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Transkript:

Nationalrat, XXV. GP 23. April 2015 70. Sitzung / 1 11.51 Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Besuchergalerie und vor den Bildschirmen! Ganz kurz: Der Regierungsvorlage stimmen wir zu, bürokratische Hürden gehören niedrig gehalten. Aber man muss auch dazusagen, es handelt sich um eine nötige Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben, also die Euphorie dürfen wir auch niedrig halten. Wichtiger ist mir jetzt die Diskussion über unseren Antrag, in dem es um die arbeitsund sozialrechtliche Absicherung von Eltern geht, wenn es zu Fehlgeburten kommt, zu sehr frühen Totgeburten oder zu einem sehr frühen Kindstod. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass vonseiten der ÖVP überhaupt keine Stellungnahme dazu kommt. Kollege Spindelberger hat ausgeführt, dass die SPÖ dem Antrag nicht zustimmt, weil sie das Gefühl haben, es wäre der Mutterschutz, verbunden mit dem Beschäftigungsverbot, zu starr. Ich möchte erklären, warum wir uns diesem Thema nähern. Es geht um Fälle, wo Schwangerschaften und Geburten nicht so verlaufen, wie wir das allen jungen Müttern, allen jungen Familien wünschen. Da sieht das Gesetz in einigen besonderen Fällen keine Regelungen vor, und es handelt sich meines Erachtens um ein Tabuthema, bei dem sich viele schwertun, es anzusprechen. Wenn jemand sein Kind sehr früh verliert, dann geht es um eine psychisch und für die Mütter auch körperlich sehr belastende Situation, die eine rechtliche Absicherung verdient. Um zu illustrieren, zu welch schwierigen Situationen es da kommen kann: Wenn es zu einer Totgeburt kommt und das Geburtsgewicht jenseits der 500 Gramm liegt, dann hat die Mutter Anspruch auf 16 Wochen Mutterschutz. Aber wenn dieses Geburtsgewicht von 500 Gramm knapp unterschritten ist, dann gibt es null Mutterschutz. Dann aber zu sagen: Na, dann lass dich halt vom Arzt arbeitsunfähig schreiben!, halte ich für unsensibel. Das halte ich für eine Zumutung, weil die betroffene Frau in einer solchen Lebenssituation den Kopf woanders hat als dabei, sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen und in der Firma eine Krankmeldung abzugeben. Wenn man sich den Kündigungsschutz ansieht, dann verhält es sich ähnlich. Während in einem Fall der Kündigungsschutz bis vier Wochen nach Ende des Mutterschutzes dauert, ist bei einer solchen Fehlgeburt der Kündigungsschutz sofort mit Ablauf des Krankenstandes verloren. Also da haben wir einige Ungleichbehandlungen, die unseres Erachtens nicht sachgerecht sind.

Nationalrat, XXV. GP 23. April 2015 70. Sitzung / 2 Ein weiterer Fall: Wenn das Kind geboren wird, aber kurz vor Ablauf des Mutterschutzes verstirbt, dann müsste die Mutter nach Ablauf dieses Mutterschutzes, möglicherweise wenige Tage nach dem Tod des Kindes, wieder arbeiten gehen. Auch da halten wir das Verweisen auf den Arzt und auf die Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen, für eine unsensible Zumutung. Außerdem gibt es Fälle Gott sei Dank selten genug!, dass ein Kind während des Kindergeldbezugs verstirbt. Auch in einem solchen Fall sind viele Fragen zu klären: Ist die vereinbarte Karenz noch aufrecht? Wurde im Betrieb eine Ersatzkraft eingestellt? Muss die Frau gleich wieder arbeiten gehen? Ebenso sind die soziale Absicherung, das Arbeitslosengeld, die Mindestsicherung offene Fragen. Man stellt da die jungen Eltern in einer Phase, in der sie ihren Kopf ganz woanders haben, vor extrem schwierige Situationen. Das sind Fälle, für die der Gesetzgeber, der ansonsten alles durch und durch regelt, nichts vorgesehen hat. Die Väter gehören ebenfalls mit berücksichtigt. Da kommen unsere rechtlichen Regelungen aus einer anderen Zeit, als das Kinderkriegen bei der Mama lag und den Papa nichts anging. Auch da, glaube ich, müssen wir den Blick in die richtige Richtung lenken. Vielleicht waren unsere Vorschläge im Ausschuss zu konkret, und wir haben es den Mehrheitsfraktionen zu einfach gemacht, ein Haar in der Suppe zu finden. Deswegen bringe ich jetzt folgenden Antrag ein, in welchem die Sache etwas globaler formuliert ist und der es Rot und Schwarz leichter machen soll, mitzugehen und im Sinne der jungen Eltern eine Regelung zu treffen: Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend arbeitsund sozialrechtliche Absicherung im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod Der Nationalrat wolle beschließen: Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Familie und Jugend werden aufgefordert eine verbesserte arbeitsund sozialrechtliche Absicherung von Eltern im Falle einer Fehlgeburt, einer Totgeburt oder eines Kindstodes umzusetzen. ***** Mit diesem Antrag wollen wir einen Anstoß geben, damit in diesem Bereich etwas geschieht und wir faire Lösungen finden. Ich würde es für ein gutes Zeichen halten,

