Differentialgeometrie

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Skriptum Differentialgeometrie mit Professor T. Grundhöfer Würzburg, 2001 c by M E

ii

Vorwort: To be or not to be So, noch eine kleine Bemerkung vorneweg: Für Hinweise auf Fehler, Verbesserungsvorschläge, mögliche Ergänzungen und ähnliches wäre ich sehr dankbar. Solche Dinge können mir jederzeit per Telefon (0931/8041200), e-mail (phuck@web.de) oder auf normalem Postweg (Zeppelinstrasse 56a, 97074 Würzburg) mitgeteilt werden. Die jeweils aktuellste Version dieses Dokuments gibt es auf meiner Festplatte, also einfach mal melden. Alternativ hilft vielleicht auch ein Blick unter: http://www.lohnt-nicht.de/studium/index.html Marcel Schuster Version: 0.27 Last typeset: 28. Juli 2004 Copyright (c) 2001-2004 by Marcel Schuster. This material may be distributed only subject to the terms and conditions set forth in the Open Publication License, v1.0 or later (the latest version is presently available at http://www.opencontent.org/openpub/). Distribution of the work or derivative of the work in any standard (paper) book form is prohibited unless prior permission is obtained from the copyright holder. iii

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Inhaltsverzeichnis I Kurventheorie 3 1 Kurven im R n....................................... 3 1.1 Definition..................................... 3 1.2 Beispiele...................................... 3 1.3 Definition (Umparametrisierung, Kurve).................... 4 1.4 Definition (Länge)................................ 4 1.5 Satz........................................ 5 1.6 Bemerkung.................................... 6 1.7 Parametrisierung nach der Bogenlänge..................... 6 1.8 Satz........................................ 6 1.9 Satz........................................ 7 1.10 Definition..................................... 8 1.11 Satz (Frenet-Gleichungen)............................ 8 1.12 Korollar...................................... 9 1.13 Hauptsatz der lokalen Kurventheorie...................... 9 1.14 Korollar...................................... 10 2 Ebene Kurven....................................... 11 2.1 Begleitendes 2-Bein und Krümmung...................... 11 2.2 Satz (Kennzeichnung von Kreis und Gerade)................. 12 2.3 Interpretationen der Krümmung........................ 12 2.4 Rekonstruktion einer ebenen Kurve aus ihrer Krümmung.......... 13 3 Raumkurven....................................... 14 3.1 Erinnerung an das Kreuzprodukt........................ 14 3.2 Frenet-Kurven in R 3............................... 15 3.3 Lokale Normaldarstellung von Raumkurven.................. 16 3.4 Sätzchen...................................... 17 3.5 Randbemerkung................................. 18 3.6 Die Schmiegschraubenlinie............................ 18 3.7 Satz (über Böschungslinien)........................... 18 3.8 Definition (Berühren zwischen Kurve und Kugel)............... 19 3.9 Satz (Schmiegkugeln und sphärische Kurven)................. 19 4 Aus der globalen Kurventheorie............................. 21 4.1 Definition..................................... 21 4.2 Definition..................................... 21 4.3 Vierscheitelsatz (Mukhopadhyaya 1909).................... 22 4.4 Bemerkungen................................... 23 4.5 Satz (Isoperimetrische Ungleichung)...................... 23 4.6 Ovale und Kurven konstanter Breite...................... 25 4.7 Satz von Barbier (1860)............................. 25 4.8 Beispiele von Kurven konstanter Breite.................... 25 4.9 Umlaufzahl und Totalkrümmung........................ 26 4.10 Totalkrümmung von Raumkurven....................... 27 v

4.11 Bemerkung über affine Differentialgeometrie.................. 28 II Lokale Flächentheorie 31 5 Flächenstücke....................................... 31 5.1 Aus der Analysis................................. 31 5.2 Definition (Flächenstück)............................ 31 5.3 Definition..................................... 32 5.4 Beispiele:..................................... 32 5.5 Definition: Tangentialräume........................... 34 5.6 Lemma...................................... 34 5.7 Lemma...................................... 35 5.8 Erinnerung an Bilinearformen.......................... 35 5.9 Definition (1. Fundamentalform)........................ 35 5.10 Beispiel von 1. Fundamentalformen....................... 36 5.11 Bedeutung der 1. Fundamentalform (für Kurvenlänge und Flächeninhalt). 36 5.12 Definition..................................... 37 5.13 Lemma...................................... 37 5.14 Beispiel (Zylinder und Ebene).......................... 37 6 Hyperflächenstücke und ihre Krümmungen....................... 38 6.1 Vektorprodukt.................................. 38 6.2 Definition (Gauß-Abbildung).......................... 38 6.3 Definition (Weingarten-Abbildung, Formoperator).............. 38 6.4 Lemma...................................... 38 6.5 Definition (Krümmungen)............................ 39 6.6 Satz........................................ 40 6.7 Weitere Fundamentalformen........................... 40 6.8 Zur Berechnung der Weingarten Abbildung L a................ 41 6.9 Randbemerkung................................. 41 6.10 Definition (Spezielle Kurven auf Hyperflächenstücken)............ 41 7 Flächenstücke im R 3................................... 42 7.1 Formelsammlung................................. 42 7.2 Definition..................................... 42 7.3 Typen von Punkten in Monge-Koordinaten.................. 43 7.4 Beispiele...................................... 43 7.5 Spezielle Flächentypen.............................. 44 7.6 Lemma (Gauß).................................. 45 7.7 Korollar (Theorema egregium von Gauß)................... 46 8 Der Hauptsatz der lokalen Flächentheorie....................... 46 8.1.......................................... 46 8.2 Korollar...................................... 47 8.3 Hauptsatz der lokalen Hyperflächentheorie (Bonnet 1867).......... 47 8.4 Bemerkungen................................... 47 III (Zufällig) Ausgewählte Übungsaufgaben 49 1 Aufgabe 8......................................... 49 1.1 Lösung...................................... 49 2 Aufgabe 10........................................ 49 2.1 Lösung...................................... 49 3 Aufgabe 12........................................ 49 3.1 Lösung...................................... 50 4 Aufgabe 19........................................ 50 4.1 Lösung...................................... 50 5 Aufgabe 26........................................ 50 5.1 Lösung...................................... 50 vi

6 Aufgabe 28........................................ 50 6.1 Lösung...................................... 50 7 Aufgabe 34........................................ 50 7.1 Lösung...................................... 50 8 Aufgabe 35........................................ 50 8.1 Lösung...................................... 51 vii

viii

1 Notation im R n Wir fassen R n als euklidischen Vektorraum auf: Für x, y R n sei x, y = n i=1 x iy i das euklidische Skalarprodukt, und x = x, x die euklidische Norm. Eine Abbildung f : R R n heißt (stetig) differenzierbar, falls jede der n Koordinatenfunktionen f 1,..., f n von f (stetig) differenzierbar ist (diese sind Abbildungen f i : R R). Für die Ableitung schreiben wir f(t) = d dt f(t) = ( f 1(t),..., f n(t) ) ) 1 = lim h 0 h( f(t + h) f(t) R n, das heißt wir differenzieren koordinatenweise. Eine stetig differenzierbare Abbildung wird oft als C 1 -Abbildung bezeichnet, und eine beliebig oft differenzierbare Abbildung heißt glatt (oder C, manchmal auch nur differenzierbar ).

2

Kapitel I Kurventheorie 1 Kurven im R n Topologischer Kurvenbegriff: Eine Kurve in einem topologischen Raum X ist eine stetige Abbildung c: I X, wobei I R ein Intervall ist. Dies ist ein relativ schwacher Begriff, es treten Pathologien auf, zum Beispiel raumfüllende Kurven, das heißt stetige Surjektionen c: [0, 1] [0, 1] n für alle n > 1, vergleiche H. Sagan, Space-Filling Curves, Springer 1994. Für die Differentialgeometrie benötigen wir eine stärkere Forderung, nämlich 1.1 Definition Eine parametrisierte Kurve in R n ist eine stetig differenzierbare Abbildung c: I R n, wobei I R ein Intervall ist. Man nennt c regulär, falls der Tangentenvektor (Geschwindigkeitsvektor) ċ(t) nirgends verschwindet, das heißt ċ(t) 0 für alle t I. Bemerkung: Manche Leute verlangen, dass c glatt ist. Die Differenzierbarkeit von c besagt, dass c sich an jeder Stelle linear approximieren lässt. Die Regularität besagt, dass die Bildmenge c(i) sich in jedem Punkt c(t) durch eine Gerade approximieren lässt, nämlich durch die Tangente c(t) + Rċ(t). Manchmal lässt man nur offene Intervalle zu a... 1.2 Beispiele (i) Ebene Kurven (mit einem beliebigen Intervall I) c(t) = (at, bt): Gerade durch den Nullpunkt (0, 0), mit a, b R fest. c(t) = (at 3, bt 3 ): gleiche Gerade. Diese ist aber nicht regulär bei t = 0. c(t) = (t, t 2 ): Parabel c(t) = (t 2, t 3 ): Neilsche (semikubische) Parabel. Sie ist nicht regulär bei t = 0. c(t) = (cos t, sin t): Einheitskreis c(t) = ( cos t, sin(2t) ) : eine Lissajous-Figur 1-1 0 1-1 a Grund: Die Definition von Differenzierbarkeit in nicht-offenen Intervallen ist etwas problematisch. 3

