Wetten und Glückspiel aus europarechtlicher Perspektive



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Transkript:

Entwurf 8. September 2011 Seite 1 Wetten und Glückspiel aus europarechtlicher Perspektive Summary Der EuGH ist im Bereich Glückspiel und Sportwetten außergewöhnlich zurückhaltend und gewährt den Mitgliedstaaten einen im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbereichen ungewöhnlich breiten Ermessensspielraum. Monopole im Bereich Glückspiel und Sportwetten sind gemäß ständiger EuGH- Rechtsprechung europarechtskonform, sofern sie kohärent ausgestaltet sind und dem Ziel der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität dienen. Neben Monopolen akzeptiert der EuGH auch eine Vielzahl anderer Beschränkungen des Glückspiel- und Sportwettenbereichs, etwa Konzessionssysteme und örtliche Beschränkungen. Eine starke Expansionstätigkeit des Monopolisten oder eine inkohärente Ausgestaltung des Monopols kann jedoch die Rechtfertigbarkeit der staatlichen Maßnahme untergraben. Insbesondere untergräbt eine expansive, auf Fiskaleinnahmen orientierte Politik im Bereich der Spielautomaten die Rechtfertigbarkeit von Beschränkungen in anderen Bereichen des Glückspiels (Entscheidung Carmen Media). Dies ist für die österreichische Situation von besonderer Bedeutung. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der EuGH in keinster Weise in Richtung Liberalisierung des Glückspielsektors tendiert, jedoch auf eine kohärente Ausgestaltung abzielt. Autor: MMag. Clemens Kaupa, studierte Rechtswissenschaften und Geschichte an der Universität Wien und an der Harvard Law School und ist Assistent am Institut für Internationales Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Wien

Entwurf 8. September 2011 Seite 2 Inhalt Summary... 1 Inhalt... 2 Entscheidungsübersicht... 3 Überblick über die Rechtslage... 6 Rechtfertigungsgründe... 7 Gerechtfertigte Maßnahmen... 7 Vergabe von Konzessionen... 10 Anbieten von Glückspiel und Sportwetten über das Internet... 11

Entwurf 8. September 2011 Seite 3 Entscheidungsübersicht Entscheidung Sachverhalt Regelung EU konform? Schindler (1994) 1 Lotterie GB erlaubt nur Ja kleine Lotterien zu uneigennützigen Zwecken. Schindler bewirbt Lose der Süddeutschen Klassenlotterie in GB. Läärä (1999) 2 Automaten - finnische Ja Regelung, die nur einer öffentlich- rechtlichen Einrichtung das ausschließliche Recht zum Betrieb von Geldspielautomaten im Inland gewährt Zenatti (1999) 3 Sportwetten Italien ja erlaubt Sportwetten nur für konzessionierte Betriebe. Hr. Zenatti bietet Sportwetten mit britischem Buchmacher an. Anomar (2003) 4 Automaten - Veranstaltung ja von Glückspielen und die Teilnahme an diesen auf Kasinos beschränkt; und diese sind in Portugal monopolisiert Gambelli (2003) 5 Sportwetten Internet ja italienische Konzessionspflicht für Sportwetten; Italienische Anbieter bieten Teilnahme an britischen Sportwetten an; einzige Konzession geht Grund Beschränkung ist gerechtfertigt, da es der Betrugsbekämpfung und der Sozialpolitik dient Beschränkung ist gerechtfertigt, da es der Betrugsbekämpfung und der Sozialpolitik dient Beschränkung dient Sozialpolitik und der Verhinderung schädlicher Wirkungen solcher Aktivitäten 1 EuGH vom 24. März 1994, C- 275/92 (Schindler). 2 EuGH vom 21. September 1999, C- 124/97 (Läärä). 3 EuGH vom 21. Oktober 1999, C- 67/98 (Zenatti). 4 EuGH vom 11. September 2003, C- 6/01 (Anomar). 5 EuGH vom 6. November 2003, C- 243/01 (Gambelli).

