Recht Aktuell 01/2015

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Transkript:

RECHT AKTUELL 01 / 2015

Recht Aktuell 01/2015 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, der zunehmende Auslandsbezug unserer Mandanten sowie unserer Mandate war zentraler Beweggrund für die Entscheidung, uns international stärker zu positionieren. LUTZ ABEL hat sich vor diesem Hintergrund dem internationalen Netzwerk Geneva Group International, kurz GGI, angeschlossen. GGI ist mit über 450 Mitgliedsunternehmen eines der führenden weltweiten Netzwerke unabhängiger Partner aus Rechtsberatung, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Bei internationalen Fragestellungen und Anliegen können wir daher künftig weltweit auf Kanzleien innerhalb dieser renommierten Kooperation zugreifen. Darüber hinaus dürfen wir uns über eine weitere Auszeichnung unserer Kanzlei freuen: Ende Februar wurde die aktuelle Liste der azur 100 Top Arbeitgeber veröffentlicht: LUTZ ABEL zählt demnach zu Deutschlands attraktivsten Arbeitgebern für junge Juristen. Im azur-insiderranking, einer Bewertung des eigenen Arbeitgebers durch über 3.000 Anwälte und Unternehmensjuristen, erreichte die Kanzlei mit Rang 20 von 100 Top-Arbeitgebern eine sehr gute Platzierung. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit ferner berichten, dass wir zwei neue junge Anwältinnen für LUTZ ABEL gewinnen konnten. Rechtsanwältin Dr. Carolin Klein und Rechtsanwältin Katharina Bold verstärken die Praxisgruppe Privates Baurecht im Münchner Büro. Auf den nachfolgenden Seiten finden Sie wie gewohnt eine Auswahl an Beiträgen zu unterschiedlichen Themen in den von uns betreuten Rechtsgebieten. Bitte beachten Sie auch die Hinweise auf aktuelle Veranstaltungen. Für Fragen stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte gerne zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. Mit freundlichen Grüßen Ihre LUTZ ABEL Rechtsanwalts GmbH Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 5

Veranstaltungen Arbeitsrecht Gesellschaftsrecht Mitarbeiterkontrollen - Probleme und Praxis in Datenschutz und Arbeitsrecht BECK Seminar 14. April 2015 in Berlin 16. November 2015 in Frankfurt a.m. Weitere Informationen finden Sie unter www.beck-seminare.de Arbeitsrechtliche Herausforderungen im Jahr 2015 LUTZ ABEL Frühstück 21. April 2015 in Stuttgart 23. April 2015 in Augsburg Fachtagung Arbeitnehmerdatenschutz TÜV NORD Akademie 6. Oktober 2015 in Hamburg Vortrag im Rahmen der Veranstaltung Datenschutzkonformes Whistleblowing (Best Practice) Dr. Philipp Byers Dr. Philipp Byers, Carsten Huch-Hallwachs Dr. Philipp Byers, u.a. Gesellschafterstreit Typische Konfliktfelder BECK Seminar 23. April 2015 in Düsseldorf 26. November 2015 in Frankfurt a.m. Gesellschafterstreit im Prozess BECK Seminar 24. April 2015 in Düsseldorf 27. November 2015 in Frankfurt a.m. Weitere Informationen finden Sie unter www.beck-seminare.de Die EU-Erbrechtsverordnung und ihre Auswirkung auf Fragen des internationalen Erbrechts LUTZ ABEL Frühstück 7. Mai 2015 in München Dr. Reinhard Lutz, Dr. Christian Dittert Dr. Reinhard Lutz, Dr. Christian Dittert Prof. Dr. Stephan Lorenz, Dekan der Juristischen Fakultät der Ludwig Maximilians Universität München, Maximilian von Mettenheim, LL.M. Bank- und Kapitalmarktrecht Das Widerrufsrecht beim Verbraucherdarlehen: Verteidigungslinien auf Bankseite LUTZ ABEL Frühstück 23. April 2015 in München Dr. Ferdinand Unzicker, Heidi Schmidt IT-Recht und Datenschutz Aktuelle Rechtsprechung zum Internetrecht ZWW Augsburg 23. April 2015 in München Weitere Informationen finden Sie unter www.zww.uni-augsburg.de Birgit Maneth, LL.M. Beihilfen- und Kartellrecht Real Estate EStALI Seminar 2015 Infrastructure Funding in Compliance with State Aid Rules European State Aid Law Institute 9. 11. April 2015 in Feldafing am Starnberger See Andreas Bartosch, u.a. Privates Baurecht Teil III: Sicherheiten LUTZ ABEL Frühstück 21. April 2015 in München 23. April 2015 in Hamburg Referenten München: Dr. Rainer Kohlhammer, Dr. Michael T. Stoll Referent Hamburg: Dr. Robert Castor Weitere Informationen finden Sie unter www.lexxion.de/konferenzen 6 Recht Aktuell 01/2015 Lutz Abel Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 7

