Manuskript Beitrag: Streit um Atommüll Die ewige Suche nach dem Endlager Sendung vom 4. Juni 2013 von Steffen Judzikowski und Christian Rohde Anmoderation: Es ist die Quadratur des Kreises: Die Suche nach einem Endlager für strahlenden Atommüll. Was in drei Jahrzehnten nicht gelang, will Bundesumweltminister Altmaier jetzt mit Macht hinbiegen: Sein Endlagersuchgesetz soll noch vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen sein. Doch der eifrig beschworene Konsens und das große Brimborium um Transparenz und Bürgerbeteiligung scheint auch diesmal nicht zu ändern. Steffen Judzikowski und Christian Rohde zeigen, wie sich politische Pläne atomisieren können. Text: Gorleben. Symbol für das Versagen deutscher Atompolitik. Seit Jahrzehnten ist offen wohin mit dem radioaktiven Müll. Und an der Suche nach einem Endlager ist bisher noch jeder Minister gescheitert egal von welcher Partei. Doch vor wenigen Tagen verspricht der amtierende Bundesumweltminister Großes. O-Ton Peter Altmaier, CDU, Bundesumweltminister, am Nach einem jahrzehntelangen Streit und gesellschaftlichen Konflikten um die Frage, wo und wie radioaktive Abfälle langzeitsicher entsorgt werden können, ist dieser Konsens heute ein historischer Durchbruch. Parteiübergreifende Einigkeit. Vollmundige Versprechen.
O-Ton Peter Altmaier, CDU, Bundesumweltminister, am Die Endlagersuche ist zugleich demokratisch legitimiert, transparent und nachvollziehbar. Sie erfolgt in einem transparenten Prozess mit breiter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Am Wochenende sollte sie losgehen, die große Transparenz. Peter Altmaier hatte geladen zum Dialog mit dem Bürger. Doch der wollte nicht. Rund 140 Umwelt-Initiativen sagten ihm ab. Ein Minister vor halb leerem Saal, mit vielen Funktionären und wenig Betroffenen. Die lehnen es ab, über ein Endlagergesetz zu sprechen, das die Politik längst ohne sie ausgehandelt hat. O-Ton Jochen Stay, Bürgerinitiative ausgestrahlt : Alle Fraktionen, die Bundesländer, die Bundesregierung haben sich darauf geeinigt und da wird sich nicht mehr viel bewegen, das haben uns alle Politiker erklärt. Und von daher ist das heute eigentlich eher ne Scheinveranstaltung, die ein bisschen Legitimation für ein schlechtes Gesetz liefern soll, und dafür geben wir uns nicht her. O-Ton Olaf Bandt, BUND: Jetzt sollen wir im nationalen Forum Endlager fünf Minuten Zeit haben, um Stellung zu nehmen, wie das mit diesem Gesetz laufen soll. Das ist tatsächlich eine Perversion der Bürgerbeteiligung, weil es Bürger nicht ernst nimmt, nicht auf Augenhöhe mitnimmt und nicht wirklich aktiv beteiligt. Versprochen hatte Peter Altmaier noch mehr: Für den Neustart bei der Endlagersuche sollen die Bürger auf keinen Fall zahlen. O-Ton Peter Altmaier, CDU, Bundesumweltminister, am
Für mich ist klar: Die Kosten des Auswahlverfahrens müssen von den Abfallverursachern getragen werden. Das ist die gesetzliche Regelung, und an dieser gesetzlichen Regelung halten wir fest. Die Atomkonzerne sehen das ganz anders. Sie denken gar nicht daran, Gorleben aufzugeben. Das hat sie schon fast 1,5 Milliarden Euro gekostet. O-Ton Ralf Güldner, Deutsches Atomforum, am 14. Mai 2013: Aus unserer Sicht stellen die Kosten für eine neue Standortsuche somit keinen notwendigen Aufwand für die Bereitstellung eines Endlagers dar. Für politisch gewünschten Mehraufwand zur Steigerung politischer Akzeptanz muss der Gesetzgeber eine andere Finanzierungsquelle finden. Das wird der Bürger sein, befürchtet der Staatsrechtler Werner Heun. Er hat Altmaiers Gesetz geprüft. Sein Fazit: Stückwerk mit Lücken und Schlupflöchern für die Konzerne, zu Lasten der Steuerzahler. O-Ton Prof. Werner Heun, Rechtswissenschaftler, Universität Göttingen: Das beeinträchtigt natürlich das Gesetzesvorhaben insgesamt, weil es auch dadurch natürlich schlechter politisch durchsetzbar ist, wenn bestimmte Teile des Gesetzes von vornherein rechtswidrig und verfassungswidrig sind. Jahrzehnte war die Endlagersuche überschattet vom Kampf um die Castor-Transporte nach Gorleben. Sie zerstörten das Vertrauen vieler Bürger. Deren Furcht: Das Zwischenlager Gorleben schafft Fakten für ein künftiges Endlager gleich
