Adaptive Selling Behavior von Vertriebsmitarbeitern Stimmen aus der Forschung und Praxisimplikationen



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Transkript:

Inhaltsverzeichnis Adaptive Selling Behavior von Vertriebsmitarbeitern Stimmen aus der Forschung und Praxisimplikationen Bachelorarbeit vorgelegt am Lehrstuhl für Marketing Prof. Dr. Martin Klarmann Betreuerin: M.Sc. Anja Hildebrand Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Wintersemester 2012/2013 von Daniel Lippe I

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis I III III 1. Einleitung 1 2. Grundlagen der Untersuchung 3 2.1 Wesen des Verkäufers 3 2.2 Rollentheorie allgemein und vertriebsspezifisch 4 2.3 Kommunikationsmodelle nach Shannon/Weaver und Sheth 5 2.4 Adaptive Selling Behavior nach Weitz/Sujan/Sujan 6 2.5 Die Messung des Adaptive Selling Behavior 8 3. Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior 9 3.1 Faktoren für die Umsetzung des Adaptive Selling Behavior 11 3.1.1 Individuelle Faktoren 11 3.1.1.1 Eigenschaften und Einstellung 11 3.1.1.2 Erfahrung und Wissen 15 3.1.2 Externe Faktoren 16 3.1.2.1 Vertriebsspezifische und kulturelle Umgebung 16 3.1.2.2 Abhängigkeiten von Situation und Kunden 18 3.1.3 Strategische Faktoren 19 3.1.3.1 Die Unternehmensausrichtung 19 3.1.3.2 Die Wirkung der Vorgesetzten 20 3.2 Konsequenzen des Adaptive Selling Behavior 22 3.2.1 Die Managementperspektive 22

3.2.2 Die Kundenperspektive 24 3.3 Experteninterviews mit dem Einkauf der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG 26 3.3.1 Vorbereitung 26 3.3.2 Durchführung 29 3.3.3 Ergebnisse 30 4. Fazit und Ausblick 36 Anhang 38 A1 Literaturtabellen 38 A2 Interviewleitfaden und Transkriptionen 44 Literaturverzeichnis 68 Eidesstattliche Erklärung 72

Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Vier grundlegende Verkäufertypen 4 Abbildung 2: An Adaptive Selling Framework 7 Abbildung 3: Literaturbaum zum Thema Adaptive Selling Behavior 10 Abbildung 4: Erwartete und gemessene Beziehung zwischen Alter und der Anwendung von Adaptive Selling 15 Abbildung 5: Intercultural Disposition, Adaptive Selling Behavior, and Perceived Intercultural Communication Competence: A Conceptual Model 17 Abbildung 6: Supervisory Adaptive Selling and Feedback 21 Abbildung 7: Kategorisierung des Fragenkataloges 28 Abkürzungsverzeichnis ASB AS ADAPTS CRM LEB SFA SOCO VM Adaptive Selling Behavior Adaptive Selling Adaptive Selling Scale Customer Relationship Management Leadership Empowerment Behavior Sales Force Automation Sales Orientation or Customer Orientation Vertriebsmitarbeiter IV

Einleitung 1. Einleitung In Zeiten, die durch das Internet bestimmt werden und in denen immer mehr Geschäftsvorgänge über das World Wide Web digital abgewickelt werden, wie beispielsweise der Einkaufsprozess durch das E-Procurement, stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch zeitgemäß ist, eine Verhandlung mit VM und Einkäufern von Angesicht zu Angesicht durchzuführen. Das (situations-) angepasste Verkaufsverhalten, auch als adaptive selling behavior bekannt, stellt einen wichtigen Aspekt dar, der für persönliche Verhandlungen spricht. Da jeder Kunde einzigartig ist und dementsprechende Anforderungen stellt, ist es für einen VM wichtig und von Vorteil sich kundenspezifisch vorzubereiten, sowie seine Verkaufsstrategien an den Kunden anzupassen. Dies geschieht nicht nur im Vorfeld durch personalisierte Präsentationen und kundenspezifische Recherchen, sondern auch während der Interaktion im Gespräch. Es müssen Gesten, Fragen und weitere Indikatoren des Kunden erkannt und interpretiert werden, um in der Lage zu sein, die Strategie in Echtzeit anzupassen. Durch das adaptive Verhalten ist der VM in der Lage, auf die Belange des Kunden einzugehen und verschafft sich somit einen bedeutenden Vorteil gegenüber der digitalen Abwicklung, welche eine Anpassung in diesem Maße nicht realisieren kann. Vor allem bei komplexen Verhandlungen, die eine Vielzahl an Modifizierungsmöglichkeiten bieten und es oft schwer ist, Angebote in fest vorgegebene Computermasken einzutragen, lässt sich die Hypothese aufstellen, dass der VM nach wie vor unersetzlich ist. Um die oben gestellte Frage zu untersuchen, wird in dieser Arbeit das (situations-) angepasste Verkaufsverhalten mit Hilfe der bestehenden Literatur genauer untersucht. Zu Beginn werden die zum Verständnis benötigten Grundlagen dargestellt. Hierbei liegen die Schwerpunkte auf dem Wesen des Verkäufers, der Rollentheorie und dem Kommunikationsmodell nach Sheth. Außerdem wird der Begriff des Adaptive Selling Behavior nach Weitz/Sujan/Sujan definiert und eine Skala vorgestellt, die den Grad des angewendeten ASB von VMn messen kann. Im Hauptteil der Arbeit werden die verschiedenen Faktoren der Umsetzung des ASB analysiert. Es wird eine Unterteilung in Individuelle-, Externe- und Strategische Faktoren vorgenommen. Während bei den individuellen Faktoren die Persönlichkeit des VMs, wie Charaktereigenschaften, Motivation und seine Einstellung auf das AS einwirken, sind bei den externen Faktoren situations- und kundenbedingte Einflüsse festzustellen. Die strategischen Faktoren werden durch die Unternehmensausrichtung und die Wirkung der Vorgesetzten auf ihre Mitarbeiter festgelegt. 1