Veranstaltungen Inhaltsverzeichnis Real Estate Seminar im Bau- und Architektenrecht ForSA Seminare (Teilnahmebestätigung gem. 15 FAO) 17. 18. April 2015 in München Weitere Informationen finden Sie unter www.forsa-seminare.de Seminar Einkauf von Bauleistungen Management Forum Starnberg 25. 26. November 2015 in München Weitere Informationen finden Sie unter www.management-forum.de/ einkauf-bau Kontakt Dr. Rainer Kohlhammer Dr. Rainer Kohlhammer, Dr. Mathias Mantler Für Fragen zu den Veranstaltungen und zur Anmeldung stehen Ihnen die Referenten sowie Mareike Müller (Telefon: +49 89 54 41 47-0, E-Mail: mueller@lutzabel.com) gerne zur Verfügung. 8 10 13 16 18 21 Arbeitsrecht Rechtswidrige Mitarbeiterüberwachung durch Detektiv: BAG spricht Schmerzensgeld zu Bank- und Kapitalmarktrecht Prospektpflicht über das Innenhaftungsrisiko nach 30, 31 GmbHG (analog)? Erneuerbare Energien Zur Änderung der gesetzlichen Ausgestaltung des Mechanismus zur Förderung Erneuerbarer Energien (EEG) Gesellschaftsrecht Crowdinvesting in Deutschland Frühphasenfinanzierung mit Zukunft? Gesellschafterliche Treuepflichten in der Krise der Gesellschaft (Teil I/III) Privates Bau- und Architektenrecht Sachverständigenvergütung: Erst auf steigende Kosten hinweisen und Anordnung des Gerichts abwarten, dann arbeiten Joanna Pracka Heidi Schmidt Dr. Carolin Klein Dr. Bernhard Noreisch, LL.M. Dr. Lorenz Jellinghaus Matthias Sauter Dr. Sebastian Schwartz Weitere Informationen finden Sie darüber hinaus auf unserer Internetseite unter www.lutzabel.com/aktuelles/ veranstaltungen. 22 Bei Angebotslegung verkalkuliert Anspruch auf Nichtbeauftragung? Dr. Michael T. Stoll 24 Business Judgement Rule für Bauträger-Geschäftsführer Dr. Hubert Bauriedl 26 Umsatzsteuer-Probleme bei Baumängeln wegen Planungs-/ Überwachungsfehlern Dr. Christoph Lichtenberg 28 Störende Sonderwünsche im Gemeinschaftseigentum: Keine Haftung des Erwerbers aber des Bauträgers! Sebastian Schreiber, LL.M 31 Öffentliches Recht Die Behandlung von Bodendenkmälern im Zuge von Bauvorhaben Dr. Thomas Schönfeld 34 Zur Erledigung von Verwaltungsakten Wiebke Hederich, LL.M. 37 Vergaberecht Interkommunale Zusammenarbeit ist kein Ausnahmefall vom Vergaberecht Dr. Christian Kokew 8 Recht Aktuell 01/2015 Lutz Abel Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 9

Arbeitsrecht Arbeitsrecht Arbeitsrecht Rechtswidrige Mitarbeiterüberwachung durch Detektiv: BAG spricht Schmerzensgeld zu RAin Joanna Pracka pracka@lutzabel.com Die Überwachung von Mitarbeitern, v.a. mittels Videoaufnahmen, wird seit langem kontrovers diskutiert. In einer aktuellen Entscheidung vom 19.02.2015 zieht das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Überwachung von Arbeitnehmern enge Grenzen (Az.: 8 AZR 1007/13). Das BAG befand die Beobachtung einer Mitarbeiterin durch einen Detektiv mittels heimlicher Videoaufnahmen für rechtswidrig und sprach ihr Schmerzensgeld zu. Erst wenn der konkrete Verdacht einer schweren Pflichtverletzung durch Tatsachen gestützt werde, dürfe der Arbeitgeber zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen greifen, urteilte das BAG und bestätigte damit die vorinstanzliche Entscheidung des LAG Hamm (Az.: 11 Sa 312/12). 1. Sachverhalt Die Klägerin war seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung eines Metallbetriebs beschäftigt. Im Dezember 2012 kam es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und dem Geschäftsführer über die Ausführung einer übertragenen Aufgabe. Ab Ende Dezember war die Mitarbeiterin zunächst wegen einer Bronchitis arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im Anschluss teilte sie mit, sie habe einen Bandscheibenvorfall erlitten und legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eines Allgemeinmediziners vor. Dem folgten zwei weitere Bescheinigungen einer Orthopädin bis einschließlich Ende Februar 2012. Der Arbeitgeber bezweifelte das tatsächliche Vorliegen der angegebenen Erkrankungen. Insbesondere der Bandscheibenvorfall wurde in Frage gestellt, da die Mitarbeiterin sich anfangs von einem Allgemeinmediziner und keinem Facharzt behandeln ließ und Atteste zweier verschiedener Ärzte zur gleichen Erkrankung vorlegte. Der Arbeitgeber