4 KAPITEL I. KURVENTHEORIE c(t) = (e t cos t, e t sin t): logarithmische Spirale y x (ii) Raumkurven c(t) = (cos t, sin t, t): Schraubenlinie z x y c(t) = (at + b, a t + b, a t + b ), wobei a, b, a, b, a, b R fest: Gerade (iii) Allgemein im R n : c(t) = a + tb: Gerade, wobei a, b R n, b 0 c(t) = (t, t 2, t 3,..., t n ): rationale Normkurve 1.3 Definition (Umparametrisierung, Kurve) Eine Parametertransformation zwischen zwei parametrisierten Kurven c: I R n und d: J R n ist eine stetig differenzierbare Bijektion ϕ: I J mit c = d ϕ und ϕ (t) > 0 für alle t I. Man nennt c und d äquivalent, falls eine solche Paramtertransformation ϕ existiert. Eine (reguläre) Kurve γ ist eine Äquivalenzklasse von (regulär) parametrisierten Kurven c, und man nennt c eine Parametrisierung von γ. Kommentare: Für stetig differenzierbare Bijektionen ϕ mit differenzierbarer Umkehrung ϕ 1 gilt nach der Kettenregel (ϕ 1 ) (ϕ(t)) ϕ (t) = 1, also ϕ (t) 0 für alle t. Also ist stets ϕ > 0 (das heißt ϕ monoton steigend), oder ϕ < 0 (das heißt ϕ monoton fallend, verboten). Der Satz über die Umkehrabbildung liefert, dass auch ϕ 1 stetig differenzierbar ist, also auch eine Parametertransformation. Die Transitivität gilt auch, also hat man eine Äquivalenzrelation. (Eine Parametertransformation beschreibt sozusagen das Durchlaufen der Kurve mit verschiedenen Geschwindigkeiten.) Aufgabe der Kurventheorie: Studiere Eigenschaften von Kurven als Äquivalenzklassen, das heißt Eigenschaften von parametrisierten Kurven, die sich nicht ändern (invariant sind) bei Parametertransformation. Erstes Beispiel: 1.4 Definition (Länge) Für eine Kurve γ mit Parametrisierung c: I R n definieren wir die Länge (auch Bogenlänge) durch L(γ) = L(c) = sup { k 1 } c(t i+1 ) c(t i ) : k N, t 1 < t 2 < < t k und alle t i I R {+ }. i=1

1. KURVEN IM R N 5 Die Länge L(γ) ist wohldefiniert, das heißt L(γ) = L(c) für jede Parametrisierung c von γ, weil die Menge aller einbeschriebenen Polygone ( c(t 1 ),..., c(t n ) ) nur vom Bild c(i) und damit von der Äquivalenzklasse γ abhängt. 1.5 Satz Für jede parametrisierte Kurve c: I R n gilt L(c) = ċ(t) dt. Konvention: Für unbeschränkte I ist I = sup n N I I [ n,n]. Beweis 1 Es genügt die Behauptung für kompakte Intervalle [a, b] zu beweisen, wegen L(c) = sup{l(c [a,b] ) [a, b] I} und I = sup { b a [a, b] I }. Sei daher jetzt I = [a, b] kompakt. Sei ɛ > 0. Nach Definition des Integrals (mit Hilfe von Riemann-Summen) existiert ein δ > 0, so dass für alle Zerlegungen a = t 1 < t 2 < < t k = b von [a, b] mit t i+1 t i < δ gilt b k 1 (I.1) ċ(t) dt ċ(t i+1 ) (t i+1 t i ) ɛ. a i=1 Weil ċ auf dem kompakten Intervall [a, b] gleichmäßig stetig ist, gilt auch ċ(t) ċ(t i+1 ) ɛ für alle t [t i, t i+1 ] (eventuell durch Verkleinern von δ). Für jedes i {1, 2,..., k 1} und jede Koordinate j {1, 2,..., n} gilt nach dem Mittelwertsatz c j (t i+1 ) c j (t i ) = ċ j (τ i,j )(t i+1 t i ) mit einem geeigneten τ i,j [t i, t i+1 ], das wir schnell wieder loswerden: ċ 1(τ i,1) ċ 2(τ i,2) ċ(t. i+1 ) (t i+1 t i ) ċ n(τ i,n) ċ 1(τ i,1) ċ(τ i,2) ċ(t i+1 ) (t i+1 t i ). ċ n(τ i,n) n = (ċ j (τ i,j ) ċ j (t i+1 )) 2 (t i+1 t i ) nɛ 2 (t i+1 t i ) c(ti+1 ) c(t i ) ċ(t i+1 ) (t i+1 t i ) = j=1 für jedes i. Summation über i (und Dreiecksungleichung) liefert: k 1 k 1 k 1 c(t i+1 ) c(t i ) ċ(t i+1 ) (t i+1 t i ) c(t i+1 c(t i ) ċ(t i+1 )(t i+1 t i ) i=1 i=1 i=1 k 1 nɛ (t i+1 t) = nɛ(b a). i=1 Mit der früheren Abschätzung mit dem Integral (I.1) erhält man k 1 b c(t i+1 ) c(t i ) ċ(t) nɛ(b a) + ɛ i=1 a für alle Zerlegungen t 1,..., t k mit t i+1 t i < δ. Bei der Bildung von L(c) = sup{ } wie in 1.4 darf man sich auf solche Zerlegungen beschränken (weil beim Einfügen von Zwischenpunkten die Länge eines Polygonzugs höchstens vergrößert wird, nach der Dreiecksungleichung). Also gilt: b L(c) ċ(t) dt nɛ(b a) + ɛ a für jedes ɛ > 0, daher L(c) = b ċ(t) dt. a

6 KAPITEL I. KURVENTHEORIE 1.6 Bemerkung Nach 1.4 und 1.5 hat das Integral ċ(t) dt für alle Parametrisierungen I c: I R n einer festen Kurve γ den gleichen Wert; dies kann man auch direkt nachrechnen. Ist c = c ϕ: J R n mit einer Umparametrisierung ϕ: J I, so gilt ċ(t) dt = ċ(ϕ(t)) ϕ (t) dt (nach der Kettenregel) J J = ċ(ϕ(t)) ϕ (t) dt = ċ(t) dt (nach Substitutionsregel). ϕ 1 (I) I Viele Autoren nehmen daher das Integral als Definition der Länge (und ersparen sich dadurch den Beweis von 1.5). 1.7 Parametrisierung nach der Bogenlänge Für jede parametrisierte Kurve c: I R n sind die beiden folgenden Bedingungen äquivalent: (i) Für alle a, b I mit a b gilt L(c [a,b] ) = b a. (ii) Für alle t I gilt ċ(t) = 1. Gilt dies, so heißt c nach der Bogenlänge parametrisiert. Beweis 2 b (ii) (i): L(c [a,b] ) = 1.5 a ċ(t) dt = b 1 dt = b a. a (i) (ii): Wähle a I. Dann gilt für alle t I: ċ(t) = d dt d dt (t a) = 1. t a ċ(τ) dτ = 1.5 d dt L(c [a,t]) = (i) 1.8 Satz Eine Kurve γ hat genau dann eine Parametrisierung nach der Bogenlänge, wenn γ regulär ist. Jede reguläre Kurve hat bis auf Umparametrisierungen der Form t t + const genau eine Parametrisierung nach der Bogenlänge. Beweis 3 Sei γ regulär und c: I R n eine reguläre Parametrisierung von γ. Wähle t 0 I und definiere s: I R durch s(t) = t t 0 ċ(τ) dτ für alle t I; dies ist die Länge von c [t0,t] für t t 0 beziehungsweise die negative Länge von c [t,t0] für t t 0. Laut Hauptsatz der Differentialund Integralrechnung ist s differenzierbar (weil ċ und stetig), und für alle t I gilt s (t) = d t dt t 0 ċ(τ) dτ = ċ(t) > 0 wegen der Regularität. Daher ist s: I s(i) streng monoton steigend, hat also eine Umkehrfunktion ϕ = s 1 : s(i) I. Nach der Kettenregel ist ϕ (t) = 1 s (ϕ(t)) = 1 ċ(ϕ(t)) für alle t I. Daher ist ϕ > 0, das heißt ϕ ist eine Parametertransformation. Für die Umparametrisierung d = c ϕ gilt nach der Kettenregel d(t) = ċ(ϕ(t)) ϕ (t) = ċ(ϕ(t)) ċ(ϕ(t)), also d(t) = 1 für alle t I, das heißt d ist eine Parametrisierung nach der Bogenlänge. Umgekehrt: Hat γ eine Parametrisierung c: I R n nach der Bogenlänge, so gilt nach 1.7, dass ċ(t) = 1 für alle t I, also ċ(t) 0 für alle t I, das heißt γ ist regulär. Zur Eindeutigkeit: Sei ϕ eine Parametertransformation und c und c ϕ beide nach der Bogenlänge parametrisiert. Dann gilt: ċ(t) = 1 und d dt (c ϕ) = 1 für alle t, also 1 = d dt (c ϕ) = ċ(ϕ(t)) ϕ (t) = ċ(ϕ(t)) ϕ (t), das heißt ϕ (t) = 1 für alle t, daher ϕ(t) = t + const wie }{{} =1 behauptet. Die Parametrisierung nach der Bogenlänge einer Kurve γ liefert in der Äquivalenzklasse γ einen im Wesentlichen eindeutigen Repräsentanten. Beispiel 1 Für die Gerade c(t) = (at, bt) gilt ċ(t) = (a, b), daher ist diese Gerade ( genau dann ) nach der Bogenlänge parametrisiert, wenn a 2 + b 2 a = 1. Insbesondere ist t t, b t a 2 +b 2 a 2 +b 2 stets nach der Bogenlänge parametrisiert. Der Kreis t (cos t, sin t) ist nach der Bogenlänge parametrisiert.