Einleitung Nach der Umsetzung des ASB werden die daraus entstehenden Konsequenzen bestimmt. Neben der Managementperspektive, die unter anderem Managementimplikationen beinhaltet, wird auch auf die Kundenperspektive eingegangen. Sie soll verdeutlichen, wie der Kunde das ASB wahrnimmt und welche Wirkung es auf ihn und die zukünftige Zusammenarbeit hat. Bei der praktischen Untersuchung des ASB wird der Fokus auf die Wahrnehmung des Kunden gelegt. Es werden Experteninterviews mit Einkäufern der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG durchgeführt, um zu analysieren, welche Erfahrungen sie im Bereich des ASB mit ihren Vertriebspendants gesammelt haben. 2

Grundlagen der Untersuchung 2. Grundlagen der Untersuchung Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen für das allgemeine Verständnis der Arbeit beschrieben. Zunächst wird auf das Wesen des VMs eingegangen, um diesen im nächsten Schritt in die Rollentheorie einzuordnen. Im Anschluss wird das Kommunikationsmodell nach Sheth (Sheth, 1976) betrachtet, um anschließend mit dem Begriff des ASB nach Weitz/Sujan/Sujan (Weitz/Sujan/Sujan, 1986) und der Messung des ASB zu schließen. 2.1 Wesen des Verkäufers In einem persönlichen Verkaufsgespräch nimmt der VM die entscheidende Rolle ein. Er ist es, der den Kunden von einem Abschluss überzeugen muss. Bei dieser Aufgabe können verschiedene Verhandlungstechniken angewendet werden. Viel entscheidender ist jedoch die Verkäuferpersönlichkeit, zu der die Technik passen muss. Die Verkäuferpersönlichkeit wird in drei Aspekte unterteilt. Man unterscheidet zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen, der Sozialkompetenz und der Fachkompetenz (vgl. Homburg/Schäfer/Schneider, 2008, S. 245). Bei den Persönlichkeitsmerkmalen handelt es sich um die Eigenschaften, die sich direkt im Umgang mit dem Kunden widerspiegeln. Für ein erfolgreiches und sympathisches Auftreten sind Kontaktfreudigkeit, Optimismus, Selbstwertgefühl und das Einfühlungsvermögen von entscheidender Bedeutung. Die Sozialkompetenzen wiederum stehen für das Maß in der ein Individuum in der Lage ist, die Interaktion mit anderen Menschen so zu gestalten, dass sich diese angesprochen fühlen. Der VM erreicht eine solche Atmosphäre durch eine freundliche und flexible Interaktion, in der er seine Kommunikations- und Wahrnehmungsfähigkeit zum größtmöglichen Erfolg einsetzt. Unabdingbar für einen guten VM ist seine Fachkompetenz auf dem jeweiligen Gebiet. Diese umfasst nicht nur die Kenntnisse über das Produkt, den Kunden, den Markt und die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, sondern auch über die Fähigkeiten in Bezug auf den Verkaufsprozess und die Selbstorganisation (vgl. für den Absatz Homburg/Schäfer/Schneider, 2008, S. 245ff.). Mit Hilfe der drei Aspekte Persönlichkeitsmerkmale, Sozial- und Fachkompetenz werden die verschiedenen Verkäufertypen, wie in Abbildung 1 dargestellt, anhand einer 2-dimensionalen Matrix festgelegt. Die Verkaufsnieten besitzen weder ein zwischenmenschliches Gespür noch Fachkenntnisse, um im Kundenumgang zu bestehen. Im Gegensatz dazu ist der Allrounder mit dem nötigen Wissen und den Kompetenzen ausgestattet, die zu einer erfolgreichen Verhandlung führen. Zwischen den beiden Extremen existiert neben dem Socializer, der mit 3

