Praxis des strukturierten Einstellungsinterviews

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Jetter Management GmbH Dufourstrasse 71 CH-9000 St. Gallen T +41 (0)71 220 91 63 M +41 (0)79 685 88 91 M +49 (0)172 601 27 16 info@jetter-management.ch www@jetter-management.ch Praxis des strukturierten Einstellungsinterviews 1. Erfolgsfaktoren strukturierter Einstellungsinterviews Anforderungsprofil erstellen Ermitteln Sie die»erfolgskritischen Ereignisse«einer Stelle, und leiten Sie daraus die wichtigsten Anforderungsdimensionen für das Anforderungsprofil ab Interviewleitfaden vorbereiten und einsetzen Überlassen Sie es nicht dem Zufall, dass Sie im Interview die richtigen Fragen stellen; planen Sie das Gespräch systematisch, und gehen Sie gezielt vor Wirksame Interviewtechniken nutzen Ermitteln Sie früheres Verhalten, um künftiges vorherzusagen, nutzen Sie dazu die wirksamsten Frage- und Interviewtechniken Verhaltensbeispiele der Bewerber protokollieren Halten Sie die wichtigsten Bewerberantworten schriftlich fest; so vergessen Sie nichts Wesentliches von dem Gehörten Mehrere Interviewer einsetzen Führen Sie die Interviews zu zweit; idealerweise tun sich Fach- und Personalabteilung dabei zusammen Bewertungsskala bei der Auswertung verwenden Setzen Sie Bewertungsskalen ein; damit Sie können die Bewerber nach den Interviews objektiv miteinander vergleichen Interviewer schulen Nur geschulte Interviewer schaffen mit dem strukturierten Interview einen echten Mehrwert Quelle: Jetter, W. (2008). Effiziente Personalauswahl Die richtigen Mitarbeiter mit strukturierten Einstellungsinterviews finden. Schäffer-Poeschel, 3. Auflage. Seite 1 von 8

2. Anforderungsprofile Was ist ein Anforderungsprofil? Das Anforderungsprofil enthält die Kompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhaltensweisen, Kenntnisse und Qualifikationen, die ein Mitarbeiter erfüllen muss, um erfolgreich zu sein. Es handelt sich also um die Merkmale, die über Erfolg oder Misserfolg auf einer Stelle entscheiden. Nutzen eines Anforderungsprofils Es ermöglicht eine gezielte Informationsbeschaffung, indem die»suchfelder«für das Interview festlegt werden Es gewährleistet die Vollständigkeit der für eine Auswahlentscheidung notwendigen Informationen Es ermöglicht eine objektive Interviewauswertung durch einen Vergleich zwischen Soll-Anforderungen und identifizierten Ist-Kompetenzen Beachten Sie: Ein Anforderungsprofil sollte keine unrealistischen Wünsche enthalten, sondern nur die Anforderungsdimensionen (konkretisiert durch Verhaltensanker/ erfolgskritische Verhaltensweisen), die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Beschränken Sie sich deshalb auf die 8 12 wichtigsten Merkmale. Erstellen eines Anforderungsprofils Sammeln Sie die kritischen Ereignisse (»critical incidents«) einer Stelle bzw. einer Funktion Fragen Sie sich: Welche Situationen sind bei dieser Tätigkeit besonders erfolgsentscheidend? (Beispiel Bankberater Verkaufsgespräche führen) Ermitteln Sie die wichtigsten Anforderungsdimensionen Fragen Sie sich: Welche Kompetenzen sind vom Bewerber zur erfolgreichen Bewältigung dieser Situationen erforderlich? (Beispiel Verkaufsgeschick Überzeugungskraft, Auftreten) Definieren Sie für jede Anforderungsdimension erfolgskritischen Verhaltensweisen Fragen Sie sich: Durch welche»erfolgskritischen Verhaltensweisen«lassen sich diese Kompetenzen/ Anforderungsdimensionen beobachten und somit»operational«definieren? (Beispiel Verkaufsgeschick Bereitet sich gezielt auf Kundengespräche vor, erkennt rasch das Kundenproblem und geht zielstrebig darauf ein etc.) Gewichten Sie die Anforderungsdimensionen Fragen Sie sich: Welche relative Bedeutung haben die einzelnen Kompetenzen/ Anforderungsdimensionen im Anforderungsprofi l? (Beispiel: *** absolut unverzichtbar, ** sehr hohe Bedeutung, * hohe Bedeutung) Seite 2 von 8