beauftragte daraufhin eine Detektei, die die Klägerin an vier verschiedenen Terminen in der zweiten Februarhälfte 2012 überwachte. Dabei kam auch eine heimliche Videoüberwachung zum Einsatz. Die Videoaufnahmen zeigten die Arbeitnehmerin im Bereich ihrer Wohnanschrift beim Hinunterbeugen und Begrüßen eines Hundes. Des Weiteren wurde die Mitarbeiterin heimlich beim Besuch eines Waschsalons gefilmt, wo sie eine Waschmaschine befüllte und die Wäsche später in einem großen Wäschekorb, auf die Hüfte gestützt, wegtrug. Der Arbeitgeber sah sich durch die Aufnahmen in seiner Vermutung bestätigt, dass die Mitarbeiterin angesichts eines solchen Verhaltens nicht tatsächlich an einem Bandscheibenvorfall leiden könne und kündigte der Mitarbeiterin fristlos. Die Arbeitnehmerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und forderte zudem Schmerzensgeld wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Überwachung. 2. Urteile des LAG Hamm und des BAG a) Konkreter Straftatverdacht Die heimliche Beobachtung der Arbeitnehmerin durch den Detektiv erfolgte zu repressiven Zwecken. Der Arbeitgeber wollte seine Vermutung aufklären, wonach die krankgeschriebene Mitarbeiterin tatsächlich nicht arbeitsunfähig gewesen sein soll. Nach 32 Abs. 1 S. 2 BDSG ist eine Überwachung zu repressiven Zwecken zulässig, wenn ein konkreter Straftatverdacht vorliegt. Hierzu müssen vom Arbeitgeber zu dokumentierende, tatsächliche Verdachtsmomente vorliegen. Der Verdacht muss so konkret sein, dass die tatsächliche Tatbegehung als höchst wahrscheinlich erscheint. Weiter muss sich der Tatverdacht auf die Begehung einer Straftat durch den Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers beziehen. Vorliegend kam als Straftatbestand ein Lohnbetrug gem. 263 StGB wegen angeblichen Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit in Betracht. Durch Vortäuschen einer Erkrankung veranlasst der Mitarbeiter den Arbeitgeber zu einer Entgeltfortzahlung, auf die er tatsächlich keinen Anspruch hat. Das BAG verneinte jedoch das Vorliegen eines hinreichenden Verdachts. Den von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kommt als gesetzlich vorgesehenen Nachweismitteln ein hoher Beweiswert zu, der vorliegend durch den Arbeitgeber nicht erschüttert wurde. Auch sonstige Anhaltspunkte, die dem Arbeitgeber das Recht zu ernsthaften Zweifeln an dem tatsächlichen Vorliegen einer Erkrankung gegeben hätten, lagen nicht vor. Weder hatte die Mitarbeiterin die Erkrankung angekündigt, noch stand die vorangegangene Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsführer und der Arbeitnehmerin im Zusammenhang mit der Erkrankung. Im Ergebnis verneinte das BAG daher das Vorliegen eines konkreten Straftatverdachts. Folglich waren die Anforderungen an eine verdeckte Kontrollmaßnahme nach 32 Abs. 1 S. 2 BDSG nicht erfüllt, so dass die Videoüberwachung nach Ansicht des BAG unzulässig war. b) Anspruch auf Schmerzensgeld Durch eine rechtswidrige Videoüberwachung wird in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters eingegriffen. In diesem Zusammenhang stellte sich für das BAG vorliegend die Frage, ob der Mitarbeiterin aufgrund der Persönlichkeitsrechtsverletzung ein Schmerzensgeldanspruch zustand. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt nach überwiegender Ansicht einen schwerwiegenden Eingriff voraus. Das BAG bejahte vorliegend einen Schmerzensgeldanspruch, da sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung als schwerwiegend darstellte. Nach dem BAG stand dem Arbeitgeber bereits aufgrund fehlender konkreter Verdachtsmomente kein Recht zu irgendeiner Kontrolle der Klägerin aufgrund 32 Abs. 1 S. 2 BDSG zu. Erschwerend wurde zudem gewertet, dass das gewählte Mittel die heimliche Videoüberwachung sich als besonders eingriffsintensiv darstellte. Aufgrund der hohen Eingriffsintensität kann die heimliche Videoüberwachung nur als ultima ratio herangezogen werden. Selbst im Falle eines berechtigten Kontrollmotivs hätte der Arbeitgeber zunächst auf mildere, gleich geeignete Überwachungsmittel zur Aufklärung zurückgreifen müssen. So wäre es zunächst für die Aufklärung ausreichend gewesen, wenn der Detektiv einen Observationsbericht ohne Bildaufnahmen erstellt hätte. Ob sich der Arbeitgeber statt der Einschaltung eines Detektivs auf die vorrangige Inanspruchnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung als milderes Mittel verweisen lassen muss, ließ das BAG dagegen offen. Im Ergebnis wäre die hier vorgenommene Überwachungsmaßnahme der heimlichen Videoüberwachung allerdings selbst bei einem konkreten Tatverdacht unverhältnismäßig und damit unzulässig gewesen. Das BAG sprach, wie die Vorinstanz, der Klägerin ein Schmerzensgeld i.h.v. EUR 1.000,00 zu. Sie blieben damit deutlich hinter der Forderung der Klägerin i.h.v. über EUR 10.000,00 zurück. 