jahr 2006 auf 20,8 % (1). Insgesamt sind 1,02 Millionen Männer und Frauen über 18 Jahre in Deutschland morbid adipös (BMI >40 kg/m 2 ) (1). Neben der klassischen WHO-Einteilung der Adipositas in drei Klassen (3) musste in Nordamerika inzwischen eine Erweiterung mit höheren Kategorien erfolgen (4). Hinzugefügt wurden der Superobese (BMI 50 55 kg/m 2 ), der Super-Superobese (BMI 55 60 kg/m 2 ), der Megaobese (BMI >60 kg/m 2 ). Die adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen nehmen mit zunehmendem Übergewicht ebenfalls zu (5). Circa 80 % der Diabetes mellitus Typ-2-Fälle können Übergewicht und Adipositas zugeschrieben werden, gleiches gilt für 35 % der ischämischen Herzerkrankungen und 55 % der Hypertonie-Patienten in der europäischen erwachsenen Bevölkerung (6). Adipositas 1/2011

38 T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas Entsprechend nimmt durch diese Anhäufung schwerwiegender Begleiterkrankungen das Mortalitätsrisiko zu. Auch hier liegt eine direkte Korrelation von zunehmendem BMI und dem Risiko, vorzeitig an einer Begleiterkrankung zu versterben (7, 8), vor. Die mittlere Lebenserwartung verringert sich statistisch durch Übergewicht und Adipositas bei einem BMI von 30 35 kg/m 2 um 2 4 Jahre und einem BMI von 40 45 kg/m 2 um 8 10 Jahre (9). Neben diesen individuellen Folgen haben Übergewicht und Adipositas auch dramatische gesamtwirtschaftliche Folgen. In Deutschland liegen die direkten Kosten für Adipositas (z.b. für Medikamente) bei 85,71 Mio. Euro, zuzüglich zu den direkten Kosten der Behandlung assoziierter Erkrankungen, z.b. Diabetes mellitus Typ 2, in Höhe von 11,265 Mrd. Euro. Hinzu kommen indirekte Kosten, bspw. durch Arbeitsunfähigkeit, von circa 1,4 bis 1,6 Mrd. Euro. Die Gesamtkosten belaufen sich so auf etwa 0,6 % des Bruttoinlandsproduktes (10). Der weltweite Anteil der Kosten von Übergewicht und Adipositas an den Kosten zur Gesundheitsversorgung werden in verschiedenen Studien auf 0,6 % bis 7 % geschätzt (11). Entsprechende Präventionsund Therapieprogramme sind demnach dringlich von Nöten. Langfristige Therapieerfolge der konservativen Behandlung sind allerdings nach der aktuellen Datenlage eher als gering zu beurteilen. Die bisher weltweite, größte und langfristig angelegte Kohorten- Studie (12) vergleicht eine konservative mit einer chirurgischen Therapie-Kohorte. Nach 15-jährigem Verlauf zeigte die konservativen Gruppe lediglich eine maximal zweiprozentige Gewichtsreduktion. Innerhalb des gleichen Zeitraums waren Gewichtsverluste beim Magen-Bypass von 27 %, bei der vertikalen Bandgastroplastie (VBG) von 18 % und dem Magenband von 14 % zu verzeichnen. Nach der aktuellen Datenlage scheint die bariatrische Chirurgie die derzeit einzige auch langfristig wirksame Therapieoption bei der morbiden Adipositas darzustellen (42, 44, 53). In der folgenden Übersicht sollen die Indikationen zur bariatrischen Chirurgie, die einzelnen Verfahren, die Effekte auf Gewichtsverlust und Ko-Morbi- ditäten, Wirtschaftlichkeit, aber auch die Grenzen dieser Therapieverfahren dargestellt werden. Indikation zur bariatrischen Chirurgie Die Indikationen zur Adipositastherapie können gemäß den evidenzbasierenden S3-Leitlinien für die Chirurgie der Adipositas (13, 51) folgendermaßen zusammengefasst werden. Bei Patienten mit einem BMI 40 kg/m2 ohne Kontraindikationen ist bei Erschöpfung der konservativen Therapie nach umfassender Aufklärung eine bariatrische Operation indiziert. Bei einem BMI zwischen 35 und 40 kg/m 2 mit einer oder mehrerer adipositas-assoziierter Folge-/Begleiterkrankungen (z.b. Diabetes mellitus Typ 2, koronare Herzkrankheit, etc.) ist ebenfalls eine chirurgische Therapie indiziert, sofern die konservative Therapie erschöpft ist. