Germanistik Mohamed Chaabani Schreibdidaktik im Fremdsprachenunterricht
1 Inhalt Vorwort 02 1. Theorie des Schreibens 03 1.1 Begriffliches 03 1.2 Historischer Überblick über das Schreiben 05 1.3 Arten und Funktionen des Schreibens 11 1.4 Stellenwert des Schreibens im DaF-Unterricht 16 1.5 Verhältnis vom Schreiben zu Fertigkeiten im Fremdsprachenunterricht 18 2. Schreibprozessmodelle 24 2.1 Zum Schreibprozess und Schreibentwicklung 24 2.2 Das Modell von Rohmann und Wlecke 36 2.3 Das Modell von John Hayes und Lenda Flower 37 2.4 Das Modell von Otto Ludwig 41 2.5 Modell zum Schreiblehrprozess nach August 44 3. Schreibprobleme und Textproduktion 48 3.1 Schreibprobleme nach Axel Harting 48 3.2 Schreibprobleme nach Rudolf Steffen 49 3.3 Schreibprobleme nach Baer 53 3.4 Weitere Schreibschwierigkeiten 55 3.5 Schreibförderung und Schreibstrategien 58 4 Textproduktion und Textsorten 65 4.1 Textproduktion 65 4.2 Kompetenzen der Lernenden bei der Textproduktion 66 4.3 Gestaltung und Konzipierung von Texten 69 4.4 Kriterien zur Textproduktion und Textqualität 70 4.5 Zu den Textsorten 73
2 Vorwort Im Fremdsprachenunterricht spielt das Schreiben eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund versucht dieses Buch, einen Überblick über die Theorie und Didaktik des Schreibens im Unterricht zu geben. Diese theoretischen Erkenntnisse über das Schreiben sind für die Studenten im Fremdsprachenunterricht von Nutzen, denn alle Studierenden sind im Studium mit der Aufgabe konfrontiert, Texte zu schreiben. Mag. Chaabani Mohamed
3 1. Zur Theorie des Schreibens 1.1 Begriffliches Um dem Begriff Schreiben anzunähern, werden im Folgenden einige Definitionsversuche erläutert. Der Begriff Schreiben lässt sich in Anlehnung an Füssenich, I. 1 (2003, 261) in einen engeren und weiteren Sinn definieren. Beim ersten Fall handelt es sich um die so genannten graphomotorischen Prozesse, die sich auf die Erzeugung von sprachlichen und schriftlichen Äußerungen beziehen. Somit lässt daraus hervorgehen, dass sich das Schreiben in diesem Sinne lediglich auf die handschriftliche Verschriftungen von Buchstaben beschränkte. Allerdings bezieht sich das Schreiben im weiteren Sinne alle Ebenen der Planung und Schreiben von Texten. In diesem Sinne unterscheidet sich darüber hinaus das Schreiben als mentale und sprachliche Tätigkeit von anderen Fertigkeiten Sprechen und Lesen. Daraus lässt sich ableiten, dass Schreiben im weiteren Sinne in erster Linie die Produktion von Texten betrifft. Ludwig, O. 2 (1995, 273-287) hat sich mit dem Begriff Schreiben beschäftigt und er ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass das Schreiben vier Dimensionen aufweisen könnte. Es handelt sich um die technologische, wo das Schreiben als Handwerk zu sehen sei, d.h. es hat mit motorischen Fähigkeiten zu tun wie der Einsatz von Handgelenk, Finger und Schreibarm. Diese Fähigkeiten unterscheiden sich je nach dem Einsatz von Schreibmedien wie Computer oder Stift. Die semiotische Dimension bezieht sich auf das Schreiben als Zeichenproduktion, d.h. sprachliche Zeichen in graphische Form zu fixieren, um sie lesbar zu machen. Die linguistische Dimension betrachtet das Schreiben als sprachliche Handlung. Die operative Dimension besteht in die Integration des Schreibens in einen Handlungszusammenhang, d.h. das Schreiben kann selbstständig oder als eine Teilhandlung durchgeführt werden. Aufbauend auf diesem Befund ist er zu einer weiteren Schlussfolgerung gelangt, dass das Schreiben in zwei Kategorien zuzuordnen sei. Nämlich ein integriertes und nicht integriertes Schreiben. In diesem Sinne erfolgt die Integration der Tätigkeit des Schreibens in einen Handlungsprozess der Textproduktion, während sich das nicht integrierte 1 Füssenich, I. Schreibschwierigkeiten. In: Didaktik der deutschen Sprache. Ein Handbuch 1. Teilband. (Hrg.) Bredel, U. u.a. Ferdinand Schöningh. Paderborn, München, Wien und Zürich. 2003 2 Ludwig, O. Integriertes und Nicht-Integriertes Schreiben. Zu einer Theorie des Schreibens: Eine Skizze. In: Baurmann und Weingarten, 273-287. 1995