1. KURVEN IM R N 7 Kühnel verwendet die folgende Konvention: c(t) für beliebige reguläre Parametrisierungen, c(s) für die Parametrisierung nach der Bogenlänge, ċ = d dt c für den Tangentenvektor, c = d ds c für den Tangenten-Einheitsvektor. Dem wollen wir nicht folgen. Ist die Kurve c: I R n nach der Bogenlänge parametrisiert und 2-mal differenzierbar, so gilt 1 = ċ(t), ċ(t) für alle t I (nach 1.7), also 0 = d ċ(t), ċ(t) = c(t), ċ(t) + ċ(t), c(t) = 2 ċ(t), c(t) dt nach der Produktregel, das heißt der Beschleunigungsvektor c(t) ist immer orthogonal zum Geschwindigkeitsvektor ċ(t). Man kann ċ, c zu einem Orthogonalsystem erweitern. 1.9 Satz Sei c: I R n eine n-mal stetig differenzierbare parametrisierte Kurve, so dass für jedes t I die n 1 Vektoren ċ(t), c(t),..., c (n 1) (t) linear unabhängig sind. Dann existieren eindeutig bestimmte parametrisierte Kurven e i : I R n, 1 i n mit folgenden Eigenschaften: (a) Für jedes t I ist e 1 (t),..., e n (t) ein positiv orientiertes Orthonormalsystem von R n (das heißt e i (t), e j (t) = δ ij und det ( e 1 (t), e 2 (t),..., e n (t) ) > 0). (b) Für jedes t I und jedes k {1, 2,..., n 1} gilt Spann{e 1 (t),..., e k (t)} = Spann{ċ(t), c(t),..., c (k) (t)} sowie e k (t), c (k) (t) > 0. Man bezeichnet die Folge e 1,..., e n als das begleitende n-bein von c. Im Spezialfall n = 2 verlangt 1.9, dass c regulär ist, ist c nach der Bogenlänge parametrisiert, so ist e 1 = ċ und e 2 = ± c(t) c. Beweis 4 Durch Orthogonalisierung nach Gram-Schmidt. Setze e 1 (t) :=, ferner induktiv: ċ ċ(t) für 2 k n 1 und e k (t) = k 1 f k (t) := c (k) (t) c (k) (t), e (t) e j(t) f k(t) f k (t) j=1 j für 2 k n 1. Dabei ist f k(t) 0, wegen c (k) (t) / Spann{ċ(t),..., c (k 1) (t)} = Spann{e 1 (t),..., e k 1 (t)}. Ferner wähle e n (t) in dem (eindimensionalen) orthogonalen Komplement von Spann{e 1 (t),..., e n 1 (t)} so, dass e n (t) = 1 und det ( e 1 (t),..., e n (t) ) > 0 ist. Nach Gram-Schmidt erhält man so ein (positiv orientiertes) Orthonormalsystem, wie in (a) verlangt. Für jedes k < n gilt c (k) (t) = k j=1 c(k) (t), e j (t) e j (t), also f k (t) = c (k) (t), e k (t) e k (t). Daher e k (t), c (k) 1 (t) = f k (t) f k(t), c (k) 1 (t) = f k (t) c(k) (t), e k (t) e k (t), c (k) (t) 1 = f k (t) c(k) (t), e k (t) 2 0, sogar > 0 wegen f k (t) 0. Die Abbildungen e 1,..., e n 1 sind stetig differenzierbar wegen obiger Formel. Die Abbildung e n ist stetig differenzierbar, denn für die Matrix M = ( e 1 (t), e 2 (t),..., e n (t) ) gelten nach (a) die Beziehungen MM tr = I und det M = 1, also M = (M tr ) 1 = (M tr ) kompl, die komplementäre Matrix zu M tr (vgl. Fischer 3.3...), daher sind die Einträge in der letzten Spalte von M, also die Koordinaten von e n, gewisse Determinanten von quadratischen Untermatrizen der rechteckigen Matrix ( e 1 (t),..., e n 1 (t) ), also polynomiale Funktionen der Koordinaten von e 1,..., e n 1, und daher stetig differenzierbar.

8 KAPITEL I. KURVENTHEORIE Zur Eindeutigkeit: Seien e 1,..., e n weitere Abbildungen von I in R n mit (a) und (b). Aus (b) folgt mit k = 1, dass e 1 (t) = ċ(t) ċ(t) = e 1(t) für alle t I, also e 1 = e 1. Induktiv liefert (b) dann e k = e k für 1 k n. Teil (a) liefert dann e n = e n. Die Menge aller (positiv orientierten) Orthonormalsysteme von R n, aufgefasst als (n n)- Matrizen, ist die orthogonale Gruppe O n R (bzw. SO n R). Nach 1.9 liefert jede Kurve c im R n eine Kurve t ( e 1 (t),..., e n (t) ) in dieser orthogonalen Gruppe SO n R. 1.10 Definition Eine parametrisierte Kurve c: I R n heißt Frenet-Kurve im R n, falls gilt: (i) c ist n-mal stetig differenzierbar (ii) für jedes t I ist ċ(t),..., c (n 1) (t) linear unabhängig. Bemerkung über Schmiegeräume Ist c: R n hinreichend oft differenzierbar, so bezeichnet man den affinen Teilraum c(t) + Spann{ċ(t), c(t),..., c (k) (t)} als den k-ten Schmiegraum von c in t (für k = 1: Tangente). In 1.10(ii) wird verlangt, dass der k-te Schmiegraum für k n 1 immer (für alle t I) nicht degeneriert ist, das heißt die maximale Dimension k hat. Eine Gerade in R n ist nur für n 2 eine Frenet-Kurve. Zur Vereinfachung der Notation sei 0 ein innerer Punkt von I. Dann liefert die Taylorentwicklung (für jede Koordinate von c) die Darstellung c(t) = c(0) + tċ(0) + t2 2 c(0) + t3 6... c (0) +... Abbrechen nach k + 1 Summanden liefert eine polynomiale Kurve vom Grad k im k-ten Schmiegraum (k = 1: Tangente, k = 2: sogenannte Schmiegparabel), welche die gegebene Kurve c von der Ordnung k berührt (das heißt mit c den Wert bei t = 0 und alle Ableitungen bis zur Ordnung k gemeinsam hat). 1.11 Satz (Frenet-Gleichungen) Sei c: I R n eine Frenet-Kurve in R n mit begleitendem n-bein e 1,..., e n wie in 1.9. Dann gelten mit den Funktionen ω i : I R, ω i (t) = ė i (t), e i+1 (t) für 1 i n 1 die sogenannten Frenet-Gleichungen: ė 1 e 1 ė 2 0 ω 1 0 ω 1 0 ω 2 0 e 2. 0 ω 2 0 ω 3 0. =.. 0 0 ω..... 3.. ω n 1. ω n 1 0 ė n e n Die Funktion κ i : I R, κ i (t) = ωi(t) ċ(t) heißt die i-te Frenet-Krümmung (und ist (n 1 i)-mal stetig differenzierbar, für i < n. Für 1 i n 2 gilt κ i > 0. Die obige Matrixschreibweise ist symbolisch zu verstehen, für n Gleichungen zwischen Vektoren (oder ω i als ω i I n interpretieren), und man muss überall ein Argument t I einsetzen, also ė 1 (t) = ω 1 e 2 (t), ė 2 (t) = ω 1 (t)e 1 (t) + ω 2 (t)e 3 (t), ė 3 (t) = ω 2 (t)e 2 (t) + ω 3 (t)e 4 (t),..., ė n (t) = ω n 1 (t)e n 1 (t). Ist c nach der Bogenlänge parametrisiert, so gilt κ i = ω i = ė i, e i+1 für 1 i n 1. Die letzte Frenet-Krümmung wird auch als Torsion bezeichnet.