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie kann bei Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 2 bereits bei einem BMI zwischen 30 35 kg/m 2 eine bariatrische Operation erwogen werden (46). Auch für Patienten im höheren Lebensalter (>65 Jahre) kann bei gutem Allgemeinzustand eine bariatrische Operation durchgeführt werden. Das Alter allein stellt keine Kontraindikation dar, allerdings sollte die Indikation zur bariatrischen Operation besonders begründet werden. Ziel des Eingriffes ist oft die Verhinderung von Immobilität und Pflegebedürftigkeit. Grundsätzlich stellt auch ein Kinderwunsch keine Kontraindikation zur bariatrischen Chirurgie dar. Eine chirurgische Maßnahme kann als ultima ratio nach Scheitern wiederholter multimodaler konservativer Therapien bei extrem adipösen Jugendlichen mit erheblicher Ko-Morbidität erwogen werden (47, 50). Können die als Kontraindikationen genannten Erkrankungen und Zustände erfolgreich behandelt oder psychopathologische Zustände in einen stabilen Zustand überführt werden, sollte eine Re-Evaluation erfolgen. Für die Indikation zur Operation wird generell die Erschöpfung einer intensiven konservativen Therapie vorausgesetzt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten sind ausgeschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von sechs bis zwölf Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde; bei Patienten mit einem BMI von 35 39,9 kg/m 2 werden 10 20 % und mit einem BMI über 40 kg/m 2 10 30 % Verlust des Ausgangsgewichts gefordert. Folgende Beurteilungskriterien sind zu beachten: 1. Art der Behandlung Ernährung Möglichkeiten zur Ernährungstherapie sind dann erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z.b. Formula-Diät, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht wurde. Bewegung Durchführung einer Ausdauer- und/oder Kraftausdauersportart mit mindestens zwei Stunden Umfang pro Woche, falls keine Kontraindikationen bestehen (z.b. Gonarthrose für Gehsportarten oder Scham beim Schwimmen). Psychotherapie Durchführung einer ambulanten oder stationären Psychotherapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie), falls eine Essstörung (binge-eating, night-eating) oder eine Psychopathologie (z.b. Depression, Ängstlichkeit) vorliegt. 2. Dauer der Behandlung Die genannten Therapiearten müssen mindestens sechs Monate durchgeführt werden und werden spätestens nach 12 Monaten abschließend beurteilt. Adipositas 1/2011 Schattauer 2011