3. Fazit Mit seiner Entscheidung hält das BAG die hohen Zulässigkeitsvoraussetzungen, die an eine heimliche Mitarbeiterüberwachung gestellt werden, aufrecht. Es ermahnt die Arbeitgeber, den Beweiswert ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht vorschnell in Zweifel zu ziehen. Erst bei Vorliegen konkreter besonderer Umstände, die geeignet sind, den von Haus aus hohen Beweiswert eines solchen Attestes zu erschüttern, kommt eine Arbeitnehmerüberwachung nach 32 Abs. 1 S. 2 BDSG in Betracht. Bei der Erforderlichkeit des Kontrollmittels bekräftigt das BAG, dass eine heimliche Videoüberwachung aufgrund des intensiven Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur in besonders schwerwiegenden Fällen und damit als ultima ratio in Betracht kommen kann. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Erkenntnisse aus einer unzulässigen Arbeitnehmerüberwachung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich einem prozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen. Die Wirksamkeit einer Kündigung kann daher nicht mit den Ergebnissen einer unzulässigen Kontrollmaßnahme begründet werden. Das BAG betont zudem, dass der Arbeitgeber sich auch die Pflichtverletzungen des von ihm beauftragten Detektivs zurechnen lassen muss. Greift der Detektiv zu Maßnahmen, die Persönlichkeitsrechte besonders schwerwiegend verletzen, muss gleichwohl der beauftragende Arbeitgeber die hieraus erwachsenden Schadensersatzansprüche des Mitarbeiters tragen. Joanna Pracka _ Rechtsanwältin pracka@lutzabel.com 10 Recht Aktuell 01/2015 Lutz Abel Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 11

Bank- und Kapitalmarktrecht Bank- und Kapitalmarktrecht Bank- und Kapitalmarktrecht Prospektpflicht über das Innenhaftungsrisiko nach 30, 31 GmbHG (analog)? RAin Heidi Schmidt schmidt@lutzabel.com Das Landgericht (LG) München I hat in einem aktuellen Urteil vom 19.12.2014 (Az. 3 O 7105/14) erstmals entschieden, dass in einem Verkaufsprospekt zu einem in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG verfassten, geschlossenen Fonds über das sog. Innenhaftungsrisiko nach 30, 31 GmbHG analog aufgeklärt werden muss. Fehlt ein entsprechender Hinweis, leidet der Verkaufsprospekt nach Ansicht des Gerichts unter einem zum Schadensersatz verpflichtenden Mangel. Folgt man dieser Entscheidung, würde dies zahlreichen Anlegern unter Umständen die Möglichkeit eröffnen, Rückabwicklungsansprüche geltend zu machen. Dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des LG München I ist allerdings aus mehreren Gründen entgegenzutreten. 1. Sachverhalt Die Klagepartei machte gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einem Schiffsfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG wegen fehlerhafter Beratung geltend. Die Klagepartei war der Ansicht, sie sei von der Beklagten weder anleger- noch objektgerecht beraten worden. Der Verkaufsprospekt sei fehlerhaft. Insbesondere sei nicht darauf hingewiesen worden, dass bei Vorliegen einer durch Auszahlung an Kommanditisten einer GmbH & Co. KG materiell unterkapitalisierten Komplementär-GmbH die Kommanditisten nach 30, 31 GmbHG auf Rückzahlung der zuvor erhaltenen Ausschüttungen an die Kommanditgesellschaft haften würden. 