3. Interviewleitfaden Was ist ein Interviewleitfaden? Der Interviewleitfaden wird im Vorfeld eines Einstellungsinterviews entwickelt. Es handelt sich um eine vorbereitete Arbeitsunterlage zur gezielten und systematischen Durchführung strukturierter Einstellungsinterviews. Er enthält zu jeder Anforderungsdimension mehrere vorbereitete Interviewfragen und ausreichend Platz für Notizen während des Interviews. Nutzen von Interviewleitfäden Er soll den Interviewern dabei helfen, durch die richtigen Fragen und Zusatzfragen aussagekräftige Verhaltensbeispiele zu sammeln, keine wesentliche Frage zu vergessen das Einstellungsinterview gezielt und systematisch zu führen und die gesammelten Antworten zu protokollieren Erstellen des Interviewleitfadens Beachten Sie: Bereiten Sie pro Anforderungsdimension zwischen 2 und 4 Fragen für den Interviewleitfaden vor. Um möglichst viele vollständige Verhaltensbeispiele (Situation, Verhalten, Ergebnis) zu erhalten, müssen im Interview je nach Bewerber in der Regel zu jeder vorbereiteten Frage mehrere Zusatzfragen gestellt werden (siehe dazu auch Interviewtechniken einsetzen). Klären Sie zuerst den Fokus der Fragen. Fragen Sie sich: Worauf kommt es bei den einzelnen Anforderungsdimensionen besonders an? (Beispiel Verkaufsgeschick Bereitet sich gezielt auf Kundengespräche vor, erkennt rasch das Kundenproblem und geht zielstrebig darauf ein) Entwickeln Sie geeignete Interviewfragen zu den wesentlichen Aspekten der Anforderungsdimensionen. Fragen Sie sich: Welche Informationen benötige ich, um diese Aspekte fundiert einschätzen zu können? (Beispiel Bereitet sich gezielt auf Kundengespräche vor Wie haben Sie sich auf Ihr letztes Kundengespräch vorbereitet? Wie erfolgreich waren Sie damit? Formulieren Sie weitere Fragen anhand der Bewerbungsunterlagen. Klären Sie: Welche Lücken gibt es möglicherweise im Lebenslauf? Welche Unklarheiten sind aus dem Anschreiben anzusprechen etc. (Beispiel: Im Lebenslauf fehlen Angaben für die Zeit vom bis. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht oder mögen Sie lieber nicht darüber sprechen? ) Seite 3 von 8 Vergessen Sie auch nicht nach arbeitsvertraglichen Aspekten zu fragen. Halten Sie die entsprechenden Fragen auch im Interviewleitfaden fest. Klären Sie: Wann könnte der Mitarbeiter frühestens anfangen? (Beispiel: Welche Kündigungsfrist haben Sie?)

4. Wirksame Interviewtechniken 4.1. Den Interviewleitfaden richtig einsetzen Bevor Sie die vorbereiteten Fragen aus dem Interviewleitfaden stellen, ist es ratsam, den Bewerber kurz seinen Werdegang mit den für ihn/sie wesentlichen Stationen und»high lights«berichten zu lassen. Vorteil: Er/Sie hat Heimvorteil, gewinnt an Sicherheit und Selbstbewusstsein. Sie erhalten wichtige Hinweise, an welche Situationen Sie Ihre Fragen»anhängen«können bzw. welchen Kontext Sie für die Fragen auswählen. Setzen Sie den Interviewleitfaden als Ihr Navigationsinstrument während des gesamten Einstellungsinterviews ein. Beginnen Sie mit den»orientierungsfragen«, versuchen Sie so, die offenen Punkte aus den Bewerbungsunterlagen zu klären. Stellen Sie danach Ihre vorbereiteten, anforderungsbezogenen Verhaltensfragen. Beginnen Sie mit der Frage, die am besten als Einstieg passt, und stellen Sie dann die jeweils erforderlichen Zusatzfragen (Situation, Verhalten, Ergebnis). Arbeiten Sie flexibel mit dem Leitfaden. Sie müssen sich nicht zwingend an eine bestimmte Abfolge halten, sondern können flexibel auf situative Aspekte eingehen. Wichtig ist nur, dass Sie am Ende des Interviews alle Fragen innerhalb des zeitlichen Rahmens gestellt haben. Halten Sie die Bewerberantworten stichwortartig im Interviewleitfaden schriftlich fest. Nur so können Sie erfolgreich verhindern, dass Sie wesentliche Beispiele aus dem Interview vergessen und am Ende auf eine allgemeine Einschätzung (z. B. sympathisch, weniger sympathisch) angewiesen sind. Wenn Sie zu zweit interviewen: Wechseln Sie am besten von Dimension zu Dimension. Das hat den Vorteil, dass Sie Ihre Notizen vervollständigen können, während der/die Interviewkolleg(e)In dran ist, und sie können sich bereits wieder auf Ihren nächsten Frageblock einstimmen. Seite 4 von 8