T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas 39 3. Setting Behandlungen zum Lebensstil sollten nach Möglichkeit in der Gruppe (Leitung idealerweise durch Fachpersonal) erfolgen. Kontraindikationen Die bariatrischen Operationen sind zwar die wirksamsten Methoden zur Gewichtsreduktion, aber keine zwangsläufige Erfolgsgarantie für den einzelnen Patienten, denn für den Gewichtsverlauf ist die Compliance im Hinblick auf Verhalten und langfristige Nachsorge wichtig (45). Die Binge-Eating-Störung, psychische Erkrankungen oder kindliche Missbrauchserfahrung stellen heute keine generelle Kontraindikation gegen bariatrische Maßnahmen mehr dar. Begleiterkrankungen, wie z.b. psychische Erkrankungen, können behandelt und in einen stabilen Zustand übergeführt werden. Anschließend sollte eine Re-Evaluation stattfinden. Zusammenfassend bleiben momentan folgende Kontraindikationen: instabile psychopathologische Zustände aktive Substanzabhängigkeit unbehandelte Bulimia nervosa konsumierende Grunderkrankungen Neoplasien chronische Erkrankungen wie Leberzirrhose Eine Evidenz für absolute Kontraindikationen in der Adipositaschirurgie gibt es derzeit nicht, wie auch die entsprechenden amerikanischen Leitlinien festhalten (14). Die Indikation bleibt somit eine ärztliche Einzelfallentscheidung, die aber im interdisziplinären Kontext gestellt werden muss. Bariatrischen Operationsverfahren Tab. 1 Auswahlkriterien für die einzelnen bariatrischen Verfahren. Verstellbares Magenband Schlauchmagen Magen-Bypass BMI 35 bis 45/50 kg/m 2 junge, motivierte Frauen; erfolgreiche Diäten in der Vergangenheit (Jo-Jo-Effekt) Kolon Pouch Die Verfahrensauswahl erfolgt in Absprache mit dem Patienten. Das setzt natürlich eine genaue Abwägung der Risiken und Nutzen der einzelnen Verfahren voraus. Die Indikation zu einem bestimmten Verfahren ist und bleibt immer wieder eine individuelle Entscheidung. Einzelne Kriterien, die zur Auswahlentscheidung hilfreich sein können, sind in der Tabelle 1 zu finden. Die Operationsverfahren können in drei Gruppen unterteilt werden: 1. Elektrostimulation des Magens: Am Magen platzierte Elektroden erzeugen durch elektrische Impulse eine frühe Sättigung. 2. Restriktive Verfahren: Durch Einengung des Magens oder Resektion wird die Nahrungszufuhr limitiert (43). 3. Kombinierte restriktiv-malabsorptive Verfahren: Durch Magenverkleinerung oder Resektion wird die Nahrungszufuhr limitiert. Zusätzlich wird durch das Umgehen von hoher BMI >60 kg/m 2 hohes Risiko kardiovaskulär NASH pulmonal (Schlafapnoe, Nikotin, COPD) Medikamente Blutgerinnung Duodenale Resorption NSAR Komorbidität Morbus Crohn, Colitis (IBD) hepato biliär Restmagen gemeinsamer a Schenkel b c d BMI 45/50 bis 60 kg/m 2 Hiatushernie/Reflux Männer Diabetes mellitus Typ 2 Abb. 1 Malabsorption bei unterschiedlich langem gemeinsamen Darmschenkel. a: Distaler Magenbypass mit großer Malabsorption, b: Mittlerer Magenbypass mit moderater Malbasorption, c: Proximaler Magenbypass mit milder Malabsorption, d: Bilio-pankreatische Diversion mit duodenalem Switch (Magenschlauch + distaler Magenbypass). Dünndarmanteilen eine Malabsorption erzielt. Die Malabsorption hängt von der Länge des umgangenen ( gebypassten ) Dünndarms ab ( Abb. 1). Die weltweit gängigsten bariatrischen Operationen sind: Roux-Y-Magenbypass verstellbares Magenband Magenschlauch ( gastric sleeve ) Tabelle 2 gibt einen Überblick der bisher bekannten Verfahren. Alle Verfahren sollten minimal-invasiv, laparoskopisch durchgeführt werden. Die laparoskopische OP-Technik zeigt, im Gegensatz zur offenen Verfahrensweise, eine hochsignifikan- Schattauer 2011 Adipositas 1/2011