2. Entscheidung des LG München I Das LG München I begründet seine Entscheidung wie folgt: Bei einer GmbH & Co. KG sei das Stammkapital der Komplementär-GmbH durch 30, 31 GmbHG geschützt. Zuwendungen aus dem Vermögen der GmbH an die GmbH-Gesellschafter seien, soweit dadurch eine Unterbilanz entstehe, nach 30 Abs. 1 GmbHG verboten und begründeten gem. 31 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 GmbHG eine Rückgewährpflicht. Aber auch Zuwendungen aus dem Vermögen der KG an die GmbH-Gesellschafter könnten von 30, 31 GmbHG erfasst werden. Sei die Komplementär-GmbH an der KG kapitalmäßig beteiligt, führe jede Leistung aus dem Vermögen der KG ohne gleichwertige Gegenleistung auch zu einer Minderung des Kapitalanteils der GmbH. Dadurch könne das Gesamtvermögen der GmbH unter den Nennwert ihres Stammkapitals absinken. Das Gleiche könne geschehen, wenn die GmbH Rückstellungen in Bezug auf ihre Haftung für die Verbindlichkeiten der KG bilden müsse, den ihr zustehenden Freistellungsanspruch nach 110 HGB aber wegen der Minderung des Vermögens der KG nicht mehr voll aktivieren könne. Komme es auf diese Weise zu einer mittelbaren Aufzehrung des Stammkapitals der GmbH, habe der GmbH-Gesellschafter, an den die Leistung der KG geflossen sei, das Empfangene nach 30, 31 GmbHG zurückzugewähren. Sei der GmbH-Gesellschafter zugleich Kommanditist, hafte er daneben nach 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB bis zur Höhe der Haftsumme. Seine Rückzahlungspflicht aus 31 Abs. 1 GmbHG sei dagegen nicht durch die Haftsumme begrenzt. Die gleichen Regeln gelten nach der Entscheidung, wenn in der GmbH & Co. KG ein Kommanditist, der nicht auch GmbH-Gesellschafter ist, aus dem Vermögen der KG eine Leistung ohne gleichwertige Gegenleistung erhalte. Werde dadurch das Stammkapital der Komplementär-GmbH angegriffen oder sei die GmbH bereits überschuldet, müsse auch der Nur-Kommanditist das Empfangene in entsprechender Anwendung der 30 ff. GmbHG an die KG zurückgewähren. Der Kommanditist habe dann das Empfangene, nicht beschränkt auf die Haftsumme, an die KG zurückzuzahlen. Relevant werde die Rückforderung der Liquiditätsausschüttungen, wenn die Kommanditgesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten komme. Bei Ausscheiden eines Kommanditisten aus der GmbH & Co. KG sei 30 Abs. 1 GmbHG ebenfalls zu beachten. Das Abfindungsguthaben dürfe nur ausbezahlt werden, wenn die Komplementär-GmbH nicht überschuldet sei und auch ihr Stammkapital durch die Auszahlung nicht angegriffen werde. Dies gelte auch dann, wenn der die Leistung empfangende Gesellschafter ausschließlich Anlegerinteressen verfolge und keinen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung habe, ebenso wie in der Publikums-KG. Nach der Entscheidung des LG München I war dieses Risiko im Verkaufsprospekt nicht hinreichend deutlich dargestellt worden. 3. Würdigung der Entscheidung Die Entscheidung des LG München I dürfte jedoch aus mehreren Gründen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen sein. Die Entscheidung setzt sich bereits nicht mit der Frage auseinander, ob eine Aufklärungspflicht nur hinsichtlich solcher Risiken besteht, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dies zuletzt in seinem Urteil vom 23.07.2013 (Az.: II ZR 143/12) klargestellt. Mit einer Verwirklichung des Innenhaftungsrisikos nach 30, 31 GmbHG ist jedoch bei Publikumsgesellschaften regelmäßig nicht ernsthaft zu rechnen. Grund hierfür ist, dass die Komplementär-GmbH nicht selten schon gar nicht am Vermögen der KG beteiligt ist, so dass eine Minderung des Gesellschaftsvermögens der KG auch das Stammkapital der Komplementär-GmbH nicht wesentlich mindern kann. Erst dann, wenn eine Überschuldung der KG im insolvenzrechtlichen Sinne eingetreten ist und die Komplementär-GmbH ihren Freistellungsanspruch nach 110 HGB nicht mehr voll aktivieren kann, tritt gegebenenfalls eine Minderung des Stammkapitals der GmbH ein. Dieser Fall dürfte jedoch nur äußerst selten relevant werden. Im Übrigen bleibt insoweit die Frage offen, ob dieses Risiko nicht bereits von dem regelmäßig in den Verkaufsprospekten dargestellten Hinweis auf das Insolvenzrisiko bzw. das Totalverlustrisiko umfasst ist. Das LG München I verkennt in seiner Entscheidung zudem, dass das Entstehen einer Rückzahlungsverpflichtung nach 31 GmbHG (analog) stets ein gegen das gesetzliche Verbot des 30 GmbHG verstoßendes Verhalten der Fondsgeschäftsführung voraussetzt. Auszahlungen an Kommanditisten, die unter Verstoß gegen 30 GmbHG erfolgen, sind mithin stets rechtswidrig. Eine Aufklärungspflicht bzw. die Pflicht zu einem