1. KURVEN IM R N 9 Beweis 5 Zunächst eine Erinnerung an die lineare Algebra: ist b 1,..., b n eine Orthonormalbasis von R n, so gilt x = n j=1 x, b j b j für jedes x R n. Insbesondere gilt daher ė i (t) = n j=1 ė i(t), e j (t) e j (t) für jedes t I, 1 i n. Ab jetzt unterdrücken wir den Parameter t I. Wegen e i Spann{ċ, c,..., c (i) } für i < n folgt mit der Produktregel (die Koeffizienten können von t abhängen), dass ė i Spann{ċ, c,..., c (i+1) } = Spann{e 1,..., e i+1 }, also ė i, e j = 0 für j > i + 1. Weil e i, e j = δ ij unabhängig von t ist, folgt 0 = d dt e i, e j = ė i, e j + e i, ė j, also die Schiefsymmetrie ė i, e j = ė j, e i für alle i, j, insbesondere ė i, e i = 0 für alle i. Wegen ė i, e j = 0 für j > i + 1 folgt auch ė i, e i+1 = 0 für j < i 1. Mit der Definition ω i = ė i, e i+1 liefert dies bereits die Frenet-Gleichungen. Nach den Formeln für e i, i n 1, in 1.9 ist e i mindestens (n i)-mal stetig differenzierbar, daher sind ė i, ω i, κ i noch (n i 1)-mal stetig differenzierbar. Jetzt zeigen wir κ i > 0, das heißt ω i > 0 für 1 i n 2. Es gilt e i = 1 f i c(i) + j<i e j = 1 f i c(i) + j<i c(j), also ė i = 1 f i c(i+1) + c (j), daher j i }{{} Spann{e 1,...,e i}, orthogonal zu e i+1 ė i, e i+1 = 1 f i c(i+1), e i+1 = 1 f i c(i+1), e i+1 > 0 nach 1.9. Zur Interpretation von κ n 1 und e n : 1.12 Korollar Sei n 2 (wie immer) und c: I R n eine Frenetkurve mit begleitendem n-bein e 1,..., e n und Frenet-Krümmungen κ 1,..., κ n 1. Dann sind äquivalent: (i) Das Bild c(i) ist in einer affinen Hyperebene enthalten (welche dann auf e n senkrecht steht). (ii) Die Funktion e n (t) ist konstant. (iii) Es gilt κ n 1 0. Beweis 6 Nach 1.11 ist ė n = ω n 1 e n 1 = κ n 1 ċ e n 1, und daher ist (ii) (iii). Ist e n konstant, also ė n = 0, so folgt d dt c, e n = ċ, e n + c, ė n = ċ, e n = 0, da ċ Re 1 orthogonal zu e n nach Definition der e i (wegen n 2). Also hat c, e n einen konstanten Wert r R, das heißt c(i) {x R n x, e n = r} = c(t 0 ) + e n für jedes t 0 I; dies ist eine affine Hyperebene senkrecht zu e n. Ist umgekehrt c(i) a + U für einen Vektor a R n und einen Unterraum U von R n der Dimension n 1, so folgt ċ(t) U für jedes t I (wegen ċ(t) = lim ), und dann weiter c (i) (t) U für alle i < n, t I, also Spann{ċ,..., c (n 1) } U. Aus Dimensionsgründen folgt sogar Gleichheit. Daher ist Spann{e 1,..., e n 1 } = Spann{ċ,..., c (n 1) } = U konstant in t, also auch e n (wegen e n U und der Normierung). 1.13 Hauptsatz der lokalen Kurventheorie Sei I R ein offenes Intervall, und seien κ 1,..., κ n 1 : I R glatte Funktionen mit κ 1,..., κ n 2 > 0. Ferner sei t 0 I, a R n, und b 1,..., b n ein positiv orientiertes ONS von R n. Dann existiert genau eine nach der Bogenlänge parametrisierte Frenet-Kurve c: I R n (welche sogar glatt ist) mit (i) c(t 0 ) = a; (ii) b 1,..., b n ist das begleitende n-bein von c bei t 0 ; (iii) κ 1,..., κ n 1 sind die Frenet-Krümmungen von c.

10 KAPITEL I. KURVENTHEORIE Beweis 7 Wir konstruieren zunächst das begleitende n-bein e 1,..., e n für die gesuchte Kurve c (mit Hilfe der Frenet-Gleichungen und (ii),(iii)), und danach die Kurve c selbst (mit Hilfe von e 1 und (i)). Schritt 1: Mit der (n n)-matrix K(t) = Gleichungen 1.11 für die gesuchte (n n)-matrix f(t) = ( 0 κ1(t) 0. κ 1(t) 0 κ 2. 0 κ 2(t) 0.... ( ) 0 e1(t). e n(t) ) lauten die Frenet- so (Vektoren als Zeilen): f(t) = K(t)f(t). Dieses homogene lineare Differentialgleichungssystem hat nach dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz genau eine Lösung f : I R n2 mit f(t 0 ) = ( b1. b n ), vergleiche etwa Forster, Analysis 2, 12. Aus f = Kf folgt, dass f und dann auch e 1,..., e n glatt sind. Wir zeigen jetzt, dass e 1 (t), e 2 (t),..., e n (t) für alle t I ein positiv orientiertes ONS ist. Aus f = Kf folgt d dt (f(t)f(t)tr ) = f(t)f(t) tr + f(t)( f tr ) = K(f(t)f(t) tr ) + (f(t)f(t) tr )K(t) tr, das heißt ff tr ist Lösung des linearen ( ) homogenen Differentialgleichungssystems ẏ(t) = K(t)y(t) + y(t)k(t) tr mit b1. f(t 0 )f(t 0 ) tr = (b 1,..., b n ) = I n. Aber die konstante Funktion y(t) = I n ist auch eine b n Lösung mit y(t 0 ) = I n, wegen ẏ(t) = 0 = K(t) + K(t) tr für alle t I (Schiefsymmetrie von K(t)). Wegen der Eindeutigkeit dieser Lösung (siehe oben) folgt f(t)f(t) tr = I n für alle t I n, das heißt e 1 (t),..., e n (t) ist für alle t I ein ONS. Wegen det f(t) {1, 1} und der Stetigkeit der Determinante folgt f(t) = f(t 0 ) = 1 für alle t I, das heißt unsere ONS sind positiv orientiert. Schritt 2: Das Differentialgleichungs-System ċ = e 1 hat genau eine Lösung c mit c(t 0 ) = a, nämlich c(t) = a + t t 0 e 1 (τ) dτ. Wegen ċ = e 1 ist c nach der Bogenlänge parametrisiert, und glatt. Ferner folgt c = ė 1 = κ 1 e 2,... c = κ 1 ė 2 + κ 1 e 2 = κ 1 (κ 2 e 3 κ 1 e 1 ) + κ 1 e 2 κ 1 κ 2 e 3 + Spann{e 1, e 2 }, per Induktion dann c (i) κ 1 κ 2 κ i 1 e i + Spann{e 1,..., e i 1 } für i n 1. Wegen κ 1, κ 2,..., κ n 2 > 0 gilt Spann{ċ, c,..., c (i) } = Spann{e 1,..., e i } und c (i), e i > 0 für i n 1, das heißt e 1,..., e n ist das begleitende n-bein zu c. Wegen f = Kf gilt ė i, e i+1 = κ i für i n 1, also sind κ 1,..., κ n 1 die Frenet-Krümmungen von c. Zur Eindeutigkeit von c: Nach Schritt 1 liegt insbesondere e 1 eindeutig fest. Wegen ċ = e 1, c(t 0 ) = a liegt dann auch c eindeutig fest. Bemerkung: Die Voraussetzung, dass jedes κ i glatt ist, lässt sich so abschwächen: κ i ist (n 1 i)-mal stetig differenzierbar; dann wird c n-mal stetig differenzierbar. Für die praktische Bestimmung von c aus gegebenen Krümmungen eignet sich 1.13 nur bedingt (nur für n = 2, vergleiche Abschnitt 2). Setzt man voraus, dass alle Krümmungen κ i konstant sind, so erhält man Produkte von Kreislinien und Schraubenlinien (vergleiche Kühnel Seite 22). Der Hauptsatz 1.13 impliziert, dass keine Relationen zwischen den Frenet-Krümmungen gelten. 1.14 Korollar Seien c, c: I R n nach der Bogenlänge parametrisierte Frenet-Kurven. Genau dann haben c und c die gleichen Frenet-Krümmungen, wenn eine eigentliche Bewegung f von R n existiert mit c = f c (und dann ist f auch eindeutig bestimmt) [Eine eigentliche Bewegung ist eine Abbildung der Form f(x) = Ax + a mit a R n, A orthogonal und det A = 1]. Beweis 8 Aus c = f c folgt die Gleichheit der Frenet-Krümmungen von c, c, siehe Übungsaufgabe 8. Umgekehrt seien κ 1,..., κ n 1 die gemeinsamen Frenet-Krümmungen von c und c, und e 1,..., e n beziehungsweise e 1,..., e n die begleitenden n-beine von c beziehungsweise c. Wähle t 0 I. Weiter sei A diejenige n n-matrix mit Ae i (t 0 ) = e i (t 0 ) für 1 i n. Dann ist A orthogonal und det A = 1 (weil die e i (t 0 ) und auch die e i (t 0 ) jeweils ein positiv orientiertes ONS bilden).