40 T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas Tab. 2 Bariatrische Verfahren. Chirurgisches Prinzip Restriktive Verfahren Kombinierte Verfahren Malabsorptive Verfahren, Verfahren mit überwiegend malabsorptiver Komponente Andere Verfahren Magenballon Laparoskopisches Magenband (LGB) Vertikale Gastroplastik (VBG) a Schlauchmagen (Sleeve Gastrektomie) Magenstraße & Mill-Operation b Laparoskopischer Roux-Y-Magen-Bypass (RYGB/ LRYMBP) Bilio-pankreatische Diversion mit Duodenal Switch (BPD-DS) Ein-Anastomosen-Magen-Bypass ( Mini-Bypass ) Biliopankreatische Diversion (BPD) nach Scopinaro Distaler Magen-Bypass Intestinaler Bypass a Magenschrittmacher b Kombinationseingriff RYMBP und Magenband a,b Ileale Transposition b Sleeve Gastrektomie mit ilealer Transposition b Sleeve Gastrektomie mit duodeno-jejunalem Bypass b Sleeve Gastrektomie mit duodeno-ilealem Bypass b Endoskopische Verfahren wie Endo Sleeve b fett: Derzeit gängige Verfahren: a heute unüblich, b experimentell/außenseiterverfahren Magenpouch (Vormagen) Magenband Reservoir Das laparoskopische verstellbare Magenband-Verfahren (Laparoscopic adjustable gastric banding/ LAGP) ( Abb. 2) ist ein rein restriktives Verfahren (42). Ein verstellbares Magenband wird um den oberen Teil des Magen gelegt, so dass eine kleine obere Magentasche (Magenpouch) entsteht idealerweise mit einem maximalen Volumen von 15 20 ml. Das Magenband ist über einen Schlauch mit einem Port verbunden, welcher subcutan implantiert wird. Über den Port kann das Füllvolumen variiert und somit das Band enger oder weiter eingestellt werden. Die Nahrung sammelt sich in der Magentasche und wird nur langsam in den unteren Magenbereich weitergeleitet. Der Patient ist schneller und länger satt. Die Vorteile des laparoskopischen verstellbaren Magenbandes sind eine kurze OP-Zeit (circa 60 min), seltene/keine Malabsorptionen keine Veränderung der Anatomie Grundsätzlich kann ein laparoskopisch verstellbares Magenband wieder entfernt werden und ist somit im Gegensatz zu den anderen gängigen Verfahren reversibel. Als Nachteil des laparoskopischen verstellbaren Magenbandes müssen vor allem Spätkomplikationen wie Dislokation (Slippage), Magenwandarrosion oder Ösophagusdilatation angesehen werden. Auch eignet sich das laparoskopisch verstellbare Magenband nicht für Patienten mit Essstörungen wie sweet eating und binge -Kontraindikation. Darüber hinaus zeigen sich beim laparoskopisch verstellbaren Magenband signifikant schlechtere Langzeitergebnisse im Vergleich zu kombiniert restriktiv-malabsorptiven Verfahren. te Überlegenheit in Bezug auf die wichtigen Outcome-Parameter Morbidität, Mortalität, Hospitalisierungszeit und Rehabilitation (15, 42). Im Einzelnen werden wir nachfolgend nur auf die derzeit drei gängigsten Verfahren eingehen. Das Magenband Abb. 2 Verstellbares Magenband. Der Schlauchmagen (gastric sleeve) Der Schlauchmagen (gastric sleeve) ist ein relativ junges Verfahren. Die Schlauchmagenbildung wurde von Gagner als erster Schritt einer Zwei-Schritt-Therapie eingeführt, wird heute jedoch auch als alleiniger Schritt geplant. Auf Grund der nicht vorliegenden Langzeitergebnisse, bzw. vergleichender Studien, kann die Wirksamkeit dieser Methode noch nicht beurteilt werden. Bei der Schlauchmagenbildung wird der Großteil des Magens beginnend ca. 5 cm vom Pylorus entlang der kleinen Kurvatur bis zum His-Winkel reseziert, so dass Adipositas 1/2011 Schattauer 2011

