Die häufigsten Beinödeme

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Transkript:

Die häufigsten Beinödeme Zusammenfassung: Mit der Feststellung der Wassereinlagerung in die Beine müssen differenzialdiagnostische Überlegungen beginnen, um die Grunderkrankung dieses Ödems herauszufinden, denn aufgrund der Schwerkraft beginnen fast alle heute bekannten 22 unterschiedliche Ödemformen an den unteren Extremitäten. Pathophysiologisch muss bedacht werden, dass die Ursache der verstärkten Wassereinlagerungen in einer erhöhten kapillären Filtration oder verminderten Reabsorption oder Lymphabflussstörung liegen. Die Behandlung der Ödeme ist im wesentlichen von ihrem Eiweißgehalt abhängig. Diuretika sind indiziert bei eiweißarmen Ödemen, welche zur Generalisierung neigen, die physikalische Ödemtherapie oder physikalische Entstauung (Kombination aus manueller Lymphdrainage und Kompression) ist indiziert bei eiweißreichen Ödemen oder bei nur lokalisiert auftretenden eiweißarmen Ödemen. Pathophysiologie: Das Gleichgewicht zwischen der aus den Blutkapillaren austretenden Flüssigkeitsmenge (Filtration) und dem Abfluss der interstitiellen Flüssigkeit über die venösen Kapillaren (Resorption) und dem Abfluss über das Lymphsystem steht unter physiologischen Bedingungen in einem Gleichgewicht. Ödeme entstehen dann, wenn der Zufluss zum Interstitium erhöht und/oder der Abfluss daraus vermindert ist. Eine erhöhte Filtration findet man bei Eiweißmangel, erhöhtem Kapillarblutdruck und erhöhter Kapillarpermeabilität. Ein verminderter Abfluss ist dann vorhanden, wenn die Resorption in den venösen Kapillaren vermindert oder aber der Abfluss über das Lymphsystem behindert ist. Ein Ödem bedeutet eine Zunahme des Abstandes zwischen Blutkapillaren und Körperzellen, so dass die Diffusionsstrecke vergrößert ist, wodurch eine schlechtere Zellernährung gegeben ist. In Extremfällen kann die Transitstrecke so groß sein, das es zu Zelluntergängen kommen kann. Eine Reduktion der Ödeme ist daher notwendig, um Gewebsschädigungen und damit Komplikationen zu verhindern.

Bei den Ödemen unterscheiden wir eiweißarme und eiweißreiche Ödeme. Eiweißarme Ödeme entstehen durch einen erhöhten Kapillarblutdruck und bei Eiweißmangel. Eiweißreiche Ödeme entstehen bei erhöhter Kapillarpermeabilität und bei behindertem Lymphabfluss. Die Kenntnis dieser Gegebenheiten ist für die Therapie von ganz entscheidender Bedeutung, denn in der Therapie von Ödemen sind nur dann Diuretika indiziert, wenn es sich um eiweißarme Ödeme handelt, welche zur Generalisierung neigen. Diuretika können bekanntlich über die Niere durch eine verminderte tubuläre Rückresorption von Salzen eine verstärkte Salzausscheidung und damit Wasserausscheidung hervorrufen. Diuretika können nicht die im Interstitium vermehrt anfallenden Eiweiße beseitigen, so dass diese Eiweiße mittels ihres onkotischen Soges immer wieder Flüssigkeit aus den Gefäßen ins Interstitium herausziehen. Diuretika sind daher besonders geeignet zur Behandlung von renalen, hepatogenen, kardiogenen und symptomatisch auch bei Eiweißmangelödemen. Die eiweißreichen und nur lokalisiert auftretenden eiweißarmen Ödeme (Phlebödem) sind nur mit der physikalischen Entstauung oder physikalischen Ödemtherapie nach Asdonk behandlungsfähig. Durch diese physikalische Behandlung ist es möglich einen verstärkten Ausstrom von Eiweißen aus dem Interstitium zu erzielen, in dem der Lymphabtransport verstärkt angeregt wird durch die Griffe der manuellen Lymphdrainage und in dem durch die Kompression der Filtration entgegengewirkt und die Reabsorption in den venösen Kapillaren gefördert wird. Selbstverständlich können auch physikalisch behandlungspflichtige Ödeme mit Diuretika etwas gebessert werden, aber dieses geht nur durch eine künstliche Entwässerung des Körpers mit der Gefahr von erheblichen Nebenwirkungen wie hypotone Kreislaufstörungen infolge Hypovolämie, Bluteindickung mit Gefahr einer Thrombose sowie Elektrolytstörungen mit der Gefahr von Rhythmusstörungen und Veränderungen des Stoffwechsels durch Erhöhung von Harnsäure, Blutfetten und Blutzucker. Wenn man sich die Liste der heute bekannten Ödeme anschaut (Tab. 1) fällt einem auf, dass der größte Teil dieser Ödem doch relativ selten ist. Von denen mit Diuretika behandlungspflichtigen Ödemen sind die häufigsten das kardiogene Ödem, Eiweißmangelödem und renale Ödeme durch Nierenversagen. Von den physikalisch