Grundlagen der Untersuchung seiner ausgeprägten Sozialkompetenz dem Team trotz mangelnden Fachwissens wichtige Impulse geben kann, auch der Vielwisser, der sich in seinem Fachgebiet sehr spezifisch auskennt, jedoch verglichen mit dem Socializer Probleme im Umgang mit Menschen kompensieren muss (vgl. für den Absatz Homburg/Schäfer/Schneider, 2008, S. 267f.). Abb.1: Vier grundlegende Verkäufertypen (in Anlehnung an Homburg/Schäfer/Schneider, 2008, S.268) 2.2 Rollentheorie allgemein und vertriebsspezifisch Jeder der im vorherigen Abschnitt behandelten Verkäufertypen muss sich mit der Rolle des VMs genauestens auseinandersetzen. Für das Verständnis der Komplexität der Vertriebsrolle wird die Rollentheorie erläutert, die sich aus Arbeiten von Mead, Moreno und Linton zusammensetzt. Nach der Rollentheorie befindet sich der Mensch in seinem sozialen Umfeld in gewissen Positionen oder auch Rollen. Je nach Situation nimmt die Person eine Rolle ein, die mit einem bestimmten Verhalten und Erwartungen von den anderen beteiligten Personen verknüpft ist. Belasco hat sich bereits 1966 in seinem Artikel The Salesman s Role Revisited (Belasco, 1966) mit der Rolle des VMs befasst. Es wird deutlich, dass der VM ein breites Spektrum an Rollen, teilweise auch zeitgleich, anwenden muss. Nicht nur die Rollen des Überzeugens, Beratens, Informierens und Probleme Definierens müssen beherrscht werden, sondern auch die Interaktion mit verschiedenen Partnern. Der VM hat die Herausforderung den Kunden zufriedenzustellen und zugleich die gesetzten Ziele des eigenen Managements zu erfüllen. Jeder dieser Interaktionspartner stellt andere Erwartungen an seine Person und nicht selten stehen diese Erwartungen miteinander in Konflikt. Die dadurch entstehenden Rollenkonflikte 4

Grundlagen der Untersuchung bestehen z.b. in den Bereichen der Identifikation der unterschiedlichen Erwartungen und der Beratung des Kunden. Durch diese Konflikte können das Verhalten des VMs und seine Leistung stark beeinflusst werden. Die Bewältigung solch komplexer Rollenkonflikte erfordert eine hohe Anpassungsfähigkeit an die Situation und die Erwartungen seiner Interaktionspartner (vgl. für den Absatz Belasco, 1966). Auf die Problematik der Rollenkonflikte und deren Auswirkung auf das ASB wird im Laufe der Arbeit noch genauer eingegangen. In Bezug auf die Beziehung zwischen den Interaktionspartnern greifen verschiedene Autoren auf das von Rogers und Bhowmik 1970 entwickelte homophilous-heterophilous Prinzip zurück und kommen zu dem Schluss, dass es in der Natur der Interaktion liegt, dass Personen die sich ähnlich sind, einen stärker ausgeprägten Austausch an Ideen erreichen können (vgl. Spiro, et al., 1976, S. 354). Der VM muss versuchen mit dem Kunden auf eine Ebene zu kommen und eine Beziehung zu erreichen, die einen erfolgreichen Abschluss ermöglicht. Neben Gleichartigkeit und Sympathie sind nach O Shaughnessy auch die Faktoren attractiveness (Attraktivität) und credibility (Glaubwürdigkeit) von entscheidender Bedeutung, um einen erfolgreichen Verkaufsprozess zu fördern (vgl. Spiro, et al., 1976, S. 355). Nicht nur die Erwartungen seiner Kontaktpersonen, sondern auch die Funktion der Schnittstelle zwischen Kunden und eigenem Unternehmen bergen ein hohes Maß an Konfliktpotential. In der Literatur wurde dafür der Begriff boundary role person eingeführt (vgl. Spiro, et al., 1976, S. 355). Er verdeutlicht, dass es grundlegend für die Position des VMs ist, zwischen den Interaktionspartnern zu agieren und zu kommunizieren. Dadurch entstehen ein erhöhtes Stressniveau, Rollenkonflikte und eine Unsicherheit über die eigene Rolle und deren Aufgaben. 2.3 Kommunikationsmodelle nach Shannon/Weaver und Sheth Eine weitere essentielle Grundlage für den VM und seinen Aufgabenbereich ist die Kommunikation. Es muss zu jederzeit sichergestellt werden, dass die Kommunikation zwischen dem Kunden und dem Vertriebspartner gewährleistet ist und es nicht zu Missverständnissen kommt. In diesem Zusammenhang wird das Nachrichtenübertragungsmodell von Shannon und Weaver angeführt. Diese mathematische Theorie der Kommunikation sieht eine Informationsquelle vor, die eine Nachricht generiert. Mit Hilfe des Senders wird die Nachricht in ein Signal verwandelt und über den Kommunikationskanal an den Empfänger 5