T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas 41 der Fundus komplett entfernt wird ( Abb. 3). Die Wirkung des gastric sleeve ist vorwiegend restriktiver Natur. Der Vorteil der Schlauchmagenbildung ist eine kurze OP-Zeit, was insbesondere im Hinblick auf das perioperative Risiko der sogenannten super-obese (BMI >50 kg/m 2 ) relevant sein kann (48, 49). Magenschlauch Relevante Malabsorptionssyndrome werden nach Schlauchmagenbildung nur selten beobachtet. Als Nachteile des Schlauchmagens können Spätkomplikationen wie Stenosen, Strikturen sowie Dilatation angesehen werden. Wegen Resektion des Restmagens ist eine Gastric Sleeve nicht reversibel. Wie bei kombiniert restriktiv-malabsorptiven Verfahren ist bei der Schlauchmagenbildung eine lebenslange Vitamin-B12-Substitution zu beachten. Darüber hinaus werden Essstörungen wie sweet eating und binge eating als Kontraindikationen angesehen. Obwohl überzeugende Daten zur Langzeitwirkung des Gastric Sleeves noch nicht in ausreichendem Masse vorliegen, scheinen die Ergebnisse nicht mit restriktivmalabsorptive Verfahren vergleichbar zu sein. Abb. 3 Magenschlauch (Gastric Sleeve). Pylorus Duodenum Galle reszesierter Magen Ösophagus Magenpouch Restmagen Pankreas Der Roux-Y-Magenbypass Das Roux-en-Y-Magenbypass-Verfahren kombiniert Restriktion (Hauptkomponente) mit Malabsorption. Der Magen wird mit Klammernähten in zwei Teile getrennt: eine kleine Magentasche und den größeren Restmagen. Der Dünndarm wird durchtrennt und die distale Schlinge (alimentäre Schlinge) mit der Magentasche anastomosiert (Gastro-Jejunostomie). Eine Seit zu- Seit-Anastomose (120 150 cm aboral der Gastro-Jejunostomie) des alimentären Schenkels mit der biliopankreatische Schlinge bildet die eigentliche Y-Anastomose. Aboral der Y-Anastomose beginnt der gemeinsame Darmschenkel, welcher je nach Anatomie 250 400 cm messen kann. Die eigentliche Digestion und Resorption findet erst im gemeinsamen Darmschenkel statt ( Abb. 4). Abb. 4 Roux-Y-Magenbypass. bilio-pankreatischer Teil alimentärer Teil gemeinsamer Schenkel Verdauungssekrete Nahrung Der wichtigste Vorteil im Vergleich zu den rein restriktiven Verfahren ist die signifikant bessere Gewichtsreduktion. Darüber hinaus zeigt sich eine rasche Remission der Begleiterkrankungen (z.b. Diabetes mellitus Typ 2), manchmal bereits wenige Tage nach der Operation. Nachteilig sind Spätkomplikationen wie Dumping oder Anastomosenstenose. Auch müssen Vitamine und Spurenelemente lebenslang supplementiert werden, um möglichen Vitamin-/Spurenelementdefizienzen vorzubeugen. Wie die Schlauchmagenbildung, so ist auch der Roux-en-Y-Magenbypass praktisch nicht reversibel. Morbidität und Mortalität Die Morbidität der einzelnen bariatrischen Verfahren zeigt natürlich mit zunehmender Komplexität auch einen Anstieg der Morbiditätsrate ( Tab. 3). Dies bezieht sich allerdings nur auf die Frühkomplika- Schattauer 2011 Adipositas 1/2011