4.2. Zusatzfragen richtig stellen Nicht jede Frage führt zu einer vollständigen Antwort bzw. zu einem vollständigen Verhaltensbeispiel. Deshalb müssen Sie davon ausgehen, dass Sie zu jeder Frage mehrere Zusatzfragen stellen müssen. Ein vollständiges Verhaltensbeispiel enthält Angaben zu drei wesentlichen Punkten: Situation: Verhalten: Ergebnis: Was war das Problem? Wie war die Ausgangssituation? Was hat der Bewerber konkret getan? Welches Ergebnis konnte der Bewerber erzielen? Wenn Sie dieses»verhaltensdreieck«bei Ihren Interviews stets vor Augen haben und mit Ihren Zusatzfragen die fehlenden Elemente konsequent ermitteln, werden Ihre Interviews sehr ergiebig. Gehen Sie also wie im folgenden Beispiel vor: 1. Frage aus dem Interviewleitfaden stellen (Frage nach Ergebnis): Wie erfolgreich waren Sie als Verkäufer bei der Firma xy? Antwort 1: Ich habe einen Jahresumsatz von 2 Millionen erzielt! (Anmerkung: Die Antwort enthält lediglich das Ergebnis. Was fehlt sind Angaben zur Situation bzw. den Umständen und zum Verhalten. Durch Zusatzfragen müssen nun die fehlenden Elemente ermittelt werden) 2. Zusatzfrage 1 stellen (Frage nach Situation): Das klingt ja gut. Darf ich fragen, wie hoch ihre Verkaufsziele waren bzw. welchen Umsatz ihre Kollegen erzielt haben? Antwort 2: Meine Ziele lagen bei 3 Millionen, aber die Konjunktur ist im letzten Jahr zusammengebrochen, sodass es sehr schwierig war, überhaupt 2 Millionen zu erzielen. 3. Zusatzfrage 2 stellen (Frage nach Verhalten): Ja, wem sagen Sie das. Aber was haben Sie konkret unternommen, um ihre Ziele auch bei erschwerten Bedingungen zu erfüllen? Antwort 3: Eigentlich das, was ich immer mache. Ich habe meine Kundenkarten durchsucht, Termine vereinbart und Gespräche geführt. Was hätte ich denn sonst tun sollen? Fazit: Die Einstiegsfrage aus dem Interviewleitfaden plus Zusatzfragen ergeben im Idealfall ein vollständiges Verhaltensbeispiel. Seite 5 von 8

4.3. Günstige Frageformen einsetzen Stellen Sie anforderungsbezogene Fragen (Beispiel: Welche Erfahrungen haben Sie mit Verkaufsgesprächen?) Stellen Sie Verhaltensfragen (Beispiel: Was haben Sie getan, als Ihr Kunde nicht unterschreiben wollte?) Stellen Sie offene Fragen (W-Fragen) (Beispiel: Wie haben Sie es geschafft, dass der Kunde doch nicht zur Konkurrenz abgewandert ist?) Stellen Sie beispielbezogene Fragen (Beispiel: Schildern Sie bitte ein Beispiel für eine besonders verfahrene Verkaufssituation. Was haben Sie getan, um die Situation zu klären?) Vermeiden Sie (nach Möglichkeit) theoretische/hypothetische Fragen (Beispiel: Was würden Sie tun, wenn Sie ab morgen bei uns Verkaufsleiter wären?) Vermeiden Sie Suggestivfragen (Beispiel: Sie sind doch auch der Meinung, dass wir in der Branche führend sind?) Vermeiden Sie geschlossene Fragen (Beispiel: Sind Ihre Verkaufsgespräche erfolgreich?) Vermeiden Sie verschachtelte Fragen (Beispiel: Welche Erfolge haben Sie als Verkäufer vorzuweisen? Es gibt doch sicher mal gute und mal weniger gute Tage, aber insgesamt hat man doch ein Gefühl dafür, wie gut die Gespräche laufen. Also: Was glauben Sie, macht Sie erfolgreich?) Seite 6 von 8

