Patrick Weidinger Schaden- und Risikomanagement der Haftpflichtversicherung IQN Düsseldorf, 29.11.2008: Risikomanagement und Risikokommunikation in der Klinik - was der Arzt in leitender Position wissen sollte
Haftpflicht und Haftpflichtversicherung: Was der Arzt in leitender Position wissen sollte Die wichtigsten rechtlichen Regeln der der Haftung Anspruchsgrundlagen (wer haftet woraus?) Anspruchsgrundlagen (wer haftet woraus?) Anspruchsinhalte (wer haftet warum?) Anspruchsinhalte (wer haftet warum?) Verjährung (wie lange droht eine Anspruchserhebung Verjährung (wie lange droht eine Anspruchserhebung Schadenersatzpositionen (welche Beträge sind zu zahlen?)1 Die möglichen Schadenersatzpositionen (welche Beträge sind zu zahlen?) Haftungspotentiale der Rechtsprechung Die wesentlichen Befunderhebungsfehler Fragen des Versicherungsschutzes Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Die Möglichkeiten der Schadenprophylaxe Die wesentlichen Fragen des Versicherungsschutzes Möglichkeiten des Risikomanagement 2
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 3
Schadenbearbeitung Die Schadenbearbeitung erfordert eine zeitnahe Ermittlung des Sachverhaltes Einschätzung der rechtlichen Situation Einschätzung der medizinischen Situation angemessene Regulierung oder verständliche/nachvollziehbare Ablehnung von Ansprüchen Die rechtliche Bewertung obliegt den Schadenjuristen (Arzthaftung ist Richterrecht!). 4
Schuld- und Schadenersatzrechtsreform Das seit 01.01.2002 geltende Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts und das am 01.08.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften wirken sich unmittelbar auf die Haftung von Ärzten und Krankenhäusern aus. Das Gesetz zur Änderung der ZPO, in Kraft seit 01.01.2002, verändert sowohl das erstinstanzliche Verfahren als auch die Rechtsmittel. 5
Vertragshaftung 611 BGB Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) 278 BGB Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des 276 Abs. 3 findet keine Anwendung. 6
Vertragshaftung Behandlungsvertrag: Patient Liquidierender Bspe.: Niedergelassener Arzt, Privatliquidierender Chefarzt, Krankenhausträger Der Behandlungsvertrag ist Dienstvertrag (nicht Werkvertrag). 7
Deliktshaftung 823 Schadensersatzpflicht (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen (1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. (2) 8
Deliktshaftung Patient Handelnder Bspe.: Arzt, Krankenschwester Verwaltung (Organisation) 9
Haftung mehrerer (Vertrag und Delikt) 421 Gesamtschuldner Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. 840 Haftung mehrerer (1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) 10
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 11
Haftungsgründe Qualitätsmangel der Behandlung/Diagnose (insbes. Abweichen vom Facharztstandard) Aufklärungsfehler Sonstige Tatbestände wie Verkehrssicherungspflichtverletzung 12
Qualitätsmangel der Behandlung/Diagnose Insbesondere Ergänzung im Vortrag: Typische Schadenfälle und Rechtsprechung Indikationsfehler Therapiefehler Diagnosefehler Befunderhebungsfehler Sicherungsaufklärung ergänzend Organisationsverschulden Übernahmeverschulden 13
Die Patientenaufklärung Wer? Warum? Worüber? Wie? Wann? Beweislast? Beweismittel? Arzt! Straftatbestand Körperverletzung! Rechtfertigungsgrund erforderlich! Über alle schicksalhaften Risiken! Und die Auswirkung auf die Lebensführung im Falle ihrer Verwirklichung! Mündlich! Verständlich! Anschauungsmaterial! Rechtzeitig! Zumindest bei stationären Eingriffen nicht erst am Vorabend! Arzt! Ergänzung im Vortrag: Typische Schadenfälle und Rechtsprechung Dokumentation/Unterschrift/(Zeugen) 14