Entwurf 8. September 2011 Seite 4 Lindman (2003) 6 Placanica (2007) 7 Kommission/Italien Wettkonzessionen (2007) 8 Kommission/Spanien Spanische Lotterien (2009) 9 Liga Portuguesa Bwin (2010) 10 Ladbrokes (2010) 11 Sporting Exchange (2010) 12 an Monopolisten Lotterie; Gewinne aus finnischen Lotterien werden nicht versteuert, jene aus ausländischen Lotterien schon. Sportwetten; Konzessionen in Italien sind zahlenmäßig begrenzt; Aktiengesellschaften sind ausgeschlossen Sportwetten; Konzessionen werden ohne Ausschreibungsverfahren verlängert Lotterie; Steuerbefreiungen nur für die staatliche Lotterien sowie die Glückspiele des Roten Kreuzes und des Blindenverbandes Sportwetten; Wettmonopol in Portugal, Bwin hat Sitz in Gibraltar und bietet Sportwetten in Portugal an; Bwin wird mit Bußgeld belegt Sportwetten; Wettmonopol in den NL, Anbieten über das Internet Sportwetten; Gemeinnützige Organisation hat Monopol auf Internetwetten in NL Nein Eher nein Nein Nein Ja Ja Ja Der Steuervorteil ist nicht zweckmäßig, im Kampf gegen Spielsucht und Kriminalität Zahlenmäßige Konzessions- beschränkungen sind im Prinzip rechtfertigbar; die Rechtsformbe- schränkung dient nicht der Zielerreichung. Schützt die bestehenden Konzessions- inhaberinnen Die Maßnahme ist nicht sachgemäß zur Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität Maßnahme dient der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität Maßnahme dient der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität Maßnahme dient der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität 6 EuGH vom 13. November 2003, C- 42/02 (Lindman). 7 EuGH vom 6. März 2007, C- 338/04 (Placanica). 8 EuGH vom 13. September 2007, C- 260/04 (Kommission/Italien Wettkonzessionen). 9 EuGH vom 6. Oktober 2009, C- 153/08 (Kommission/Spanien Spanische Lotterien). 10 EuGH vom 8. September 2009, C- 42/07 (Liga Portuguesa Bwin). 11 EuGH vom 3. Juni 2010, C- 258/08 (Ladbrokes). 12 EuGH vom 3. Juni 2010, C- 203/08 (Sporting Exchange).

Entwurf 8. September 2011 Seite 5 Sjöberg (2010) 13 Sportwetten; Zeitschrift bewirbt ausländische Glückspielanbieter; obwohl dies verboten ist; Strafe für inländische illegale Anbieter ist niedriger als für ausländische. Sportwetten; Verbot von Internetanbietern die nur eine ausländische Lizenz haben; jedoch Expansion des Glückspiels Ja nein Das Werbeverbot ist rechtfertigbar, der Strafunterschied nicht. Carmen Media (2010) 14 Eher ja Das Monopol ist gem. ständiger Rsp. Rechtfertigbar; jedoch kann eine starke Expansion die Rechtfertigungs- gründe untergraben Stoß (2010) 15 Sportwetten; Monopol; Stoß Eher ja Maßnahme dient u.a. nehmen in Dt. Wetten der Bekämpfung entgegen und leiten sie von Spielsucht und online an Anbieter u.a. in Ö Kriminalität, jedoch weiter; dafür wurde kann die Tatsache, Bußgeld verhängt. dass ein Monopolist zum wetten ermuntert, diese Rechtfertigung untergraben Engelmann (2010) 16 Kasinos; alle 12 Nein Rechtsform- Pflicht österreichischen ist rechtfertigbar; Kasinolizenzen wurden inländischer Sitz ohne Ausschreibung an der Konzessionäre Casinos Austria vergeben; ist nicht Rechtsform AG ist rechtfertigbar; eine verpflichtend zahlenmäßige Beschränkung der Konzessionen ist rechtfertigbar; Konzessionsdauer 15 Jahre ist rechtfertigbar; Ausschreibungslose Konzessionsvergabe nicht rechtfertigbar. Zeturf (2011) 17 Pferdewetten; Wettmonopol Ja Maßnahme dient 13 EuGH vom 8. Juli 2010, verb. Rs. C- 447/08 und C- 448/08 (Sjöberg). 14 EuGH vom 8. September 2010, C- 46/08 (Carmen Media). 15 EuGH vom 8. September 2010, C 316/07 (Stoß). 16 EuGH vom 9. September 2010, C- 64/08 (Engelmann).