Nationalrat, XXV. GP 23. April 2015 70. Sitzung / 3 wenn der Nationalrat diesem Antrag zustimmen würde. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen.) 11.57 Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben vom Herrn Abgeordneten Loacker eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut: Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen betreffend Arbeits- und Sozialrechtliche Absicherung im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1013/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozial- und Arbeitsrechtliche Absicherung von Eltern im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod (570 d.b.) TOP 7 Das österreichische Arbeits- und Sozialrecht weist leider noch immer Lücken bzw. rechtliche Graubereiche auf, die einem entwickelten Wohlfahrtsstaat nur bedingt entsprechen. Beispielsweise entsprechen die arbeits- und sozialrechtlichen Folgen im Falle eines Kindstodes während des Mutterschutzes bzw. Karenz oder einer Totgeburt nicht unbedingt den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der betroffenen Eltern. Im Falle eines solchen emotionalen Ausnahmezustandes muss darauf wertgelegt werden, dass (in den meisten Fällen) den Müttern eine entsprechende unbürokratische Absicherung gewährt wird und die Betroffenen durch soziale Netze in der ersten Zeit nach einem solchen tragischen Tod, ausreichend aufgefangen werden. Dabei soll der bürokratische Aufwand für die Betroffenen gering gehalten werden, um einerseits eine ausreichende Trauerphase, aber auch eine körperliche Regeneration, zu ermöglichen. Solche Fälle können in verschiedenen sozial- und arbeitsrechtlichen Stadien zum Tragen kommen, weshalb unterschiedliche Gesetzesänderungen zu Bedenken sind, um entsprechende Graubereiche zu beseitigen und Rechtssicherheit zu schaffen. Es geht hier nicht nur um die Rechtssicherheit für die betroffenen Eltern, sondern auch um eine Rechtssicherheit für die Arbeitgeber_innen, die in den entsprechenden Situationen oft vor unangenehme Entscheidungen gestellt werden.

Nationalrat, XXV. GP 23. April 2015 70. Sitzung / 4 Bei der Betrachtung der Problematik ist insbesondere der Zeitpunkt des Endes der Schwangerschaft bzw. der Zeitpunkt des Todes des Kindes von Bedeutung. Fehl- und Totgeburten Nach einer Fehlgeburt (Geburtsgewicht unter 500 Gramm, kein Lebenszeichen) sieht das Mutterschutzgesetz keine Freistellung für betroffene Frauen vor. Betroffene Frauen werden aufgrund des medizinischen Eingriffes krank geschrieben, ein darüber hinausgehender Schutz ist trotz einer oft bereits monatelangen Schwangerschaft und Geburt nicht gegeben. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang eine Krankschreibung als ausreichend erachtet, sollten hier die Umstände ins Auge gefasst werden, die auch eine Begründung des Mutterschutzes darstellen: der gesundheitliche und körperliche Schutz der Mutter. Aus diesem Grund scheint eine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung durch einen Krankenstand nicht der Situation entsprechend. Im Falle einer Totgeburt (Geburtsgewicht mindestens 500 Gramm und ohne Lebenszeichen) hat die betroffene Frau Anspruch auf vollen Mutterschutz, also 16 Wochen in Summe. Gerade in diesem Fall kommt eine quasi willkürlich festgelegte Grenze des Geburtsgewichtes zu tragen, die eine Ungleichbehandlung deutlich macht. Wiegt das Kind über 500 Gramm hat die Mutter Anspruch auf vollen Mutterschutz. Bei einigen Gramm darunter hat die Mutter keinerlei Ansprüche. Aus diesem Grund ist diese 500 Gramm-Grenze auch arbeits- und sozialrechtlich in Frage zu stellen. Insbesondere auch deswegen, weil ein geringfügiger Gewichtsunterschied nicht darüber Aufschluss geben kann, inwiefern die körperliche Verfassung der Mutter tatsächlich durch eine Schwangerschaft bzw. durch eine Fehl- bzw. Totgeburt angeschlagen ist. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen auf den Kündigungsschutz der betroffenen Mütter. Dieser endet bei einer Fehlgeburt sofort, bei einer Totgeburt endet der Kündigungsschutz je nach Zeitpunkt der Geburt vier Wochen nach Ablauf des Mutterschutzes. Zwar gäbe es Möglichkeiten einer Anfechtung oder von Schadenersatz bei einer Kündigung nach einer Fehlgeburt nach dem Gleichbehandlungsgesetz, aber auch hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Folgen der Anwendung der 500 Gramm-Grenze für die Mütter sind. Eine entsprechende Angleichung sollte deshalb angedacht werden bzw. ein Überdenken der 500 Gramm- Grenze. Kindstod