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 15
Verjährung 195 BGB Regelmäßige Verjährungsfrist Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist u. Höchstfristen (1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem 1.der Anspruch entstanden ist und 2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. (2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. 16
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 17
Schmerzensgeld Ergänzung im Vortrag: Schmerzensgeldtabellen gestern und heute 253 Immaterieller Schaden (1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. 18
Mögliche Schadenersatzpositionen Berechnung am Beispiel eines schweren Hypoxie-Schadens Ergänzungen im Vortrag: Beispiele aus verschiedenen Fachgebieten Schmerzensgelder als nur ein kleiner Teil des Schadenvolumens ( Der 5 Mio Fall ) Heilbehandlungs- u. Pflegekosten-Regresse (mit Medienberichten und Beispielen) 19
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 20
Haftungspotentiale der Rechtsprechung Im Vortrag: Die aktuellen EU-Empfehlungen zur vermuteten Häufigkeit von Behandlungsfehlern Der finanzielle Aufwand der Sparte Arzt- und Krankenhaushaftpflicht wird nicht nur geprägt von dem Spätschadenrisiko (Schadenmeldung oft erst Jahre nach Behandlung), den genannten Schadenersatzpositionen (mit deutlich größeren Zuwächsen als die allgemeine Kostensteigerung), sondern auch von rechtlichen Entwicklungen. 21
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 22
Beweislast Systematik der Beweislast: Patient für Behandlungsfehler einschl. Diagnosefehler Arzt für Risikoaufklärung 23
Beweiserleichterungen für den Patienten (Beispiele) Anscheinsbeweis (z. B. für Fehler bei Verbrennung durch Hochfrequenzchirurgiegerät) Indizierung einer nicht durchgeführten Maßnahme bei Dokumentationsversäumnis Verschuldens-/Fehlervermutung bei Verwirklichung eines voll beherrschbaren Risikos (z. B. Zurücklassen eines Tupfers) Haftungsbegründende Kausalität bei grobem Behandlungsfehler (unverständliches Fehlverhalten): Eignung zur Schädigung genügt, wenn Kausalzusammenhang nicht gänzlich unwahrscheinlich. 24
Der grobe Fehler Behandlungsfehler nicht mehr verständlicher Verstoß gegen elementare Behandlungsregeln mit der Folge zumindest erschwerter Sachverhaltsklärung bzw. nicht gänzlich unwahrscheinlicher Folge. Diagnosefehler nur der fundamentale Irrtum (wie Nichterkennen hochgradiger Auffälligkeit der Fermurlänge bei Ultraschalluntersuchung oder Übersehen einer deutlichen Frakturlinie) oder das Nichterheben von Kontrollbefunden (keine weitere Differentialdiagnostik bei Bluthusten oder Unterlassen bakteriologischer Punktatuntersuchung) 25
Befunderhebungsfehler Im Vortrag: Urteilsinhalte und Systematik Beispiele der Beweiserleichterung bei Verstoß gegen Befunderhebungs- und Befundsicherungspflicht Beckenringfraktur BGH 6 ZR 34/03 Herzschrittmacher BGH VI ZR 428/02 26
Beweiserleichterung bei Verstoß gegen Befunderhebungs- und Befundsicherungspflicht Also: Es kann gerechtfertigt sein, eine Beweislast des Arztes für das Aussehen des Befundes anzunehmen, auch wenn sein Versäumnis nicht grob ist, wenn der positive Befund wahrscheinlich (wohl größer 50%) war. Auf das wie der Reaktion hierauf und die Heilungsaussicht bezieht sich diese Beweiserleichterung nicht. Es sei denn, das Fehlreagieren selbst oder das Verkennen des Befundes wäre ein grober Fehler 27