Entwurf 8. September 2011 Seite 6 in Frankreich der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität Überblick über die Rechtslage Die Durchführung von Lotterien, Sportwetten, und anderen Glückspielen (inklusive Spielautomaten) stellt eine Dienstleistung im Sinne des AEUV dar. 18. Die Dienstleistungsrichtlinie ist aufgrund einer Ausnahmebestimmung nicht anwendbar. 19 Nationale Maßnahmen wie Nutzungsbeschränkungen, Konzessionierungsverfahren, Monopole oder Verbote stellen Beschränkungen isd EuGH- Rechtsprechung dar, und müssen daher aus überwiegenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden (siehe unten). Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig zur Erreichung dieses Ziels sein und dürfen nicht darüber hinausgehen. Die Dienstleistungsfreiheit des Art 56 AEUV ist die einschlägige Marktfreiheit. Zusätzlich kann noch die Warenverkehrsfreiheit (Handel mit Spielautomaten, etwa in der Entscheidung Läärä) oder die Niederlassungsfreiheit betroffen sein. Der EuGH ist im Bereich Glückspiel und Sportwetten außergewöhnlich zurückhaltend, und gewährt den Mitgliedstaaten einen im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbereichen ungewöhnlich breiten Ermessensspielraum. Der EuGH sieht Glückspiele und Sportwetten als ein moralisch- sittlich aufgeladenes Thema, welches das Gericht als Prärogative der Mitgliedstaaten versteht ( nach Maßgabe der soziokulturellen Besonderheiten jedes Mitgliedstaats 20 ). Von Beschränkungen, Reglementierungen, über Konzessionierungsverfahren, Monopole bis hin zu vollständigen Verboten akzeptiert der EuGH im Wesentlichen jegliche nationale Regelung, soweit diese kohärent ausgestaltet ist 17 EuGH vom 30. Juni 2011, C- 212/08 (Zeturf). 18 Schindler, Rn. 25. 19 Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376, Art 2, Abs 2, lit h. 20 Schindler, Rn. 61.

Entwurf 8. September 2011 Seite 7 und dem Ziel der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität dienen. In seinen jüngeren Entscheidungen hat der EuGH die Anforderungen an nationale Monopolsysteme verschärft, so dass diese auch tatsächlich der Erreichung dieser Ziele dienen müssen, um rechtfertigbar zu bleiben. Die Frage, ob Glückspiel oder Sportwetten in anderen Staaten zugelassen sind ist irrelevant. 21 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der EuGH in keinster Weise in Richtung Liberalisierung des Glückspielsektors tendiert. Rechtfertigungsgründe Damit eine nationale Maßnahme keinen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit darstellt, muss sie aus überwiegenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Der EuGH hat im Bereich des Glückspiels und der Sportwetten folgende Rechtfertigungsgründe anerkannt: Spiellust/Spielsucht in geordnete Bahnen lenken Gründe der Sozialpolitik : Verhinderung der schädlichen persönlichen und sozialen Folgen von Glückspiel Verhinderung von Betrug und anderen Straftaten Nicht als Rechtfertigungsgrund anerkennt der EuGH den budgetären Aspekt von Glückspiel und Sportwetten. Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten am Glückspiel oder an einer bestimmten Organisationsform des Glückspiels verdienen rechtfertigt noch keine diskriminierende oder beschränkende Regelung. 22 Gerechtfertigte Maßnahmen 21 Anomar, Rn. 81: Auf die achte Vorabentscheidungsfrage ist daher zu antworten, dass der Umstand, dass es eventuell in anderen Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Voraussetzungen der Veranstaltung von und der Teilnahme an Glücksspielen gibt, die weniger einschränkend als die in den portugiesischen Rechtsvorschriften vorgesehenen sind, für die Vereinbarkeit Letzterer mit dem Gemeinschaftsrecht unerheblich ist. 22 Siehe etwa Schindler, Rn. 60-61.

