Gewalt gegen Pflegende Häufigkeit und Folgen von Gewaltereignissen in Pflegeberufen Deutscher Pflegetag 2016 11. März, Berlin Claudia Vaupel Diplom-Psychologin Grundlagen der Prävention und Rehabilitation Fachbereich Gesundheitswissenschaften
Fass mich nicht an, du Penner! (demenzerkrankt, männlich, 83 Jahre alt) Im Pflegewohnheim bekommt man so einiges zu hören Was macht das mit ihrem Mitarbeiter? Seite 2
Internationale Arbeitsorganisation (ILO) Definition Gewalt am Arbeitsplatz Jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person im Verlauf oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht, verletzt, verwundet wird. Individuelle Wahrnehmung/ Bewertung Das Erleben ist subjektiv Seite 3 3 ILO
Sexuelle Belästigung...jedes unerwünschte, nicht erwiderte und nicht begrüßte Verhalten sexueller Art..., welches das Risiko in sich trägt, dass sich die belästigte Person bedroht, erniedrigt oder beschämt fühlt. Das bedeutet, die Zielperson des Verhaltens sexueller Art kann bestimmen, ob es sich um Belästigung handelt. Dies ist dann zu respektieren - sowohl vom Aggressor als auch in der Nachbetreuung von Teamkollegen! Walter et al. 2012 Seite 4
Tätigkeitsbezogene Risikofaktoren für das Auftreten von Gewalt am Arbeitsplatz Umgang mit Geld oder Wertsachen (Beschäftigte in Banken, an Kassen, Post, Werttransport, etc.) Wach- und Sicherheitsaufgaben Öffentlich zugängliche Einzelarbeitsplätze und direkter Kunden/-Klientenkontakt (Verkehrsbetriebe, Taxis, kleine Geschäfte, etc.) Ausübung von amtlichen Befugnissen, Kontroll- und Inspektionsaufgaben Dienstleistungen für andere Menschen (Gesundheits- und Sozialfürsorge, Ausbildung, Auskunftsdienste) Zugang der Beschäftigten zu Rauschmitteln und/oder Drogen Einzelarbeitsplätze vor Ort bei Kunden/Klienten Umgang mit schwierigen Personengruppen, wie Personen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, mental gestörte oder sozial auffällige Personen, Personen mit Forderungen, die nicht erfüllt werden können Arbeitszeiten in der Nacht und am frühen Morgen Tätigkeitsausübung in sozial-brisanter Umgebung Seite 5 EU-OSHA 2010: 62; Vgl. EU-OSHA 2002
4. Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen/Differenzierung nach Berufsgruppen - Exposition durch Gewalt- Seite 6 Eurofound 2008:38
Gewalt gegenüber Pflegekräften und Betreuern Studie zur Häufigkeit von erlebter verbaler und körperlicher Gewalt Krankenhäuser Einrichtungen der Altenpflege Ambulante Dienste Wohnheime, Werkstätten für Menschen mit Behinderung Standardisierte Befragung mit SOAS-R Fragebogen zur Erfassung von Aggressionen Responserate: 31,3 % N = 1.891 Seite 7 Schablon et al. 2012
Gewalt erfahren in den letzten 12 Monaten 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 79% 56% 71% 40% 78% 63% 70% 51% 86% 60% 30% 20% 10% 0% Krankenhaus Ambulante Pflege Stationäre Altenpflege Behi Werkstatt Behi Wohnheim Verbale Gewalt Körperliche Gewalt Seite 8 Schablon et al. 2012
Art der Gewalt Erfahrungen mit Krankenhaus Stationäre Altenpflege Beschimpfung 77% 75% 65% Rassistische Belästigung 7% - 7% Sexuelle Belästigung 10% 13% 7% Schläge 28% 35% 21% Tritte 22% 17% 16% Bisse 11% 11% 8% Kratzen 42% 52% 20% Einsatz von Gegenständen 13% 15% 25% Werkstatt für behinderte Menschen 38 (2%) der Fälle wurden als Arbeitsunfall gemeldet Seite 9 Schablon et al. 2012
Belastungsempfinden aufgrund von Gewaltereignissen Belastungsempfinden (alle) Gemessen auf einer Skala von 1-10 Niedrig (1-3 nicht/wenig belastend) 32% Mittel (4-7 belastend) Hoch (8-10 sehr belastend) 36% 32% Schablon et al. 2012 Seite 10
Gewalt gegenüber Pflegekräften Häufig Gewalt erleben Odds-Ratio Alter < 30 Jahre 1,8 Stationäre Altenpflege 1,6 Gute Vorbereitung der Einrichtung 0,7 Hohe Belastung durch Gewalt Körperliche Gewalt wöchentlich 2,1 Gute Vorbereitung der Einrichtung 0,6 Schablon et al. 2012 Seite 11
Mögliche Folgen aus Übergriffen Kognitive und Emotionale Symptome Schulderleben Vermeidungssymptome Geschehensverleugnung Scham übermäßige Wachsamkeit Schreckhaftigkeit Angstreaktionen Ärger Aggressivität Depression Hoffnungslosigkeit Respektlosigkeit Verminderte Arbeitsleistung Weniger Arbeitsmotivation Schlechtere Arbeitsbeziehungen Schlechteres Verhältnis zu Klienten Soziale Symptome Wut Stressreaktionen Frustrationen Demotivation Negative Veränderung von Kognitionen und der Stimmung Unsicherheit in der Arbeitsumgebung Selbstzweifel Kompetenzzweifel Vorzeitige Jobaufgabe Seite 12 Walter 2012, Schablon 2012, Maercker & Hecker 2015, Richter 2007
Mögliche Folgen aus Übergriffen Bluthochdruck Nackenschmerzen Muskelverspannungen Körperliche Symptome Schlafstörung Gewichtszunahme / Gewichtsabnahme Psychosomatische Beschwerden: Magen-Darm- Erkrankungen Kopfschmerzen Übermäßige Wachsamkeit Depression Posttraumatische Belastungsstörung Erschöpfung Angststörungen Substanzmittelgebrauch Seite 13 Walter 2012, Maercker & Hecker 2015, Richter 2007
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! Es sind Fragen offen geblieben? Claudia Vaupel BGW Grundlagen der Prävention und Rehabilitation Gesundheitswissenschaften Pappelallee 33/35/37 22089 Hamburg Telefon 040-20207-3239 E-Mail: claudia.vaupel@bgw-online.de Seite 14 14
Literatur www.bgw-online.de EU-OSHA 2002, 2010: 62 Eurofound 2007:38, 2008:38 Internationale Arbeitsorganisation ILO 2003:4 Definition Gewalt am Arbeitsplatz Maercker A, Hecker T: Trauma- und Gewaltfolgen psychische Auswirkungen. Bundegesundheitsbl. 2016-59:28-35, Springer-Verlag, Berlin 2015 Richter D: Patientenübergriffe Psychische Folgen für Mitarbeiter. Theorie, Empirie, Prävention. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2007 Schablon A, Zeh A, Wendeler D, Peters C, Wohlert C, Harling M, Nienhaus A: Frequency and consequences of violence and aggression towards employees in the German healthcare and welfare system: a cross-sectional study. BMJ Open. 2012 Oct 18;2(5). pii: e001420. doi: 10.1136/bmjopen-2012-001420. Print 2012 Walter G, Nau J, Oud N: Aggression und Aggressionsmanagement Praxishandbuch für Gesundheits- und Sozialberufe. 2012 (Kapitel 2, S. 42/50). Seite 15 15