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 28
Standard und Ressourcen Der medizinische Fortschritt eröffnet immer bessere Untersuchungsund Behandlungsmöglichkeiten, doch werden gleichzeitig die Grenzen der Finanzierbarkeit erreicht und überschritten. Damit ergeben sich grundsätzliche Fragen nach der Aufrechterhaltung bisheriger Standards, der Therapiefreiheit des Arztes und der Bedeutung für die Arzthaftung. 29
Standard und Ressourcen Facharztstandard nicht nur eine Formalie, sondern zwingend notwendig! Festzuhalten bleibt nach allem, dass sowohl der fachübergreifende Bereitschaftsdienst als auch der Bereitschaftsdienst allein durch Berufsanfänger durch die Ärztekammer grundsätzlich abgelehnt wird. * *Ärzteblatt Mecklenburg - Vorpommern 9/2007, S. 304, Leitartikel von Dr. med. A. Crusius, Präsident der Landesärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und stellv. Präsident der Bundesärztekammer 30
Standard und Ressourcen Jeder Patient hat Anspruch auf den Standard eines erfahrenen Facharztes (inhaltsgleich mit den anerkannten Regeln und dem Stand der Wissenschaft ), welcher die im Verkehr erforderliche Sorgfalt des 276 BGB darstellt. Das Haftungsrecht nimmt keine Rücksicht auf individuelle, örtliche Qualitätsdefizite, sondern fordert das zum Behandlungszeitpunkt in der Praxis bewährte, nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis gesicherte, von einem durchschnittlich befähigten Facharzt verlangte Maß an Kenntnis und Können. Der BGH hat mehrfach betont, Ärzte und Krankenhäuser dürften sich in keinem Fall darauf berufen, ein Mangel an ausreichend ausgebildeten Fachärzten zwinge zum Einsatz unerfahrener Assistenzärzte, denn der gebotene Sicherheitsstandard dürfe nicht etwaigen personellen Engpässen geopfert werden. Schließlich muss der Patient bei Behandlungsbeginn und bei Fortsetzung der Behandlung über eine eventuelle Reduktion des Standards und eine damit möglicherweise verbundene Risikoerhöhung oder eine Reduktion der Heilungschancen informiert werden. 31
Standard und Ressourcen Wenn die personellen und sachlichen Rahmenbedingungen so ungünstig sind, dass das daraus resultierende Risiko und die möglichen Nachteile größer sind als im Falle der Nichtbehandlung, ist der Endpunkt des rechtlich noch Vertretbaren erreicht. Wenn der Behandlungsstandard personell oder sachlich nicht ausreicht, muss das Krankenhaus in Standard wahrendes überweisen (Behandlungsfehler), ist die Ausstattung eines Krankenhaus für den konkreten Fall zu dürftig, besteht eine Aufklärungspflicht*. Bis dahin hat der Arzt, der mit seinem Tun und Lassen im Recht bleiben will, auch in Engpässen und bei Kostendruck stets den Regeln seines Faches zu genügen ** Ist der Standard in einem anderen Krankenhaus (lediglich) besser, besteht Hinweispflicht nur auf Nachfrage*** Krankenhausträger und Ärzte schulden dem Patienten Aufklärung über Risiko erhöhende Umstände wie schlechte Hygiene**** oder im Vergleich zu anderen Krankenhäusern niedrigeren Standard*****. *BGH VersR 89, 851 **Ulsenheimer, Medizinischer Standard und Organisationsverantwortung in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen in Patientensicherheit, Arzthaftung, Praxis- und Krankenhausorganisation, 259ff ***BGH VersR 88, 914 ff ****BGH VersR 71,227, OLG Köln NJW 78,1690 ***** obiter dictum BGH VersR 84, 60 ff 32