2. EBENE KURVEN 11 Aus den Frenet-Gleichungen ( ) (1.11) ( ė i ) = κ i 1 e i 1 + κ i e i+1 folgt Aė i = κ i 1 Ae i 1 + κ i Ae i+1, e1 Ae1 das heißt sowohl. als auch. sind Lösungen der Frenet-Gleichungen (1.11) mit ω i = κ i, e n Ae n welche bei t 0 übereinstimmen. Wegen der Eindeutigkeit der Lösungen solcher Differentialgleichungen folgt Ae i (t) = e i (t) für alle t I, 1 i n. Insbesondere folgt Aċ(t) = Ae 1 (t) = e 1 (t) = ċ(t) für alle t I, also auch Ac(t) Ac(t 0 ) = t t 0 Aċ(τ) dτ = t t 0 ċ(τ) dτ = c(t) c(t 0 ) für alle t I. Mit dem konstanten Vektor a := c(t 0 ) Ac(t 0 ) gilt also c(t) = Ac(t) + a für alle t I, also c = f c mit der eigentlichen Bewegung f(x) = Ax + a. Zur Eindeutigkeit von f: Ist f : x Mx + b eine eigentliche Bewegung mit c = f c, so folgt Me i (t) = e i (t) für alle t I (wegen der Eindeutigkeit in 1.9), insbesondere für t = t 0, und daher M = A wie oben. Wegen c(t 0 ) = f(c(t 0 )) = Ac(t 0 ) + b folgt auch b = a wie oben. Nach 1.13 und 1.14 bilden die Frenet-Krümmungen ein vollständiges System von unabhängigen Invarianten für Frenet-Kurven im R n (das heißt die Frenet-Krümmungen legen die Kurve bis auf eigentliche Bewegungen fest, und man kann die Krümmungen willkürlich wählen). 2 Ebene Kurven 2.1 Begleitendes 2-Bein und Krümmung Sei c: I R 2 eine Frenet-Kurve (das heißt c ist zweimal stetig differenzierbar, und ċ 0 für alle t I). Dann ist das begleitende 2-Bein e 1, e 2 gegeben durch e 1 (t) = ċ(t) ċ(t), den sogenannten Tangenteneinheitsvektor und ( ) 0 1 e 2 (t) = e 1 0 1 (t), den sogenannten Normalenvektor (dieser entsteht aus e 1 (t) durch Drehen um 90 nach links). Die Krümmung κ = κ 1 : I R von c ist nach 1.11 definiert durch κ(t) = ω 1(t) ċ(t) = ė 1(t), e 2 (t), ċ(t) und dann gilt ė 1 (t) = ω 1 e 1 = ċ κe 2, ė 2 = ω 1 e 1 = ċ κe 1. Man kann zeigen, dass κ(t) = det ( ċ(t), c(t) ) ċ(t) 3 für alle t I ist, siehe Übungsaufgabe 10. Ist c: I R 2 nach der Bogenlänge parametrisiert, so vereinfachen sich diese Formeln. Dann ist e 1 = ċ, e 2 = ( ) 0 1 1 0 e1 und κ = ė 1, e 2. Ferner folgt aus 1 = ċ, ċ durch Ableiten nach t, dass 0 = 2 c, ċ ; das heißt c ist orthogonal zu ċ = e 1, also ist c ein Vielfaches von e 2, daher c = c, e 2 e 2 = ė 1, e 2 e 2 = κe 2, insbesondere κ(t) = c(t) für alle t I. Wegen ) c = ė 1 ist ė 1 = c = κe 2 die erste Frenet-Gleichung; Anwenden der konstanten Drehung auf beiden Seiten liefert ( 0 1 1 0 ė 2 = ( ) 0 1 ė 1 0 1 = κ also die zweite Frenet-Gleichung. ( ) 0 1 e 1 0 2 = κ ( ) 2 0 1 e 1 0 1 = κe 1,

12 KAPITEL I. KURVENTHEORIE Das Vorzeichen der Krümmung κ lässt sich interpretieren: Ist κ(t) > 0, so krümmt sich die Kurve bei t in Richtung ihres Normalenvektors e 2, das heißt in Durchlaufrichtung nach links, und für κ(t) < 0 nach rechts. konkav k<0 e2 c2 e1 k=0 e2 c2 k>0 konvex e1 (Ist κ(t) = 0, κ(t) 0, so spricht man von einem Wendepunkt bei t.) 2.2 Satz (Kennzeichnung von Kreis und Gerade) Eine Frenet-Kurve c im R 2 hat genau dann konstante Krümmung κ, wenn c entweder Teil einer Gerade ist (für κ 0) oder Teil eines Kreises mit Radius 1 (für κ 0). κ Beweis 9 Für den Fall κ 0 vergleiche 1.12. Sei jetzt c Teil eines Kreises um m R 2 mit Radius r > 0. Dann ist c(t) m 2 = r 2 konstant, also nach der Produktregel 2 ċ(t), c(t) m = 0, das heißt für alle t I ist c(t) m orthogonal zu Rċ(t) = Re 1 (t), also c(t) m = ±re 2 (t). Ableiten liefert ċ = ±rė 2, also ċ e 1 = ċ = ±rė 2 = ±r ċ κe 1, also ist κ = ± 1 r. Umgekehrt sei κ konstant und nicht 0, also κ = ± 1 r mit geeignetem r > 0. Mit den Gleichungen ċ = ċ e 1, ė 1 = ± ċ 1 r e 2, ė 2 = ċ 1 r e 1 berechnen wir d dt( c(t) ± re2 (t) ) = ċ ± rė 2 = ċ e 1 ċ e 1 0, also ist c(t) ± re 2 (t) = m R 2 konstant, ferner ist auch c(t) m = re 2 (t) = r konstant. Daher ist c Teil des Kreises um m mit Radius r. 2.3 Interpretationen der Krümmung (a) Sei c : I R 2 eine nach der Bogenlänge parametrisierte Frenet-Kurve, und sei t 0 I mit κ(t 0 ) 0. Dann heißt der Kreis mit Mittelpunkt c(t 0 ) + 1 κ(t e 1 0) 2(t 0 ) und Radius κ(t 0) der Schmiegkreis (oder Krümmungskreis) an c in t 0. Dieser Kreis geht durch c(t 0 ) und hat mit c bei t 0 die Tangente und den Absolutbetrag der Krümmung gemeinsam. Parametrisiert man den Schmiegkreis nach der Bogenlänge in geeignetem Durchlaufsinn, so berührt der Schmiegkreis die Kurve c von 2. Ordnung. Gilt κ(t) 0 für alle t I, so heißt die Kurve t c(t) + 1 κ(t) e 2(t), die von den Krümmungsmittelpunkten beschrieben wird, die Evolute (Brennkurve) von c. Die Evolute ist genau dort regulär, wo κ 0 gilt. (b) Sei c(t) = (t, f(t)) eine Frenet-Kurve im R 2 mit c(0) = (0, 0), e 1 (0) = ċ(0) = (1, 0) und e 2 (0) = (0, 1). Die Schmiegparabel (vergleiche Bemerkung zu 1.10) hat dann die Form t (0, 0) + t(1, 0) + t2 2 ( 0, f(0) ) = (t, 1 2 t2 f(0))

2. EBENE KURVEN 13 e2 e1 c Wegen c(0) = (0, f(0)) ( ) erhält man κ(0) = det(ċ(0), c(0) 1 0 ċ(0) = det 3 0 f(0) = f(0), das heißt die Krümmung κ(0) ist die Öffnung f(0) dieser Schmiegparabel. (c) Sei c: I R 2 nach der Bogenlänge parametrisiert, und sei ϑ(t) für t I der Winkel zwischen dem Geschwindigkeitsvektor ċ(t) und der x-achse (in Formeln: ċ(t) = (cos ϑ(t), sin ϑ(t)). Der Winkel ϑ(t) ist nur bis auf Vielfache von 2π eindeutig, also kann man die Funktion ϑ differenzierbar wählen (vergleiche Bär Seite 42, Kühnel Seite 26). Dann ist ė 1 (t) = c(t) = ) ) e1 (t) = ( sin ϑ(t) cos ϑ(t) ( sin ϑ(t) ϑ(t) cos ϑ(t) ; wegen ė 1 = κe 2 und e 2 (t) = ( 0 1 1 0 das heißt die Krümmung κ ist die Ableitung der Winkelgeschwindigkeit ϑ. ) folgt κ(t) = ϑ(t), 2.4 Rekonstruktion einer ebenen Kurve aus ihrer Krümmung Sei κ: I R vorgegeben; wir suchen eine nach der Bogenlänge parametrisierte Frenet-Kurve c: I R 2 mit der Krümmung κ. Dazu setzt man e 1 (t) = ( cos α(t), sin α(t) ), e 2 = ( sin α(t), cos α(t) ) mit einer unbekannten Funktion α. Die Frenetgleichungen liefern κe 2 = ė 1 = αe 2, also α = κ. Mit den harmlosen Annahmen c(0) = (0, 0), e 1 (0) = (1, 0), also α(0) = 0, folgt dann α(t) = t 0 κ(τ) dτ. Wegen ċ = e 1 folgt dann weiter ( t c(t) = cos α(τ) dτ, 0 t 0 ) sin α(τ) dτ für alle t I. Für konstantes κ wird α linear, und man erhält noch einmal Kreis und Gerade wie in 2.2. Ist κ linear, das heißt κ(t) t konstant, so erhält man sogenannte Spinnkurven (auch als Klothoide bezeichnet) b : b Wegen ihres linearen Krümmungsverlaufs haben Spinnkurven im Straßenbau eine gewissen Bedeutung als Verbindungsstücke zwischen geraden Strecken und Kurven (Kreisen)

