Inhalt. 1. Die juristische Falllösung 7

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Die Auslegung von Willenserklärungen

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Transkript:

Grundlagen und Fälle aus dem BGB Inhalt 1. Die juristische Falllösung 7 1. Klausurtaktik, Zeitmanagement 7 2. Das Auffinden der richtigen Anspruchsgrundlage 8 3. Subsumtionstechnik 8 4. Gutachtenstil und Urteilsstil 8 5. Das Aufbauprinzip 9 6. Die Anspruchsgrundlagenkonkurrenz 10 7. Die Gliederung des Gutachtens 11 8. Literaturhinweise 11 Fall 1.1 12 Thema: Das Aufbauprinzip der Anspruchsprüfung Fall 1.2 14 Thema: Die Anspruchsgrundlagenkonkurrenz 2. Rechtsgeschäftslehre 22 Fall 2.1 22 Thema: Die Voraussetzungen einer wirksamen Willenserklärung; fehlendes Erklärungsbewusstsein Fall 2.2 28 Thema: Abhandenkommen einer Willenserklärung Fall 2.3 37 Thema: Abhandenkommen einer E-Mail Fall 2.4 39 Themen: Zugang einer verkörperten Willenserklärung (E-Mail); Unterscheidung private/berufliche E-Mail-Adresse Fall 2.5 41 Themen: Zugang von Willenserklärungen; Passiv-Vertretungsmacht von Vorstandsmitgliedern Fall 2.6 43 Thema: Abgrenzung Erklärungs-/Empfangsbote Fall 2.7 46 Thema: Eingeschränkte Vernehmungstheorie Fall 2.8 47 Themen: Sachenrechtliche Verfügungsgeschäfte; Trennungs- und Abstraktionsprinzip Fall 2.9 54 Thema: Widerruf einer Willenserklärung 3. Die Geschäftsfähigkeit 59 Fall 3.1 59 Themen: Beschränkte Geschäftsfähigkeit; dauerhafte und vorübergehende Geschäftsunfähigkeit Fall 3.2 63 Themen: Vertragsschluss eines Minderjährigen; Einwilligung/Genehmigung des gesetzlichen Vertreters Fall 3.3 69 Themen: Minderjähriger als Stellvertreter; Zugang und Widerruf von Willenserklärungen; unbeachtlicher Motivirrtum; Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen Fall 3.4 73 Themen: Vertragsschluss eines Minderjährigen; Taschengeldparagraph; rechtsmissbräuchlicher Widerruf nach 109 I

Fall 3.5 80 Themen: Schenkungsvertrag mit einem Minderjährigen; Erwerb des Eigentums an einem Grundstück Fall 3.6 85 Themen: Schenkungsvertrag mit einem Minderjährigen; Erwerb des Eigentums an einem mit einer Hypothek belasteten Grundstück 4. Die Anfechtung von Willenserklärungen 88 Fall 4.1 88 Themen: Erklärungsirrtum; Teilanfechtung; Schadensersatz nach 122 I; Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen Fall 4.2 98 Themen: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung; Täuschung durch Unterlassen; verbundene Verträge Fall 4.3 108 Thema: Anfechtung einer ausgeübten Innenvollmacht 5. Vermischtes (Fälle für das 2. Semester) 117 Fall 5 117 Themen: Rechtsscheinvollmacht; Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht; Anfechtung der Willenserklärung des Vertreters; Verschulden bei Vertragsverhandlungen Fall 6 129 Themen: Rechtsfolgen der Unmöglichkeit; das Schicksal der Gegenleistung im Falle der Unmöglichkeit; Gläubigerverzug; Schuldnerverzug Fall 7 140 Themen: Gefahrtragung beim Versendungskauf; Konkretisierung bei der Gattungsschuld; stellvertretendes commodum; Drittschadensliquidation Fall 8 155 Themen: Konkretisierung der Gattungsschuld; Annahmeverzug; Verbrauchsgüterkauf Fall 9 159 Themen: Schadensersatz wegen anfänglicher Unmöglichkeit; Stellvertretung; Rechtsscheinsvollmacht nach 172 I, II i.v.m. 171 I; Kalkulationsirrtum; Eigenschaftsirrtum; Garantie Fall 10 172 Themen: Schadensersatzanspruch nach 280 I; Haftungsmaßstab bei Gefälligkeitsverhältnissen; Ergänzende Vertragsauslegung ( 242) Fall 11 185 Themen: Fehlerhafte Montage als Sachmangel; Gewährleistungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Fall 12 193 Thema: Abnahmeverpflichtung als überraschende Klausel im Rahmen eines Kaufvertrags Fall 13 194 Themen: Schadensersatz statt der Leistung gemäß 280 I 1, III, 283 S. 1; Geschäft für den, den es angeht ; Fixgeschäft; Konkretisierung der Gattungsschuld; Annahmeverzug; Drittschadensliquidation 6. Erläuterungen 205 I. Rechtsgeschäft, geschäftsähnliche Handlung und Realakt 205 II. Willenserklärung 206 III. Wirksamwerden der Willenserklärung 209 IV. Vertragsschluss nach 145 ff.; Trennungs- und Abstraktionsprinzip 211 V. Gegenstand des Schuldverhältnisses /der Leistung 212 7. Übersichten 216 Ü 1: Tatbestandsmerkmale einer Willenserklärung 216 Ü 2: Wirksamwerden einer Willenserklärung 217 Ü 3: Zugang bei Einschaltung von Mittelspersonen 218 Ü 4: Besonderheiten bei der Annahme 219 Ü 5: Trennungs- und Abstraktionsprinzip 220 Ü 6: Wirksamkeit von Rechtsgeschäften beschränkt Geschäftsfähiger 221 Ü 7: Skizze zu Fall 7 222