Risikohinweis hinsichtlich eines möglichen rechtswidrigen Verhaltens der Fondsgeschäftsführung besteht jedoch im Grundsatz nicht. Dies hat der BGH zuletzt in seiner Entscheidung vom 11.12.2014 (Az.: III ZR 365/13) bestätigt. Darüber hinaus setzt sich das LG München I in seiner Entscheidung auch nicht hinreichend mit der Frage der analogen Anwendbarkeit der 30, 31 GmbHG auf sog. Nur-Kommanditisten, mithin Kommanditisten, die nicht zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind, auseinander. Es ist zwar anerkannt, dass die 30, 31 GmbHG auf eine personalistische Kommanditgesellschaft mit überschaubarem Gesellschafterkreis analog anwendbar sind. Eine analoge Anwendung auf Publikumsgesellschaften ist jedoch in der Literatur höchst umstritten und keineswegs als allgemein anerkannt anzusehen. Argumentiert wird damit, dem Anleger einer Publikumsgesellschaft stünden nicht die gleichen Informations- und Einsichtsmöglichkeiten zu wie in einer personalistisch strukturierten KG. 4. Fazit Mit der vorliegenden Entscheidung wird bereits in zahlreichen Internet-Foren geworben und der vermeintliche Prospektfehler als ein viel versprechender Weg angepriesen, nicht den Erwartungen der Anleger entsprechende Fondsbeteiligungen rückgängig zu machen und den entstandenen Schaden zu liquidieren. Es ist daher damit zu rechnen, dass zahlreiche enttäuschte Anleger versuchen werden, entsprechende Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Aus den vorgenannten Gründen erscheint es jedoch zumindest sehr zweifelhaft, dass entsprechende Kla- 12 Recht Aktuell 01/2015 Lutz Abel Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 13

Bank- und Kapitalmarktrecht Erneuerbare Energien gen auch Erfolg haben werden. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie der derzeit in der Berufungsinstanz mit der Sache befasste 17. Senat des OLG München über diese Problematik entscheiden wird. Erneuerbare Energien Heidi Schmidt _ Rechtsanwältin schmidt@lutzabel.com Zur Änderung der gesetzlichen Ausgestaltung des Mechanismus zur Förderung Erneuerbarer Energien (EEG) RAin Dr. Carolin Klein klein@lutzabel.com 1. Rückblick Für die Förderung Erneuerbarer Energien stand das Jahr 2014 ganz im Zeichen der Novellierung. Seit langem wurde beklagt, dass das seit vielen Jahren praktizierte deutsche Fördersystem der sog. Einspeisevergütung, wonach den Anlagenbetreibern Erneuerbarer Quellen finanzielle Förderungen zugesagt werden, die losgelöst vom Angebot/Nachfrage-Verhalten am Energiemarkt sind, zu ineffizient und kostenintensiv ist. Nachdem die Europäische Kommission gegen das deutsche Fördersystem, insbesondere aber gegen den Befreiungsmechanismus von der EEG-Umlage (sog. besondere Ausgleichsregelung ), Ende 2013 dann auch noch ein förmliches Beihilfeverfahren eingeleitet hatte (vgl. SA. 33995 2013/C, ex 2013/NN), wurde der Druck auf die deutsche Regierung immer höher und die Frage nach einer alternativen Gestaltung der Förderung lauter. Die diskutierten Reformvorschläge zum Zwecke der Marktintegration Erneuerbarer Energien hielten insbesondere Betreiber stromintensiver Industrien in Atem, da diese im Falle einer alternativen Gestaltung des Fördersystems mit Blick auf die Bedenken aus Brüssel eine Gefährdung der besonderen Ausgleichsregelung befürchteten. Nach dieser wurde die grundsätzlich von allen Stromverbrauchern zahlungspflichtige EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen begrenzt, um so den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Großindustrien im europäischen Wettbewerb sicherzustellen. 2. Das neue EEG 2014 und das Pilotverfahren zur Ausschreibung für Photovoltaik-(PV)-Freiflächenanlagen Die Reformbemühungen tragen mittlerweile Früchte: Das am 1. August 2014 in Kraft getretene Gesetz für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG 2014) hat eine erste Systemumstellung der Förderung Erneuerbarer Energien eingeleitet, nach der die Förderung in den kommenden Jahren bis zur nächsten Gesetzesreform grundsätzlich über die sog. Marktprämie erfolgt. Das Marktprämien-System war zwar auch schon dem EEG in seiner Vorgängerfassung immanent, dort aber nur als Option zum Einspeisevergütungssystem ausgestaltet. Sofern die (Alt-)Anlagenbetreiber