14 KAPITEL I. KURVENTHEORIE y x 3 Raumkurven 3.1 Erinnerung an das Kreuzprodukt Zu x, y R 3 existiert genau ein Vektor x y R 3 mit x y, z = det(x, y, z) für alle z R 3. Durch Entwicklung der Determinante nach der letzten Spalte z erhält man nämlich die folgende Formel x y = ( det ( ) x2 y 2, det x 3 y 3 ( ) ( )) x1 y 1 x1 y, det 1 x 3 y 3 x 2 y 2 = (x 2 y 3 x 3 y 2, x 1 y 3 + x 3 y 1, x 1 y 2 x 2 y 1 ). Man bezeichnet x y als das Kreuzprodukt (Vektorprodukt) von x und y. Aus der Definition folgen schnell die folgenden Eigenschaften: Für alle x, y R 3 gilt x y = y x, x y, x = 0 = x y, y, das heißt x y ist orthogonal zu x und y, es ist genau dann x y = 0, wenn x, y linear abhängig sind. Geometrische Interpretation: Sind x, y linear unabhängig, so steht x y senkrecht auf der Ebene Spann{x, y}; ferner ist x y die Fläche des von x, y erzeugten Parallelogramms, und die Basis x, y, x y von R 3 ist positiv orientiert (das heißt det(x, y, x y) > 0, dies gilt wegen det(x, y, x y) = x y, x y = x y 2 > 0, da x y 0). x#y y x Übungsaufgabe: Zeige (x y) z = x, z y y, z x. Randbemerkung: Das Kreuzprodukt ist eine Besonderheit von R 3. Allgemeiner hat man das ( ) ) (2-fache) äußere Produkt R n R n R 2) xi x (n : (x, y) x y = (± det j, vergleiche y i y j i<j

3. RAUMKURVEN 15 Multilineare Algebra (z. B. Zieschang, Lineare Algebra und Geometrie, Kapitel 9). Genau dann gilt ( n 2) = n, wenn n = 3. 3.2 Frenet-Kurven in R 3 Sei c: I R 3 eine Frenet-Kurve, das heißt 3-mal stetig differenzierbar, und ċ, c seien an jeder Stelle linear unabhängig. Für das begleitende 3-Bein e 1, e 2, e 3 und die Frenet-Krümmungen κ 1, κ 2 trifft man die folgenden konventionellen Bezeichnungen: t = e 1 = ċ ċ : Tangenteneinheitsvektor, n = e 2 : (Haupt-)Normalenvektor (entsteht aus c c, e 1 e 1 durch Normieren), b = e 3 = e 1 e 2 = t n: Binormalenvektor, κ = κ 1 = ė1,e2 ċ : Krümmung, τ = κ 2 = ė2,e3 ċ : Torsion (Windung). Man kann zeigen, dass für alle t I gilt (Übungsaufgabe 12): κ(t) = ċ(t) c(t) ċ(t) 3 und τ(t) = det( ċ(t), c(t),... c (t) ) ċ(t) c(t) 2. Wegen ω i = ċ κ i in 1.11 lauten die Frenet-Gleichungen dann ė 1 = ċ κe 2, ė 2 = ċ κe 1 + ċ τe 3, ė 3 = ċ τe 2. ċ ċ c ċ c Variante zu den Formeln für t = e 1, n = e 2 und b = e 3 : Setze e 1 = ċ, e 3 = sowie e 2 = e 3 e 1 = e 1 e 3. (Dann ist e 1, e 3, e 2 negativ orientiert, also ist e 1, e 2, e 3 positiv orientiert). Ist c: I R 3 nach der Bogenlänge parametrisiert, dann vereinfachen sich diese Formeln: e 1 = ċ, e 2 = c c, e 3 = e 1 e 2, κ = c, τ = ė 2, e 3, und man kann die Frenet-Gleichungen (noch einmal) so herleiten: Es ist ė 1 = c = κe 2, ferner ė 2 = ė 2, e 1 e 1 + ė 2, e 2 e 2 + ė 2, e 3 e 3 = e 2, ė 1 e 1 + 0 + τe 3, wegen der Konstanz von e 2, e 1 = 0 und e 2, e 2 = 1 (dann noch Ableiten), also ė 2 = κe 1 + τe 3, und ė 3 = ė 3, e 1 e 1 + ė 3, e 2 e 2 + ė 3, e 3 e 3 = e 3, ė 1 e 1 e 3, ė 2 e 2 + 0 = 0 τe 2, wegen ė 1 Re 2 e 3. Der sogenannte Darboux-Vektor D := τe 1 + κe 3 erfüllt die Gleichungen D e 1 = κe 3 e 1 = κe 2, D e 2 = τe 1 e 2 + κe 3 e 2 = τe 3 κe 1, D e 3 = τe 1 e 3 = τe 2. (wegen e 3 e 1 = e 2, e 3 e 2 = e 1, außerdem haben wir die Abhängigkeit von t I unterdrückt). Daher kann man die Frenet-Gleichungen auch so schreiben: ė i = D e i für i = 1, 2, 3.

16 KAPITEL I. KURVENTHEORIE 3.3 Lokale Normaldarstellung von Raumkurven Sei c: I R 3 glatt und nach der Bogenlänge parametrisiert, ferner 0 I. Eine Taylorentwicklung liefert c(t) = c(0) + t ċ(0) + t2 2 c(0) + t3 6... c (0) + R(t), wobei für den Rest R: I R 3 die Beziehung lim t 0 R(t)/t 3 = 0 gilt (man schreibt dafür oft das sogenannte Landausche o-symbol o(t 3 )). Mit Hilfe der Frenet-Gleichungen kann man ċ, c,... c durch das begleitende 3-Bein e 1, e 2, e 3 von c ausdrücken: ċ = e 1, c = ė 1 = κe 2,... c = ë 1 = κe 2 + κė 2 = κe 2 + κ( κe 1 + τe 3 ) = κ 2 e 1 + κe 2 + κτe 3. Nach Einsetzen von t = 0 kann man damit die Taylorentwicklung umschreiben: ) ( c(t) = c(0) + (t κ(0)2 κ(0) t 3 2 e 1 (0) + t 2 + κ(0) ) 6 2 6 t3 e 2 (0) + κ(0)τ(0) t 3 e 3 (0) + R(t). 6 Diese Formel bezeichnet man als die lokale Normaldarstellung von c. Sie liefert eine Beschreibung von c in einem Koordinatensystem, das passend zur Kurve c gewählt wurde. Die Orthogonalprojektionen von c in eine Ebene Spann{e i (0), e j (0)} mit i j lassen sich dann so angeben (zur Vereinfachung sei c(0) = 0): Schmiegebene Spann{e 1 (0), e 2 (0)}: t te 1 (0) + κ(0) 2 t2 e 2 (0) + o(t 2 ), die Schmiegparabel in der Schmiegebene, bis auf o(t 2 ), falls κ(0) 0. Normalebene Spann{e 2 (0), e 3 (0)}: ( ) t κ(0) 2 t2 + κ(0) 6 t3 e 2 (0) + κ(0)τ(0) 6 t 3 e 3 (0) + o(t 3 ), also eine Kurve vom Typ der Neilschen Parabel (bis auf o(t 3 )), falls τ(0) 0 und κ(0) 0. Rektifizierende Ebene Spann{e 1 (0), e 3 (0)}: ) t (t κ(0)2 6 t 3 e 1 (0) + κ(0)τ(0) 6 t 3 e 3 (0) + o(t 3 ), also eine Kurve vom Typ einer kubischen Parabel (bis auf o(t 3 )), falls τ(0) 0 und κ(0) 0. e2 e3 e3 e1 e2 e1