42 T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas Tab. 3 Morbidität und Mortalität in der Bariatrischen Chirurgie. Verstellbares Magenband Komplikationsrate (perioperativ) 3,5% (31) 1% (32) Schlauchmagen 13,2 % (33) 10,7 % (34) Magen-Bypass 0 24% (19) 18,7% (33) 17% (17) 4,8% (32) Komplikationsrate (langfristig) bis max. 13,4 (31) 11% (17) Mortalitätsrate (früh/ 30 Tage) 0,1% (15) 0,4% (33) 0,3% (34) 0% (32) 0,19% (19) 0,5% (15) 1,0% (33) 0,2% (32) Mortalitätsrate (spät/ >30 Tage) 0,45% (34) 0,47% (19) 1,1% (3) Re-Operationen/Konversionen 31%(12) keine Langzeitdaten vorhanden 17% (12) Verfahren Laparoskopisches Magenband (LGB) Schlauchmagen (Sleeve-Gastrektomie) Laparoskopischer Roux- Y-Magen-Bypass (RYGB/ LRYMBP) Komplikationen Portdislokation Portinfektion Leckage Band/Port Bandfehllage Bandverrutschen (Slippage) Bandmigration Erweiterung Magentasche (Pouch) Megaösophagus Stomaokklusion Unzureichende Gewichtsabnahme Klammernahtinsuffizienz Blutungen Pankreas- und Milzläsion Klammernaht über Sonde/ Bougie Belassen von Fundusanteilen Stenose im Bereich der Angulusfalte Sleeve Dilatation keine evidenten Langzeitergebnisse Blutungen Vitamin-B12-Mangel Vitaminmangel (außer B12) Übelkeit und Erbrechen Anastomosen-Insuffizienzen Verstopfung Durchfall Dumping-Syndrom Anastomosenstenose Rhabdomyolyse Anämie Innere Herniation Ileus Ulzera Tab. 4 Spezifische Komplikationen der einzelnen bariatrischen Verfahren. tionen. Insbesondere die inzwischen bekannten Spätkomplikationen des Magenbandes (Slippage, Migration, Megaösophagus) machen eine Re-Operation und eine Bandentfernung notwendig (16). Die verfahrenstypischen Komplikationen sind in Tabelle 4 aufgeführt. Doch selbst bei einer maximalen Gesamtkomplikationsrate von 17 % beim Magen-Bypass in Europa beträgt die Rate an Majorkomplikationen nur 4,7 % (17). Die weltweite Mortalitätsrate für alle bariatrischen Verfahren liegt insgesamt bei 0,3 % (15). Im Vergleich zu anderen großen abdominalchirurgischen Eingriffen liegt die Morbiditäts- und Mortalitätsrate in der Bariatrischen Chirurgie damit deutlich niedriger. Postoperativer Gewichtsverlauf Bei allen bariatrischen Verfahren ist ein hochsignifikanter postoperativer Gewichtsverlust zu verzeichnen. Eine Metaanalyse von Buchwald (15) ergab eine nachhaltige Gewichtsreduzierung bzw. Reduzierung des Übergewichts bei allen chirurgischen Verfahren von 61,2 %. Der durchschnittliche Verlust des Übergewichts beim Magenband lag bei 47,5 %, beim Magenbypass bei 61,6 % und bei der Biliopankreatischen Diversion oder BPD-DS bei 70,1 %. Aber auch die großen Kohortenstudien in Schweden (12) sowie aus Kanada (18) zeigen diese Gewichtsreduktionsraten, auch noch nach 15 Jahren. Für den Schlauchmagen liegen bisher maximal 4 Jahresergebnisse (19) vor, welche einen durchschnittlichen Excess Weight Loss von 48,5 % aufwiesen. In allen Studien ist nach ca. 3 5 Jahren ein leichter Anstieg des durchschnittlichen Körpergewichts gegeben, welcher aber ab dem 8. Jahr wieder abfällt. Adipositas 1/2011 Schattauer 2011