Standard und Ressourcen/Sozialrecht Im Vortrag: Kostentragung vs. Standard beim Hautkrebsscreening Der Arzt im GKV-Bereich befindet sich in einer Zwickmühle: Das Zivilrecht verlangt in bestimmten Fällen die Anwendung allgemein anerkannter neuer Methoden, die Regeln der GKV verbieten sie. Nach allgemeinem Arzthaftungsrecht hat der Vertragsarzt eine Behandlung in eigener Verantwortung und nach eigener Prüfung am gegenwärtigen medizinischen Standard auszurichten. Er muss eine neue Methode auswählen, wenn er nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass sie erforderlich ist und dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entspricht. Tut er das nicht, macht er sich schadenersatzpflichtig und strafbar..* *Ruth Schimmelpfeng-Schütte, IN DER ZWICKMUHLE, Niedersächsisches Ärzteblatt 3 2008, 26 33
Relativierungsbeispiele (Cave: Einzelfälle!) Bei der Beurteilung, welcher Sorgfaltsmaßstab im Einzelfall anzusetzen ist, gibt es die allgemeinen Grenzen im System, selbst wenn es Grenzen der Finanzierbarkeit und der Wirtschaftlichkeit sind.* Diese Grenzen schließen Schadensersatzansprüche aus, wenn der Patient wegen fehlender Kapazität monatelang einen Eingriffs warten muss und während dieser Zeit eine Hirnembolie erleidet.** Aus dem gleichen Grunde kann auch nicht verlangt werden, dass bei einer Nierenarteriendilatation für jede mögliche Komplikation ein Notfallteam in bereit steht ***. Priorisierungen sind einem Krankenhaus mit begrenzten Ressourcen gestattet (hier: Bestrahlungsplanung mittels einzigem CT-Gerät nur für bestimmte Krankheitsbilder des Mammakarzinoms).**** *OLG Köln, VersR 1993,52 f.; **OLG Köln, VersR 1993, 52; vgl. auch Deutsch, VersR 1998, 261; Rumler-Detzel, VersR 1998, 547; ***OLG Oldenburg, VersR 1995, 49.****OLG Köln, VersR 99, 847 34
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Überwachungspflichten Im Vortrag: Urteilsinhalt/Nachweispflicht: Anweisung und Kontrolle BGH 6 ZR 34/03 Beweislast des Chefarztes für die Organisation der ordnungsgemäßen Aufklärung 36
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Die Arzt- und Krankenhaushaftpflichtversicherung Die Heilwesenhaftpflichtversicherung stellt ein für den berufstätigen Arzt unverzichtbares und für den geschädigten Patienten segensreiches Instrument der Haftungsvorsorge dar. Ohne sie könnten angesichts der hohen Risikoträchtigkeit die meisten ärztlichen Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden.* *Hübner ZVersWiss 1990, 55, 56. 38
Die Arzt- und Krankenhaushaftpflichtversicherung AHB Im Vortrag: Ablauf eines Schadenfalles von Anspruchserhebung bis Abschluss (Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, hier: Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2008) 5. Leistungen der Versicherung 5.1 Der Versicherungsschutz umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des Versicherungsnehmers von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen. 39
Die Arzt- und Krankenhaushaftpflichtversicherung Krankenhaushaftpflichtversicherung In der Regel umfasst die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses nicht nur die eigene gesetzliche Haftpflicht des Krankenhausträgers, sondern auch die persönliche gesetzliche Haftpflicht sämtlicher Bediensteter (Ärzte, Assistenten, Pflege- und Verwaltungspersonal) aus ihrer dienstlichen Verrichtung Dritten gegenüber. 40