Grundlagen der Untersuchung geschickt. Störquellen können dazu führen, dass die ursprüngliche Nachricht verzerrt wird (vgl. für den Absatz Shannon/Weaver, 1963). Sheth (Sheth, 1976) hat dieses Modell für den Einsatz zwischen den Verhandlungspartnern verfeinert und zwei Dimensionen der Kommunikation entwickelt. In seinem Modell existieren die Dimensionen des Inhaltes und der Art der Kommunikation. Für spätere Kapitel dieser Arbeit ist das Verständnis der zweiten Dimension, style of communication, von Bedeutung. Sheth teilt die Dimension der Art der Kommunikation in drei weitere Unterdimensionen auf. In diesen Untergruppen können die Interaktionspartner je nach Verhalten eingeordnet werden. Er definiert die aufgabenorientierte Einstellung, bei der die Person sehr zielfokussiert und an einem möglichst effizienten Abschluss interessiert ist. Jegliche Ablenkungen oder Handlungen die nicht zielführend sind, werden nicht akzeptiert und als störend empfunden. Im Gegensatz dazu steht die interaktionsorientierte Einstellung. Hier spielen die zu Beginn definierten Persönlichkeitsmerkmale und sozialen Kompetenzen eine besondere Rolle. Das socializing und der Aufbau einer gemeinsamen Beziehung zwischen den Akteuren, werden als Voraussetzung gesehen, um in den spezifischen Inhalt der Verhandlung einzusteigen. Als dritte Unterdimension wird die selbstorientierte Einstellung beschrieben. Personen, die sich durch diese Art der Kommunikation auszeichnen, sind sehr auf sich bezogen und schaffen es nicht, ein Verständnis für die Probleme und Bedürfnisse des Verhandlungspartners zu entwickeln. Sie sind nicht in der Lage, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen und betrachten alle Aspekte der Interaktion von ihrem Standpunkt aus (vgl. für den Absatz Sheth, 1976, S. 382ff.). 2.4 Adaptive Selling Behavior nach Weitz/Sujan/Sujan Der Begriff des ASB wurde von Weitz/Sujan/Sujan 1986 in dem Artikel Knowledge, Motivation, and Adaptive Behavior. A Framework for Improving Selling Effectiveness wie folgt definiert: The practice of adaptive selling is defined as the altering of sales behaviors during a customer interaction or across customer interactions based on received information about the nature of the selling situation. (Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 175) Das ASB versteht die Anpassungsfähigkeit des VMs an den Kunden während einer Interaktion oder zwischen aufeinanderfolgenden Verhandlungsrunden. Er muss in der Lage sein, Aussagen und Gesten zu erkennen und zu interpretieren, um eine kundenorientierte 6

Grundlagen der Untersuchung Anpassung in Echtzeit zu ermöglichen. Ebenso gehört die kundenspezifische Vorbereitung zu diesem Ansatz. Jeder Kunde ist einzigartig und eine standardisierte Vorgehensweise wird selten zum Erfolg führen. Auf den Kunden abgestimmte Präsentationen und Angebote sind erforderlich, um somit auch den einzigartigen Vorteil des persönlichen Verkaufens voll ausschöpfen zu können. Diese Kundenorientierung bedeutet auch einen Mehraufwand an Ressourcen. Somit muss die Frage gestellt werden, ob sich das AS lohnt, d.h. ob die Opportunitätskosten durch eine erhöhte Verkaufsleistung gerechtfertigt werden (vgl. für den Absatz Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 176). Zur Messung der Performance von VMn werden drei Faktoren berücksichtigt. Die Rollenwahrnehmung, die Motivation und die Fähigkeit des VMs. Das ASB wird als ein Schlüsselaspekt der Fähigkeit des VMs identifiziert. Es wurde bestätigt, dass durch das aktive Anpassen an den Kunden eine Verbesserung von 31% im Verkaufserfolg erzielt werden kann (vgl. Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 174, Boorom/Goolsby/Ramsey, 1998, S. 22). Die zahlreichen Voraussetzungen und Faktoren die das AS beeinflussen, sind in Abbildung 2 dargestellt und werden im Laufe dieser Arbeit schrittweise analysiert. Abb.2: An Adaptive Selling Framework (in Anlehnung an Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 175) 7

Grundlagen der Untersuchung Zur weiteren Begriffsbildung wird das zu AS synonym verwendete working smart eingeführt. Es steht genauso wie das AS für eine Arbeitsweise, die sich im Gegensatz zu working hard nicht durch eine möglichst hohe Anzahl an Arbeitsstunden auszeichnet, sondern viel mehr durch die Art und Weise wie gearbeitet wird. Es wird folgendermaßen definiert: ( ) we define working smart as behaviors directed toward developing knowledge about sales situations and utilizing this knowledge in sales situations. (Sujan/Weitz/Kumar, 1994, S. 40). 2.5 Die Messung des Adaptive Selling Behavior Zur Messung des ASB von VMn wurde in einem ersten Ansatz eine 16-item-scale entwickelt (Spiro/Weitz, 1990). Die adaptive selling scale (ADAPTS) berücksichtigt fünf Facetten des ASB (Anerkennung, dass verschiedene Verkaufssituationen unterschiedliche Ansätze verlangen; Vertrauen in die Fähigkeit, diese Verkaufsansätze zu nutzen; Vertrauen in die Fähigkeit zur Anpassung während der Interaktion; das Sammeln von Informationen zur Verkaufssituation; die momentane Anwendung verschiedener Ansätze). Sie wurde unter der Prämisse entwickelt, dass sie in Form eines paper-and-pencil Fragebogens durchgeführt werden kann. Die Verlässlichkeit der Skala liegt bei 85 %. Dass es sich hierbei nur um einen Ansatz handelt, der noch weiter entwickelt und empirisch getestet werden muss, spiegelt sich in der Tatsache wider, dass die Skala der Wissensstruktur der VM nur in Form einer Messung der Kategorisierung von Verkaufssituationen Beachtung schenkt. Diese Facette der Wissensstruktur ist durch eine paper-and-pencil Analyse nicht abbildbar. Daher ist die Skala nur für die Bewertung von VMn mit einem gewissen Grad an Erfahrung zu empfehlen (vgl. für den Absatz Spiro/Weitz, 1990, S. 65ff.). Berücksichtigt werden durch die Skala die Motivation der VM das AS anzuwenden (sieben der 16 Einheiten), die benötigten Fähigkeiten zur Anwendung des AS (zwei der 16 Einheiten) und das momentane adaptive Verhalten des VMs (sieben der 16 Einheiten). Unstimmigkeiten herrschten lange über die Mehrdimensionalität der Skala, so wurde in einigen Studien fälschlicherweise eine Eindimensionalität der ADAPTS angenommen und folglich falsche Forschungsergebnisse ermittelt (vgl. Román/Iacobucci, 2010, S. 366). 8