daher nicht dem Bestandsschutz unterliegen bzw. der Kleinanlagenregelung des 37 EEG unterfallen, sind Anlagenbetreiber von Neuanlagen nach dem EEG 2014 fortan verpflichtet, ihren produzierten Strom über den Strommarkt zu veräußern. Die Förderung besteht nun darin, über die Marktprämie etwaige Differenzen zwischen dem ggf. niedrigeren Marktpreis und den sonst maßgeblichen Vergütungssätzen (sog. anzulegender Wert ) über die Marktprämie abzufedern bzw. Anreize zu schaffen, durch besonders geschicktes Marktverhalten sogar Erlöse über den grundsätzlichen Fördervergütungen zu erhalten. Da jedoch auch das Marktprämiensystem durch zahlreiche marktferne Mechanismen gekennzeichnet ist, wurde in der Novelle 2014 bereits der Boden für eine große EEG-Reform bereitet. Ab spätestens 2017 soll demnach ein vollständiger Systemwechsel der Förderung Erneuerbarer Energien in ein Ausschreibungssystem erfolgen. Mit dem Ausschreibungssystem soll der Schritt weg von den festen Vergütungssätzen und hin zu mehr Flexibilität und Wettbewerb gemacht werden. Ziel ist es, die Höhe der Förderung durch ein Bieterverfahren zu ermitteln. Da die Umsetzung des Ausschreibungsverfahrens in unterschiedlichen Varianten denkbar ist, hat der Gesetzgeber bereits jetzt ein Pilotverfahren zum langfristig für alle regenerativen Energiequellen avisierten Ausschreibungssystem initiiert. Dieses Pilotverfahren betrifft ausschließlich PV-Freiflächenanlagen und wird durch die im Februar 2015 in Kraft getretene Verordnung zur Einführung von Ausschreibungen der 14 Recht Aktuell 01/2015 Lutz Abel Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 15

Erneuerbare Energien Erneuerbare Energien finanziellen Verordnung von Freiflächenanlagen (sog. Freiflächenanlagenausschreibungsverordnung, kurz FFAV) näher ausgestaltet. Erfahrungen aus diesem Pilotverfahren sollen später auf die übrigen Erneuerbaren Energien übertragen werden. Am 24. Februar ist nun die erste Ausschreibungsrunde im Rahmen des Pilotverfahrens für Freiflächenanlagen gestartet. Bis zum 15. April haben potenzielle Bieter Zeit, Gebote bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) abzugeben. Das Ausschreibungsvolumen beträgt 150 MW, der Höchstwert liegt bei 11,29 Cent pro Kilowattstunde. Neben einer eigenen Checkliste für ein erfolgreiches Gebotsverfahren stellt die BNetzA den Bietern gesonderte Formulare zur Verfügung, die auf der Website der BNetzA abrufbar sind. Der Startschuss für das Pilotverfahren ist für PV-Freiflächenbetreiber von enormer Bedeutung, da die damit initiierte Ausrichtung auf eine wettbewerbsbasierte Förderung langfristig keine Alternative zur marktprämien- bzw. einspeisesystembasierten Förderung mehr darstellt. Vielmehr erfolgt die Inbetriebnahme von Neuanlagen im PV-Freiflächenbereich ab dem 01.09.2015 ausschließlich unter dem Ausschreibungsmodell. Soll die Inbetriebnahme von PV-Freiflächenanlagen hingegen noch unter dem Marktprämiensystem erfolgen, bleibt den betroffenen Anlagenbetreibern nun nur noch wenig Zeit, von der erst 2014 für verpflichtend erklärten Marktprämienregelung Gebrauch zu machen. Unabhängig von dem grundlegenden Fördermechanismus konnten mit dem Erlass des EEG 2014 viele stromintensive Industrien (zunächst) aufatmen: Die Entlastungen stromintensiver Industrien durch Begrenzung der EEG-Umlage bestehen auch nach dem EEG 2014 weiter fort, wenn auch unter etwas geänderten Rahmenbedingungen. So richtet sich die Antragsberechtigung eines Unternehmens beispielsweise fortan nach den Vorgaben der von der EU-Kommission ebenfalls 2014 novellierten Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien, die als Anlage 4 Bestandteil des EEG 2014 geworden sind. Was das Beihilfeverfahren gegen das EEG 2012 bzw. die dort normierten Entlastungstatbestände stromintensiver Industrien anbelangt, dürfte der Beschluss der EU-Kommission vom 25. November 2014 bei einigen stromintensiven Industrien auf deutliche Ablehnung gestoßen sein. In dem Beschluss hält die Kommission an ihrer bereits im Eröffnungsbeschluss geäußerten Auffassung fest, nach der es sich sowohl beim Umlagemechanismus des EEG 2012 als auch bei der zugehörigen Entlastungsregelung für stromintensive Industrien um eine Beihilfe handelt. Da nach Einschätzung der EU-Kommission für die besondere Ausgleichsregelung keine Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt vorliegt, hat sie Deutschland dazu verpflichtet, diese Beihilfen (zumindest anteilig) von den betroffenen Industrien zurückzufordern. Der Beschluss sieht hierzu eine konkrete Berechnungsformel vor, nach der die Teilrückzahlungen durch den deutschen Staat ermittelt werden müssen. Die Rückforderung bezieht sich nur auf die in den Jahren 2013 und 2014 gewährten Entlastungen und erfolgt durch das Bundesamt für Ausfuhr und Wirtschaftskontrolle (BAFA). 