behandlungspflichtigen Ödemen sind die häufigsten Phlebödeme, Lymphödeme, Lipödeme und traumatische Ödeme. Tabelle 1: Lymphödem Phlebödem Lipödem Traumatisches Ödem Vaso-vegetative Ödeme Orthostatisches Ödem Idiopathisches Ödem Diuretika-induziertes Ödem Inaktivitätsödem Ischämisches Ödem Entzündliche Ödeme Schwangerschaftsödem Kardiogenes Ödem Eiweißmangelödem Ödem bei Nierenversagen Akutes allergisches Ödem Toxisches Ödem Endokrine Ödeme Medikamentösbedingte Ödeme Diätetischbedingte Ödeme Angioneurotisches Ödem Höhenödem. Beim kardiogenen Ödem müssen wir unterscheiden zwischen einer Linksherzinsuffizienz, Rechtsherzinsuffizienz und globalen Herzinsuffizienz. Eine Linksherzinsuffizienz kann zu einer verstärkten Wassereinlagerung in der Lunge führen und damit zum Lungenödem. Klinisch auffällig ist dabei eine Dyspnoe, eine Zyanose und auskultatorisch Rasselgeräusche über den Lungen. Ein solches Lungenödem ist natürlich nicht sichtbar. Anders ist es bei der Rechtsherzinsuffizienz,

wenn durch eine mangelnde rechtskardiogene Pumpleistung ein venöser Stau vor dem rechten Herzen zu einer Druckerhöhung im gesamten Venensystem mit erhöhter Filtration führt. Es kommt dann am ehesten zu Wassereinlagerungen in den Unterschenkeln und Füßen, die symmetrisch sein müssen. Typisch ist die deutliche Dellbarkeit dieser Ödeme, welche in schweren Fällen zunehmend aufsteigend sind und in Extremfällen zu einer generalisierten Wassereinlagerung (Anasarka) führen können. Die Therapie geschieht mit Digitalis, Diuretika,ACE-Hemmern und Betablockern. Beim Eiweißmangelödem, was ebenfalls symmetrisch und im Liegen auch häufig an den rückseitigen Körperpartien zu finden ist, muss entsprechend der Genese (Mangelernährung, verminderte intestinale Resorption, gestörter Eiweißaufbau in der Leber, verstärkter Eiweißverbrauch bei Tumoren oder chronischen Infektionen, verstärkte Eiweißausscheidung über Darm, Nieren oder Wunden) therapiert werden. Das renale Ödem infolge Nierenversagen muss mit Diuretika, bei deren Versagen mit Dialyse oder Nierentransplantation therapiert werden. Das Phlebödem oder phlebostatische Ödem entsteht infolge Erkrankung der Venen. Durch angeborene Venenklappenhypoplasie, durch primäre Varikosis, durch Thrombosen oder Phlebitiden kommt es zu einer Venenklappeninsuffizienz mit Druckanstieg besonders der Fußvenen in orthostatischer Position. Dieser Druckanstieg wird auch durch muskuläre Tätigkeit nicht wie beim Gesunden im Stehen von etwas 90 mm Hg auf 30 mm Hg, reduziert, sondern bleibt erhöht, wodurch eine verstärkte Filtration resultiert. Solange das Lymphsystem das verstärkte interstitielle Flüssigkeitsaufkommen abtransportieren kann, entsteht keine Ödematisierung. Wenn jedoch das Lymphsystem funktionell überfordert wird (lymphodynamische Insuffizienz) entsteht ein Phlebödem. Ein solches Phlebödem ist am klarsten erkennbar infolge akuter Bein-Beckenvenenthrombose und zeigt eine tiefe Dellbarkeit. Es tritt fast ausschließlich an den Beinen auf, nur in ganz seltenen Fällen nach Axillar- oder Subklaviavenenthrombose im Bereich des Armes. Überwiegend tritt es einseitig auf. Aufgrund der venösen Stauung ist die Hautfarbe der befallenen Extremität bläulich (zyanotisch) verfärbt. Häufig ist auch eine Varikosis sichtbar. Besteht ein solches Ödem über längere Zeiträume, beobachtet