Entwurf 8. September 2011 Seite 8 Folgende Maßnahmen hat der EuGH u.a. für gerechtfertigt befunden: Kasinomonopol (Anomar) Sportwettenmonopol (Gambelli) Automatenmonopol (Läärä) Konzessionssysteme (Placanica) Beschränkung auf bestimmte Lokalitäten (Anomar) Zur Verhinderung von Spielsucht und Kriminalität müssen Staaten nicht notwendigerweise zum Verbot greifen. Auch ein öffentliches Monopol kann diesem Zweck dienen. So erklärt der EuGH etwa in Läärä: Eine begrenzte Erlaubnis dieser Spiele im Rahmen eines Ausschließlichkeitsrechts, die den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebs im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus ergebenden Gewinne zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden, dient auch der Verwirklichung dieser Ziele. 23 Und in Zeturf: Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Niveau des Verbraucherschutzes im Glücksspielsektor zu gewährleisten, kann Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit diesem Sektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen. 24 23 Läärä, Rn. 37. 24 EuGH vom 30. Juni 2011, C- 212/08 (Zeturf), Rn 72.

Entwurf 8. September 2011 Seite 9 Ein Monopol kann also ein taugliches Mittel zur Erreichung dieser Ziele darstellen. Staaten können zwar stattdessen mit Auflagen arbeiten, müssen aber nicht, wie der EuGH etwa in Läärä feststellt: Was die Frage betrifft, ob es zur Erreichung dieser Ziele besser wäre, eine Regelung mit den erforderlichen Auflagen für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zu erlassen, statt einer zugelassenen öffentlich- rechtlichen Vereinigung ein ausschließliches Betriebsrecht zu gewähren, so liegt diese Entscheidung im Ermessen der Mitgliedstaaten, allerdings unter dem Vorbehalt, daß sie im Hinblick auf das angestrebte Ziel nicht unverhältnismässig erscheint. 25 Sogar die Bewerbung und die Ausweitung von Glückspiel kann laut EuGH im Rahmen einer präventiven Zielsetzung sinnvoll sein, wie der EuGH etwa in Placanica erklärt: Eine Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor kann dabei ohne weiteres mit dem Ziel in Einklang stehen, Spieler, die als solchen verbotenen Tätigkeiten geheimer Spiele oder Wetten nachgehen, dazu zu veranlassen, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Wie insbesondere die belgische und die französische Regierung zutreffend ausgeführt haben, ist es zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, dass die zugelassenen Betreiber eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann. 26 Insgesamt müssen jedoch diese Maßnahmen dazu beitragen (...), die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. 27 Nur wenn die staatlichen Monopole eine Politik betreiben oder dulden, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, so dass das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das 25 Läärä, Rn. 39. 26 Placanica, Rn. 55. 27 Stoß, Rn. 88.