T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas 43 Einfluß auf adipositas-assoziierte Ko-Morbiditäten Neben dem eigentlichen Gewichtsverlust tritt in der bariatrischen Chirurgie immer mehr der positive Einfluß auf die bestehenden Adipositas-assoziierten Ko-Morbiditäten ( Tab. 5) in den Fokus. Auch hier zeigt eine große Metaanalyse (15) sehr hohe Remissionsraten auf praktisch alle schwerwiegenden Ko-Morbiditäten ( Abb. 5). Insbesondere fällt die rasche Verbesserung oder Resolution des Diabetes mellitus Typ 2 auf. Eine Übersicht der Remissionsraten des Diabetes mellitus Typ 2 zeigt die Tabelle 6. Wie auch schon bei der Gewichtsreduktion zeigen sich hier die vorwiegend malabsorptiven Verfahren (BPD, BPD+DS) am effektivsten. Die Verbesserung oder Remission der Ko-Morbidität sind letztendlich natürlich auch für die Prognoseverbesserung dieser Patienten verantwortlich. Diese Prognoseverbesserung schlägt sich wiederum in einer besseren Langzeitmortalitätsrate nieder. Adams (20) konnte zeigen, dass in einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 7,1 Jahren die bereinigte langfristige Mortalitätsrate in der bariatrischen Gruppe, verglichen mit der konservativen Kontrollgruppe, um 40 % sank. Insbesondere sank die Mortalitätsrate von Herzkreislauferkrankungen (56 %), Diabetes (92 %) und Krebs (60 %). Auch Christou (18) wies nach fünf Jahren ein um das Neunfache verringertes Sterblichkeitsrisiko in der bariatrischen Kohorte nach. Wirtschaftlichkeit baritarischer Verfahren Trotz der durch die OP entstehenden, initial hohen Therapiekosten besteht bei der bariatrischen Chirurgie eine hohe Wirt- Tab. 5 Adipositas-assoziierte Ko-Morbiditäten. Medizinisches Gebiet Kardiologie Endokrinologie Neurologie Psychiatrie Orthopädie Abb. 5 Postbariatrische Remissionsraten der Ko-Morbiditäten. Diagnosen KHK Myocardinfarkt Kongen. Herzfehler Arterielle Hypertonie Hypercholesterinämie TVT und Lungenembolie Diabetes mellitus Polycystic ovarian syndrome Menstruationsstörung Infertilität Stroke Meralgia paresthetica Migräne Carpaltunnel-Syndrom Demenz Depression Soziale Stigmatisierung Gicht Hypomobilität Osteoarthritis chron. Lumbago % 100 80 60 40 20 0 86% Medizinisches Diagnosen Gebiet Dermatologie Acanthosis nigricans Lymphödem Zellulitis Hirsutismus Intertrigo Gastroenterologie Onkologie Pneumonologie Urologie/ Nephrologie 77% 71% Schlafapnoe Diabetes Hoher Cholesterinspiegel Gastroesophageale Reflux Erkrankung Fettleber, NASH Cholelcystolithiasis Mamma, Ovar, Endometrium, Cervix Ösophagus, colo-rectal, Gallenblase, Magen Leber, Pankreas Prostata, Niere Non-Hodgkin Lymphome, Multiple Myeloma Obstruktives Schlafapnoe- Syndrom Adipositas- Hypoventilationssyndrom Asthma Erektile Dysfunktion Urininkontinenz Chron. Nierenversagen Hypogonadismus 62% Hypertonie Tab. 6 Postbariatrischer Gewichtsverlust und Remission des Diabetes mellitus Typ 2. Verstellbares Magenband Schlauchmagen Magen- Bypass BPD Wirkung restriktiv restriktiv restriktiv und malabsorptiv Durchschn. Gewichtsverlust (EWL) 37 58% (12, 35 38) 48,5% (19) 53,3% (39) 65 69% (12, 17, 18, 38) BPD DS malabsorptiv malabsorptiv 70,1% (15) 70,1% (15) bis 91% (40) Remission DM Typ 2 (41) 56,7% 80,3% 95,1% 95,1% Schattauer 2011 Adipositas 1/2011