3. RAUMKURVEN 17 Folgerungen: (a) Vorzeichen der Torsion τ: Wir durchlaufen die Kurve mit wachsendem t (das heißt in Richtung wachsender Bogenlänge). Ist τ(0) > 0, so wächst dabei auch die 3. Koordinate κ(0)τ(0) 6 t 3 (lokal) bei e 3 (0) von c(t), das heißt die Kurve kreuzt die Schmiegebene bei t = 0 und läuft dann weiter in den Halbraum bezüglich der Schmiegebene, der e 3 (0) enthält (sogenannter positiver Halbraum). Ist τ(0) < 0, so verläuft die Kurve nach Kreuzen der Schmiegebene zunächst im negativen Halbraum bezüglich der Schmiegebene. (Rechtsschraube bzw. Linksschraube, bzw. hopfenwendig oder weinwendig). (b) Wegen κ(0) > 0 gilt κ(0) 2 t2 + κ(0) 6 t3 0 für hinreichend kleine t und Gleichheit gilt nur für t = 0 (lokal). Daher existiert eine Nullumgebung J I, so dass α(j) auf derjenigen Seite der rektifizierenden Ebene liegt, welche e 2 (0) von 0 enthält. Bedingungen an Krümmung und Torsion Ist c eine Frenet-Kurve in R 3 mit konstanter Krümmung κ und Torsion τ 0, so ist c Teil einer Kreislinie (nach 1.12 eine ebene Kurve, dann 2.2). 3.4 Sätzchen Eine Frenet-Kurve c: I R 3 hat genau dann konstante Krümmung κ und konstante Torsion τ, wenn c Teil einer Schraubenlinie ist (das heißt nach Anwenden einer geeigneten Bewegung gilt c(i) {(a cos t, a sin t, bt) t R} mit a > 0, b R). Beweis 10 Die Abbildung t (a cos t, a sin t, bt) hat die Ableitung t ( a sin t, a cos t, b) mit der konstanten Länge ( ) a 2 + b 2 t ; daher ist d(t) = a cos, a sin t, b t a 2 +b 2 a 2 +b 2 a eine Parametrisierung der Schraubenlinie nach der Bogenlänge. Damit berechnet man Krümmung und 2 +b 2 Torsion der Schraubenlinie: κ(t) = d(t) = a a 2 +b, konstant und ( 2 τ(t) = det d(t),... ) d(t), d (t) κ(t) = = b 2 a 2 +b, konstant. 2 Sei jetzt umgekehrt c: I R 3 eine Frenet-Kurve mit konstanter Krümmung κ und konstanter Torsion τ. 1. Argumentation: Dann existieren a > 0, b R mit κ = a a 2 +b, τ = b 2 a 2 +b (nämlich a := κ 2 κ 2 +τ, 2 b := τ κ 2 +τ ), das heißt c hat die gleiche Krümmung und die gleiche Torsion wie die Schraubenlinie 2 I R 3, t (a cos t, a sin t, bt). Nach 1.14 entsteht c aus dieser Schraubenlinie durch Anwenden einer Bewegung. 2. Argumentation: Ohne Einschränkung sei c nach der Bogenlänge parametrisiert. Wegen ċ = e 1 versuchen wir, das Differentialgleichungssystem ė1 = K e 1 mit der kon- stanten Koeffizientenmatrix K = 0 κ 0 κ 0 τ zu lösen (vergleiche Beweis zu 1.13). Die 0 τ 0 Lösung lässt sich schreiben als e 1(t) e 2 (t) = exp(tk) e 1(0) e 2 (0) und man kann die Matrix e 3 (t) e 3 (0) exp(tk) := j 0 tj j! Kj berechnen. Die Matrix K hat das charakteristische Polynom X 3 + (κ 2 + τ 2 )X, also in C die drei verschiedenen Eigenwerte 0, ±i κ 2 + τ 2 (verschieden wegen 0 κ2 + τ 2 0 κ > 0). Daher ist K ähnlich zu der Matrix κ 2 + τ 2 0 0, und exp(tk) ist ähn- 0 0 0 ė 2 ė 3 e 2 e 3

18 KAPITEL I. KURVENTHEORIE lich zu 0 κ2 + τ 2 j ( ) 0 j 0 tj j! 0 κ2 + τ κ 2 + τ 2 0 0 = j 0 2 tj j! κ 2 + τ 2 0 = 0 0 0 1 cos(t κ 2 + τ 2 ) sin(t κ 2 + τ 2 ) 0 sin(t κ 2 + τ 2 ) cos(t κ 2 + τ 2 ) 0. 0 0 1 Daher entsteht ċ = e 1 aus cos(t κ 2 + τ 2 )e 1 (0) + sin(t κ 2 + τ 2 )e 2 (0) + e 3 (0) durch Anwenden einer (von t unabhängigen) linearen Abbildung. Deshalb ist c Teil einer Schraubenlinie. 3.5 Randbemerkung Die in 3.4 angegebene Schraubenlinie besteht aus den Punkten cos t sin t 0 sin t cos t 0 a 0 + 0 0 mit t R, 0 0 1 0 bt das heißt die Schraubenlinie ist Bahn (Menge aller Bilder) des festen Vektors Gruppe aller Schraubungen cos t sin t 0 0 R 3 R 3 : x sin t cos t 0 x + 0 0 0 1 bt a 0 unter der 0 mit t R. Diese Schraubungen bilden eine Einparametergruppe eigentlicher Bewegungen. Jede Bahn einer Einparametergruppe von eigentlichen Bewegungen ist eine Kurve mit konstanten Krümmungen (in R n, falls die Kurve eine Frenet-Kurve ist, vergleiche Übungsaufgabe 8(b)). 3.6 Die Schmiegschraubenlinie Zu jeder Frenet-Kurve c: I R 3 und jedem t 0 I gibt es genau eine Schraubenlinie, welche durch c(t 0 ) geht, bei t 0 das gleiche begleitende 3-Bein e 1 (t 0 ), e 2 (t 0 ), e 3 (t 0 ), die gleiche Krümmung κ(t 0 ) und die gleiche Torsion τ(t 0 ) wie c hat; dies folgt aus 3.4 und 1.13. Man nennt diese Schraubenlinie die Schmiegschraubenlinie von c bei t 0. Der Darboux-Vektor D(t 0 ) = τ(t 0 )e 1 (t 0 ) + κ(t 0 )e 3 (t 0 ) zeigt in die Richtung der Achse dieser Schraubenlinie (R(0, 0, 1) in 3.4, Achse der momentanen Rotation ). 3.7 Satz (über Böschungslinien) Für eine Frenet-Kurve c: I R 3 mit Krümmung κ und Torsion τ sind äquivalent: (i) Der Quotient τ κ ist konstant. (ii) Es existiert ein v R 3 \ {0} mit: e 1 (t), v ist konstant (das heißt der Winkel zwischen Rv und der Tangentenrichtung Rċ(t) = Re 1 (t) ist konstant). (iii) Es existiert ein v R 3 \ {0} mit: e 2 (t), v 0. Ist τ(t) 0 für alle t I, so ist jede dieser Bedingungen auch äquivalent zu (iv) Es existiert ein v R 3 \ {0} mit: e 3 (t), v ist konstant. Solche Kurven heißen Böschungslinien (falls sie keine ebenen Kurven sind, das heißt τ 0 überall). Beweis 11 Ohne Einschränkung sei c nach der Bogenlänge parametrisiert. Es gilt d dt e 1(t), v = ė 1 (t), v = κ(t) e 2 (t), v. Wegen κ > 0 folgt hiermit bereits (ii) (iii). Weiterhin gilt d dt e 3(t), v = ė 3, v = τ e 2 (t), v, daher (iii) (iv), und mit τ(t) 0 für alle t I folgt auch (iv) (iii).

3. RAUMKURVEN 19 Sei jetzt (i) richtig. Dann ist der Vektor v := τ κ e 1 + e 3 (= 1 κ D) konstant, wegen v = τ κė1 + ė 3 = τ κ κe 2 τe 2 = 0, und für die Skalarprodukte gilt: e 1, v = τ κ konstant; e 2, v = 0, e 3, v = 1, das heißt (ii), (iii), (iv) sind erfüllt. Wir zeigen jetzt (ii) (i). Aus (ii) folgt (iii) und (iv), jeweils mit demselben konstanten Vektor v, wie wir gezeigt haben, also v = v, e 1 e 1 + v, e 3 e 3 mit konstanten Funktionen v, e 1, v, e 3. Ableiten liefert 0 = v = v, e 1 ė 1 + v, e 3 ė 3 = ( v, e 1 κ v, e 3 τ)e 2, also v, e 1 κ = v, e 3 τ. Wäre v, e 3 = 0, dann auch v, e 1 = 0 wegen κ > 0, also v = 0, Widerspruch! Also ist v, e 3 = 0 und τ κ = v,e1 v,e konstant. 3 3.8 Definition (Berühren zwischen Kurve und Kugel) Die Kugel {x : x m = r} mit Mittelpunkt m und Radius r > 0 (in R 3, oder R n ) berührt eine Kurve c an der Stelle t 0 von der Ordnung k N 0, falls für die Funktion f(t) = m c(t) 2 r 2 gilt f (i) (t 0 ) = 0 für 0 i k. Berühren von der Ordnung 0 heißt f(t 0 ) = 0 m c(t 0 ) = r c(t 0 ) liegt auf der Kugel. Berühren von der Ordnung 1 bedeutet zusätzlich f(t 0 ) = 0 2 m c(t 0 ), ċ(t 0 ) = 0 ċ(t 0 ) liegt in der Tangentialebene der Kugel bei c(t 0 ). c(t0) m 3.9 Satz (Schmiegkugeln und sphärische Kurven) (a) Sei c: I R 3 eine nach der Bogenlänge parametrisierte Frenet-Kurve mit Krümmung κ, Torsion τ und begleitendem 3-Bein e 1, e 2, e 3 ; ferner t 0 I und τ(t 0 ) 0. Dann existiert genau eine Kugel, die sogenannte Schmiegkugel, welche c bei t 0 von der Ordnung 3 berührt. Diese Kugel hat den Mittelpunkt c(t 0 ) + 1 κ(t 0 ) e κ(t 0 ) 2(t 0 ) τ(t 0 )κ(t 0 ) 2 e 3(t 0 ) (und daher den Radius (κ(t 0 ) 2 + κ(t 0 ) 2 τ(t 0 ) 2 κ(t 0 ) 4 ) 1 2 ). (b) Sei c: I R 3 eine nach der Bogenlänge parametrisierte Frenet-Kurve mit Krümmung κ und Torsion τ, und sei τ 0 überall. Genau dann ist das Bild c(i) in einer Kugel enthalten, wenn die Differentialgleichung gilt; solche Kurven heißen sphärisch. ( ) τ κ κ = τκ 2 (c) Jede 3-mal stetig differenzierbare regulär parametrisierte Kurve c: I R 3, deren Bild c(i) in der Kugel S 2 = {x R 3 : x = 1} liegt, ist eine Frenet-Kurve. Ist eine solche Kurve nach der Bogenlänge parametrisiert, so sind Krümmung κ und Torsion τ von c gegeben durch wobei J := det(c, ċ, c). κ = 1 + J 2 und τ = J 1 + J 2 Die Teile von Großkreisen von S 2 sind durch J 0 gekennzeichnet, Teile von beliebigen Kreisen auf S 2 durch konstantes J.

