PSYCHE DER BESCHÄFTIGTEN UNTER DRUCK Ursachen, Folgen und Lösungsansätze für betriebliche Akteurinnen und Akteure Stand: Juni 2015 ooe.arbeiterkammer.at
VORWORT Dr. Josef Moser, MBA AK-DIREKTOR Dr. Johann Kalliauer AK-PRÄSIDENT PSYCHISCHE BELASTUNGEN IN DER ARBEITSWELT EINDÄMMEN 2
INHALT Was sind psychische Belastungen? 4 Ursachen psychischer Belastungen 5 Empfehlungen zum Erhalt der psychischen Gesundheit 9 Evaluierung psychischer Belastungen 10 Forderungen der Arbeiterkammer Oberösterreich 12 Impressum 12 3
WAS SIND PSYCHISCHE BELASTUNGEN? Alltagsverständnis anders als wissenschaftliche Definition ÖNORM EN ISO 10075 Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Belastungen Allgemeines und Begriffe Diese Norm definiert in Teil 1 den Begriff psychische Belastungen als sämtliche erfassbare Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Die Auswirkungen dieser Belastungen im Individuum bezeichnet man als Beanspruchungen. Teil 2 und 3 der ÖNORM EN ISO 10075 widmen sich den Gestaltungsgrundsätzen und den Grundsätzen und Anforderungen an Verfahren zur Messung und Erfassung psychischer Arbeitsbelastungen. Normen stellen den Stand der Technik dar und sind somit im Arbeitnehmerschutz zu berücksichtigen. Über- oder Unterforderung können bei den Arbeitnehmern/-innen zu Fehlbeanspruchungen führen. Belastungsfaktoren Fehlbeanspruchung ist das Problem 4
Dass Menschen unterschiedlich auf Belastungen reagieren, ist vollkommen natürlich. Wenn man sich im Betrieb mit psychischen Belastungen auseinandersetzt, macht es keinen Sinn, jene Personen zu identifizieren, die bereits überlastet sind. Zielführend ist es vielmehr, die Einflüsse zu entdecken, die zu negativen Beanspruchungsfolgen führen können. Belastungen verringern Ressourcen stärken URSACHEN PSYCHISCHER BELASTUNGEN Die Ursachen psychischer Belastungen sind häufig Leistungs-, Zeit- und Konkurrenzdruck sowie Personalmangel und schlechtes Führungsverhalten sind häufige Ursachen. 5
Vor allem Zeitdruck belastet die Beschäftigten BELASTUNGEN DURCH (IN PROZENT) Zeitdruck 6 15 27 19 33 seelisch belastende und aufreibende Arbeit 3 8 16 23 50 ständige Überwachung und Kontrolle 4 8 14 17 57 mangelnde Rückzugsmöglichkeiten 4 8 14 20 54 mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte 4 6 14 19 57 überlange Arbeitszeiten 3 7 13 17 60 0 20 40 60 80 100 AK Grafik Quelle: Arbeitsklima Index AK OÖ, IFES 2014 1 = sehr stark belastet 2 3 4 5 = gar nicht belastet Veränderungen in der Arbeitswelt beeinflussen die krank machenden Faktoren SYSTEM: MODERNE ARBEITSWELT Globalisierung Hohes Arbeitstempo, wenig Entscheidungsspielraum Tertiärisierung Informatisierung Dynamik Gestaltung der Arbeitssituation Komplexität Vielfalt AK Grafik Dimensionen des betrieblichen Geschehens in der modernen Arbeitswelt. Quelle: BAuA aktuell 2/2012, S. 3: dynamisch, vielfältig und komplex, Risiken und Chancen der modernen Arbeitswelt. Ökonomisierung 6
DRUCK AUF PSYCHE MACHT BESCHÄFTIGTE KRANK Österreichische Beschäftigte leiden öfter an Stress als EU-Durchschnitt Psychische Belastungen wie Stress machen krank seelisch und körperlich HOHE PSYCHISCHE BELASTUNG WIRKT SICH AUF KÖRPER UND SEELE AUS (IN PROZENT) Verdauungsbeschwerden Konzentrationsstörungen Muskelverspannungen Kreuzschmerzen Erschöpfung Kopfschmerzen Schlafstörungen Nervosität Hoher Blutdruck Psychische Belastung: niedrig hoch AK Grafik Quelle: Arbeitsgesundheitsmonitor AK OÖ, IFES 2014 8 9 13 14 17 23 24 31 34 36 0 10 20 30 40 50 60 70 44 43 Psychisch belastete Arbeitnehmer/-innen leiden häufiger an Muskelverspannungen, Erschöpfung und Schlafstörungen 47 47 55 57 66 66 7
Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen haben sich innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht Enormer Anstieg der Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankungen KRANKENSTANDSTAGE UND -FÄLLE AUFGRUND PSYCHISCHER ERKRANKUNGEN IN OÖ (IN TAUSEND) 800.000 750.063 758.153 705.880 22.000 18.000 700.000 618.773 18.000 600.000 18.803 19.540 501.778 18.401 16.000 500.000 401.356 453.439 14.000 341.485 17.351 12.000 400.000 289.057 14.548 266.738 12.860 10.000 300.000 12.716 8000 200.000 9889 11.419 6000 8994 4000 100.000 2000 0 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 AK Grafik Quelle: OÖGKK 2014 Krankenstandsfälle Krankenstandstage Krankenstandstage Krankenstandsfälle DIE HÄUFIGSTEN URSACHEN FÜR KRANKENSTÄNDE (IN PROZENT) Infektionen * 6,3 % Psychische Erkrankungen 10,2 % Verletzungen 18,5 % Atmungssystem 18,2 % Muskel-Skelett-System 23,2 % Sonstige 23,7 AK Grafik Quelle: OÖGKK 2014 * außer Atmungssystem Viele glauben, nicht bis zur gesetzlichen Pension durchhalten zu können ARBEITSFÄHIGKEIT IM DERZEITIGEN BERUF MIT 60/65 JAHREN (IN PROZENT) 19 46 23 12 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 sehr wahrscheinlich eher wahrscheinlich eher unwahrscheinlich sehr unwahrscheinlich AK Grafik Quelle: Arbeitsgesundheitsmonitor AK OÖ, IFES 2014 8
Stressbedingte Erkrankungen verursachen Kosten in Milliardenhöhe Psychische Erkrankungen verursachen in der EU jährlich Kosten von 240 Milliarden Euro EMPFEHLUNGEN ZUM ERHALT DER PSYCHISCHEN GESUNDHEIT Guter Führungsstil Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus BELASTUNG DURCH VORGESETZTE UND GESUNDHEITLICHE BESCHWERDEN (IN PROZENT) Einschlaf-, Durchschlafstörungen Nervosität und Zerfahrenheit 27 Konzentrationsstörungen 21 Magenbeschwerden 24 26 Verdauungsbeschwerden Starkes Herzklopfen, -rasen, Druck auf der Brust 14 28 32 33 35 43 42 52 0 10 20 30 40 50 60 AK Grafik Quelle: Arbeitsgesundheitsmonitor AK OÖ, IFES 2014 Belastung durch Vorgesetzte: niedrig hoch 9
Arbeitgeber/-innen haben laut Gesetz die Verantwortung dafür, auf die Gesundheit der Beschäftigten zu achten Betriebe müssen Druck rausnehmen EVALUIERUNG PSYCHISCHER BELASTUNGEN Was muss geprüft werden? Arbeitspsychologen/-innen beraten 10
Arbeitsinspektion prüft wissenschaftliche Vorgaben Beteiligung von Betriebsrat und Sicherheitsvertrauenspersonen. Mit der Erhebung der Gefährdungen ist eine Evaluierung nicht abgeschlossen! Es müssen konkrete und zielführende Maßnahmen abgeleitet und auch umgesetzt werden. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen muss überprüft werden. Können die Gefährdungen durch die gesetzten Schritte nicht zurückgedrängt werden, müssen weitere Maßnahmen gesetzt werden. Gefahrenursache muss bekämpft werden Nicht die Therapie von Betroffenen steht im Zentrum, sondern die Beseitigung der Gefahrenquelle Das "TOP-Prinzip" Technische und organisatorische Maßnahmen sind auszuschöpfen, ehe personenbezogene Maßnahmen gesetzt werden. Ein Beispiel aus der Praxis vieler Arbeitnehmer/-innen: Eine ständig störende und kompliziert funktionierende Telefonanlage verursacht Stress. Es ist zuerst zu überprüfen, wie die Anlage technisch besser auf die Bedürfnisse der Arbeitsabläufe abgestimmt werden kann. Dann sind organisatorische Maßnahmen zu treffen, wie Arbeitseinteilungen, die den einzelnen Kollegen/-innen störungsfreie Zeiten ermöglichen. Erst als letzte oder ergänzende Maßnahme sollen Einschulungen auf eine technisch sehr herausfordernde Telefonanlage oder Stressmanagementseminare angeboten werden. Sonstige Maßnahmen für die psychische Gesundheit 11
FORDERUNGEN DER ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH Mehr Ressourcen und Kompetenzen für die Arbeitsinspektion Mehr Mitbestimmung von Betriebsräten Arbeitspsychologen/-innen als ver- Kündigungsschutz im Krankenstand bedingungen für einen stufenweisen Wiedereinstieg Informationsblatt der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Nummer 40/2015, Zl.-Nr.: GZ 02Z033937 M, AK-DVR 0077747 Medieninhaberin: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Volksgartenstraße 40, 4020 Linz Offenlegung gemäß 25 Mediengesetz siehe ooe.arbeiterkammer.at/impressum.htm Hersteller: Druckerei Mittermüller GmbH, Oberrohr 9, 4532 Rohr im Kremstal ooe.arbeiterkammer.at