Vorwort Die vorliegende Fallsammlung basiert ganz überwiegend auf Materialien, die ich im Verlauf meiner Tätigkeit als Leiter von Begleitübungen zum Grundkurs BGB an der Universität Passau verwendet habe. Maßgeblicher Anlass für die Zusammenstellung der Fälle in einem Fallbuch, das auf den ersten Blick lediglich als weiteres unter vielen erscheinen mag, waren die zahlreichen positiven Kommentare meiner Studenten. Häufig wurde der hohe Lerneffekt bei der Durcharbeitung und Wiederholung erwähnt, der sich nicht zuletzt aus den zahlreichen weiterführenden Anmerkungen und Querverweisen ergebe. Die in diesem Buch enthaltenen, optisch abgesetzten Anmerkungen sind dazu gedacht, wichtige Grundlagen aus dem BGB zu vermitteln. Dem gleichen Zweck dienen die unter 6, 7 angefügten Erläuterungen und Übersichten. Wenn das Buch nun nach weniger als einem Jahr eine zweite Auflage erfährt, so zeugt dies davon, dass die Kombination von Falllösung und weiterführender Anmerkung auch andernorts auf Interesse stößt. Keinesfalls wird indes der Anspruch erhoben, eine abschließende Behandlung der für das erste und zweite Semester relevanten Lerninhalte zu liefern. Es handelt sich lediglich um eine Auswahl von Fällen, die sich als besonders geeignet erwiesen haben, das juristische Denken zu schulen. Inhaltlich geht es im ersten Teil ( 2 4) vor allem um den Allgemeinen Teil des BGB, hier vor allem die Rechtsgeschäftslehre, d.h. Geschäftsfähigkeit ( 104ff. BGB), Vertragsschluss ( 145ff. BGB) und Stellvertretung ( 164ff. BGB) sowie einzelne Vorschriften des Schuld- bzw. Sachenrechts. Im zweiten Teil ( 5) treten die wichtigsten Anspruchsgrundlagen aus dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts ( 241 432 BGB) hinzu. Mein besonderer Dank gilt meinen Studenten für die zahlreichen wertvollen Anregungen. Herrn Wiss. Ass. a.d. Marius Bolten, LL.M. (New York University) danke ich ganz herzlich für die freundliche Erlaubnis zur Verwendung des Falles 1.2 sowie die Idee zu Fall 13. Meinem Kollegen Christian Fröde, LL.M. eur. danke ich für die Überlassung einiger der im Anhang enthaltenen Übersichten. Herr cand. iur. Malte Reimers und vor allem Frau stud. iur. Susanne Bettendorf haben sich in vorzüglicher Weise um die Erstellung des Manuskripts für die zweite Auflage verdient gemacht. Ihnen gebührt mein herzlichster Dank. Passau, im Dezember 2008 Stephan Schuster