20 KAPITEL I. KURVENTHEORIE Beweis 12 (a) Die Kugel um m R 3 mit Radius r berührt c bei t 0 von der Ordnung 3 ist gleichbedeutend mit m c(t 0 ) = r, und die ersten 3 Ableitungen der Funktion f(t) = m c(t), m c(t) r 2 verschwinden bei t 0. Wir berechnen f(t) = 2 m c(t), ċ(t) ; f(t) = 2 m c(t), c + 2 ċ(t), ċ(t) = 2 m c(t), c + 2; }{{}... f (t) = 2 m c(t),... c (t) + 2 =1 ċ(t), c(t) }{{} =0, weil ċ,ċ =1 = 2 m c(t),... c (t). Hiermit ergibt sich f(t 0 ) = 0 m c(t 0 ), e 1 (t 0 ) = 0, f(t 0 ) = 0 1 = m c(t 0 ), c(t 0 ) = m c(t 0 ), e 2 (t 0 ) κ(t 0 ),... f (t 0 ) = 0 0 = m c(t 0 ),... c (t 0 ) = m c(t 0 ), κ(t 0 ) 2 e 1 (t 0 ) + κ(t 0 )e 2 (t 0 ) + κ(t 0 )τ(t 0 )e 3 (t 0 ), wegen... c = ë 1 = d dt (κe 2) = κe 2 + κė 2 = κe 2 + κ( κe 1 + τe 3 ) = κ 2 e 1 + κe 2 + κτe 3, also... f (t 0 ) = 0 κ(t 0 ) τ(t 0 ) m c(t 0 ), e 3 (t 0 ) = κ(t 0 ) m c(t 0 ), e 2 (t 0 ). Aus m c(t 0 ) = 3 i=1 m c(t 0), e i (t 0 ) e i (t 0 ) erhält man m c(t 0 ) = 1 κ(t e 0) 2(t 0 ) κ(t 0) κ(t 0) 2 τ(t e 0) 3(t 0 ). Daher ist der Mittelpunkt m eindeutig bestimmt (wie behauptet), und damit dann auch r = m c(t 0 ). (b) Sei m(t) wie in (a) angegeben der Mittelpunkt der Schmiegkugel an c in t, und sei r(t) 2 = m(t) c(t), m(t) c(t) ihr (quadrierter) Radius. Liegt c(i) in einer Kugel um M R 3 mit Radius R, so ist M c(t), M c(t) konstant (= R 2 ), also verschwinden alle Ableitungen dieses Skalarprodukts, insbesondere die ersten drei. Also ist die Kugel um M mit Radius R die Schmiegkugel, insbesondere ist m(t) = M konstant. Umgekehrt, ist m(t) konstant, so sind auch r(t) 2 und r(t) konstant, wegen d dt (r(t)2 ) = 2 m(t) c(t), ċ(t) = 0, das heißt die Schmiegkugel ist konstant, und enthält c(i). Also erhalten wir: c c(i) Kugel m(t) konstant 0 = m (t) = d dt = e 1 κ κ 2 e 2 + 1 ( ) κ κ e 2 e 3 κ τκ τκ 2 e 3 ( κ wie behauptet. = e 1 κ κ 2 e 2 + 1 κ ( κe 1 + τe 3 ) τ κ = ( κ τκ 2 ), τκ 2 [ c(t) + 1 κ(t) e 2(t) ) e 3 + κ τκ 2 τe 2 = ] κ(t) τ(t)κ(t) 2 e 3(t) ( ( ) ) τ κ κ τκ 2 e 3 (c) Sei c(i) S 2 wie in (c). Um zu zeigen, dass c eine Frenet-Kurve ist, dürfen wir annehmen, dass c nach der Bogenlänge parametrisiert ist. Dann ist c, c 1 konstant, also 2 c, ċ = 0, und daher 0 = ċ, ċ + c, c = 1 + c, c. Also it c(t) / Rċ(t) für alle t I, also c, ċ(t) linear unabhängig für alle t I, das heißt c ist eine Frenet-Kurve. Sei c(i) S 2 und c nach der Bogenlänge parametrisiert. c, ċ, c ċ ist ein Orthonormalsystem (für jedes t I), also c = c, c c + c, ċ ċ + c, c ċ c ċ. Wegen c, c = ċ, ċ = 1 folgt durch Ableiten 2 ċ, c = 0, also c = c + Jc ċ. c Aus typographischen Gründen schreiben wir ausnahmsweise statt als Differentialoperator.

4. AUS DER GLOBALEN KURVENTHEORIE 21 Dies liefert κ = c = 1 + J 2. Wegen τ = det(ċ, c,... c ) κ 2 Formel für τ, wenn wir det(ċ, c,... c ) = J nachweisen, etwa so: det(ċ, c,... c ) = det(... c, ċ, c) =... c ċ, c = ( ċ + = J (c c) ċ }{{} c, da c,ċ,c ċ ein pos. or.ons = J( c), c = J c, c }{{} = 1 = J. = det(ċ, c,... c ) 1+J 2 folgt die behauptete Jc ċ + J ċ ċ +Jc c) ċ, c }{{} =0 +J (c c) }{{} ċ, c Rċ nach Formel für c, daher (c ċ) ċ=0 Schließlich gilt: J konstant J = 0 τ 0 c(i) liegt in einer Ebene, ist also Teil eines Kreises. J 0 bedeutet zusätzlich, dass κ 1, das heißt c(i) liegt in einem Kreis vom Radius 1 (vergleiche 2.2), das heißt in einem Großkreis. Bemerkung: (i) Die Gleichung in (b) erlaubt es, sphärische Kurven zu erkennen, ohne die Lage der betreffenden Kugel zu kennen. (ii) Beispiel von sphärischen Kurven: e 1, e 2, e 3 zu jeder Frenet-Kurve in R 3. (iii) Interpretation von J: bei sphärischen, nach Bogenlänge parametrisierten Kurven c ist c ċ ein Einheitsvektor, der orthogonal zur Kurve und tangential zur Sphäre (da orthogonal zu c); daher ist J = c ċ, c der Anteil von c, der tangential zur Sphäre ist (sogenannte geodätische Krümmung der sphärischen Kurve). Nach den Formeln in (a) kann man κ, τ explizit durch die Funktion J ausdrücken Rückblick (auf Raumkurven vom lokalen Standpunkt aus): Alle geometrischen Eigenschaften einer Raumkurve sind allein durch ihre Krümmung κ und ihre Torsion τ bestimmt. Die meisen lokalen Aufgaben über Raumkurven lassen sich so lösen: man schreibt die Voraussetzungen auf, und drückt alle vorkommenenden Vektoren durch das begleitende 3-Bein e 1, e 2, e 3 aus, und schaffe Ableitungen ė i (auch höhere Ableitungen) mit Hilfe der Frenet-Gleichungen weg. Damit erhält man die Voraussetzungen in einer Formulierung, in der nur e 1, e 2, e 3 sowie κ, τ und Ableitungen von κ, τ auftreten. Koordinatenvergleich liefert ein Differentialgleichungssystem für κ, τ, das man hoffentlich lösen kann. 4 Aus der globalen Kurventheorie 4.1 Definition Eine (reguläre) parametrisierte Kurve c: [a, b] R n heißt geschlossen, falls eine (reguläre) Parametrisierung c: R R n existiert mit c [a,b] = c und c(t + b a) = c(t) für alle t R (das heißt c ist periodisch mit der Periode b a, insbesondere c(a) = c(b), entsprechend für Ableitungen... ). Man nennt eine geschlossene Kurve c: [a, b] R n einfach geschlossen, falls c [a,b) injektiv ist. 4.2 Definition Eine Frenet-Kurve c: I R 2 heißt konvex, falls für alle t I die Bildmenge c(i) ganz auf einer Seite der Tangente an c in t liegt, das Skalarprodukt c(t ) c(t), e 2 (t) hat für alle t I das gleiche Vorzeichen. c(t) c(t1) konvex nicht konvex