4 Schreiben nicht im Kontext der Textproduktion vollzieht, wie z.b. isolierte geschriebene Wörter. Hiermit findet sich ebenfalls bei Bliesener (1995) 3 die Auffassung, dass das Schreiben d.h. das Erstellen von Texten (schriftlich fixierte Sprachäußerungen), ein überaus komplexer Vorgang (ist) für den sowohl inhaltliche Kriterien (Stringenz, Schlüssigkeit der gedanklichen Entwicklung) als auch die Beachtung von formal-grammatischen Regeln des Sprachgebrauchs [ ] und Anforderungen an die äußere Form (graphische Gliederung) bestimmend sind 4. Aus dieser zitierten Definition geht hervor, dass das Schreiben kein einmaliger Vorgang ist, sondern ein komplizierter Prozess. Diese Kompliziertheit betrifft nicht nur den Inhalt, wobei eine logische Schlüssigkeit der Gedanken zustande kommen sollte, sondern auch die Form, wobei die formalen grammatischen Regeln und Regeln des Sprachgebrauchs, sowie die Anforderungen an die äußere Gliederung eines Textes berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus scheint diese Definition aufschlussreich, denn sie zeigt uns die verschiedenen Aspekte, die sich auf die Komplexität dieser Fertigkeit beziehen. Im selben Gedankengang findet sich auch bei Pohl (1986) die Meinung, dass das Schreiben als eine produktive kommunikative Tätigkeit sei. 5 Als Voraussetzung für das Schreiben sei für Pohl die Befähigung Bewusstseininhalte durch graphische Zeichen zu fixieren. In dieser Hinsicht stelle ich fest, dass das Schreiben ein Interaktionprozess sei, während dem sich der Produzent ständig mit den eigenen Ideen auseinander setzt und das bereits Geschriebene kritisch begutachtet. Zusätzlich können andere Beteiligte durch Anregungen, Vorschläge etc. zur Erstellung von Texten mitmachen, worauf auch Kochan (2006) hinweist, indem er meint, dass der Schreibende mit Hilfe seiner eigenen Ideen interagiert, indem er sich kritisch mit seinem schriftlichen Produkt auseinander setzt und dies einer Begutachtung unterzieht. 6 Dazu können andere Schreibende angesichts der eigenen schriftlichen Arbeit ihre Vorschläge und Anregungen machen, um den eigenen Text zu überarbeiten. In diesem 3 Ulrich Bliesener, in Bausch/ Christ/ Krumm (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, A. Francke Verlag, Tübingen und Basel, 1995. 4 Vgl. hierzu auch die Definition vom Schreiben nach Pohl, L. 5 Pohl, L., Grundlagen der Methodik der Fremdsprachenunterricht, Enzyklopädie Leipzig, Leipzig, 1986 6 Kochan, Barbara. Aus: www.ddi.upd.de/didaktik/lehre/sose2000/tide/kooperation_schreibprozess.html. Zugriff am 12.10.2006
5 Sinne stellt Fritzsche (1998, 201) fest, dass die unterschiedlichen Berufe sowie gesellschaftlichen Positionen und Funktionen sehr unterschiedliche Ansprüche an die Schreibkompetenz des einzelnen Individuums stellen 7. Was die Schreibkompetenz anbelangt, sei auf die Meinung von Sieber (2003, 210) verwiesen, der die Schreibkompetenz so definiert: die Fähigkeit, anderen mitzuteilen und seine Gedanken schriftlich zu artikulieren und dabei weiterzuentwickeln. 