Fall 2.2 Thema: Abhandenkommen einer Willenserklärung Übersichten: 1, 2 Student S unterschreibt eine Bestellkarte über 20 Flaschen Riesling des Weinguts Axel Mertes (M) in Wittlich. Nach dem Ausfüllen kommen ihm noch einmal Bedenken. Wegen des für seine Verhältnisse recht hohen Gesamtpreises möchte S, bevor er die Bestellung abschickt, noch einmal darüber schlafen. Die ausgefüllte Bestellkarte legt er in eine Schreibtischschublade. Am nächsten Morgen findet ein WG-Mitbewohner, der für S unvorhersehbar in dem Schreibtisch nach Briefmarken sucht, die Karte, frankiert sie und wirft sie in den Briefkasten. M erhält die Karte und liefert den Wein, S will ihn nicht haben. Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? Lösung Vorbemerkung: Dieser Fall, der das Problem der sog. abhanden gekommenen Willenserklärung behandelt, erweist sich immer wieder als harte Nuss. Schwierigkeiten bereitet vielen Studienanfängern der Umstand, dass einerseits der objektive und vor allem der subjektive Erklärungstatbestand einer Willenserklärung gegeben sein sollen, obwohl es anderseits ganz offensichtlich an einer willentlichen Entäußerung in den Rechtsverkehr (=Abgabe) fehlt. I. Wirksamer Kaufvertrag gem. 433? Voraussetzung für einen wirksamen Kaufvertrag sind zunächst zwei korrespondierende Willenserklärungen i.s.d. 145ff., Antrag und Annahme. 1. Antrag a) Ein Antrag i.s.d. 145 ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die ein Vertragsschluss einem anderen so angeboten wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur von dessen Zustimmung abhängt. Ein Antrag könnte bereits in der Zusendung der Bestellkarte durch M liegen. Der Antrag zum Abschluss eines Kaufvertrages über 20 Flaschen Wein durch M würde jedoch voraussetzen, dass M den für einen objektiven Empfänger ( 133, 157) erkennbaren Willen hatte, sich durch die Übersendung der Bestellkarten gegenüber jedem

Adressaten einer Karte dergestalt zu binden, dass dieser nur noch die ausgefüllte Karte zurücksenden muss, um einen Vertrag zustande zu bringen. Davon ist hier jedoch nicht auszugehen, denn ein objektiver Empfänger muss das Verbreiten der Bestellkarte so verstehen, dass M sich keinesfalls weiter binden möchte, als sein Weinvorrat reicht, sondern lediglich zur Abgabe entsprechender Kaufangebote auffordern will. Anderenfalls würde er sich Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung aussetzen. Schon aus diesem Grunde war auch der subjektive Wille des M nur auf eine (unverbindliche) Aufforderung zur Abgabe einer Willenserklärung (sog. invitatio ad offerendum) gerichtet. Merke: Eine invitatio ad offerendum ist die Aufforderung, eine Willenserklärung (=ein auf einen Vertragsschluss gerichteter Antrag i.s.d. 145) abzugeben. Ob ein Antrag oder eine invitatio ad offerendum vorliegt, ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ( 133, 157) zu ermitteln. Mithin fehlt der Erklärungswille sowohl im objektiven wie im subjektiven Tatbestand. Die Übersendung der Bestellkarte ist kein Antrag. b) Allerdings könnte ein Antrag in der Rücksendung der ausgefüllten Bestellkarte zu sehen sein. aa) Tatbestand einer Willenserklärung (1) Objektiver Erklärungstatbestand Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung ist gegeben, wenn sich das Verhalten des Erklärenden aus der Sicht eines objektiven Beobachters in der Rolle des Erklärungsempfängers als Äußerung eines auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Willens darstellt. 1 M hat eine von S ausgefüllte und unterschriebene Bestellkarte erhalten. Ein objektiver Beobachter muss eine ausgefüllte Bestellkarte so verstehen, dass der Absender mit Handlungswillen das vorgeschlagene Rechtsgeschäft rechtlich bindend abschließen wollte. Der objektive Tatbestand der Willenserklärung liegt somit vor. 1 BGHZ 147, 129, 134.