man eine zunehmende Braunverfärbung durch Hämosiderinablagerungen in der Haut, welche sich aus abgebautem Hämoglobin von ausgetretenen Erythrozyten bildet. Die Basistherapie eines Phlebödems ist die Kompression von außen, weil dadurch der interstitielle Gewebsdruck erhöht wird, was der Filtration entgegenwirkt und die venöse Resorption fördert. Wenn eine Kompression allein nicht ausreicht das Ödem zu beseitigen, ist manuelle Lymphdrainage zusätzlich hilfreich. Diese Therapie ist auch erfolgreich bei der wichtigsten Komplikation des venösen Ödems, dem Ulcus venosum. Das Lymphödem der Beine ist durch eine Schädigung der Lymphgefäße bedingt. Beim Lymphödem unterscheiden wir 2 Formen, das primäre Lymphödem als angeborene Schädigung des Lymphsystems und das sekundäre Lymphödem als erworbene Schädigung des Lymphsystems. Beim primären Lymphödem, was mit einer Häufigkeit von einem ½ auftritt (entspricht 40000 primären Lymphödemen in Deutschland bei 80 Mio. Einwohnern) ist die Ursache entweder eine Hypoplasie der Lymphgefäße, welche entweder verschmälert oder in der Anzahl verringert sind oder in den seltenen Fällen eine Lymphangiektasie, also Erweiterung der Lymphgefäße, wodurch eine valvuläre Insuffizienz der Lymphgefäße resultiert. Äußerlich sehen beide Formen gleich aus. Meist handelt es sich um primäre Lymphödeme, die zu 95% an den Beinen auftreten. Frauen sind dabei 3 mal so häufig betroffen wie Männer. Das sekundäre Lymphödem entsteht durch eine Schädigung der inguinalen, iliakalen oder paraaortalen Lymphknoten oder Lymphbahnen infolge Operation oder Bestrahlung wegen Tumoren im Becken-Bauchbereich. Primäre Lymphödeme können einseitig (40%) oder beidseitig (60%) auftreten und sind bei beidseitigem Auftreten oftmals asymmetrisch. Die Hautfarbe der Lymphödeme ist grundsätzlich normal blass. Eine Dellbarkeit ist nur in unbehandeltem Zustand oder bei erst kurzzeitig bestehenden Ödemen feststellbar. Überwiegend findet sich an den Zehen das für Lymphödeme typische Stemmer'sche Zeichen, was einer Verdickung der Zehenhaut durch die lymphostatische Eiweißfibrose entspricht. Diese Eiweißfibrose entsteht durch den hohen Eiweißgehalt des Interstitium, da die aus den arteriellen Blutkapillaren austretenden Bluteiweiße, welche zur Ernährung der Körperzellen notwendig sind, fast ausschließlich über das Lymphsystem abtransportiert werden.

Beim Lymphödem mit mangelnder Transportkapazität bleiben sie deswegen im Interstitium liegen und werden von den Fibrozyten zu regulärem Bindegewebe umgewandelt. Diese Eiweißfibrosen treten nicht nur an den Zehen auf, sondern finden sich überall im Bereich des Lymphödems, erkennbar an der verdickten Hautfalte im Ödembereich. Länger bestehende Lymphödeme zeigen in der Regel keine Dellbarkeit. Die Behandlung von Lymphödemen wird nur in ganz seltenen Fällen operativ (Lymphgefäßtransplantation, lympho-venöse Anastomosen) möglich sein. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle ist die physikalische Ödemtherapie nach Asdonk (1972), die aus den Komponenten manuelle Lymphdrainage nach Vodder, Ödemgriffen und Kompressionsbehandlung besteht, die Therapie der Wahl. Die Behandlung solcher Lymphödeme ist einerseits wegen der Beschwerden erforderlich, andererseits wegen der mit zunehmender Ödemstärke vermehrt auftretenden Ödemkomplikation wie Erysipele, Lymphzysten, Lymphfisteln, Papillomatose der Haut, Ekzeme, Interdigitalmykosen, weichteilrheumatische Beschwerden und dem seltenen Angiosarkom Stewart Treves. Das Lipödem oder Fettödem tritt im Gegensatz zu den vorgenannten Ödemformen nur bei Frauen auf und benötigt als Voraussetzung eine Lipohypertrophie der Extremitäten. Diese Extremitätenlipohypertrophie ist eine anlagebedingte Fettgewebsvermehrung überwiegend der Beine und zu einem Drittel auch der Arme, welche sich in einem Missverhältnis im Vergleich zum Rumpf viel zu stark verdickten Extremitäten zeigt. Im Gegensatz dazu findet sich bei der Adipositas überwiegend eine Fettgewebsvermehrung am Rumpf oder gleichmäßig über den ganzen Körper also Rumpf und Extremitäten verteilt. Die Lipohypertrophie wird zwar in der Regel durch eine zusätzliche Adipositas verstärkt, kann aber auch als reines Krankheitsbild bei völlig schlankem Rumpf auftreten und ist nur beim zusätzlich Adipösen durch diätetische Maßnahmen in einem gewissen Maße reduzierbar. Wenn keine Adipositas, also keine Fettgewebsvermehrung am Rumpf vorliegt, ist die Lipohypertrophie auch durch strengstes Hungern nicht zu beseitigen und auch nicht zu reduzieren. Die Lipohypertrophie tritt ebenso wie das Lipödem immer symmetrisch auf. Die Hautfarbe ist normal. Es findet sich keine Dellbarkeit und im Gegensatz zum Lymphödem sind die Füße und Zehen sowie Hände und Finger immer verdickungs- und auch ödemfrei. Das Stemmer'sche Zeichen ist also