44 T. Hasenberg; E. Shang: Operative Verfahren zur Behandlung der morbiden Adipositas schaftlichkeit. Schon postoperativ nach 2 3 Jahren sind die durchschnittlichen Therapiekosten durch Reduktion oder Remission der Ko-Morbiditäten wieder ausgeglichen (18, 21 23). Auch in Deutschland und Frankreich ist bariatrische Chirurgie kostensparend und in Großbrittanien sogar mit 2400 3200/QUALY kosteneffektiv (24). Multidisziplinäre Nachsorge Adipositas gilt als eine chronische Erkrankung, die auch nach einer bariatrischen Operation in den meisten Zentren eine weitergehende, dauerhafte Betreuung nach sich zieht (25, 26). Wie lang und mit welcher Frequenz diese Nachsorge zu erfolgen hat, kann aber zu diesem Zeitpunkt nicht genau gesagt werden. Allerdings zeigt sich bei Patienten, die ihre Nachsorge vernachlässigen oder nicht wahrnehmen, eine signifikant schlechtere Gewichtsreduktion (27, 28). Die Nachsorge sollte in erster Linie dazu dienen, pathologische, postoperative Veränderungen (Metabolische Situation, Ko- Morbiditäten, postoperative Spätkomplikationen, psycho-pathologische Veränderungen, Essverhalten) zeitgerecht erkennen und behandeln zu können und den Patienten multidisziplinär bei der Änderung seines Lebensstils zu begleiten. Laut der deutschen S3-Leitlinie sollte die Nachsorge lebenslang durchgeführt werden (13). Grenzen der Bariatrischen Chirurgie Grenzen der bariatrischen Chirurgie werden vor allem durch die sich ständig reduzierenden Kontraindikationen gesetzt. Die aktuell verfügbaren technisch-chirurgischen und medizinischen Mittel machen auch die Operation von megaobesen Patienten (BMI >60 kg/m 2 ) möglich und sicher. Der morbid adipöse Patient ist per se ein Hochrisikopatient, doch die Gruppe der Megaobese macht häufig eine weitere Modifikation der Operationstaktik notwendig. Diese Patientengruppe wird inzwischen fast immer in zwei Stufen operiert. Immer Fazit Auch im Vergleich zu evaluierten, multimodalen, konservativen Therapiestrategien ist die bariatrische Chirurgie bisher die einzige Form der Adipositastherapie, welche eine langfristig wirksame und signifikante Reduktion des Körpergewichts induzieren kann. Neben der Gewichtsreduktion steht aber immer die Verbesserung oder Remission der bestehenden Ko-Morbiditäten im Vordergrund. Dieser positive Effekt bewirkt im Vergleich zu konservativ behandelten Patienten ebenfalls eine Reduktion der Mortalitätsrate. Selbst die operative Therapie des Megaobese-Patienten (BMI >60 kg/m 2 ) stellt für große bariatrische Zentren keine Grenze mehr dar. Der Erfolg der bariatrischen Chirurgie ist allerdings abhängig von der richtigen Indikationsstellung und Verfahrensauswahl, der lebenslangen Einbindung in eine multidisziplinäre Therapie und Nachsorge und der Compliance des Patienten. häufiger wird zur besseren präoperativen Konditionierung auch ein intragastraler Ballon für einige Wochen endoskopisch platziert. Im ersten Schritt wird ein gastric sleeve und im zweiten Schritt, nach signifikanter Gewichtsabnahme, ein Bypassverfahren durchgeführt. Dadurch wird die postoperative Gesamtmorbidität und -mortalität im Vergleich zu einer einzigen Operation signifikant gesenkt (29, 30). Letztendlich müssen diese Patienten, so wie alle anderen auch, in ein multimodales Konzept eingebunden und lebenslange Nachgesorge erfahren. Literatur 1. Bundesministerium für Ernährung, L.u.V., Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, ed. Nationale Verzehrstudie. 2008. 2. Deutschland. Pressemitteilung Nr. 187. 2004. 3. WHO. 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