Entwurf 8. September 2011 Seite 10 Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, so ist die Beschränkung nicht mehr rechtfertigungsfähig. 28 Eine starke Expansionspolitik von Glückspiel kann die Rechtfertigbarkeit von beschränkenden Maßnahmen untergraben. Paradigmatisch ist hier die Entscheidung Carmen Media: hier fallen Spielautomaten die ein höheres Suchtpotential haben nicht unter das Monopol. Die deutschen Behörden betreiben eine Politik der Angebotserweiterung, um die Einnahmen zu maximieren. Damit, so der EuGH, wird die Rechtfertigbarkeit des Monopols untergraben, da es ja auf eine Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität abzielen muss, jedoch in dieser Form nicht mehr als kohärent bezeichnet werden kann. Vergabe von Konzessionen Der EuGH sieht, wie eben gezeigt, die Beschränkung von Glückspiel und Sportwetten auf einen Monopolisten oder wenige Konzessionäre als rechtfertigbar an. Die Verfahren der Vergabe der Konzessionen müssen jedoch so gestaltet sein, dass sie zu keiner Diskriminierung oder Beschränkung ausländischer InteressentInnen führt. 29 Der EuGH hat jüngst in Sporting Exchange erklärt, dass auch eine ausschreibungslose Verlängerung einer Konzession oder eines Monopols rechtfertigbar sein kann, wobei dabei dennoch einem Transparenzgebot entsprochen werden muss: Allerdings könnten die Beschränkungen der in Art. 49 EG verankerten Grundfreiheit, die sich speziell aus den Verfahren zur Erteilung und zur Verlängerung der Zulassung eines einzigen Veranstalters wie denen des Ausgangsverfahrens ergeben, als gerechtfertigt angesehen werden, wenn der betreffende Mitgliedstaat beschlösse, die Zulassung einem öffentlichen Veranstalter, der hinsichtlich seiner Leitung unmittelbarer staatlicher Aufsicht untersteht, oder einem privaten Veranstalter, dessen 28 Stoß, Rn. 106. 29 Siehe etwa Placanica, Rn. 63; Gambelli, Rn. 70 und 71.

Entwurf 8. September 2011 Seite 11 Tätigkeiten die Behörden genau überwachen können, zu erteilen oder sie zu verlängern (...) In diesen Fällen würde die Verleihung oder die Verlängerung von Ausschließlichkeitsrechten für die Veranstaltung von Glücksspielen zugunsten eines solchen Veranstalters ohne jedes Ausschreibungsverfahren im Hinblick auf die mit der Wok verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig erscheinen. 30 Das Transparenzgebot schreibt nicht zwangsläufig eine Ausschreibung vor, verpflichtet jedoch die konzessionserteilende Stelle, zugunsten der potenziellen Konzessionsnehmer einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der eine Öffnung der Dienstleistungskonzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind. 31 Eine völlig transparenzlose Vergabe ohne Ausschreibung wie etwa in der Entscheidung Engelmann zur Vergabe der Kasinokonzessionen in Österreich ist somit europarechtswidrig. Wie Leidenmühler feststellt, ist der österreichische Glückspielbereich äußerst inkohärent gestaltet, da verschiedene Glückspiele und Sportwetten völlig unterschiedlich reguliert werden. 32 Anbieten von Glückspiel und Sportwetten über das Internet Das Anbieten von Glückspiel und Sportwetten über das Internet unterscheidet sich in keiner Weise von der oben ausgeführten Rechtslage. Selbst wenn ein Anbieter seinen Sitz in einem Staat hat, in dem es legal Glückspiel und Sportwetten anbieten kann (etwa weil er Inhaber einer Konzession ist), so ist die Rechtslage des Ziellandes, in dem die Leistung angeboten wird, ausschlaggebend. 33 Ein Verbot, eine Beschränkung, ein Monopol oder ein Konzessionierungssystem gilt daher auch im Online- Bereich. 34 30 Sporting Exchange, Rn. 59-60. 31 Sporting Exchange, Rn. 41. 32 Leidenmühler, Das Engelmann - Urteil des EuGH Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, in MR 2010, 247. 33 Liga Portuguesa Bwin, Rn. 73. 34 Siehe Liga Portuguesa Bwin, Ladbrokaes, Sporting Exchange.

Entwurf 8. September 2011 Seite 12