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior 3. Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior Im Zuge dieser Arbeit wurden verschiedene Literaturströme untersucht und der in Abbildung 3 abgebildete Literaturbaum entwickelt. Die Komplexität des Begriffes ASB spiegelt sich in der Baumstruktur wider. Die Arbeit von Weitz/Sujan/Sujan (Weitz/Sujan/Sujan, 1986) bildet die Grundlage der Theorie. Auf dieser bauen die meisten folgenden Untersuchungen auf. Die wissenschaftlichen Arbeiten wurden in die zwei Rubriken Umsetzung und Konsequenzen unterteilt. Bei der Umsetzung lassen sich drei Faktoren bestimmen, von denen das ASB überwiegend beeinflusst wird. Die individuellen Faktoren beinhalten eine Reihe von Eigenschaften der VM, beispielsweise deren Einstellung und das Wissen, welches durch die Erfahrungen aus verschiedenen Verkaufssituationen erweitert wird. Die externen Faktoren spiegeln sich in der Umgebung und der Abhängigkeit des ASB in Bezug auf unterschiedliche Kundentypen und Situationsanforderungen wider. Unter den strategischen Faktoren wurden in diversen Arbeiten die Unternehmensausrichtung und die Wirkung des Vorgesetzten interpretiert. Die Literatur zu den Konsequenzen des ASB kann in die beiden Betrachtungsweisen der Managementperspektive und der Kundenperspektive eingeteilt werden. Dabei wurde deutlich, dass die Wahrnehmung der Kunden in der Forschung bisher weniger untersucht wurde und ein Schwerpunkt auf das Verhalten und die nötigen Eigenschaften des VMs für die erfolgreiche Anwendung des AS gelegt wurde. Aus diesem Grund wird im Anschluss an die Untersuchung der Theorie, in einer Studie, die Kundenwahrnehmung des ASB analysiert. Was sich diese von VMn wünschen und welche Erfahrungen sie mit dem ASB in der Praxis gemacht haben, wird anhand von Experteninterviews mit Einkäufern der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG untersucht. 9

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior Abb.3: Literaturbaum zum Thema Adaptive Selling Behavior 10

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior 3.1. Faktoren für die Umsetzung des Adaptive Selling Behavior Da das (situations-) angepasste Verkaufsverhalten eine entscheidende Komponente für den Erfolg des Unternehmens darstellt, ist es für Vorgesetzte und Trainer wichtig zu wissen, woraus sich das ASB zusammensetzt. Für die Umsetzung des AS ist es daher elementar, zu untersuchen, welche Faktoren das (situations-) angepasste Verkaufsverhalten unterstützen. Lange Zeit waren nur 25 % des ASB nachvollziehbar, mittlerweile kann man bis zu 46 % der Varianz des ASB erklären (vgl. Román/Iacobucci, 2010, S. 374ff.). 3.1.1 Individuelle Faktoren 3.1.1.1 Eigenschaften und Einstellung Die in Kapitel 2 beschriebene Verkäuferpersönlichkeit beinhaltet diverse Eigenschaften und Charakterzüge des VMs, die für eine erfolgreiche Anwendung des AS von großer Bedeutung sind. In diesem Abschnitt werden die elementaren Aspekte beschrieben und untersucht. So führt eine Aversion gegen die Kommunikation mit dem Kunden beispielsweise zu einer geringeren Interaktionsmöglichkeit. Diese Interaktionseinbindung ist jedoch für die Umsetzung des ASB Grundvoraussetzung (vgl. Boorom/Goolsby/Ramsey, 1998, S. 20). Eine weitere Grundvoraussetzung ist ein initiatives Verhalten in Bezug auf die Verhandlung. Dem Kunden muss vermittelt werden, dass die Initiative ergriffen wird und man engagiert an einer Lösung bzw. einem Vertragsabschluss arbeitet. In diesem Kontext existiert der englische Ausdruck getting the job done (vgl. Jaramillo, et al., 2007, S. 61). Durch ein ausgeprägtes Produktwissen kann die getting the job done Philosophie verstärkt werden, da VM mit spezifischen Fachkenntnissen weniger in Versuchung geraten, in einen auf Unwissenheit basierenden Smalltalk zu verfallen oder aber Termine bzw. Entscheidungen zu vertagen (vgl. Anglin/Stolman/Gentry, 1990, S. 85f.). Außerdem macht es einen Unterschied, wie die Einstellung des VMs motiviert ist. So gibt es zwei Möglichkeiten nach welchen Zielen man sich bei der Durchführung von Aufgaben orientieren kann. Der leistungsorientierte VM strebt nach einem möglichst hohen Ertrag und fördert mit dieser Einstellung nur den Aspekt des working hard. Im Gegensatz dazu, kann durch eine lernorientierte Einstellung neben dem working hard, auch das working smart gefördert werden (vgl. Sujan/Weitz/Kumar, 1994, S. 42f.). Die Ergebnisse der Untersuchungen von aufgestellten Hypothesen zeigen, dass ein ausgeprägtes self-monitoring ebenfalls positiv auf das ASB wirkt. Hierunter wird die 11