Die Arzt- und Krankenhaushaftpflichtversicherung Regelungsinhalte Krankenhausbedingungen (Beispiele): 1. Sachlicher Deckungsbereich -Hauptrisiko: Betriebsbeschreibung/Versichertes Risiko -Nebenrisiken: Grundbesitz/Apparate/Subunternehmer/ Veranstaltungen 2. Persönlicher Deckungsbereich -Mitversicherte Personen/gegenseitige Ansprüche 3. Deckungserweiterungen -Vorsorgeversicherung/Eingebrachte Sachen/Mietsachschäden/Vermögensschäden/Auslandsschäden/Strahlenschäden/ Be- und Entladeschäden/ Versehensklausel/Unterhaltsansprüche 4. Deckungsbeschränkungen -Abbruch- und Einreißarbeiten/Sprengungen/Bahnen/Luftfahrzeuge/ Wasserfahrzeuge 5. Deckungssummen mit Maximierung 6. Beitragsberechnung 41
Die Arzt- und Krankenhaushaftpflichtversicherung Exkurse entsprechend konkreter Anfragen: Im Vortrag: (1) Onkologie und. Kinderanästhesie (2) Straftatbestände 1. Sind Off label use Behandlungen versichert? Bedingungsbeispiel: Mitversichert ist die gesetzliche Haftpflicht aus Besitz und Verwendung von Apparaten und aus Behandlungen, soweit die Apparate und Behandlungen in der Heilkunde anerkannt sind Ob der Einsatz von Arzneimitteln außerhalb ihrer Zulassung (insbesondere üblich in der Onkologie und in der Kinderanästhesie) versichert ist, richtet sich im Beispiel nach soweit diese in der Heilkunde anerkannt sind. Es sollte für das Bestehen des Deckungsschutzes also ein Konsens in der Medizin ausreichen, ein Medikament zulassungsüberschreitend anzuwenden. Da die Deckungskonzepte und ihre Auslegung versichererspezifisch sind, sollte im Zweifel diese Frage mit dem jeweiligen Versicherer geklärt werden. 2. Ist Strafrechtsschutz in der Krankenhauspolice mitversichert? a. Individuell zu klären, idr wohl nicht. b. Versicherungsschutz ist notwendig*, z. B. über die persönliche Berufshaftpflichtpolice. *Mögliche Fernwirkung von Strafverfahren: Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, Vorstrafe (Bewerbungen!), Verweigerung der Niederlassung, Arbeitsrechtliche Suspendierung, Widerruf/Ruhen der Approbation bereits bei Ermittlungsverfahren ( 5, 6 BÄO) wegen Unzuverlässigkeit/Unwürdigkeit, Entzug/Ruhen der Kassenzulassung bei Ungeeignetheit (mehr als grober Pflichtverstoß), 70 StGB: Möglichkeit der Verhängung eines Berufsverbotes bis zu 5 Jahren (wenn grobe Pflichtverletzung oder Missbrauch des Berufes und Wiederholungsgefahr ) 42
Agenda Haftung Anspruchsgrundlagen Anspruchsinhalte Verjährung Schadenersatzpositionen Haftungspotentiale der Rechtsprechung Befunderhebungsfehler Standard und Ressourcen Überwachungspflichten Versicherungsschutz Risikomanagement 43
Risikomanagement Im Vortrag: (1) Beispiel Long-Tail (2) Das Risiko des Verzichts auf eine Haftpflichtversicherung Zum Risiko-Management des Versicherers gehören die Kenntnis der Spätschaden-Kalkulation, die Analyse und Zeichnung von Risiken, sowie eine umfassende schadenminimierende Betreuung. 44
Risikomanagement Das Risk-Management der Schadenprophylaxe ist ein ständiger Prozess, in welchem relevante Daten und Informationen wie -Erkenntnisse aus CIRS, -aus Schäden (einschließlich derjenigen von Gutachter/Schlichtungsstellen), -aus der Rechtsprechung, -aus der Medizin (Änderung von Standards) umgehend für Analysen und Entscheidungen zur Verfügung stehen. Die Durchführung abgeleiteter Maßnahmen muss einer Ergebnissicherung unterliegen. Die Effizienz der Maßnahmen zeigt sich im laufenden Controlling (Beispiel technisches Controlling: Schadenursachenstatistik). 45