8 Diese Definition weist auf drei Elemente hin, nämlich das Mitteilen mit anderen, die eigenen Gedanken schriftlich auszudrücken und diese Gedanken weiterzuentwickeln. Auch findet sich die Definition von Schreibkompetenz bei Neuhaus, der diesen Begriff so definiert; Schreibkompetenz ist die zielgerichtete Fähigkeit, Texte herzustellen, indem das Schreiben fortlaufend und bewusst durch folgende Elemente gesteuert wird: 9 - Die thematischen und kommunikativen Ziele, - Die gesammelten und geordneten Sachverhalte, - Das Wissen um die Prozess-Schritte des Schreibens, - Die Kenntnis geeigneter Textmuster, - Die Beherrschung spezieller Prozeduren und kooperativer Arbeitsweisen 1.2 Historischer Überblick über das Schreiben Schreiben in der Antike Das Schreiben war in der Antike besonders bei den Griechen und den Römern nur wenigen Gelehrten vorbehalten. Diese Gelehrten schrieben meistens Briefe oder hielten ihre Gedanken fest. In dieser Zeit schrieb man auf das Papier oder mit dem Computer wie heute sondern gab es nur Papyrus, worauf man schreiben konnte. Der Papyrus war zur dieser Zeit nicht für jede Person erhältlich, d.h. es wurde nicht in großen Mengen produziert. Mittelalter bis zum 18. Jh. 7 Fritzsche, J, Schriftsteller Sprachgebrauch. In: Lange, G., u.a, (Hg.): Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach-und Literaturdidaktik, Band 1, Schneider-Verlag, Hohengehren, Baitmannsweiler 1998, S. 201. 8 Sieber, P.,: Modelle des Schreibprozess. In; Bredel, Ursula et al. (Hg.): Didaktik der deutschen Sprache. Ein Handbuch Band 1, Schönngh ( UTB ), Padernborn,2003, S. 210. 9 Neuhaus, G., ua., Förderung der Schreibkompetenz, Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.), Lehrerfortbildung in NRW, Verlag für Schule, Bönen, 2001.
6 In dieser Phase herrschte laut Lopez Barrios, M.L. 10 der altsprachliche Unterricht. Damals ging es um eine deduktive Arbeit mit der Grammatik und Übersetzungen aus Texten aus der Literatur. Diese Formen waren nicht in den damaligen schulischen Lehrplänen zu finden. Im 16.Jh. wurde die lateinische Sprache zugunsten nationaler Sprachen entfernt. So wuchs das Interesse am Lernen von Fremdsprachen. In dieser Zeit war das Schreiben nicht als eine Fertigkeit betrachtet. Somit können wir daraus schließen, dass die Fertigkeit Schreiben im Verlauf dieser Phase keine deutliche Entwicklung gemacht hat. Im Mittelalter spielte die Bibel eine relevante Rolle bei der Entwicklung des Schreibens. Die Mönche hatten diese schriftlichen Aktivitäten durchgeführt. Es ging damals um wörtliche Abschriften in lateinischer Sprache und dabei wurde keinen Wert auf die rhetorischen Fähigkeiten gelegt. Zur Entwicklung des Schreibens hatten zwei wichtige Personen eine bedeutendste Rolle gespielt und es geht um Martin Luther und Johann Gutenberg. Im Jahre 1440 hatte Johann Gutenberg den Druck erfunden, so dass der Leserkreis erweitert wurde. Die Übersetzung der Bibel ins Deutsche von Martin Luther trug zur Entwicklung der Lesefertigkeit bei. Diese fördert wiederum das Schreiben, denn Schreiben und Lesen stützen sich aufeinander. Danach wurden dien ersten Zeitungen ins Leben gerufen und somit entstand die Grundformen journalistischen Schreibens. Nach dem 17. Jh. wurden hierbei die Fremdsprachen in den Lehrplänen Schritt für Schritt aufgenommen. Trotzdem blieb die Prinzipien des altsprachlichen Unterricht. Von besonderer Bedeutung in dieser Phase ist die Entstehung der Grammatik- Übersetzungsmethode. Hierbei spielte das so genannte formulierende Schreiben eine bedeutende Rolle im Fremdsprachenunterricht gegen Ende des 18.Jh. so wurde das Schreiben in verschieden Formen behandelt und geübt, z.b. Umformungsübungen, Schreiben von Paralleltexten von vorgegebenen literarischen Texten, das Schreiben von Briefen nach Modellen, freie Aufsätze, Hinübersetzung. So war das Schreiben zuerst ein relevantes Lernziel, bis der altsprachliche Unterricht verschwand. Als Folge hatte das Schreiben als Fertigkeit im Fremdsprachenunterricht an Bedeutung verloren. Es entstand der neusprachliche Unterricht. Bei diesem neuen Unterricht wurde die 10 Loppez Barrios, M. L. Die curriculare Grundlegung der Fertigkeit Schreiben im DaF- Unterricht. Peter Lang Verlag. Frankfurt am Main. 1998