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior Fähigkeit verstanden sensibel für Kundenreaktionen zu sein und daraus ableitend seine Selbstpräsentation und Strategie auf den Kunden anpassen zu können. Die Fähigkeit Schlüsselhinweise (cue perception) versteckt in der Sprache, Gestik oder Mimik des Kunden zu erkennen, erleichtert den Prozess der Anpassung (vgl. Spiro/Weitz, 1990, S. 63, Giacobbe, et al., 2006, S. 122). Sollten die getroffenen Maßnahmen zur Anpassung keine Wirkung zeigen und das Vertriebsergebnis nicht den Erwartungen entsprechen, muss der VM kritisch sich selbst gegenüber nach Gründen suchen und nicht versuchen die Abweichungen durch Fehler von Dritten oder der Umwelt zu erklären. Eine solche Kontrollüberzeugung (locus of control) der eigenen Vorgehensweise fördert das ASB, da somit aus Fehlern gelernt wird und diese bei der nächsten Interaktion vermieden werden können (vgl. Spiro/Weitz, 1990, S. 64). Neben der Kontrollüberzeugung wird in der Literatur ein gewisses Maß an Androgynie als Vorteil für den Interaktionsprozess gesehen. Durch das androgyne Verhalten ist man in der Lage mit mehr Rollen und Perspektiven arbeiten zu können, ohne sich selbst aufgrund der momentanen Situation unwohl zu fühlen. Der Begriff der Empathie spielt im Kontext mit dem ASB ebenfalls eine wichtige Rolle. Um sich an den Kunden anpassen zu können, muss man dessen Situation verstehen. Daher ist es hilfreich ein gutes Einfühlungsvermögen zu besitzen, um somit die Perspektive seines Gegenübers einnehmen zu können und daraus Ableitungen für das eigene Verhalten zu treffen (vgl. Spiro/Weitz, 1990, S. 63f., Giacobbe, et al., 2006, S. 122). Selbst wenn der VM die meisten dieser Eigenschaften beherrscht, führt dies nicht automatisch zur Anwendung des ASB. Die Person muss an ihre Fähigkeiten glauben und selbstbewusst agieren. Nur durch eine positive und überzeugte Einstellung kann wirkungsvoll der richtige Verhandlungsansatz angewendet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang vom ASB-confidence (vgl. Román/Iacobucci, 2009). Dieses hängt entscheidend von der Umwelt und deren Einflüssen ab. Die situationsbedingten Unterschiede werden im Abschnitt 3.1.2.2 dieser Arbeit genauer thematisiert. McIntyre (McIntyre, et al., 2000) untersuchte das Verhaltensmuster von VMn unter dem Begriff cognitive style, in Bezug auf die zwei Kernkontinua intuiting/sensing und feeling/thinking und deren Bedeutung für das ASB. Es wurden Hypothesen bestätigt, dass eine positive Korrelation zwischen intuitiver (intuiting) Informationsbeschaffung und ASB besteht. Genauso ist das logische und formale Denken (thinking) bei der Entscheidungsfindung positiv korreliert zum ASB. Die VM sollten bei der Datenbeschaffung intuitiv vorgehen, anstatt sich nur auf harte Fakten zu verlassen (sensing). Bei der 12