nebenan. Deshalb gab Peter Altmaier ein weiteres Versprechen. O-Ton Peter Altmaier, CDU, Bundesumweltminister, am Wir haben Einigkeit zwischen allen Beteiligten, dass keine weiteren Castor-Transporte nach Gorleben durchgeführt werden. Doch statt Einigkeit erbitterter Streit. Deutschland muss noch 26 solcher Castoren aus Frankreich und Großbritannien zurücknehmen. Wohin damit, wenn Gorleben ausfällt? O-Ton Robert Habeck, B 90/Grüne, Umweltminister Schleswig-Holstein: Wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck ist, alle Probleme sind gelöst, dann war das Vortäuschung falscher Tatsachen. So ist es nicht. Die zentralen Probleme, sowohl was die Zwischenlagerungsfrage angeht, als auch Details des Endlagersuchgesetzes sind mitnichten gelöst. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind bereit einen Teil der Auslands-Castoren zwischenzulagern, zum Beispiel am Atomkraftwerk Brunsbüttel. Doch der Platz reicht nicht. Hessen könnte helfen, Atommüll in Biblis lagern. Als es damals um die Laufzeitverlängerung ging, hatte der hessische Ministerpräsident nichts dagegen. OTon Volker Bouffier, CDU, Ministerpräsident Hessen, am 19.11.2010: Wenn ein Zwischenlager gesucht wird, können wir als Hessen nicht sagen: Überall, aber nicht bei uns! Heute will Hessen davon nichts mehr wissen. Frontal21 liegt ein
internes Bundesratsprotokoll vor. Der zuständige Ausschuss plante Transporte von radioaktiven Abfällen nach Gorleben auszuschließen. Doch drei CDU-geführte Länder stimmten mit Nein: HE, SN, TH [Hessen, Sachsen und Thüringen] O-Ton Robert Habeck, B 90/Grüne, Umweltminister Schleswig-Holstein: Wenn man immer die großen pathetischen Worte bemüht, nationaler Konsens und historischer Durchbruch und was man da alles immer sagt, dann muss man ehrlicherweise sagen, der Durchbruch ist nicht so entscheidend, dass die CDU-geführten Landesregierungen ihn unterstützen. Und Peter Altmaier hat noch ein Problem. Damit die 26 Castoren überhaupt irgendwo unterkommen, müssen die Atomkonzerne mitspielen. Die weigern sich, pochen auf Gorleben als Zwischenlager. O-Ton Jochen Stay, Bürgerinitiative ausgestrahlt : Da geht es nur um kleine Mengen, um relativ kleine Mengen von Atommüll. Wenn das schon dabei droht zu scheitern, wie wird es erst dann sein, wenn es um ein Endlager geht. Also von daher sehen wir, es gibt noch nicht einmal diesen politischen Konsens, in Wirklichkeit. Schon heute stehen überall in der Republik hunderte Castoren in Zwischenlagern gefüllt mit hochradioaktivem Atommüll. Wenn der Neustart in der Endlagersuche scheitert - wohin dann damit? O-Ton Cornelia Ziem, Deutsche Umwelthilfe: Es gibt dann eigentlich zwei Szenarien, die man sich vorstellen kann. Das eine: Die vorhandenen oberirdischen Zwischenlager werden dann schleichend zu oberirdischen
Endlagern. Das heißt, wir haben dann viele keine Endlager über Deutschland verteilt. Das ist mit Sicherheit eine sehr, sehr schlechte Lösung. Eine zweite Lösung, aber mindestens genauso schlecht, ist der Export ins Ausland, unter Umständen zu Bedingungen, die nicht unseren Sicherheitsvorstellungen entsprechen. Altmaiers Endlagersuchgesetz bisher alles andere als ein historischer Durchbruch. Abmoderation: Schon am 14. Juni soll der Bundestag das Endlagersuchgesetz beschließen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.