Risikomanagement Durch RM zu beeinflussen sind (1) Erfüllung rechtliche Parameter (Aufklärung, Dokumentation etc.), (2) Organisationspotentiale (Prozesse), (3) trainierbares Verhalten (wie Kommunikation), (4) Vermeidung einer Schadenwiederholung und (5) subjektive Fehler (Fortbildung sowie Bewusstsein und bewusst machen) Mittel-/langfristig steuerbar sind auch (6) bisher unerkannte Fehlerquellen (durch CIRS u.a.) (7) Vorbehalte gegen Veränderungen, Ängste vor Selbstanzeige 46
(1) rechtliche Parameter: Beispiel Patientenaufklärung 1. Mitschrift des Aufklärungsgespäches 2. Willenserklärung des Patienten Datum Datum Gesprächsbeginn Gesprächsbeginn Name des Patienten Name des Patienten Vorname Vorname Geburtsdatum Geburtsdatum Anschrift Anschrift Aufklärender Arzt Aufklärender Arzt Operateur Fragen Erkrankung Freiwillige Erklärung Indikation - Einverständnis Behandlungsmaßnahme - Ablehnung Behandlungsalternativen Sicherungsaufklärung Abwägung der Alternativen Gesprächsende Folgen einer Nichtbehandlung Empfangsbestätigung Durchschrift Folgen einer späteren Behandlung Ort, Datum, Unterschriften Heilungschancen Informationsmaterial Nicht beherrschbare Risiken Operationserweiterung Im Vortrag: Auswirkung der Risikoverwirklichung Rechtsgrundlagen, Operationstag Handlungsempfehlungen, Gesprächsende Stufenaufklärung Empfangsbestätigung Durchschrift Ort, Datum, Unterschriften 47
(1) rechtliche Parameter: Beispiel Dokumentation Im Vortrag: Präsentation einer ÄK-Empfehlung zur Aufbewahrung Merksätze für den sichersten Weg : Was nicht dokumentiert ist, hat nicht stattgefunden* Aufbewahrungszeit: 30 Jahre *Im Streitfall gilt dies nicht absolut, hier ist aber vom sichersten Weg die Rede. 48
(2) Organisationspotentiale Notwendige allgemeine Regelungen: Dienstanweisungen einschl. Aufklärung, Dokumentation, Standard, Empfehlungen und Leitlinien Interdisziplinäre Absprachen Organisationsregelungen Regelung von Einzelfragen Fortbildungsveranstaltungen Verhaltensempfehlungen im Zwischenfall Risikomanagement 49
(2) Organisationspotentiale Notwendige konkrete Regelungen, Beispiel Geburtshilfe: Aufnahme der Kreißenden Unterrichtung des Belegarztes Übernahme der Geburtsleitung Abstimmung der peripartalen Überwachung Facharztindikationen Schnittstellenmanagement Notfallmanagement Neugeborenenversorgung Rückverlegung Dokumentation Umgang mit unerwünschten Ergebnissen 50
(3) Trainierbares Verhalten: Beispiel Kommunikation Empathiegeprägte Gesprächskultur (Empathie = Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelt des Patienten, n i c h t Identifikation!) Gesprächsrahmen (wirklich anwesend sein, genügend Zeit, Ort, keine Störung, möglichst Augenhöhe, Gesprächsdistanz 90 150 cm, Sitzhaltung) Gesprächsbeginn:!, Begrüßung, Handschlag (falls unangebracht: begründen!) Verständliche Sprache, angebrachte Pausen, aktives Zuhören, möglichst offene Fragen ( Wie sehr hat Sie dies alles belastet?, keinesfalls Suggestivfragen) Keine Verharmlosung, Entmündigung, Belehrung (Gefahr vor allem bei älteren Patienten) Besondere Kommunikation in besonderen Situationen (Intensivstation u. U.: Patient beim Namen nennen, sich vorstellen, Körperkontakt, Schrift-/Zeichensprache) 51
(3) Beispiel Kommunikation Im Vortrag: Empathischer u n d sachlich richtiger Umgang mit Anspruchserhebung oder Vorwurf Neues Versicherungsvertragsgesetz ab 01.01.2008: 105 VVG: Wegfall Anerkenntnisverbot Anerkenntnis und Befriedigung durch Versicherungsnehmer sind statthaft. Eine anders lautende Vereinbarung ist unwirksam. Aber: 5.1 AHB*: Anerkenntnisse und Vergleiche, die vom Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers abgegeben oder geschlossen worden sind, binden den Versicherer nur, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte. *Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, hier: unverbindliche Musterbedingungen des GDV, Stand: Januar 2008 52