3. Bewertung der aktuellen Rechtslage Die zahlreichen Neuerungen haben in der Vergangenheit viele Unsicherheiten für die Anlagenbetreiber bedeutet. Mit der Anordnung von Teilrückforderungen hinsichtlich der Entlastungsregelung für stromintensive Industrien hat sich nun auch noch eine schlimme Befürchtung bewahrheitet, die bereits 2014 für große Unruhen in der Energiebranche gesorgt hat. Und dennoch ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung durch die Verhandlungen mit der EU-Kommission das Schlimmste abgewendet hat. Sie hat erreicht, dass sich die Rückforderungen nicht vollends auf alle bislang erteilten Entlastungen von stromintensiven Industrien erstrecken. Mit der rückwirkenden Anwendbarkeit der neuen Energieund Umweltbeihilfeleitlinien und der damit einhergehenden Vereinbarkeit zahlreicher Entlastungssachverhalte ist durch die Verhandlungen von Brüssel mit Deutschland ein echter Kunstgriff gelungen, der viele Industrien vor existenzbedrohenden Härten bewahren wird und auf Grund der nun sichergestellten Europarechtskonformität auch in (unmittelbarer) Zukunft bewahrt. Denn zumindest für die kürzlich erfolgte Umstellung auf das verpflichtende Marktprämiensystem sieht das Gesetz die Fortgeltung der besonderen Ausgleichsregelung in 63 ff. EEG vor. Auch wenn sich das Fördermodell der Erneuerbaren Energien derzeit stark im Umbruch befindet und damit für zahlreiche Verunsicherungen bei Anlagenbetreibern und stromintensiven Unternehmen gesorgt hat, ist davon auszugehen, dass der größte Überraschungseffekt für die Betroffenen bereits vorweggenommen ist: Die Ankündigung eines Reformwechsels in das Ausschreibungsmodell bis spätestens 2017 steht bereits jetzt fest, so dass sich Anlagenbetreiber (sofern sie nicht ohnehin schon am Pilotverfahren für PV-Freiflächenanlagen teilnehmen) hinsichtlich der Inbetriebnahme etwaiger Neuanlagen langfristig an neuen Förderbedingungen ausrichten müssen. In diesen wird es insbesondere auf eine wettbewerbliche Ermittlung der Förderhöhe ankommen, so dass in den Kostenkalkulationen mögliche Überrenditen aus den Fördermitteln immer weniger einkalkuliert werden können. Inwiefern die Umstellung auf das künftige Ausschreibungssystem tatsächlich mehr Probleme beheben statt verursachen wird, wird abzuwarten sein. Deutliche Kritik hat bislang insbesondere die Beschränkung des Pilotverfahrens auf PV-Freiflächenanlagen erfahren, da die Eigenart jeder Quelle Erneuerbarer Energien doch stark divergiert und nicht ohne Weiteres auf eine andere Quelle Erneuerbarer Energien übertragen werden kann. 4. Fazit Durch die aktuellen gesetzlichen Neuerungen ist für Betreiber von Anlagen zur Förderung Erneuerbarer Energien sowie stromintensive Industrien ein neuer rechtlicher Rahmen geschaffen worden, innerhalb dessen sich die künftige Förderung regenerativer Energien entwickeln wird. Auf Grund der verschiedenen Übergangsbestimmungen, dem parallelen Anlauf des Pilotverfahrens für PV-Freiflächenanlagen sowie dem nun feststehenden Rückforderungsverfahren für stromintensive Industrien ist für jeden Marktteilnehmer gesondert zu prüfen, welche Änderungen er konkret zu beachten hat. Für Betreiber von Anlagen, die noch nicht in Betrieb genommen sind, bleibt zu prüfen, inwiefern sie von der bereits in Aussicht gestellten Umstellung ab (spätestens) 2017 auf ein Ausschreibungsverfahren betroffen sind. Denn der Schritt hin zu einer marktintegrierten EE-Förderung wird durchgreifende Auswirkungen auf die finanzielle Kalkulation der Betreiber haben. Dr. Carolin Klein _ Rechtsanwältin klein@lutzabel.com 16 Recht Aktuell 01/2015 Lutz Abel Lutz Abel Recht Aktuell 01/2015 17