eindeutig nicht vorhanden. Die Lipohypertrophie ist beschwerdefrei und belastet die Betroffenen allenfalls psychisch, da sie unter der entstellenden Körperform leiden. Im Laufe der Jahre kann aus der Lipohypertrophie ein Lipödem entstehen, was dadurch charakterisiert ist, dass das vorher beschwerdefreie Fettgewebe zunehmende Spannungsschmerzen und Schweregefühl aufweist und auch druckempfindlich wird. Die Ursache für diese Druckempfindlichkeit ist eine geringgradige Wassereinlagerung, ausgelöst durch eine erhöhte Kapillarpermeabilität und durch eine leichte Lympho-Phlebostase, welche durch Druck der Fettmassen auf die kleinen venösen Gefäße und Lymphgefäße entsteht. Während die Lipohypertrophie aufgrund ihrer Beschwerdefreiheit keiner Therapie bedarf, ist das Lipödem aufgrund seiner Schmerzhaftigkeit eindeutig therapiebedürftig. Die einzige Therapieoption um die Beschwerden zu lindern, ist wiederum die physikalische Ödemtherapie. Durch eine solche Therapie können im Durchschnitt an den Beinen Ödemabnahmen von ca. 1000 ml erreicht werden, was aber ausreicht, um eine völlige Beschwerdefreiheit zu erzielen. Als weitere Therapieoption kommt aus kosmetischen Gründen sowohl bei der Lipohypertrophie als auch beim Lipödem die Liposuktion in Frage, wenn Patienten sehr unter der z. T. recht entstellenden Körperform leiden. Kombinationsödeme zwischen Phlebödem, Lymphödem und Lipödem sind gar nicht selten und werden entsprechend der Hauptkomponenten bezeichnet. Selbstverständlich sind auch Kombinationen mit den vorgenannten medikamentös behandlungspflichtigen Ödemen möglich, so dass dann eine kombinierte Therapie aus physikalischer Entstauung und Diuretikabehandlung indiziert ist. Das traumatische Ödem ist ein passageres Ödem, was infolge unterschiedlicher Traumen wie Prellung, Zerrung, Distorsion, Frakturen oder Verbrennung sofort nach dem Trauma an der Stelle der Traumatisierung entsteht. Durch diese Ödematisierung entstehen erhebliche Beschwerden und besteht die Gefahr von zusätzlichen Komplikationen und Folgeschäden. Die physikalische Ödemtherapie in Kombination mit Hochlagerung und Kühlung ist dazu in der Lage, die Abheilung des Ödems zu beschleunigen, damit die Beschwerden und die Komplikationen minimiert werden. Während die vorgenannten Ödeme durchaus an eine etablierte Indikation

für manuelle Lymphdrainage sind, ist diese bei den traumatischen Ödemen noch relativ unbekannt, aber sicherlich sehr wirkungsvoll. Die Differenzierung all der vorgenannten Ödeme ist in vielen Fällen besonders wenn es sich um kombinierte Ödeme handelt, nicht einfach und erfordert viel Erfahrung und eine möglichst breite internistische Ausbildung. Aus diesem Grunde ist ein Arzt, der sich mit diesen Ödemen beschäftigt etwas unglücklich als Lymphologe, besser aber als Ödematologe zu bezeichnen.