(2) Subjektiver Erklärungstatbestand Das nach außen Erklärte muss von einem entsprechenden inneren Willen getragen sein. S war im Zeitpunkt des Ausfüllens der Bestellkarte bewusst, dass er damit eine verkörperte Erklärung schafft, mit der er seinen Willen zum Ausdruck bringt, ein bestimmtes Geschäft mit M abschließen zu wollen. Vorsicht: Es handelt sich hierbei noch nicht um eine wirksame Willenserklärung im rechtstechnischen Sinne. Für das Wirksamwerden der gleichermaßen gezeugten Willenserklärung ist ihre Abgabe (willentliche Entäußerung in den Rechtsverkehr), bildhaft gesprochen: ihre Geburt, erforderlich. Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille sind somit zu bejahen. Anmerkung: Erst nach dem Ausfüllen kommen dem S Bedenken: Er möchte noch einmal darüber schlafen. S hat also, nachdem er die Bestellkarte ausgefüllt und unterschrieben hat, entschieden, erst später über das Ob und Wann der willentlichen Entäußerung in den Rechtsverkehr (=Abgabe) zu befinden. Dies ändert indes nichts daran, dass im Moment des Ausfüllens/Unterschreibens eine verkörperte Willenserklärung nochmals: nicht eine wirksame Willenserklärung im rechtstechnischen Sinne!!! erstellt ist. Wirksam wird diese Willenserklärung erst mit der Abgabe (willentliche Entäußerung in den Rechtsverkehr) und Zugang! An dieser Stelle ist es also wichtig, zumindest gedanklich ganz genau zwischen (a) den Voraussetzungen einer Willenserklärung (=Objektiver und subjektiver Erklärungstatbestand) und (b) den Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Willenserklärung (=Abgabe und Zugang) zu unterscheiden. Andernfalls mag das soeben gefundene Ergebnis, nämlich die Bejahung des objektiven und vor allem des subjektiven Erklärungstatbestandes nur schwerlich nachvollziehbar sein. Deutlich vor Augen führen muss man sich in diesem Falle also noch einmal, dass es bei der Abgabe einer (wirksamen) Willenserklärung an zwei Stellen auf den Willen des Erklärenden ankommt: Einmal bei der bloßen Erstellung einer Willenserklärung und dann bei der Frage, ob die erstellte Willenserklärung tatsächlich rechtliche Verbindlichkeit erlangen soll, indem sie willentlich entäußert wird.

bb) Wirksamwerden der Willenserklärung Tipp für die Klausurbearbeitung: Bei einem derartigen Klausursachverhalt kommt es dem Aufgabensteller ersichtlich darauf an, dass sich der Bearbeiter mit der Frage beschäftigt, wie die Weiterleitung der Bestellkarte an einen Dritten rechtlich zu behandeln ist. Problematisch ist also der Prüfungspunkt Abgabe. Daher wäre es auf jeden Fall zulässig und vor dem Hintergrund der regelmäßig eher knapp bemessenen Bearbeitungszeit auch dringend angeraten, den Erklärungstatbestand kurz zu bejahen, um sich dann dem eigentlichen Problem der Klausur, nämlich der Behandlung einer abhanden gekommenen Willenserklärung zu widmen. Der Korrektor erkennt dann, dass Sie bei der Prüfung des objektiven bzw. subjektiven Erklärungstatbestandes zu dem richtigen Ergebnis gekommen sind (noch knapper z.b. MUSIELAK, Grundkurs BGB, 10. A., 2007, Rn. 66ff.; andere sprechen etwas ungenau von dem Entwurf einer Willenserklärung und beschäftigen sich sogleich mit dem Problem der fehlenden Abgabe, vgl. z.b. SCHWAB/LÖHNIG, Falltraining im Zivilrecht, 3. A. 2007, Fall 18). Um wirksam zu werden, muss die Willenserklärung abgegeben werden und sofern es sich, wie hier, um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt dem Erklärungsempfänger auch zugehen, 130 I 1. (1) Zugang Eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden ist zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. 2 Hier hat M die Bestellkarte auf dem Postwege erhalten, mithin ist sie ihm zugegangen. Anmerkung: Der Zugang könnte in diesem Fall noch kürzer, d.h. durch Anpassung der Definition des BGH, abgehandelt werden. Grundsätzlich ist der Zugang entsprechend der historischen Abfolge nach der Abgabe zu prüfen. Hier kann er ausnahmsweise vorher geprüft werden, da der Zugang unproblematisch bejaht werden kann und die Problematik des Falls ersichtlich bei der Abgabe der Willenserklärung liegt. (2) Abgabe Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist darüber hinaus die Abgabe der Erklärung durch den Erklärenden. Eine schriftliche empfangsbedürftige Erklärung gegenüber einem Abwesenden ist abgegeben, wenn der Erklärende das Schriftstück in Richtung auf den Erklärungsempfänger willentlich dergestalt in den 2 Vgl. BGH NJW 2004, 1320 (st. Rspr.).