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior Entscheidungsfindung jedoch, sollten formale Erklärungen und keine menschlichen Faktoren (feeling) eine Rolle spielen (vgl. für den Absatz McIntyre, et al., 2000, S. 182ff.). Des Weiteren besteht eine Gefahr für den Ansatz des ASB in der Unklarheit der Rolle des VMs (role ambiguity). Aufgrund von verschiedenen Erwartungen an seine Rolle kann es zu einem Rollenkonflikt kommen, in dem er sich über die Ziele und Aufgaben seiner Person unsicher ist. Diese Unsicherheit ist negativ zum ASB korreliert und muss versucht werden so klein wie möglich gehalten zu werden (vgl. Román/Iacobucci, 2009, S. 368f.). Ein Ansatz zur Verringerung der Rollenunsicherheit ist die Kundenklassifizierung, die es ermöglicht jederzeit eine klare Struktur der Beziehungen einer Rolle zu erstellen. Auf diesen Begriff wird im Abschnitt 3.1.2.2 genauer eingegangen. In der Interaktion mit dem Kunden gibt es Personen, welche die Fähigkeit besitzen, Vertrauen auf der Gegenseite aufzubauen und den Kunden in einen Redefluss zu bringen. In der Fachliteratur werden diese als openers bezeichnet. Es ist von großem Nutzen, die Ausstrahlung eines openers zu besitzen, da so wichtige Informationen vom Kunden gewonnen werden können, die dann zur Anpassung und Personalisierung der nächsten Schritte beitragen (vgl. Spiro/Weitz, 1990, S. 64). Um das dafür nötige Vertrauen des Kunden zu gewinnen, spielt es eine Rolle inwieweit man selbst kundenorientiert handelt und eingestellt ist. Zur Messung der Kundenorientierung wurde, in Anlehnung an die ADAPTS, die SOCO (sales oriented or customer oriented scale) entwickelt. Faktoren zur Bewertung der Kundenorientierung sind unter anderem das Anbieten von Produkten, die die Bedürfnisse des Kunden befriedigen, eine genaue Beschreibung der Produkte und das Vermeiden von Taktiken, die hohen Druck auf den Kunden ausüben (vgl. für den Absatz McIntyre, et al., 2000, S. 181f.). Ein zusätzlicher Aspekt für die Leistung der VM im Bereich des ASB ist ihre Motivation. Es wird zwischen der intrinsischen und der extrinsischen Orientierung der Vergütung unterschieden. Während bei den extrinsisch motivierten Mitarbeitern nur das Ergebnis zählt, ist für intrinsisch motivierte Angestellte auch der Weg dorthin von Bedeutung. Sie sind wissbegierig, wollen neue Anwendungen lernen und sind an ihrer Arbeit interessiert. Dies zeigt sich dadurch, dass sie sich Fehler eingestehen können und diese nutzen, um sich weiter zu verbessern (vgl. Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 176, Spiro/Weitz, 1990, S. 64, Román/Iacobucci, 2009, S. 367). Die Motivation, seinen Erfolg bzw. Misserfolg zu dokumentieren und zu analysieren, ist für die persönliche Entwicklung und Steigerung der Leistung von entscheidender Bedeutung. Hier kann eine Verknüpfung zu der oben 13

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior angesprochenen Kontrollüberzeugung erstellt werden, die auch nur bei ausreichender Motivation betrieben wird. Die Motivation ist keine Frage des Geschlechtes, aber inwieweit das ASB von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Erziehung und Erfahrung abhängt, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Levy und Sharma vertraten die Auffassung, dass das Geschlecht mit zunehmender Erfahrung der VM keine Auswirkung mehr auf das ASB habe. Im frühen Stadium der Berufsausbildung meinten sie einen Unterschied zu Gunsten der Frauen ausmachen zu können. Somit entstand die Annahme, dass Frauen beim Berufseinstieg ein höheres Maß an ASB besitzen (Levy/Sharma, 1994, S. 45). Diese Ansicht wurde mittlerweile durch mehrere Untersuchungen widerlegt, die zeigen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und dem ASB besteht (vgl. Franke/Park, 2006, S. 696f., Siguaw/Honeycutt Jr., 1995, S. 50). Dennoch wurde herausgefunden, dass Frauen eine, wenn auch nur marginal, kundenorientiertere Ausrichtung bei ihren Handlungen besitzen (vgl. Franke/Park, 2006, S.697). Auffälliger hingegen ist die geringere Rollenunsicherheit, die dazu führt, dass Frauen in einem geringeren Maße mit Rollenkonflikten zu kämpfen haben (vgl. Siguaw/Honeycutt Jr., 1995, S. 49). Durch Hypothesentests, welche die Bildungskomponente untersuchen, zeigte sich ein Unterschied in der Anwendung des ASB unter älteren VMn. Bei den Jüngeren ergaben sich keine Unterschiede in der Leistung. Dies lässt den Schluss zu, dass sich der Mangel an Bildung erst mit den Jahren auswirkt, da weniger gebildete VM mehr Training und Unterstützung benötigen, um ein identisches Niveau, wie das der gebildeteren Kollegen, zu erreichen (vgl. für den Absatz Levy/Sharma, 1994, S. 45). Bei den Untersuchungen zum Alter und der Erfahrung wurden invertierte U-Funktionen erwartet, d.h. dass mit zunehmendem Alter und Erfahrung die Leistung in Bezug auf das ASB abnimmt. Die Vermutung einer nachlassenden Motivation oder Altersmüdigkeit wurde widerlegt. Vielmehr besitzen die Kurven einen s-förmigen Verlauf, der mit zunehmendem Alter und Erfahrung stagniert und somit ein Plateau bildet. In Abbildung 4 ist der beispielhafte Verlauf des ASB gemessen anhand der ADAPTS in Abhängigkeit zum Alter dargestellt (vgl. für den Gedankengang Levy/Sharma, 1994, S. 45). Auf die besondere Bedeutung der Erfahrung wird im kommenden Absatz 3.1.1.2 im Zusammenhang mit dem Wissen des VMs gesondert eingegangen. 14