(4) Vermeidung einer Schadenwiederholung: Beispiel Röntgenkontrastmittel 1. konventionelle oder digitale Angiographie: Kontrastdarstellung von Blutgefäßen/Organen Indikation Sicherungsaufklärung Risikoaufklärung Behandlungsfehler Gefäßerkrankung ante: evtl. kein Metformin (Wechselwirkg.) Thromben, Embolien, Arterienverletzung Aneurysma post: Bettruhe, keine Belastg. (Nachblutg.) Überempfindlichkeit, Versorg.Nachblutg. Alt.: Doppler-Ultraschal u.u. schwerwiegend 2.- CT/Computertomographie Indikation Sicherungsaufklärung Risikoaufklärung Behandlungsfehler Ort/Ausdehnung von Notarzt rufen, wenn erhebliche Beschwerden Venenentzündung; Untersuchung, obwohl Erkrankungen nach Untersuchung (Übelkeit etc.) i. ü. wie (1) zuvor viel gegessen 3 Kernspintomographie/MRT Indikation Sicherungsaufklärung Risikoaufklärung Behandlungsfehler Erkennen feinster Reaktionsvermögen, falls Beruhigungsmittel Tinnitus, keine Kontrolle von Gefäßveränderung (Patienten abholen lassen) Hautreizungen/Metallteilen Metallteilen i. F. metallischer Tatoos/Make-up (Schrittmacher) 4. Kolon-Doppel-Kontrasteinlauf Indikation Sicherungsaufklärung Risikoaufklärung Behandlungsfehler Darmblutungen vorbereitende Darmentleerung Darmperforation keine Reaktion auf Entleerungsstörungen hierdurch u.u. beeinträchtigte Pille ; Peritonitis anhaltend starke Folgen eines Sedativums Bauchschmerzen Es stellt einen Behandlungsfehler dar, wenn ein Radiologe bei der Röntgenkontrastuntersuchung das Darmrohr ohne Beaufsichtigung von einer Arzthelferin einführen lässt und dann eine große Menge des Kontrastmittels zuführt, ohne den Austritt in die Umgebung des Dickdarms zu bemerken. 5. Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel Indikation Sicherungsaufklärung Risikoaufklärung Behandlungsfehler Verbesserte etwaigen Druckverband nicht entfernen Bleibende Nierenschädigung keine Klärung einer Diagnostik post: reichlich trinken bei vorgeschädigten Nieren Marcumarisierung 53
(5) Vermeidung subjektiver Fehler Im Vortrag: Beispiele subjektiver Fehler Ständiges Lernen und Trainieren des Facharztstandards Ständiges Hinterfragen der eigenen Sichtweise in tatsächlicher und in medizinischer Hinsicht Präsenz im Hier und Jetzt 54
(6) Ermittlung von Fehlerquellen (durch CIRS u.a.) CIRS versucht mögliche Schadenquellen zu finden. Voraussetzung ist die Kooperation aller Beteiligten. Deshalb ist der konstruktive Umgang mit Ängsten, z. B. vor arbeitsrechtlichen Folgen, wichtiger Bestandteil der Vorbereitung (Sicherstellung und Glaubhaftmachung der Anonymisierung). Erkenntnisse eines CIRS-Prozesses in einem Krankenhaus: -Handschrift in Dokumentation nicht lesbar -Verwechslungsgefahr namensgleicher Patienten -Fehlende Überwachung sedierter Patienten -Patientenaufklärung durch Pfleger 55
Ziele des Risiko-Managements Bessere Behandlungsqualität, größere Patientensicherheit, höhere Patientenzufriedenheit, mehr Sicherheit auch für die Behandlerseite, aber auch: Verlangsamung der steigenden Schadenaufwände. 56
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! RA Patrick Weidinger Leiter Arzthaftpflicht Deutsche Ärzteversicherung AG Colonia-Allee 10-20 51067 Köln Telefon: 0179 440 5861 Fax: 0221 44 148 30785 Email: patrick.weidinger@aerzteversicherung.de 57