Rechtsverkehr entäußert hat, dass unter normalen Um-ständen mit dem Zugang der Willenserklärung zu rechnen ist. 3 Problematisch ist hier, dass der WG-Mitbewohner die Bestellkarte gegen oder zumindest ohne den Willen des S abgesendet hat. Demnach fehlt es an einer willentlichen Entäußerung der Willenserklärung durch S. Es handelt sich um eine so genannte abhanden gekommene Willenserklärung. Problemaufriss: Bei einer abhanden gekommenen Willenserklärung kann der Empfänger in der Regel nicht erkennen, dass die Erklärung ohne den Willen des Erklärenden an ihn übermittelt wurde. Deshalb wird er zunächst auf die Wirksamkeit der Willenserklärung vertrauen. Der Erklärende dagegen will nicht an eine Erklärung gebunden sein, die er gar nicht abgegeben hat. Es besteht also in derartigen Fällen regelmäßig ein Konflikt zwischen dem Schutzbedürfnis des Erklärungsempfängers ( Schutz des Rechtsverkehrs ) und der Selbstbestimmung dessen, dem die Erklärung abhanden gekommen ist ( Privatautonomie ). Umstritten ist, ob in derartigen Fällen gleichwohl von einer wirksamen Willenserklärung auszugehen ist. (a) Nach einer Ansicht ist die willentliche Entäußerung durch den Ersteller der Willenserklärung unabdingbare Voraussetzung für das Wirksamwerden derselben. 4 Der Erklärende müsse grundsätzlich selbst darüber entscheiden können, ob und wann er eine Erklärung abgibt. Eine so genannte abhanden gekommene Willenserklärung könne demnach, in Übereinstimmung mit den Motiven, 5 nicht wirksam werden. Auch enthalte 172 I die Wertung, dass sich der Aussteller einer Urkunde deren Inhalt nur dann zurechnen lassen muss, wenn er sie einem anderen ausgehändigt hat. 6 3 Vgl. nur BGHZ 65, 13, 14 = JZ 1976, 132; BGH NJW-RR 2003, 384; KÖHLER, BGB AT, 32. A. 2008, 6 Rn. 12; Palandt/HEINRICHS/ELLENBERGER, 67. A. 2008, 130 Rn. 4. 4 Für die Aushändigung i.s.v. 172 I: BGHZ 65, 13, 14 = JZ 1976, 132. Für den Fall der abhanden gekommenen Willenserklärung: BORK, AT, 2. A. 2006, Rn. 615; KÖHLER, BGB AT, 32. A. 2008, 6 Rn. 12; CANARIS, Vertrauenshaftung, Nachdr. 1981, 39, 427 10 ; LEIPOLD, BGB I, 5. A. 2008, Rn. 333; MUSIELAK, Grundkurs BGB, 10. A. 2007, Rn. 68; SCHMIDT, BGB AT, 5. A. 2008, Rn. 327. In diesem Sinne wohl auch CANARIS, NJW 1984, 2281 (dort nur für fehlendes Erklärungsbewusstsein) und JZ 1976, 132, 134: Bei der abhanden gekommenen Willenserklärung nur Haftung für Vertrauensschaden analog 122 I. 5 Motive zum BGB I, 157 = MUGDAN I, 439. 6 KÖHLER, BGB AT, 32. A. 2008, 6 Rn. 12; SCHMIDT, BGB AT, 5. A. 2008, Rn. 327.