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior Abb.4: Erwartete und gemessene Beziehung zwischen Alter und der Anwendung von Adaptive Selling (in Anlehnung an Levy/Sharma, 1994, S.42) 3.1.1.2 Erfahrung und Wissen Weitz/Sujan/Sujan (Weitz/Sujan/Sujan, 1986) haben bereits im Jahre 1986 die Fähigkeiten des VMs in skill und specific ability unterteilt. Bei skill geht es um die Fähigkeit, sich Informationen zu den Kunden zu beschaffen, während die specific ability sich mit der Struktur des Wissens beschäftigt. Die Wissensstruktur verlangt eine Verknüpfung von der Verkaufssituation und dem sich daraus ableitenden Verkaufsverhalten. Wichtig hierbei ist, dass sich der VM sein Wissen über bisherige Kundeninteraktionen im Gedächtnis bewahrt und das erworbene Wissen auf die momentane Situation anwendet. Eine wesentliche Vereinfachung für das Wiedererkennen von bereits erlebten Verkaufssituationen, ist die Speicherung des Wissens in Form von Kategorien, wie bereits 1975 im categorical model of memory von Rosch gezeigt wurde (vgl. für den Absatz Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 176ff.). Unter Kategorien versteht man kognitiv organisiertes und verknüpftes Wissen über verschiedene Themenbereiche. Dabei kann man das Wissen in zwei Arten unterteilen. Das deklarative Wissen behandelt das Verstehen von Situationen durch, beispielsweise in diesem Kontext, die Eigenschaften von Verkaufssituationen. Ergänzt wird das deklarative durch das prozedurale Wissen, welches sich mit dem Handeln, also mit Heuristiken oder Verkaufsansätzen, beschäftigt. Die Abbildung der Umwelt in Kategorien liegt in der Natur des Menschen und ist vor allem für den VM, der sich in einer hoch komplexen Umwelt bewegt, von entscheidender Bedeutung. Er muss in der Lage sein, erlebte Verkaufssituationen und Kundenmuster in einer Art inneren Datenbank abzuspeichern, um dann in einer neuen 15

Theoretische und praktische Untersuchung des Adaptive Selling Behavior Situation in der Lage zu sein, diese zu erkennen, einzuordnen und Ableitungen für sein Handeln zu treffen. Je mehr Situationskategorien im Gedächtnis gespeichert werden, d.h. je feiner das Wissen strukturiert ist, desto leichter fällt die Einordnung. Die Wissensstruktur sollte hierarchisch aufgebaut werden, um dadurch die momentane Situation möglichst genau einordnen zu können. Daher ist es wichtig, die Situation nicht nur oberflächlich wahrzunehmen, sondern so viele verschiedene Eindrücke wie möglich aufzunehmen. Die Fähigkeiten des Beschaffens von Information, deren Verknüpfung zu bisherigen Wissensstrukturen und die situationsabhängige Anwendung spezifischer Wissensfragmente fördert die Interaktionsmöglichkeit und das ASB (vgl. für den Gedankengang Weitz/Sujan/Sujan, 1986, S. 176ff.). Der Aspekt der Erfahrung beeinflusst das Entstehen der Wissensstruktur in dergestalt, dass mit jeder erlebten Verkaufssituation neue Verknüpfungen und Unterkategorien in der Wissensstruktur eines VMs entstehen. So können mit der Zeit immer mehr Verkaufssituationen richtig erkannt werden und die entsprechenden Verkaufsstrategien angewendet werden (vgl. Gengler/Howard/Zolner, 1995, S. 291 ff.). Die Fähigkeit von VMn, ihr Wissen über Kunden, Verkaufssituationen und Umweltfaktoren in Bezug auf ihre Interaktion mit dem Kunden in Kategorien in ihrem Gedächtnis zu speichern, nennt man customer qualification skill. Diese Fähigkeit auszubauen und sich eine innere Datenbank aufzubauen, wird vor allem von intrinsisch motivierten VMn genutzt, die sich die Zeit nehmen, erlebte Verkaufsgespräche zu analysieren und bewusst zu verinnerlichen (vgl. für den Absatz Román/Iacobucci, 2009, S. 368ff.). 3.1.2 Externe Faktoren 3.1.2.1 Vertriebsspezifische und kulturelle Umgebung Neben den Eigenschaften des VMs spielt auch die Umgebung des Interaktionsfeldes eine wichtige Rolle für das ASB. Bei der Umgebung kann es sich um das Arbeitsumfeld handeln oder um die kulturelle Umgebung in der sich der VM bewegt. Das Verkaufsgespräch wird intuitiv als eine Verhandlung angenommen, bei dem die beiden Parteien in einem gemeinsamen Raum zusammenkommen und über einen möglichen Abschluss verhandeln. Die Art der Verkaufssituation kann aber variieren. Ein weitverbreitetes Vertriebsmittel ist das Call Center. Hier kann man die Verkaufsfunktion einer Firma bündeln und es ist möglich Kunden über eine große geografische Fläche zu erreichen. Bei dieser Art 16