4.4. Respektvoll mit dem Bewerber umgehen Beachten Sie: Personalauswahl ist eine zweiseitige Angelegenheit. Sie suchen einen neuen Mitarbeiter, der Bewerber eine neue Stelle. Vergessen Sie aber nicht, dass auch abgelehnte Bewerber eine wichtige Rolle für Ihr Unternehmen spielen. Sie haben nämlich eine»kostprobe«ihrer Unternehmenskultur bekommen und können diese nach draussen tragen und verbreiten. Sie sind also Multiplikatoren oder vielleicht auch potenzielle Kunden. Allein schon deshalb gebietet sich das Gebot des Respekts und der wohlwollenden Wertschätzung gegenüber jedem Bewerber. Ausserdem sind Bewerber, die sich gut behandelt fühlen, in der Regel auch offener im Gespräch als Bewerber, die sich unwohl in der Situation fühlen. Als Interviewer können Sie u. a. durch folgendes Verhalten das Selbstwertgefühl achten: Drücken Sie Verständnis aus (Beispiel: Kann ich gut verstehen, dass Ihnen dieses Gespräch unangenehm war. ) Bringen Sie Anerkennung zum Ausdruck (Beispiel: Finde ich prima gratuliere. Wie hat denn Ihr Vorgesetzter auf diese Leistung reagiert? ) Bieten Sie Begründungen an (Beispiel: Es ist für uns alle nicht ganz einfach, nach mehreren erfolglosen Verkaufsgesprächen wieder die richtige Motivation zu finden. Wie haben Sie es geschafft, wieder richtig»gas«zu geben? Wechseln Sie ruhig auch mal das Thema (Beispiel: Ich respektiere, dass Sie darüber nicht sprechen wollen. Erzählen Sie uns doch bitte von Ihrem grössten Erfolg bei Ihrer heutigen Firma. ) Seite 7 von 8

5. Das Interview»objektiv«auswerten Beachten Sie: Das, was Sie im Interview erfragt und an Antworten erhalten haben, ist die Grundlage Ihrer Interviewauswertung. Ordnen Sie die Aussagen richtig zu Überprüfen Sie nach dem Interview, ob alle Verhaltensbeispiele bei den richtigen Anforderungen vermerkt sind. Ordnen Sie diese ggf. richtig zu. Machen Sie eine Grobbewertung der Verhaltensbeispiele Bewerten Sie zunächst nur die gefundenen Verhaltensbeispiele zu jeder Anforderung: [ ] für negative Verhaltensbeispiele (im Sinne der Anforderungen), [0] für gute Verhaltensbeispiele und [+] für sehr starke Verhaltensbeispiele. Bewerten Sie nun jede Anforderungsdimension anhand einer 5er-Skala Die Skalenwerte 1 und 2 bedeuten: zu schwach ausgeprägt, 3 bedeutet: gut ausgeprägt und 4 und 5 bedeuten: sehr gut ausgeprägt. 6. Die Auswahlentscheidung treffen Beachten Sie: Die Auswahl ergibt sich nicht nur durch einfaches Zusammenzählen der einzelnen Skalenwerte. Vielmehr sind zusätzlich auch folgende Punkte zu beachten: Beachten Sie die Gewichtung der Anforderungsdimensionen Beispiel: Ist eine mit *** gekennzeichnete Anforderungsdimension nur mit einem Skalenwert von 1 oder 2 bewertet, scheidet der Bewerber aus, denn es handelt sich dabei um ein K.O.-Kriterium Berücksichtigen Sie die Trainierbarkeit der Anforderungsdimensionen Beispiel: Wird eine Anforderungsdimension mit einem Wert schlechter als mit Skalenwert 3 bewertet, muss dies keine Konsequenzen haben, wenn die Dimension mit angemessenem Aufwand auf das geforderte Niveau gebracht werden kann, wie z. B. bei Präsentationstechniken möglich. Falls ein relativ stabiles Merkmal wie Belastbarkeit nicht stark genug ausgeprägt ist, dann hat das natürlich ein stärkeres Gewicht. Achten Sie auch auf die»emotionale«passung Beispiel: Da es sich um Menschen handelt, genügt es nicht, nur nach»sachlogischer Passung«zu entscheiden (Übereinstimmung von Anforderungen und Bewerber- Kompetenzen), sondern auch nach»emotionaler Passung«. Dies ist immer dann ein wichtiges Kriterium, wenn z. B. mehrere Kandidaten gleich gut nach dem Anforderungsprofi l geeignet sind. Wenn dann noch die»chemie«stimmt, dann passt einfach alles. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Einstellungsinterviews. Ihr Wolfgang Jetter Seite 8 von 8