Nationalrat, XXV. GP 23. April 2015 70. Sitzung / 5 Im Falle eines Kindstodes muss der Zeitpunkt betrachtet werden, in dem dieser eintritt. Wenn der Tod des Kindes in die Zeit des Mutterschutzes fällt, ist jedenfalls eine soziale Absicherung bis zum Ende des Mutterschutzes gegeben (da der Mutterschutz nicht an das Kind, sondern an die Geburt geknüpft ist) Der Kündigungsschutz endet vier Monate nach Ende des Mutterschutzes. Falls der Mutterschutz kurz nach dem Kindstod endet sollte angedacht werden, eine Verlängerung des Mutterschutzes bzw. eine automatische Dienstfreistellung zu ermöglichen. Ohne Kind ist nach Ablauf des Mutterschutzes kein Kinderbetreuungsgeld (und Karenz) vorgesehen. Verstirbt das Kind beispielsweise in der letzten Woche des Mutterschutzes, wäre jegliche sozialrechtliche Absicherung eine Woche später zu Ende. Verstirbt das Kind während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld bzw. in der Karenz besteht ab dem Folgetag des Todes kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. In diesem Fall müssen sich die betroffenen Frauen (Männer) schon am Folgetag beim Arbeitgeber melden. Dieser könnte die umgehende Arbeitsaufnahme fordern. Tut er dies, wird den betroffenen Eltern vorgeschlagen, in Krankenstand zu gehen. Durch die psychische Ausnahmesituation sind die betroffenen Eltern tatsächlich nicht arbeitsfähig, ein Krankenstand ist aber eine unzureichende Lösung, da dieser für die Eltern wieder mit Bürokratie und Hürden und Einschränkungen verbunden ist. Bei Aufforderung zum Dienstantritt ist auch zu beachten, dass in diesem Fall der Kündigungsschutz noch immer im Krankenstand, ist eine Kündigung leichter zu rechtfertigen. Erfolgt keine Aufforderung zum Dienstantritt, weil z.b. eine Karenzvertretung eingestellt wurde, müsste sich die Betroffene beim AMS arbeitslos melden, um sozialrechtlich durch den Bezug von Arbeitslosengeld abgesichert zu sein. Problematisch ist diese Situation auch dahingehend, wenn eine betroffene Mutter oder ein betroffener Vater aufgrund einer Nicht-Erwerbstätigkeit bzw. nicht ausreichender Versicherungszeiten, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat und dementsprechend zur Absicherung ein bürokratischer Spießrutenlauf nötig ist, um eine bedarfsorientierte Mindestsicherung zu beziehen. Gerade in einer solchen Lebenssituation stellt dies eine nicht zu bewältigende Situation für die Eltern dar. Wie bereits erwähnt ist die angesprochene Situation auch für die jeweiligen Arbeitgeber_innen keine angenehme und ein entsprechender Rechtsrahmen würde es diesen erleichtern Entscheidungen zu treffen. Der Dienstgeber ist gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, so könnte er eine Rückkehr verlangen, muss diese aber nicht ermöglichen, was in vielen Fällen aufgrund der Einstellung einer Karenzvertretung auch erfolgt. Eine automatische Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldbezuges und der Karenz würde hier einen entsprechenden Zeitraum schaffen, in dem

Nationalrat, XXV. GP 23. April 2015 70. Sitzung / 6 Dienstgeber_innen und die betroffenen Eltern Lösungen suchen können, anstatt dies quasi sofort nach dem Tod des Kindes zu verlangen. Situation der Väter Auch Väter trifft ein solcher Zwischenfall schwer, zwar nicht körperlich, emotional bzw. psychisch. Eine Dienstfreistellung wie bei anderen familiären Angelegenheiten wäre im Falle von Fehl-/Totgeburten zu berücksichtigen. Gegenwärtig sind die konkreten familiären Angelegenheiten und die entsprechend zustehende Dienstfreistellung kollektivvertraglich geregelt. Ursprünglich sollen solche Dienstfreistellungen jedoch ausschließlich ermöglichen, die erforderlichen Behördengänge zu erledigen. Gerade in diesem Zusammenhang sollte aber auch eine erweiterte Dienstfreistellung gewährt werden. Die beschriebenen Situationen und dementsprechenden arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen zeigen deutlich auf, dass eine genauere Betrachtung und Bearbeitung der Problematik wichtig ist, um entsprechende rechtliche Graubereiche zu beseitigen. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag Der Nationalrat wolle beschließen: Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Familie und Jugend werden aufgefordert eine verbesserte arbeitsund sozialrechtliche Absicherung von Eltern im Falle einer Fehlgeburt, einer Totgeburt oder eines Kindstodes umzusetzen. ***** Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch- Jenewein. Bitte.